Zuletzt hatte ich im Juli 2017 die „Tage der Entscheidung für Tesla“ ausgerufen. Nicht ohne anzumerken, dass es durchaus auch Monate oder auch Jahre sein könnten. Knapp zwei Jahre später ist es also Zeit für eine erneute Bestandsaufnahme nebst Blick in die Glaskugel.
In der Vergangenheit fand ich Teslas Strategie und Vorgehen eigentlich immer recht stringent und einleuchtend, wenn auch nicht zwingend erfolgsversprechend. Seit einiger Zeit sehe ich aber ein eher chaotisches Bild dieser Firma, die sich mit Ankündigung der Model 3 ja auf die Fahnen schrieb, die Elektromobilität massentauglich zu machen, ohne die bis dahin im mittleren Preisbereich üblichen unschönen Einschränkungen bei Reichweite, Preis und Ladezeit. Man wollte für 35000 US$ (netto – deshalb waren viele deutsche Medienberichte, die das kurzerhand in „32000€“ umrechneten, ein typisches Beispiel für minderbemittelten Journalismus) ein Mittelklassefahrzeug anbieten – die Klasse von Audi A4, Mercedes C-Klasse und 3er BMW, um mal die angepeilte Premium-Konkurrenz zu nennen – und erntete für diese Ankündigung reichlich kostenpflichtige Reservierungen. So an die 500000 dürften es wohl gewesen sein. Vermutlich eine Zahl, die in den Strategieabteilungen der etablierten Anbieter von konventionell angetriebenen Kraftfahrzeugen durchaus für Betriebsamkeit sorgte.
Dann allerdings begannen die Probleme, und ein aus meiner Sicht merkwürdiges, bisher so nicht gekanntes Hüh-und-Hott in den strategischen Entscheidungen.
Zunächst der völlig überflüssige Nebenkriegsschauplatz mit der amerikanischen Börsenaufsicht aufgrund dämlicher Twitterei von Elon Musk, die diesen letztlich seinen Platz im Verwaltungsrat kosteten und mindestens einen Imageschaden nach sich zog.
Dann die Probleme beim Serienanlauf des Model 3, die eigentlich bis heute nicht behoben sind – der monatliche Fahrzeugausstoß ist jedenfalls immer noch nicht berühmt. Dann die Tatsache, dass noch lange nicht alle Reservierungen aus den USA abgearbeitet sind, aber schon mit der Auslieferung in internationalen Märkten begonnen wurde – vermutlich eng verbunden mit der Tatsache, dass man weiterhin das Basis-Modell für die berühmten 35000US$ nicht kaufen kann. Zumindest nicht mehr Online, sondern nur in den Verkaufszentren. Ja, genau in den Verkaufszentren, die man vor kurzem noch komplett schließen wollte und nur noch auf Online-Verkauf setzen wollte, um die Kosten zu senken bzw. die Marge zu erhöhen.
Die zuletzt veröffentlichten Verkaufszahlen zeigten einen recht konstanten (und meines Erachtens viel zu niedrigen) Output, allerdings mit deutlichen Verschiebungen zugunsten des Model 3. Was für Tesla keine guten Nachrichten sind, da an Model S und Model X weiterhin deutlich mehr pro Stück verdient sein dürfte.
Weltweit ist weiterhin zu beobachten, dass signifikante Verkaufserfolge hauptsächlich dort stattfinden, wo staatliche Subventionen den Preis auf ein erträgliches Maß reduzieren. In den USA wird gerade die staatliche Beihilfe ja deutlich reduziert, was Tesla durch Senkungen des Verkaufspreises kompensieren will – Gift für die Marge.
Derzeit steht der Aktienkurs irgendwo um 240 US$. Gegenüber dem Höchststand von Ende Juni 2017, wo um die 345 US$ aufgerufen wurden, schon ein gewisser Absturz. Aber auch folgerichtig – Mitte 2017 war die Wachstumsstory intakt, es wurde zwar massiv Geld verbrannt, aber eben für das Versprechen kommender Marktdominanz. Diese Wachstumsstory ist aus meiner Sicht heute nicht mehr valide – zu gering die Investitionen in die Zukunft (siehe beispielsweise die Ankündigung des Ausbaustopps der Gigafactory in Nevada), zu groß die Probleme beim Weg zum Massenhersteller, zu gering die Aussichten, gegen die etablierten Hersteller langfristig bestehen zu können. Denn sowohl bei den preiswerteren Elektroautos, sei es von Renault, Nissan, Kia oder Hyundai, als auch bei der eher vergleichbaren Oberklassenriege von Jaguar oder Audi, zeigt sich, dass es eigentlich keinen relevanten technischen Vorsprung von Tesla gibt. Besonders der vielgehypte Autopilot enttäuscht doch angesichts fehlenden Fortschritts in Richtung des echten automatisierten Fahrbetriebs, dazu anscheinend ansteigende Unfallzahlen. Keine guten Nachrichten für Tesla.
Aus meiner Sicht ist der Angriff der Konkurrenz in der Oberklasse – 2019/2020 stehen ja auch noch Porsche und Mercedes in den Startlöchern – deutlich kritischer, denn die neue Konkurrenz trifft auf die schon veralteten Tesla-Modelle S und X, für die Tesla noch nicht mal eine große Modellpflege angekündigt hat. Bei diesen margenstarken Modellen tut potente Konkurrenz doppelt weh. Zumal Tesla im Bereich SUV nichts vernünftiges anzubieten hat – weder das Model X noch das Model Y gehen optisch auch nur annähernd als SUV durch.
Dazu kommt das Problem, dass das vermutlich einzige echte Tesla-Alleinstellungsmerkmal, das weltweite Supercharger-Netzwerk, eben auch nicht von alleine skaliert. Und es ist ein recht kapitalintensives Geschäft, dem Tesla ja dahingehend schon Tribut zollte, dass die Supercharger-Nutzung schon lange nicht mehr für alle Tesla-Besitzer kostenlos ist – beim Model 3 wie von mir erwartet. Langfristig wird man über deutlich erhöhte Ladeleistungen nachdenken müssen, die knapp 150 kW eines Superchargers ziehen die Wurst nicht mehr vom Brot. Will man den Massenmarkt erobern, wird man eher über 1 MW nachdenken müssen, um Ladezeiten entsprechend der bisher gewohnten Tankzeiten anbieten zu können. Das bleibt aus meiner Sicht aber weiter die Achillesferse der E-Mobilität, denn die Alternative zu wenigen extrem leistungsfähigen Ladestationen ist eben, quasi überall, an jeder Straßenlaterne, in jeder Garage, auf jedem Parkplatz, eine einfache Ladesäule aufzustellen.
Und am Ende muss man konstatieren, dass im Bereich Akkutechnologie der Durchbruch weiterhin auf sich warten lässt. Die Preise sind nicht in dem Maße wie prognostiziert gesunken, die Kapazitäten eher evolutionär gestiegen. Das könnte darauf hinweisen, dass Konkurrenztechnik wie Plug-In-Hybride noch lange nicht aus dem Rennen sind. Für viele Fahrprofile reichen 100km rein elektrische Reichweite locker aus, noch einen preiswerten Benzinmotor anflanschen, fertig ist das preiswertere und damit bessere meistens-ein-E-Auto-aber-ohne-das-lästige-Reichweitenproblem.
Wie kann Tesla das Ruder noch herumreißen, um aus der Abwärtsspirale zu entkommen? Weniger Hype, mehr liefern. Existierende Kunden zufrieden machen, Neukunden durch innovative und im wahrsten Sinne des Wortes preiswerte Produkte an Land ziehen. Das erfordert eine Umstellung der Firmenphilosophie vom Konzept des „genialen Führers“ hin zu einer seriös wirtschaftenden Firma. Kann ich mir im Moment schwer vorstellen. Ich würde eher auf schleichenden Niedergang mit ein paar letzten Zuckungen wetten. Kann aber Jahre bis Jahrzehnte dauern.