Elon macht Party

Funktionieren deutsch-englisch-gemischte Wortspiele? Ich glaube nicht. Also Klartext: Elon Musk will eine Partei gründen, die „America Party“. Angekündigtes Ziel ist, im Senat und im Repräsentantenhaus ein paar Sitze zu erobern und so bei zukünftigen Entscheidungen das Zünglein an der Abstimmungswaage sein zu können und so – gemessen an den Stimmen – einen überproportionalen Einfluss gewinnen zu können.

Einhelliges Urteil in der veröffentlichten Meinung scheint bisher zu sein: Elon ist endgültig wahnsinnig geworden, die USA sind ein festgefahrenes Zwei-Parteien-System, da mit einer dritten Partei aufzukreuzen wird nicht funktionieren, und hat noch nie funktioniert.

Dieser Standpunkt hat durchaus was für sich. Bei einem Verhältniswahlrecht wie hierzulande ist es schon schwierig, und da scheitert man typischerweise an so einer Nichtigkeit wie der 5%-Hürde. Aber im Mehrheitswahlrecht?

Nun ist die Partei ja noch gar nicht gegründet, und es stehen bisher nur ganz grobe Politiklinien im Raum, die von der Partei vertreten werden sollen: es geht klar in Richtung libertäre Minimalstaatspartei, denn Aufhänger war ja die abermalige gewaltige Expansion der US-Schuldenlast durch Trump, der es da im Prinzip allen seinen Vorgängern gleichtut. Also ist das Ziel der „America Party“: radikale Kürzung der Staatsaufgaben und damit automatisch auch der Staatsausgaben, um das Staatsdefizit wieder in den Griff zu kriegen. Ich kann mir vorstellen, dass Musk während seiner kurzen Aktivität bei DOGE da die eine oder andere Anregung mitgenommen haben dürfte.

Da das Ziel ja nicht ist, den nächsten Präsidenten zu stellen, sondern nur ein paar Sitze zu erobern, würde ich einen Erfolg nicht von vornherein ausschließen. Denn im Prinzip braucht man gar nicht so viel für den Erfolg: im derzeitigen US-Politikklima muss man die große Zahl der Unzufriedenen ja quasi nur einsammeln. Ein paar freundliche Gesichter als Kandidaten, einen Haufen Geld für einen pfiffigen Wahlkampf, Angriffspunkte bei den beiden großen Altparteien und ihren Repräsentanten gibt es ja genug. Sowohl die Präsidenten- als auch die Senats- und Repräsentantenhaus-Wahlen sind oft genug eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera, wo nicht mehr überzeugt einer gewählt wird, sondern mehr zähneknirschend halt noch mal entlang alteingesessener Parteipräferenzen aus Mangel an Alternativen abgestimmt wird. Und es gibt durchaus Beispiele, wo unabhängige Kandidaten (bzw. solche auf dem Ticket einer weitgehend unbekannten Partei) Wahlen gewonnen haben – Jesse Ventura dürfte das bekannteste Beispiel sein.

Ich denke es sollte möglich sein unter aktiven Politikern ein paar Unzufriedene (und beim Wähler beliebte sowie rhetorisch begabtere als Kamala Harris) bei den Demokraten und Republikanern zu finden, die bei Wahlen für Elons neue Partei antreten würden. Das größte Hindernis sehe ich eigentlich in Musk selbst – es wäre notwendig, dass er sich selbst zurücknimmt, nur im Hintergrund die strategischen Dinge entscheidet, und nur unterstützend wirkt, damit das alles funktioniert. Nicht zuletzt, weil seine persönliche Beliebtheit beim Wähler doch sehr überschaubar ist. Bei einem so großen Ego, wie es Musk hat, halte ich das für aussichtslos. Zurückhaltung war noch nie seine Stärke.

Aber das noch viel größere Problem ist meines Erachtens, dass es im Wahlvolk keineswegs eine überwältigende Mehrheit für sparsame Fiskalpolitik gibt. Vordergründig erzählt natürlich jeder, dass der Staat zu viel ausgibt und die überbordenden Schulden ein riesiges Problem für künftige Generationen ist. Aber sobald es irgendwo konkret ans Sparen geht, ist das Geschrei traditionell groß. Und „höhere Steuern“ als Lösungsweg, um das Staatsdefizit signifikant zu verkleinern, dürfte von vornherein aussichtslos sein.

Aber ich lasse mich gerne überraschen. Elon Musk gilt ja weithin als talentiert für disruptive Änderungen. Spannend ist das Experiment allemal.

Wunsch und Wirklichkeit

Seit einigen Wochen fahren Teslas Robotaxis durch Austin, Texas. Endlich, mag der geneigte Beobachter sagen, schließlich kündigt Elon Musk das autonome Fahren von Teslas schon seit einiger Zeit unermüdlich an, und in einer besonderen Art vorauseilenden Gehorsams wurde die Technologie, die eventuell später mal zum autonomen Fahren befähigt, ja schon seit sehr langer Zeit als „Autopilot“ in der Tesla-Aufpreisliste bezeichnet.

Die Geschichte von Mr. Musks Ankündigungen zum Thema autonomes Fahren ist ja inzwischen lang. Ursprünglich angekündigt wurde eine vollautonome Fahrt eines Tesla quer durch die USA meines Wissens schon in 2016, und zwar für das darauffolgende Jahr. Um Missverständnisse zu vermeiden: Level-5-Autonomie. Also ohne Fahrer, ohne direkte Eingriffsmöglichkeit eines Mitfahrenden. In den Folgejahren wurde das regelmäßig um ein Jahr nach hinten verschoben. Was die genauen Gründe dafür waren, blieb im Ungewissen. Dafür häuften sich Berichte diverser Problemchen und Probleme von Tesla-Fahrzeugen im Level-2-Autonomiebetrieb (also „Unterstützung des Fahrers“). Phantombremsungen, Beinaheunfälle, unmotivierte Spurwechsel, Ausweichen auf die Gegenfahrbahn, Ignorieren von Lichtsignalen, Blockieren von Rettungsfahrzeugen – alles mit dabei.

Nun also der Durchbruch im Jahre 2025, 8 Jahre verspätet? Besser spät als nie, und besser eine ausgereifte Software als fehleranfälliges Stückwerk? Liest man die Berichte, fällt es einem schwer, Ausgereiftheit zu konstatieren. Auch beim (offenbar als „experimentell“ gelabelten) Robotaxi-Betrieb in Austin, offenbar mit 10-20 Fahrzeugen, gibt es reichlich Berichte über Probleme. Der Offenbarungseid ist allerdings, dass in allen Robotaxis noch ein „Sicherheitsfahrer“ sitzt. Wunsch und Wirklichkeit – für 2017 war eine vollautonome Fahrt quer durch die USA angekündigt, und 2025 bewegen sich Kleinstmengen an Fahrzeugen unter Aufsicht von Fahrern mit größeren Schwierigkeiten auf drastisch beschränktem Terrain einer einzigen Stadt.

Der Skeptiker könnte sagen: allem KI-Hype zum Trotz scheinen die grundlegenden Probleme des autonomen Fahrens auch über 25 Jahre nach meiner Diplomarbeit zu diesem Thema weitgehend ungelöst, der Fortschritt muss mit der Lupe gesucht werden. Auch wenn man konstatieren muss, dass die Konkurrenz von Waymo offenbar ein besseres Bild abgibt. Übrigens bezweifle ich, dass die oft zitierten Experten Recht haben, dass das Tesla-Problem auf einen Mangel an Sensorik schließen lässt – oft genannt die Abwesenheit von Lidar und/oder Radar. Dass insbesondere die Phantombremsungen auf Mängel in der optischen Erfassung der Kameras zurückzuführen ist, ist hochgradig unplausibel. Es klingt eher wie ein typisches KI-Problem – die Halluzination. Aber vielleicht stecken auch nur schnöde Bugs dahinter.

Man fragt sich, was in 2025 eigentlich noch die absurd hohe Börsenbewertung von Tesla rechtfertigt. Der technologische Vorsprung, egal in welcher Kategorie, kann es ja wohl nicht sein. Und die bedingungslose Loyalität der Elon-Anhängerschaft scheint auch eher zu verblassen. Der durchschnittliche E-Auto-Käufer scheint dafür ein besseres Gespür zu haben als der durchschnittliche Börsen-Investor.

SPD watscht Verfassungsschutz ab

Es ist schon wieder ein paar Tage her, als die Genossen ihren Bundesparteitag begingen. Ich wollte erst „feierten“ schreiben, aber angesichts des Wahlergebnisses und der derzeitigen Umfragen war den Genossen wohl eher weniger zum Feiern zumute. Umso wichtiger, dass man in einem der Kernthemen des modernen Sozialismus Geschlossenheit demonstrierte: ein AfD-Verbotsverfahren ist für die Genossen alternativlos. Man will nun in einem zweistufigen Verfahren erst mal von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe ausreichend Material sammeln, um vor dem Verfassungsgericht eine Chance zu haben, ein Parteienverbot zu erreichen. Danach soll das Material von unabhängigen Gutachtern geprüft werden, ob damit ein Verbotsverfahren mit ausreichender Sicherheit erfolgreich sein wird. Wer sich noch an das kläglich gescheiterte NPD-Verbotsverfahren erinnert, sollte wissen, dass das auch bei extrem unappetitlichen Parteien keineswegs ein Selbstläufer ist. Die Latte für ein Parteienverbot liegt in Deutschland – oder muss man sagen: lag bisher in Deutschland? – ja doch recht hoch.

So weit, so nachvollziehbar. Es ehrt die SPD, hier endlich einmal Nägel mit Köpfen machen zu wollen und das AfD-Verbot nicht nur in Sonntagsreden unverbindlich zu fordern. Interessant finde ich vielmehr, dass die Genossen damit eigentlich frontal den Verfassungsschutz und seine Arbeit angreifen: denn die Vorgehensweise sagt ja nichts anderes, als dass die Bemühungen des Verfassungsschutzes – für jedermann nachlesbar im geleakten „Gutachten“ – bei weitem nicht als ausreichend angesehen werden, um sich auch nur entfernt Chancen in einem Verbotsverfahren auszurechnen. Bisher haben ja alle Experten zum Thema Verfassungsgericht auch recht eindeutig gesagt, dass das Verfassungsschutz-Gutachten derart dünn bestückt mit Nachweisen ist, dass ein Verbotsverfahren auf dieser Basis auf keinen Fall zum Erfolg führen wird. „Gesichert rechtsextrem“ eben nur bezüglich der Kriterien, die der Verfassungsschutz anlegt, also „Parteimitglied xyz hat was ganz böses gesagt – alles Nazis!“ – so in dieser Preisklasse. Vielleicht habe ich aber nicht alle gesammelten Belege hinreichend gewürdigt, das will ich nicht ausschließen, da bin ich für Hinweise offen. Dass der Verfassungsschutz wie auch die meisten Politiker von SED bis CDU das Thema Meinungsfreiheit eher eng auslegt, jedenfalls enger als die ständige Rechtsprechung des BVerfG nahelegen würde, ist ja nicht neu.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass es strategisch für die SPD Sinn ergibt, die AfD tatsächlich verbieten zu lassen (und nicht nur ein Verbot beständig zu diskutieren). Die Stimmen der AfD-Wähler werden größtenteils nicht bei der SPD landen, und die pure Existenz der AfD sorgt automatisch für eine babylonische Gefangenschaft von CDU/CSU – Brandmauer und so. Und man kann als Totschlagsargument immer die AfD hervorholen, wenn es um die Diskreditierung von Positionen rechts der Mitte geht. Nein, strategisch wäre es für die SPD viel klüger, mal bei den dänischen Sozialdemokraten nachzufragen, wie man beim Thema Migration verfahren sollte, um Wähler aus der vormaligen Stammwählerschaft der SPD – Arbeiter, Angestellte, der berühmte „kleine Mann“ – wieder zurückzugewinnen. Das wäre deutlich erfolgversprechender als das Risiko eines Verbotsverfahrens – man überlege sich, was passiert, wenn dieses scheitert. Überspitzt formuliert: die AfD mit dem Unbedenklichkeitsstempel des BVerfG, der Albtraum der Genossen. Schon jetzt ist ja der geistige Spagat für normal denkende Menschen kaum nachvollziehbar: auf der einen Seite wird „gesichert rechtsextrem“ behauptet, auf der anderen Seite traut man sich nicht an ein Verbotsverfahren ran, weil man die Hosen voll hat, was ein Scheitern desselben für Konsequenzen hätte.

Nicht direkt das Thema betreffend, aber noch eine abschließende Beobachtung zur SPD: es wurde von relativ vielen Qualitätsjournalisten berichtet, dass Klingbeil ja „überraschend“ jetzt der starke Mann bei der SPD sei, obwohl er ja maßgeblich das schlechte Wahlergebnis der SPD zu verantworten habe. Kurzer Reality-Check für Genossen und ihnen nahestehende Schreiberlinge: das Hauptproblem des SPD-Wahlkampfs lautete Olaf Scholz. Auch der beste Wahlkampfmanager der Welt, ausgestattet mit unbegrenzten Finanzmitteln, hätte den Wähler nicht dazu bringen können, Olaf Scholz erneut zum Bundeskanzler zu wählen. Es ist ausschließlich die Feigheit führender SPDler, inklusive Boris Pistorius als einzig denkbarem Kanzlerkandidaten, dass Olaf Scholz nochmal antreten durfte oder konnte. Dafür jetzt Klingbeil verantwortlich zu machen, ist wirklich lächerlich. Ganz im Gegenteil muss man beim Ergebnis der Verhandlungen zwischen Union und SPD zwecks Regierungskoalition konstatieren, dass Klingbeil wohl ein absolutes Verhandlungsgenie sein muss, denn im Koalitionsvertrag muss man Unionsinhalte mit der Lupe suchen.

Und wer sich wirklich fragt, warum Saskia Esken gehen musste und Klingbeil nicht, dem empfehle ich einfach mal, eine beliebige Rede oder einen beliebigen Fernsehauftritt von Esken anzuschauen. Diese Frau ist das personifizierte Wählergift. Eines der lebhaftesten Beispiele für die kaum überschätzbare Schädlichkeit von Quotenregelungen aller Art.

Nachwahlprüfung der Vorwahlgedanken

Man sollte ja regelmäßig seine Prognosen und Vorhersagen damit abgleichen, wie sich die Realität dann tatsächlich – oftmals, wenn man sich geirrt hat, natürlich völlig ungerechtfertigt und unbegründet – entwickelt hat.

Ich so vor der Wahl: „Und nach der Wahl? Mehr Geld für Rüstung, Wiederaufleben der Wehrpflicht, etwas Kosmetik beim Rentenproblem, „Reform“ der Schuldenbremse (sprich: ungebremste Neuverschuldung für noch mehr Konsumausgaben des Staates), mehr Bürokratie, Herumhampeln beim Migrationsproblem mit ein paar Alibi-Aktionen wie gehabt.“ Ich stelle fest: mit einem gesunden Maß an Zynismus bezüglich der Lösungskompetenz gewählter Politiker lassen sich Vorhersagen beinahe punktgenau treffen. Wobei die „Kosmetik beim Rentenproblem“ sogar zu optimistisch war, da hat man ja jetzt erst mal eine Kommission in Aussicht gestellt – ich sage voraus, dass das enden wird wie bei der Herzog-Kommission und der Gesundheitsprämie (vulgo „Kopfpauschale“).

Besonders das Thema „Wehrpflicht“ wird ja noch etwas verklausuliert dargestellt, ein kluger Formulierer hat gesagt „wir streben einen freiwilligen Wehrdienst mit Pflichtelementen an“. Wahnsinn. Freiwillige Pflicht. Da muss man erst mal drauf kommen. Ganz abgesehen davon, dass die Bundeswehr strukturell gar nicht in der Lage ist, eine Wehrpflicht zu stemmen – keine Ausbilder, kein Material, keine Kasernen. Da muss man kreativ werden, was bei einem Verwaltungsmoloch wie der Bundeswehr wohl auszuschließen ist. Kleinodfund am Rande: zur Überraschung von genau gar niemandem kam eine Meinungsumfrage zum Ergebnis, dass die Alterskohorte 18-25 stark gegen eine Wehrpflicht ist, die Älteren hingegen sich das sehr gut vorstellen können.

Aber bezüglich Wehrpflicht war meine Vermutung schon immer, dass man eigentlich nur den guten alten Ersatzdienst wieder einführen will (natürlich inklusive der weiblichen Hälfte der Bevölkerung – Gleichstellung und so, ‚wissensschon), um der Pflegemisere mit billigen Arbeitskräften Herr zu werden. Nachdem das mit den Millionen an Flüchtlingen/Migranten/Einwanderern ja nicht so gut geklappt hat, nachdem die schnell verstanden haben, dass Bürgergeld + Schwarzarbeit die deutlich cleverere Alternative zum Mühsal der 40h-Woche ist.

Trotzdem will ich festhalten, dass meine schlimmsten Befürchtungen bezüglich der neuen Regierung nicht eingetroffen sind. Ab und zu hört man gar vom Kanzler sinnvolle Statements, das hielt man nach 16 Jahren Merkel und 3 Jahren Scholz ja schon gar nicht mehr für möglich. Tatsächlich entdeckt man durchaus beim einen oder anderen Statement ein recht gesundes Maß an Realitätssinn, vor allem bezüglich der Finanzierbarkeit diverser Wunschträume. Dass nun ausgerechnet die angekündigte Senkung der Stromsteuer diesem Realitätssinn zum Opfer gefallen ist – geschenkt. Der Qualitätsjournalismus schafft es bei diesem Thema ja, gleichzeitig die Positionen „für den einzelnen bringt eine Senkung ja eh nicht viel“ und „diesen Milliardenausfall kann sich der Staat nicht leisten“ zu vertreten. Die Mathematikabstinenz ist bekanntermaßen stark in diesem Berufszweig.

Immerhin gibt es dank Grenzkontrollen ein paar Lichtblicke bei der Zahl der Asylbewerber, und auch die vorliegenden Informationen zu Investitionen in Material für die Bundeswehr ist durchaus positiver zu sehen ich befürchtet hatte. Wenn man Geld für Waffen ausgibt, sollten die von der heimischen Industrie produziert werden, und zwar in solchen Stückzahlen, dass mindestens das europäische Ausland auch gleich dort bestellt – viele Premium-Preise heimischer Rüstungsprodukte kamen ja nur zustande, weil man Sonderentwicklungen in Kleinstserie beauftragt hatte, Stichwort „Goldrandlösung“. Man denke an das Fiasko rund um den Schützenpanzer Puma. Da scheint jetzt eher Realitätssinn eingekehrt zu sein – neuester Leo mit anständigen Stückzahlen beim Boxer, der bekanntlich universeller einsetzbar ist als anderes fahrendes Großgerät der Bundeswehr. Wenn jetzt noch die unsinnig teuren Fregatten gestrichen werden und endlich die deutsche Kernkompetenz, nämlich der Bau diesel- oder wasserstoffelektrischer U-Boote, forciert wird, besteht zumindest in diesem Teilgebiet Hoffnung. Wenn man jetzt noch die lächerlichen Rüstungsexportbeschränkungen aufgibt und unsere Industrie einfach mal exportieren lässt…das wäre eine einfache Wirtschaftsförderungsmaßnahme. Ob die freundliche Autokratie in Afrika, Südamerika oder im mittleren Osten die Bevölkerung mit deutschen, französischen, amerikanischen, chinesischen oder russischen gepanzerten Fahrzeugen unterdrückt, ist doch wirklich sowas von egal.

Vorwahlergebnisgedanken

Kurz vor den ersten Hochrechnungen noch ein paar unsortierte Gedanken.

Immer noch spannend finde ich die Demoskopen-Divergenz. Die CDU/CSU-Range liegt bei 28% bis 32% – beachtlich. Ebenso beachtlich die Entwicklung bei der SED – von vormals (bis Ende Januar!) stabil 4% haben sie sich inzwischen in einer Umfrage auf 8% hochgearbeitet, aber auf Kosten vom wem? Und warum eigentlich? Man weiß es nicht. BSW liegt ja schon länger bei stabil unter 5%, aber da ist es im Rahmen der Fehlertoleranz, ob es nicht doch für den Einzug in den Bundestag reicht. Selbiges bei der FDP, die konstant zwischen 4% und 5% schwankt. Erstaunlicherweise haben SPD und Grüne eine deutlich geringere Schwankung sowohl über die Zeit als auch über die Umfrageinstitute.

Was haben die ganzen Fernsehduelle jetzt eigentlich gebracht? Man wusste schon vorher, dass Scholz und Habeck komplett lernresistent sind. Bei Scholz und seinen Gedächtnislücken (Cum-Ex!) nicht verwunderlich, erstaunlich war hier eher, wen er alles für das großflächige Versagen der von ihm geführten Bundesregierung verantwortlich macht – alle Schuld außer Olaf. Für mich auch faszinierend, dass nach dem von Scholz forcierten Ampel-Ende ausgerechnet die FDP in den Umfragen abgerutscht ist, während SPD und Grüne auf dem bekannten – niedrigen – Niveau verharrten. Die linksmediale Erzählung von der Verwerflichkeit der Schuldenbremse hat da vielleicht verfangen. Und Merz? Immer noch kein Sympathieträger. Aber je mehr er spricht, desto mehr bekommt man den Eindruck, dass er in kaum einem Feld auch nur den Ansatz von Kompetenz mitbringt.

Und nach der Wahl? Mehr Geld für Rüstung, Wiederaufleben der Wehrpflicht, etwas Kosmetik beim Rentenproblem, „Reform“ der Schuldenbremse (sprich: ungebremste Neuverschuldung für noch mehr Konsumausgaben des Staates), mehr Bürokratie, Herumhampeln beim Migrationsproblem mit ein paar Alibi-Aktionen wie gehabt.

Gespannt bin ich vor allem, welche Rolle zukünftig Boris Pistorius spielen wird. Der aus unerfindlichen Gründen beliebteste Politiker Deutschlands hat es ja auch nicht geschafft, den Sauhaufen namens Bundeswehr auf Trab zu bringen. Das Beschaffungswesen ist weiterhin eine Farce, ausreichende Bestellungen bei Material und Munition ist auch im Angesicht des russischen Angriffskriegs weiterhin ausgeblieben. Die Mutter aller Fiaskos. Zusammen mit den neuen Anwandlungen in den USA – die Trumpschen Töne hören sich ja eher nach „Ende der NATO“ an derzeit – ist das inzwischen als das vordringlichste und einzig existenzielle Problem zu betrachten. Ohne Aussicht auf Lösung. So froh ich war, dass nach dem Katastrophentrio von-der-Leyen/Kramp-Karrenbauer/Lambrecht wenigstens jemand am Ruder ist, der drei Sätze glaubwürdig formulieren kann – am Ende muss man sich eingestehen, dass Pistorius genauso versagt hat wie seine Vorgängerinnen. Ein sicheres Indiz dafür, dass ihm in der SPD noch eine große Karriere bevorsteht.

TL; DR: wir sind am Arsch. Die letzte vernünftige Entscheidung einer deutschen Regierung war die Einführung der Rente mit 67. Danach nur noch Katastrophen. Kernenergieausstieg, Mütterrente, Rente mit 63, offene Grenzen, keine nennenswerten Abschiebungen, elendig lange Asylverfahren, vereinfachte Einbürgerung inklusive doppelter Staatsbürgerschaft, Bürgergeld, Kohleausstieg, Verbrennerverbot, Grundsteuerreform, Ruinierung des Gesundheitswesens, Einschränkung der Meinungsfreiheit beginnend mit dem katastrophalen NetzDG kulminierend in regelmäßigen Hausdurchsuchungen wegen überwiegend harmlosen Social-Media-Posts. Rechtsstaat tot, staatliche Stellen bis zur Handlungsunfähigkeit verbürokratisiert, katastrophale Fehlanreize für Arbeitsunwillige, und wenn man sich das Fiasko bei der Briefwahl anschaut – der Staat ist selbst bei seinen ureigensten simplen Kernaufgaben völlig überfordert. Es bräuchte mindestens einen liberalen Reformer an der Spitze der Regierung. Stattdessen werden wir lauter verkappte oder tatsächliche Sozialisten bekommen.

Wie sagt Danisch immer so schön: geliefert wie bestellt.

Die Uneinigkeit der Demoskopen

Es gehört zu meinen Vorwahlbeschäftigungen, den Demoskopen auf die Finger zu schauen. Die berühmte „Sonntagsfrage“, wo die Demoskopen allerhand intransparente Korrekturfaktoren mit in den Ring werfen, um die Rohdaten ihrer Umfragen irgendwie hinzutrimmen zu einer Art „Prognose“, die aber aufgrund nachgewiesener Fehlerhaftigkeit als „Projektion“ verbrämt wird, nähert sich dem nur alle 4 Jahre stattfindenden Verifikationspunkt – der Wahl selbst. Klar, egal wie weit das Wahlergebnis von den letzten Umfragen entfernt ist, die Demoskopen halten sich und ihre Ergebnisse immer über jeden Zweifel erhaben und (er-)finden immer Begründungen, warum sie wieder grandios daneben lagen.

Diesmal sticht mal wieder Forsa negativ heraus. Nach dem Merz’schen Bundestagsmanöver mit AfD-Aufreger hat die nächste Forsa-Umfrage ja direkt einen starken Dämpfer für die Union „gemessen“ – andere Institute hingegen nicht, und schwupps hat die nächste Forsa-Umfrage wieder die Union etwas stärker gesehen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Forsa ist ja bekannt für eher komisch anmutenden „Trends“, die plötzlich aus dem Nichts entstehen. Man erinnere sich an den SPD-Höhenflug zu Zeiten von Martin Schulz, auch maßgeblich von Forsa…gemessen? Berechnet? Gewünscht? Favorisiert? Zusammenphantasiert? Oder generell das Abschneiden von Forsa im Vorlauf der Bundestagswahl 2021. CDU unterschätzt (und das war wahrlich nicht leicht, besonders im Angesicht von Armin Laschet), Grüne überschätzt, SED bei 6% gesehen – viel mehr kann man kaum danebenliegen. 2017 ein ähnliches Bild – rund zwei Wochen vor der Wahl die Union noch bei 40%, am Wahltag dann nicht mal 33%. Falls sich jetzt jemand fragt, welches weltbewegende Ereignis vor der Wahl 2017 diesen Stimmungsumschwung hätte veranlassen können: es gab schlicht keines. Noch zwei Tage vor der Wahl sah man die Union bei 36%. Wobei die Konkurrenz mit Ausnahme von Allensbach kaum besser abschnitt, egal ob Emnid oder Forschungsgruppe Wahlen oder YouGov. Irgendwas ist faul im Lande der Demoskopen. Oder die Befragten sind so genervt von der Umfragerei, dass ihre Aussagen wertlos sind.

Derzeit gibt es bei der „Sonntagsfrage“ relative Einigkeit, wenn auch im Detail Unterschiede. Die SED ist seit zwei Wochen im schwer erklärbaren Höhenflug und stieg von teilweise um die 3% auf bis zu 7%. Spannend. Spiegelbildlich die Bewegung beim BSW – von 7% auf 4% innerhalb weniger Wochen. Dass es da einen Teil potenzieller Wähler gibt, die von der SED zum BSW gewandert sind und nun enttäuscht wieder zurückkehren, erscheint mindestens plausibel.

Aber der Tag der Wahrheit naht. Wir werden sehen.

Wer sich selbst ein Urteil bilden will: Wahlrecht.de ist die Adresse meiner Wahl, um die Demoskopen-Ergebnisse zu verfolgen.

Wahlkampfhilfe für Merz

Nach langer (Politik-)Blogpause wird es Zeit, sich der baldigen Bundestagswahl zu widmen, die bekanntlich früh, aber auch viel zu spät stattfindet.

Zuerst was zur CDU und dem Kanzlerkandidaten Merz. Lange Zeit hat Merz ja die Strategie verfolgt „nur keinen Fehler machen“, bis er dann mit den Anträgen zur Eingrenzung illegaler Migration im Bundestag ins Risiko gegangen ist. War er da gut beraten? Im Angesicht der Geschehnisse blieb im vermutlich wenig Wahl, wenn er sich beim Thema Migration nicht weiter von der AfD vor sich hertreiben lassen wollte.

Nun war aus meiner Sicht die ohne wirkliche Not verkündete Brandmauerstrategie schon immer ein strategischer Kardinalfehler – zur Bekämpfung der AfD ungeeignet, und letztlich eine Art Regierungsbeteiligungsgarantie für die linke Seite des politischen Spektrums. Letztlich verunmöglicht das die Lösung der Migrationsproblematik durch die Union, wie nicht zuletzt die Ampel-Koalitionäre über drei lange Jahre eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Nicht mal kleine Schritte in Richtung Lösung der Themengebiete „illegale Grenzübertritte“, „Schleuserkriminalität“, „Abschiebungen“ und weitere waren erkennbar, auch auf europäischer Ebene regierte weiter die Politik „Offen für alle“, dazu katastrophale weitere Schritte in die falsche Richtung vom Staatsbürgerschaftsrecht über das Bürgergeld bis zum Familiennachzug nebst der künstlichen Verlängerung des Rechtswegs zwecks Abschiebungsverhinderung. Die Ampelregierung veranstaltete ein echtes AfD-Konjunkturprogramm. Wenn man sich überlegt, was für eigentlich unwählbare Positionen die AfD so alles vertritt, kann ermessen, wie schlimm die Lage von vielen Wählern gesehen wird, dass sie über diese ekelhaften Dinge hinwegsehen und die AfD als echte wählbare Alternative sehen. Wie Blog-Kollege Danisch immer so schön sagt: wir sehen keinen Rechtsruck, sondern eine Linksflucht.

Vernünftigerweise hätte die Union statt der Ausgrenzungsstrategie gegen die AfD, die seit knapp 20 Jahren nicht funktioniert, eine Sachstrategie fahren müssen: wir bringen Gesetzesentwürfe in den Bundestag ein, und wenn sich eine Mehrheit findet, super. Die Idee, dass ein richtiges Gesetz „verdirbt“, wenn die falsche Seite zustimmt, kann doch keinem normal denkenden Menschen vermittelt werden. Das verstehen nur Linke, deren Hirn schon lange matschig geworden ist, und die wählen eh nicht Union. Die „Brandmauer“ in all ihren Ausgestaltungen, gipfelnd in einer Zusammenarbeit auf Länderebene mit der BSW – gegründet aus Teilen der SED! – das will doch keiner sehen. Oder man denke an „diese Wahl muss rückgängig gemacht werden“ – da konnten die Totengräber der Demokratie von Merkel bis zu den üblichen Verdächtigen bei SED, SPD und Grünen bei der Arbeit beobachtet werden.

Ob das Risiko von Merz nun belohnt wird? Ich denke, zwei Dinge können als echte Wahlkampfhilfe für Merz dienen: einmal die Einlassung von Angela Merkel, die Merz kritisierte. Das ist super für Merz, weil es der Mobilisierung von Unionswähler dient – niemand mochte Angela Merkel, noch weniger mochte man aber ihre Politik, die die Union auf den dunklen Pfad hin zur links der Mitte führte und die AfD erstarken ließ. Zweiter Wahlkampfhelfer sind die nach der Bundestagsaktion zu beobachtenden Demos „gegen rechts“, wo die üblichen rotlackierten Faschisten einmal mehr unter Beweis stellten, dass bei ihnen links der Union schon die „Rechtsradikalen“ anfangen. Damit dürfte auch dem letzten Wähler aus dem bürgerlichen Lager klar geworden sein, dass sein Anliegen vom Linksblock bestehend aus SED, BSW, SPD, Grünen und selbst kleinen Teilen von CDU, CSU und FDP in keinster Weise vertreten wird.

Merz wird Kanzler werden, die SPD wird absaufen. Beides zurecht. Die Frage ist nur, wie dann die Regierung aussieht. Wird Merz SPD-Kröten schlucken müssen, oder grüne Kröten, oder beides? Für eine Tolerierung durch die AfD oder eine Minderheitsregierung wird er zusammen mit den anderen Unionsvertretern sicher nicht die Eier in der Hose haben. Obwohl das die einzige Chance wäre auf eine baldige Lösung der Migrationskatastrophe und der problematischen Lage bei der inneren Sicherheit. Bedenkt man die vielen offenen Baustellen in Deutschland – Migration, Wohnungsbau, Energie, Wirtschaft, Sozialsystem, Rentensystem, Bildung, Klima, Verschuldung, Verkehr Gesundheitssystem, Verteidigung, NATO, Verhältnis zur USA – kommt man unweigerlich zu der Erkenntnis, dass „parteilose Expertenregierung mit wechselnden Mehrheiten im Bundestag“ ein sehr attraktives Modell wäre. Leider für Deutschland undenkbar, und so werden wir weiterwurschteln auf bekannt niedrigem Niveau. Mit etwas weniger Katastrophenpotenzial wie die letzten grob 14 Jahre des stetigen Niedergangs des gesunden Menschenverstands in der Regierung.

US-Wahl live – in erträglicher Form

Wer auch immer die US-Präsidentschaftswahlen live verfolgen will, ohne die erneut katastrophale Berichterstattung auf ARD, ZDF, Sat1/Pro7, RTL, n-tv, WELT…ertragen zu müssen:

Ich empfehle den Tangle-Livestream auf YouTube. Jetzt.

Update am frühen Morgen – 04:52h Ortszeit (aka CET)

Georgia vermutlich an Trump. North Carolina vermutlich an Trump. Extrem enges Rennen in Wisconsin und Pennsylvania. Wenn Trump entweder Wisoncsin oder Pennsylvania gewinnt, dürfte das Rennen gelaufen sein. Decision Desk HQ scheint eine gute Adresse zu sein für Live-Auswertungen der Daten, also das, was man hierzulande „Hochrechnung“ nennt.

Spannend: die „popular vote“ ist extrem knapp (wenn auch bedeutungslos), auch ein Indikator, dass Trump eher das Rennen machen dürfte.

Wasserstandsmeldung Ukraine-Krieg

Wasserstandsmeldung klingt verharmlosend – es ist ja mehr so der Leichenberg-Stand und die Materialfriedhof-Belegung.

Der ukrainische Vorstoß in die Region Kursk ist von dauerhafterer Natur als viele prognostiziert haben. Ob die Russen das heimische Terrain nicht zurückerobern wollen oder können, weiß keiner so recht. Vermutlich wollen die Russen ihre übliche Taktik „intensive Verwüstung der Landstriche mit Artillerie und Gleitbomben, danach langsames Vorrücken der Infanterie“ nicht auf eigenem Gebiet einsetzen. Das ist zwar inkonsistent mit dem Vorgehen in den „neuen Volksrepubliken“, aber Konsistenz war noch nie eine russische Stärke.

Im Bereich der restlichen Frontabschnitte sind die Nachrichten unterschiedlich. Teilweise wird von einem schnellen russischen Vorrücken an einzelnen Stellen berichtet, wobei „schnell“ hier „2km pro Tag“ bedeutet anstatt wie vorher „100m pro Tag“. Den russischen Truppen ist ein Übergang in den Bewegungskrieg noch nirgendwo gelungen, ob das an „nicht können“ oder „nicht wollen“ liegt weiß im Moment keiner. Auch wenn sich alle fragen, was denn der Nutzen der Russen wäre, wenn man langsamer als man könnte vorrückt.

Die Ukraine hat zunehmend Erfolge gemeldet bei der Zerstörung von Munitions- und Treibstoffdepots, auch etwas abseits der eroberten Gebiete in der Ukraine, im im weitestens Sinne „grenznahen“ Bereich. Man scheint Fortschritte bei der Entwicklung von Drohnen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen zu machen, offenbar war es den Ukrainern zu blöde, auf die Europäer und Amerikaner zu warten, ob oder ob nicht nun endlich der Einsatzverbot weitreichender Waffensysteme aufgehoben wird.

Die Unterstützung für Russland aus Nordkorea nicht nur in Form von Waffen- und Munitionslieferungen sondern nun wohl auch in Form von Soldaten – wo die eingesetzt sind oder werden und wieviele es sind, scheint derzeit noch unklar – ist ein interessanter Denkanstoß bezüglich der Stärke des russischen Militärs. Bis heute hat Russland es ja vermieden, eine „echte“ Mobilisierung zu fahren. Man setzt auf Freiwillige, die man natürlich entsprechend ködern muss – Straferlass bei Gefangenen ist ein probates Mittel, Geldprämien bei Verpflichtung, großzügige Versorgung der Angehörigen bei Tod auf dem Schlachtfeld. Wie man hört, sind die Geldprämien inzwischen aber in schwindelerregende Höhen geklettert, was bei den derzeit kolportierten 30000 neuen Soldaten pro Monat ziemlich ins Geld geht. Die Leitzinsen der russischen Zentralbank wurden letztens auf sage und schreibe 21% erhöht. Ende 2023 lag man bei auch schon ziemlich hohen 16% (Russland war noch nie Nullzinsland, aber 2021 lag der Leitzins mal bei 4% und Mitte 2022 bis Mitte 2023 bei 8%). Zusammen mit dem Umstellen auf Kriegswirtschaft, der erheblichen Inflation und den irrsinnig gestiegenen Gehältern in den Industriebetrieben ergibt das ein schönes Potpourri an Risikofaktoren für Russland. Krieg ist eben unglaublich teuer und meistens für beide Seiten ein sehr schlechtes Geschäft. Nicht unberücksichtigt sollte man auch lassen, dass eine Menge hochqualifizierter junger Menschen Russland bereits verlassen hat und somit weder als Kanonenfutter noch als Industriefachkraft zur Verfügung steht.

Wie man hört, zahlt Russland an Nordkorea für das Zur-Verfügung-Stellen der Soldaten einen dreistelligen Millionenbetrag (in welcher Währung wohl? Rubel, damit Nordkorea auf jeden Fall in Russland einkaufen muss?), dazu Nahrungsmittel und Technologie. Letzteres ist natürlich fatal, denn zwei der letzten schwer verfügbaren Technologien, die Russland als eines der wenigen Länder beherrscht, sind Atom-U-Boote und Interkontinentalraketen. Langfristig gesehen könnte davon allerdings auch Russland bedroht sein, umso mehr atmet diese ganze Geschichte eine Menge Verzweiflung auf Seiten der Russen. Aber Putin ist wohl im „nach mir die Sintflut“-Modus, wer bei klarem Verstand würde sonst mit dem Iran und Nordkorea paktieren. Und dann auch noch der fallende Ölpreis – nach Februar 2022 lag für viele Monate der Preis bei über 100 US$/Barrel, jetzt hat er sich eher unter 75 US$/bl. eingependelt. Schon zur Zeit der Sowjetunion hat ein niedriger Ölpreis für jede Menge Schwierigkeiten gesorgt, das ist heute nicht anders, weil Russland beim Export im Prinzip nur Rohstoffe anzubieten hat – dass die Waffen aus russischer Produktion nix taugen, wurde nun ja eindrucksvoll im Feld bewiesen.

Die Russen haben also zweifellos große Probleme. Allerdings haben die Ukrainer tendenziell eher noch größere Probleme. Materialmangel aller Orten aufgrund der dramatisch unzureichenden Lieferungen der Unterstützerstaaten. Dazu die schon lange andauernde Mobilisierungsproblematik – je weniger Material man hat, desto mehr Personal benötigt man. Bisher scheint es noch auszureichen, um die Lücken an den diversen gefährdeten Frontabschnitten zu stabilisieren. Aber an ausreichende Rotation der Truppen oder Reservenbildung ist wohl momentan kaum zu denken. Das könnte sich rächen, ob früher oder später oder gar nicht – das wird die Zeit zeigen. Im ersten Weltkrieg war die Front im Westen auch sehr lange stabil und im Stellungskrieg. Jahrelang. Und ist dann urplötzlich zusammengebrochen.

Während alle wie gebannt auf die US-Wahlen schauen, hat es Europa wissentlich und willentlich unterlassen, sich auf das oft an die Wand gemalte Schreckensszenario „die Amerikaner fahren die Unterstützung für die Ukraine runter“ vorzubereiten. Was auch immer das Endergebnis beim russischen Vernichtungsfeldzug sein wird, die Hauptverantwortlichen heißen Putin, Merkel, Scholz, Macron, Johnson, Starmer und Co. – und natürlich das Duo von der traurigen Gestalt Biden/Sullivan. Sollte Trump die Wahl gewinnen, wird natürlich Trump an allem Schuld sein – aber man sollte für die Nachwelt festhalten, dass hauptsächlich die USA die Möglichkeit und die Verpflichtung (nachzulesen im Budapester Memorandum) gehabt hätten, seit Februar 2022 die Ukraine mit allem Notwendigen auszustatten, um die Grenzen von 1991 wiederherzustellen.

Am Beispiel Deutschland kann man schön das flächendeckende Versagen der vorgeblichen Ukraine-Unterstützer illustrieren. Der erste Weckruf war die Annektion der Krim 2014. Der allerletzte Weckruf war der Angriff Russlands im Februar 2022. Man hatte also fast drei Jahre Zeit, die allergrößten Lücken bei der Bundeswehr zu füllen – klar, personaltechnisch geht ohne Wiedereinführung der Wehrpflicht (oder genauer: die Aussetzung der Aussetzung der Wehrpflicht) gar nichts, aber für das jetzt aktuell vorhandene potenziell kampfbereite Personal fehlt ja nach wie vor dramatisch Material. Artillerie, Transportpanzer, Schützenpanzer, Kampfpanzer, Helikopter, U-Boote, Flugabwehr, Jagdbomber, Abfangjäger, Aufklärungsdrohnen, und natürlich Munition, Munition, Munition. Allerspätestens im Februar 2022 hätten bei der heimischen Industrie, egal ob Rheinmetall oder Krauss-Maffei Wegmann oder Diehl oder Airbus oder Heckler&Koch oder Mauser oder MBDA oder am besten bei allen gleichzeitig, die Großaufträge eintrudeln müssen. Dabei rede ich gar nicht von dringend notwendiger Neubeschaffung modernen noch zu entwickelnden Gerätes, sondern einfach nur ein anständiger Munitionsvorrat, anständige Aufstockung der Stückzahlen und der Ersatzteile, sowie der einsatzfähigen Gerätschaften. Das alles ist nicht passiert. Wenn also mal wieder jemand fragt, wer neben Putin der Hauptschuldige am Sterben in der Ukraine ist: die Antworten „Merkel“ und „Scholz“ und „CDUCSUFDPSPDGrüne“ sind auf jeden Fall korrekt.

Trump oder Harris?

Am Vorabend der Wahl in den USA nochmal ein paar unsortierte Gedanken. Nach wie vor melden die Demoskopen hauptsächlich „nix genaues weiß man nicht“. Das Umfrageinstitut, dass bei der letzten Wahl 2020 die entscheidenden Ergebnisse in allen Swing States am genauesten vorhergesagt hat, hat derzeit Trump in praktisch allen Swing States vorne. Das Umfrageinstitut, dass 2016 und 2020 in Iowa am präzisesten vorhergesagt hat (deutlicher Vorsprung für Trump – Iowa ist daher diesmal nicht als Swing State in der veröffentlichten Debatte genannt), hat in seiner neuesten Umfrage zur allgemeinen Überraschung einen recht deutlichen Vorsprung für Harris gemessen.

Was folgt daraus? Nix genaues weiß man nicht. „Within the margin of error“, sagen die Spezialisten. Egal ob es um das (irrelevante) Ergebnis der „popular vote“ geht (da hat Harris lange Zeit die Umfragen deutlich angeführt, inzwischen ist Trump je nach Institut knapp dahinter oder knapp davor) oder um das (relevante) Ergebnis in den Swing States wie Nevada, North Carolina, Wisconsin, Georgia, Arizona, Pennsylvania and Michigan.

Es gibt viele Theorien, was letztlich den Ausschlag geben wird. Kann Harris die Frauen mobilisieren mit ihrem Pro-Abtreibungswahlkampf (oder einfach nur, weil Frauen bevorzugt Frauen wählen, aber das hat Hillary Clinton auch nicht gerettet, aber Merkel)? Oder die Senioren mit ihrer „Trump ist ein Faschist“-Kampagne? Kann Trump bei den Latinos, den Schwarzen, den Männern überraschend gut abschneiden? Ich habe inzwischen so viele gut begründete Hypothesen gelesen (natürlich nicht in Presse und Rundfunk hierzulande, da ist man immer noch stramm auf Pro-Harris-Kurs, wie wenn die Wahl in Deutschland entschieden wird), das mir fast schwindelig wird.

Interessant fand ich Überlegungen, welcher Art wohl die Korrekturfaktoren mehrheitlich sein werden, die die Demoskopen in ihre Modelle eingebaut haben. Aus der jüngeren Vergangenheit weiß man, dass man teilweise die Republikaner-Wähler krass unterschätzt hat (2016) oder krass überschätzt hat (2022). Wie stark hat man da wohl gegengesteuert, und gegebenenfalls überkompensiert? Man weiß es nicht. Je mehr Details man liest, desto unklarer wird die Lage. Es ist ein bisserl wie beim Fußball: da hat vor dem Spiel auch jeder eine Meinung und eine Prognose, aber erst nach dem Spiel sind alle klüger.

Und dann wird ja auch noch für den Senat und das Repräsentantenhaus gewählt. Da sind die Demoskopen ebenfalls sehr sehr uneinig – der wahrscheinlichste Ausgang wird mit „Senat wird republikanisch, Repräsentantenhaus wird demokratisch“ beschrieben.

Macht es am Ende überhaupt einen Unterschied, ob Trump oder Harris am Ende gewinnt? Keinen großen, denke ich. Die USA sind hoffnungslos gespalten, und egal wer gewinnt, die andere Seite wird mit Gewalt antworten. Ich befürchte, dagegen werden die oftmals als „Ausschreitungen“ verniedlichten Zerstörungsorgien der Terroristen von BLM noch harmlos aussehen. Und es wird wieder Vorwürfe bezüglich Wahlbetrug geben. Und wenn man das US-Wahlsystem kennt, muss man diese für plausibel, wenn auch schwer nachweisbar halten. Eine Nation, die mangels Einrichtungen wie „Personalausweis“ oder „Melderegister“ nicht mal genau weiß, wer da eigentlich wählen darf und wer nicht, begibt sich mutwillig und gewollt in diese Position. Geliefert wie bestellt, um einen bekannten deutschen Blogger zu zitieren.

Eines kann man aus europäischer Perspektive jedenfalls festhalten: verschiedene Katastrophen, die angeblich ganz sicher eintreten, wenn Trump Präsident wird, wurden prognostiziert. Aber wirklich vorbereitet darauf hat man sich nicht. Ich sage nur Ukraine-Krieg. Ein absolutes Desaster, und ein erstklassiges Beispiel dafür, woher Politikverdrossenheit kommt: erst große Töne gespuckt, und dann fast drei Jahre nahezu das Gegenteil gemacht. Ob das allerdings reicht, um sich Harris als Präsidentin zu wünschen, nur um der hiesigen Politik die „Trump ist schuld“-Ausrede zu nehmen – so weit würde ich dann doch nicht gehen. Viele ihrer Positionen sind so eindeutig linksradikal, dass man es nicht übers Herz bringt, den Amis diese Präsidentin zu wünschen und von Herzen zu gönnen.