Die Sache mit dem Freihandel

Seit US-Präsident Trump ein paar Strafzölle für einige wenige Waren aus der EU angekündigt hat, scheint die EU plötzlich wieder ihre Liebe für den Freihandel zu entdecken. Auch die Medien stellen die Sache häufig so dar, als ob die USA nun plötzlich den freien Warenverkehr torpedieren will, nachdem doch vorher alle einträchtig in Abwesenheit von Zöllen und Regulierungen miteinander Handel getrieben hätten.

Nichts könnte ferner der Wahrheit liegen. Die EU verschanzt sich seit Jahrzehnten hinter extrem hohen Handelsbarrieren vor allem im Agrarbereich, um die heimische Landwirtschaft zu “schützen”, vor was auch immer. Geschützt wird aber nur der Endverbraucher vor preiswerten Lebensmitteln aus dem Ausland. Vor allem die ärmeren Länder der Welt würden liebend gerne ihre Produkte in der EU anbieten, dürfen aber nicht. Aus allen möglichen fadenscheinigen Gründen, vom Einsatz harmloser Pflanzenschutzmittel bis zum Einsatz ebenso harmloser per Gentechnik (natürlich nur per böser gezielter Gentechnik, nicht etwa per guter Gentechnik wie radioaktiver Breitbandbestrahlung als klassiche Züchtungsmethode) optimierter Pflanzensamen.

Fast vergessen scheint, dass die EU ja lange Zeit recht lustlos an TTIP rumverhandelt hat und das Abkommen letztlich platzen ließ – das wäre ein umfassendes Freihandelsabkommen mit Nordamerika gewesen, aber man wollte nicht. Wegen aller möglicher unsinniger Details wie den berühmten Chlorhähnchen. Und ich kann mich an keinen Politiker erinnern, der sich zur Verteidigung von TTIP aufgeschwungen hätte oder eine für den Freihandel noch bessere Alternative propagiert hätte – nein, im Grunde sind unsere Politiker alles Protektionisten der ganz alten Schule. Aber seit nun Trump in dasselbe Horn stößt, ist es plötzlich höchst verwerflich und “Zölle schaden letztlich allen” und “es droht ein Handelskrieg” und dergleichen verlogener Statements mehr.

Man schaue sich einfach mal die derzeit geltenden Zölle an, und man wird feststellen, dass für die allermeisten Produkte die EU deutlich höhere Zölle verlangt als die USA. Die nun aber aus unerfindlichen Gründen der böse Bube des Welthandels sind. Auch die Tatsache, dass die EU nicht etwa den dafür vorgesehenen Weg der WTO zur Anfechtung der Strafzölle gehen will, sondern direkt die Einführung eigener Strafzölle auf US-Waren favorisiert, zeigt dass die Äußerungen um die Sorge um den Freihandel bloße Lippenbekenntnisse sind.

Wie ich heute der Presse entnehme, favorisiert Deutschland nun aber plötzlich eine Art “TTIP light”, um die Strafzölle quasi in letzter Sekunde zu verhindern. Als Gesprächsangebot an die USA. Sehr interessant. Es könnte Trumps jüngster Erfolg werden. In den USA gibt es ja einige interessante Blogs, die Trumps Talent als “Dealmaker” genauer verfolgen und beschreiben, z.B. der Blog von Scott Adams http://blog.dilbert.com/, vielen bekannt als der Erfinder von Dilbert. Empfehle ich jedem als ausgleichende Lektüre gegenüber den Trump-hassenden Medien hierzulande.

Wes Geistes Kind die EU bezüglich Freihandel ist, ließ sich ja auch schön bei den ersten Verhandlungen zum Brexit sehen, oder bei der Behandlung von europäischen Nicht-EU-Nachbarn wie der Schweiz. “Bullying” ist der passende englische Begriff dafür. Beschämend. Dass Frankreichs Präsident Macron auch noch gleich den Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommens als Handelsnachteil für die EU-Wirtschaft mit in die Zoll- und Freihandelsfrage eingerührt hat – naja, warum sollen die Franzosen bessere Politiker haben als wir.

Lebenszeichen von den Totgesagten

Derzeit ist das Elektroauto bekanntlich in aller Munde. Ein klassischer Hype. Viel zu teuer, viel zu leistungsschwach, aber ein Lieblingskind der Politik, die es mit Subventionen überschüttet und ständig die Privatwirtschaft (und die Autokäufer) für ihre Zurückhaltung bei dieser angeblichen Zukunftstechnologie rügt. Man fragt sich, womit es zusammen hängt, dass die Politik so oft die Rohrkrepierertechnologie favorisiert (siehe auch “Energiewende”). Vermutlich, weil sie mit dem Geld anderer Leute hantiert und nicht mit dem eigenen, das trübt den Blick für selbst einfachste wirtschaftliche Zusammenhänge und verhindert faktenbasierte Einschätzungen eines Preis-Leistungs-Verhältnisses. Wer glaubt, die Politik könne Zukunftstechnologien besser identifizieren als die Marktwirtschaft sollte noch mal die Geschichte der DDR studieren.

Aber das Elektroauto soll nicht das Thema sein. Auf dem diesjährigen Wiener Motorensymposium gab es interessante Meldungen zu dieser ewiggestrigen, aber funktionierenden Technologie namens “Verbrennungsmotor”.

Bosch hat die sofortige Verfügbarkeit einer optimierten Diesel-Abgasreinigung angekündigt – mit viel Fein- und Detailarbeit (das ist das, was Ingenieure tun, liebe Politiker – sie warten nicht auf die Wundertechnologie die alle Probleme löst, sondern entwickelt iterativ immer bessere Lösungen) ist es gelungen, auf Basis bekannter und bewährter Bauteile die realen Abgaswerte auf sensationell niedrigen Stand zu drücken. Dank der Verfügbarkeit bezahlbarer Messinstrumente für die Abgasmessung jenseits von Prüfständen konnte man das nun erreichen. Man spricht von knapp einem Zehntel der laut neuester Abgasnorm zulässigen Emissionen.

VW hat den breiten Serieneinsatz einer einfachen Mild-Hybrid-Technik auf Basis des 48V-Bordnetzes mit Startergenerator in der neuen Golf-Generation 2019 angekündigt. Erhebliche Verbrauchseinsparungen sind zu erwarten, bei marginalen Mehrkosten. Kleiner LiIon-Akku (man spricht von einer Kapazität von nur 1 kWh) ersetzt den Bleiakku, er versorgt sowohl das 48V-Bordnetz als auch den althergebrachten 12V-Zweig mittels DC-DC-Konverter. Der Startergenerator ersetzt den klassischen Anlasser und die Lichtmaschine. Man muss also keine teuren Komponenten dem Baukasten hinzufügen, sondern ersetzt alte durch neue, die nicht wesentlich teurer sind.

Ebenfalls von VW kommt die Ankündigung des neuen 1.5 TGI evo, einem Erdgasmotor mit einem Turbolader mit variabler Turbinengeometrie und Miller-Zyklus. Bekanntlich ist heute schon der Betrieb mit Erdgas in der Gesamtbetrachtung umweltfreundlicher als alle anderen Antriebsarten, sowohl was CO2-Ausstoß als auch was Schadstoffausstoß angeht. Und selbst die Verfechter der erneuerbaren Energien können sich damit anfreunden, weil letztlich ja die “Windgas”-Technik sowas wie der einzige Rettungsanker bezüglich EE-Vollversorgung als Speichertechnologie zur Verfügung steht. Warum also nicht gleich Fahrzeuge mit dem ohnehin anfallenden Windgas betreiben.

Ginge es alleine nach den Fakten – der Siegeszug des Elektroautos wäre vielleicht zuende, bevor er auch nur ansatzweise begonnen hat. Mittels synthetisch hergestellter Kohlenwasserstoffe ist es möglich, den Verbrennungsmotor CO2-neutral zu machen. Der Schadstoffausstoß ist schon heute keine Rede wert, und das beim Verbrennen von vergleichsweise schmutzigem Diesel – kann man den Kraftstoff “designen” wie bei GtL oder BtL einfach möglich, wird die Verbrennung noch sauberer und die notwendige Abgasnachbehandlung deutlich leichter und preiswerter. Am Ende könnte das einzig sinnvolle Elektroauto ein Plug-In-Hybrid sein, der Kurzstrecken rein elektrisch fahren und gleichzeitig durch seinen konventionellen Antriebsstrang weiterhin bezüglich Reichweite und Tankdauer alle Ansprüche befriedigen kann. Die deutlich preiswertere und leistungsfähigere Variante gegenüber dem reinen akkugestützten Elektroauto.

Leider versucht die Politik weltweit, ihr eigenes Süppchen zu kochen – ob aus reiner Industriefeindlichkeit wie hierzulande oder als halbprotektionistische Maßnahme wie in China, am Ende sind es allesamt Marktverzerrungen, die die Durchsetzung der besten Lösung verhindern zugunsten von politisch erwünschten (oder oft genug auch unerwünschten – die “law of unintended consequences” wird von der Politik ja mit Hingabe ignoriert), auf jeden Fall aber für den Verbraucher teureren “Lösungen”. Die übliche Asozialpolitik eben. Gott schütze uns vor politischem Gestaltungswillen. Der Wohlstandsverlust durch die politikverursachten Auswirkungen des Dieselskandals (eigentlich ein eigenständiger Dieselskandal, ich denke dazu muss ich auch noch einen Beitrag verfassen) spricht Bände.

Weidmann For President

Ab 2019 kann man vorsichtig Hoffnung schöpfen. Der Totengräber des Euro, Mario Draghi, wird die Kommandobrücke der EZB verlassen. Er hinterlässt einen Trümmerhaufen – er hat es geschafft, innerhalb weniger Jahre durch seine Nullzinspolitik die Sparer zu enteignen, gleichzeitig diversen Pleitestaaten weitere billige Verschuldung zu ermöglichen, die eigentlich verbotene Staatsfinanzierung durch die Hintertür (Aufkäufe von am Markt wenig werthaltigen Staatsanleihen mit frisch gedruckten Euros) einzuführen und letztlich den Zins als Indikator für Knappheit und Risiko komplett abzuschaffen. Und damit hat er ganze Geschäftsmodelle, einstmals solide, gegen die Wand gefahren – das wird uns noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Von den Kapitallebensversicherungen bis zu den Altersrückstellungen bei Krankenversicherungen oder generell allen kapitalgedeckten Systemen. Aber am Ende wird es auch die umlagefinanzierten Systeme übel treffen.

Durch die beliebige Verfügbarkeit von Euros bei gleichzeitig niedrigstem Zinsniveau ist Draghi ebenfalls verantwortlich für die blasenartig steigenden Immobilienpreise und damit auch für einen Teil der gestiegenen Mieten.

Nun wäre Jens Weidmann als Zentralbänker alter (Bundesbank-)Schule ein möglicher Nachfolger. Einer, dem Wertstabilität wichtig ist. Einer, der versteht, warum es Zinsen geben muss, und warum es auch im Euroraum für Staatsanleihen sowohl unterschiedliche Zinssätze als auch ein echtes Ausfallriskiko geben muss. Kurz: ein vernünftiger Mann.

Vermutlich wird er aber genau deshalb nicht EZB-Chef werden. Die Bundesregierung macht jedenfalls keinerlei Anstalten, ihn als Draghi-Nachfolger zu positionieren oder gar zu forcieren. D.h. die Wahrscheinlichkeit, dass es ausgeht wie damals bei Trichet oder Draghi, wo sich die südländische Laissez-Faire-Zentralbankidee manifestierte, ist extrem hoch.

Und ich habe den Eindruck, dass der Bundesregierung das alles letztlich sehr recht ist. Angeblich hat Schäuble über die Jahre seit der Staatsschuldenkrise 2007 um die 200 Mrd. Euro allein an Zinsen gespart – wie sonst hätte man auch bei ansonsten besinnungsloser Ausweitung der Staatsausgaben eine “schwarze Null” hinbekommen können? Und die Politik feiert sich auch noch dafür (und ein anderer Teil der Politik fordert gar eine Abkehr von diesem Ziel und noch weitere Ausweitung der Staatsausgaben), und keiner weist mal vorsichtig darauf hin, dass es keine besonders tolle Leistung ist, bei immer stärker sprudelnden Steuereinnahmen und Nullzinsen gerade mal einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Nein, es ist eine dramatische Fehlleistung. Selbst Keynes hatte gefordert, die in schlechten Zeiten aufgelaufenen Schulden in guten Zeiten zurückzuführen. Wenn man sich die Staatshaushalte aber anschaut, scheinen sich nur die schlechten Zeiten mit den sehr schlechten Zeiten abzuwechseln. Aber den Wähler scheint es nicht zu kratzen, offenbar ist das Verständnis der Grundrechenarten noch weiter zurückgegangen.

Meine Hoffnung: Weidmann schafft es an die Spitze der EZB. Meine Befürchtung: ein Draghi-artiger Nachfolger wird uns stattdessen noch tiefer in die Grütze reiten.

Die FAZ schreibt über Softwarelizenzen

Die Situation: ich lese gemütlich auf dem Kindle die FAZ vom 18.4.2018. Im Wirtschaftsteil stutze ich – der Titel des Artikels: “Risiken offener Software”. Nicht gerade FAZ-Kernkompetenz, das könnte interessant werden. Ich lese den Artikel unter immer heftigerem Kopfschütteln bis zum Ende. Geschrieben hat ihn ein Jurist namens Hendrik Schöttle – alle meine Vorurteile über die meisten Juristen waren wieder bestätigt. Ich lege den Fall zu den Akten.

Heute vernetzten sich ein paar Neuronen dahingehend, dass mir der Artikel wieder ins Bewusstsein geriet. Ich recherchierte über den Autor und stellte erstaunt fest, dass dieser durchaus schon ein paar Artikel zu Softwarelizenzen und den rechtlichen Konsequenzen dieser veröffentlicht hat, u.a. im Linux-Magazin. Hier 2011 bei Golem.de wird über einen Vortrag von Herrn Schöttle auf dem Linuxtag berichtet, dort spricht ja auch nicht Hinz und Kunz. Der Artikel ist aber doch sehr unscharf und dritte Hand, so dass ich daraus keine Rückschlüsse über die Qualität des Vortrags ziehen will.

Leider ist der aktuelle FAZ-Artikel nicht online verfügbar (ich habe ihn zumindest nicht gefunden), und so muss meine Kritik ohne Referenzen auf das Original auskommen. Was schade ist, ich bin mir sicher dass nur das Lesen des Originals im Zusammenhang mein zunehmendes Kopfschütteln vollwertig erklären kann. Aber genug der Vorrede.

Schon die Hinführung zum Thema irritiert. Es wird eine letztens (wann? wer?) vor Gericht ausgetragene Auseinandersetzung wegen Verstoß gegen die GPL beschrieben – der Beklagte hatte wohl etwas Linux-basiertes verkauft, aber die GPL nicht mitgeliefert. Also ein klassischer Anfängerfehler. Wie man das als Aufhänger für irgendwas außer “manche Leute können nicht lesen” nehmen kann, erschließt sich auch im weiteren Verlauf des Artikels nicht.

Stattdessen wird direkt mal “GPL” und “Open Source” quasi synonym verwendet – unverzeihlich. Dann erzählt der Autor, dass die meisten Lizenzen aus den späten 80ern und frühen 90ern stammen würden und deshalb aus nicht näher ausgeführten Gründen nicht in die Welt des WWW oder der Smartphones passen. Sie würden nicht “skalieren” – auch eine merkwürdige Verwendung dieses Wortes. Laut Autor sind jedenfalls die Pflichten aus den Lizenzen (offenbar sind jetzt also mehrere, wenn auch ungenannt bleibende Lizenzen jenseits der GPL ebenfalls gemeint) “in der heutigen Welt komplexer IT-Systeme aber kaum noch zu bewältigen”. Eine interessante Hypothese, die aber doch mindestens eines schlagenden Beispieles bedurft hätte – ich kenne alle möglichen Lizenzen, aber die allermeisten OSI-approved Open Source-Lizenzen kennen keine solchen kaum zu bewältigenden Pflichten.

Ohne weitere Umschweife springt der Autor zum Thema “unklare Anforderungen der Lizenzen”. Wieder scheint der Autor nur die GPL im Blick zu haben, wirft dann noch “Linux” in die Debatte ein ohne auch nur im Mindesten sich darum zu kümmern, was genau er denn nun mit “Linux” meint – nur der Kernel, oder auch noch was drumrum. Es lässt sich entfernt erahnen, denn es ist dann von “Dutzenden unterschiedliche Lizenzen” die Rede, die sich auf “mehr als 60000 Dateien verteilen”. Aha. Was das im Einzelnen für die Einhaltung der GPL jetzt bedeutet, bleibt weiterhin im Dunkel. Und ja, die GPL ist durchaus unklar, leider vertieft der Autor das aber nicht weiter. Allein die Abgrenzung zwischen “derived/combined work” und “mere aggregation” könnte Bände füllen, die FSF eiert da ja übel herum.

Und so geht es weiter. Unklare Begrifflichkeiten wechseln sich ab mit merkwürdigen Hypothesen (die Ausführungen zum angeblich von der GPL zwingend verlangten Haftungsausschluss sind da fast schon eine Erholung, weil sofort ersichtlich komplett falsch, siehe z.B. GPLv2 2.c)), die nicht weiter begründet werden. Eine Kostprobe: die Weitergabe aller erforderlichen Informationen und Dokumente sei oft unwirtschaftlich. Nun kann man sich schon Fälle vorstellen, in denen das tatsächlich der Fall sein mag, aber “oft”? Also so wie in “die Mehrzahl der Fälle”? Insbesondere, wenn man Software baut, die Open-Source-Komponenten nutzt – und jetzt stelle ich mal die unbelegte Hypothese auf, dass das die übergroße Mehrzahl der Open-Source-Nutzung darstellt – ist diese Weitergabe ja wohl völlig problemlos möglich. Sieht der Autor aber anders – “für den Mittelstand sind solche Anforderungen schlichtweg nicht zu stemmen.”

Nachdem also alle möglichen Probleme, die so oder ähnlich angeblich “oft” das Befolgen von Anforderunen von Open-Source-Lizenzen verunmöglichen, beschrieben wurde, kommt der Autor mit einer brillianten Idee um die Ecke: anstatt sinnlos Aufwand in das Befolgen von Open-Source-Lizenzbedingungen zu stecken, soll man diesen Aufwand doch stattdessen in Softwareentwicklung stecken, und zwar in Software der Geschmacksrichtung “Public Domain”. Hier wird es nun völlig abstrus – “Public Domain” ist in der Welt der Software einer der am schlechtesten definierten Begriffe, und lizenzrechtlich ganz schwierig zu behandeln. Ganz abgesehen von der irrigen Idee, dass man relevant komplexe Softwarebibliotheken mal schnell als “Public Domain” aus dem Boden stampft, für Kosten die niedriger liegen sollen als die Herstellung von Compliance z.B. zur BSD-Lizenz. Oder APL. Oder EPL. Oder <insert favourite open source licence here>. Man fasst es nicht. Insbesondere – mit den Worten des Autors – “in der heutigen Welt komplexer IT-Systeme” – ist diese Idee so absurd, man kann es nicht in Worte fassen.

Unbeantwortet lässt der Autor auch die interessante Frage, inwieweit Kaufsoftware, die für eigene Software und/oder Hardware eingesetzt wird, dieses Problem lösen soll – dort wimmelt es von halbgaren Lizenzbestimmungen, die nicht einen Deut so gut verstanden sind wie die Open-Source-Lizenzen. Da bleibt wohl nur “do it yourself” – angefangen beim Betriebssystem natürlich.

Schlussbemerkung: ich will damit nicht behaupten, dass “Compliance” bezüglich der Lizenzsituation einfach wäre. Aber es ist handhabbar, insbesondere wenn man sich von der GPL fernhält. Eine Lizenz, die derart unklar formuliert ist und derart komplexe Auswirkungen auf damit “verbundene” Software hat, sollte man einfach meiden. Problem gelöst.

Und warum steht dieser mein Artikel nun im Politikblog und nicht im IT-Blog? Weil es hier schon die Kategorie “Qualitätsjournalismus” gab. Weil ich im IT-Blog nur Fachzeitschriften kritisiere. Wobei das manchmal auch im RISC OS-Blog passiert.

Die SPD erklärt sich für weiterhin unwählbar

Parteitage der SPD sind eine interessante Angelegenheit. Man kann oft tief in die Seele der Partei schauen, man kann anhand der Reaktion der Delegierten und anhand der Reden der Vortragenden sehr gut erkennen, wie die Partei abseits der Sonntagsreden und abseits der Koalitionsdisziplin wirklich tickt.

Andrea Nahles wurde nun also zur Großen Vorsitzenden gewählt. Und hat die “gläserne Decke” als “durchbrochen” gefeiert. Damit will sie wohl nahelegen, dass aus irgendeinem Grund bisher die SPD, so sie denn die Wahl hatte, stets männliche statt weibliche Bewerber bevorzugt hat. Ich kann mich täuschen, aber ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass die qualifizierten Frauen für den SPD-Vorsitz Schlange standen. Vermutlich hauptsächlich deshalb, weil ich in den Reihen der SPD bisher keine Frau erkennen konnte, die auch nur entfernt für eine solche Führungsposition qualifiziert wäre. Es ist schon niederschmetternd, dass es nicht mal eine Frau gab, die als besser geeignet als Rudolf Scharping erschien.

Auch bei Frau Nahles scheint die Hauptqualifikation “Frau” zu sein – wobei, man sagt ihr auch nach, dass sie sehr gut im “Netzwerken” sei. Also in der Lage ist, die berühmten politischen Seilschaften aufzubauen. Oder anders ausgedrückt: einem wohlgesonnene Menschen mit Pöstchen und anderen Zuwendungen zu versorgen, so dass sie einem später, wenn es drauf ankommt, verpflichtet sind. Oder um es deutlich zu sagen: dass es, wenn es drauf ankommt, auf keinen Fall in erster Linie auf die fachliche Kompetenz ankommt.

Nun ja. Frau Nahles hat ja auch den berühmten Rechenfehler bei der “Rente mit 63” – einem der teuersten Wahlgeschenke der letzten Jahrzehnte – zu verantworten. Die hochqualifizierten Mitarbeiter ihres Ministeriums hatten mit ganz spitzem Griffel ganz genau kalkuliert, was diese “Rente mit 63” für Mehrkosten verursachen wird. Dabei aber leider übersehen, dass früherer Renteneintritt nicht nur eine längere Rentenbezugsdauer nach sich zieht, sondern auch eine kürzere Einzahlphase, und so lag man um rund Faktor 2 daneben. Kann ja mal vorkommen. “Beherrschung der Grundrechenarten” war dann wohl nicht Teil des Anforderungsprofils für Frau Nahles und ihre Mitarbeiter.

Andrea Nahles hatte beim Kampf um den Parteivorsitz ja überragend starke Konkurrenz. Simone Lange trat an. Wie man hörte, hat das der SPD einiges an Kopfzerbrechen bereitet, weil es in der Geschichte der Wahlen zum Parteivorsitzenden praktisch nie Gegenkandidaten gab, und so musste man von der Redezeit bis zur Reihenfolge der Redner alles mögliche ganz neu durchdenken. Ist aber offenbar durch Einsatz hochqualifizierten Personals gelungen.

Jedenfalls ist Frau Lange Oberbürgermeisterin von Flensburg – wer es nicht kennt, der nördlichsten Stadt Deutschlands mit knapp 100.000 Einwohnern. Also: top-qualifiziert, um eine Partei zu leiten, die demnächst vermutlich nur noch ähnlich viele Wähler für sich begeistern kann. Und welcher Teil ihrer Bewerbungsrede haben die Delegierten am meisten beklatscht? Nach den Berichten, die ich gelesen habe: “Die schwarze Null darf niemals Kern sozialdemokratischer Politik sein.” Weiterhin war zu hören, dass Frau Lange auch mit der Hartz IV-Gesetzgebung hadert, allerdings waren die vorgebrachten Gründe kaum stichhaltiger als “ich will mehr Geld für alle, wer es bezahlt ist mir egal, andere Auswirkungen interessieren mich nicht”. Naja, Sozis halt. Ironie der Geschichte, dass beide großen Errungenschaften der deutschen Sozialdemokratie – die Reform der Sozialgesetzebung sowie die Rente mit 67 – innerhalb der Partei nicht mit Stolz auf das Erreichte gewürdigt, sondern stets im schlechtesten Licht dargestellt werden.

Seit Franz Münteferings Ausspruch vom “strukturell unterfinanzierten Staat” sollte auch dem letzten ehrlichen Steuerzahler klar sein: die SPD will nur sein bestes. Sein Geld nämlich. Und sie will es mit vollen Händen ausgeben. Den Sozialismus in seinem Lauf…dummerweise ist die Zahl der Abgeordneten im Bundestag, die noch glaubt, dass der Steuerzahler mit seinem Geld Besseres anzufangen weiß als es der Staat je könnte, sehr übersichtlich geworden. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass der Staat ausgehend von einer ihm zustehenden Steuer- und Abgabenquote von 100% gnädigerweise ein paar Euro dem Steuerzahler zugesteht.

Immerhin war Frau Lange sympathischerweise in der Lage, sich kurz zu fassen. Von der ihr zustehenden Redezeit von 30 Minuten nutzte sie nur etwa die Hälfte. Ob jetzt gerade bei einer Bewerbungsrede für den Parteivorsitz solche Bescheidenheit angebracht ist, man weiß es nicht. Viele Kubaner wären Fidel Castro sehr dankbar gewesen für solche Bescheidenheit.

Frau Barley hat eine Idee

Heiko Maas war bis dato der größte Reinfall auf dem Posten des Justizministers, Gott sei Dank ist er nun Außenminister, da kann er deutlich weniger Schaden anrichten, weil die Welt sich maximal für deutsches Geld interessiert, aber sicher nicht für darüber hinausgehende Außenpolitik. Um es plakativ zu formulieren: die Welt zittert nicht gerade ob der Mittel zur Durchsetzung deutscher Ideen.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, unter Maas’ Ägide entstanden und von diesem stets vehement verteidigt, halte ich für den jüngsten und bis dato größten Sündenfall des Deutschen Staates wider der Meinungsfreiheit seiner Bürger und deren Chance, diese auch tatsächlich öffentlich äußern zu können. Eine besonders perfide Regulierung, nicht “nur” klassische Nanny-Staat-Anwandlungen und der Versuch der Steuerung der armen unmündigen Schäfchen, in Sonntagsreden gerne “mündige Bürger” genannt. Nein, man führt Zensur durch die Hintertür ein, weit über bisherige gesetzliche Regelungen wie Volksverhetzung und Beleidigung hinaus. Dazu beauftragt man auch noch dubiose Vereine wie die Amadeu-Antonio-Stiftung mit der Überwachung der Medien bezüglich unscharf definierter Begriffe wie “Hassrede” und gestaltet das Gesetz so aus, dass der private Anbieter der Kommunikationsplattform, über die fragliche Inhalte verbreitet werden, de fakto gar keine andere Chance hat als im vorauseilenden Gehorsam, ohne Chance auf Rechtsmittel oder wenigstens Überprüfung des Sachverhalts durch rechtsstaatliche Stellen, die Zensur zu vollziehen. Und der so Zensierte hat ebenfalls keine Chance auf Rechtsmittel, weil er ja nie Rechtsanspruch auf die Veröffentlichung hatte. Ist ja alles privatwirtschaftlich. Also keine staatliche Zensur. Aber de fakto genauso wirksam wie staatliche Zensur. Wie gesagt, perfide.

Aber das NetzDG soll hier nicht das Thema sein, dazu haben andere schon ausführlich Stellung genommen. Es soll um die phantastische, innovative, ja ich will sagen brilliante Idee der Frau Barley gehen, jüngst laut Tagesspiegel auf einer Diskussionsveranstaltung der “Deutschen Public Relations Gesellschaft” (was es nicht alles gibt…) und des Tagesspiegels.

Frau Barley schlägt vor (oder denkt laut darüber nach), ein Gesetz zu erlassen, um Anbieter wie Facebook und Google zu zwingen, ihre Algorithmen zur Gewichtung von Dingen, die dem Nutzer vorzugsweise als weiterführende Links nahegelegt werden, dahingehend anzupassen, dass diese Dinge “pluralistischer” werden. Um Filterblasen aufzubrechen, um die Nutzer breiter zu informieren. Um Barley zu zitieren: “Eine Verpflichtung, dass Algorithmen pluralistischer ausgestaltet werden, halte ich für machbar und nicht schwierig”.

Oh ja, machbar und nicht schwierig. Wenn das die einzigen Kriterien heutzutage sind, um über Freiheitseinschränkungen, Regulierungen und staatliche Eingriffe zu entscheiden, dann gute Nacht. Weiter aus dem Tagesspiegel: “Als Beispiel nannte sie Berichte über Flüchtlinge oder Themen aus der Geschlechterdiskussion. Vorstellbar sei hier ein „Pluralismusgebot“. Als Vorbild nannte Barley die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die zur Einrichtung von Fernsehräten geführt habe.” Gerade den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Hort des Pluralismus zu benennen zeugt seinerseits von einer Filterblase ungeahnten Ausmaßes, in der sich die Politik befindet. Und will man wirklich in einem Gesetz Themen nennen, wo dieses “Pluralismusgebot” gelten soll, oder sollte es universell sein? Persönlich vermisse ich zum Beispiel dringend Pluralismus (oder noch besser: einfach Wahrheit und Fakten) bei den Themen Klimawandel, Umweltschutz und Dieselabgase. Und Meinungsfreiheit.

Ich hätte da noch einen Gegenvorschlag. Politiker könnten z.B. mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Filterblase verlassen. Ein Spaziergang in einer der No-Go-Areas einer beliebigen deutschen Großstadt ohne Sicherheitsbeamte wäre eine gute Maßnahme, da lernt man viel. Einfach mal mit dem Drogendealer oder Zuhälter von nebenan über dessen Probleme reden.

Und für noch mehr Pluralismus würde ich vorschlagen, dass der Staat endlich mal wieder im Medienbereich aktiv wird. Also über die Pressebeteiligungen der SPD hinaus. Und über den ÖR-Rundfunk hinaus. Wie wäre es mit einer wirklich pluralistischen Zeitung? Ich könnte mir als angemessenen Namen “Neues Deutschland” vorstellen. Frau Barley, übernehmen sie!

Eine revolutionäre Idee zur Grundsteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat endlich mal wieder eine vernünftige Entscheidung getroffen. Die Grundsteuer ist in der derzeitigen Ausprägung verfassungswidrig. Wer hätte das gedacht. Sogleich sinnieren diverse Politiker über die neue Ausgestaltung, flicken an Symptomen, arbeiten am beliebten Ziel der Einzelfallgerechtigkeit und jammern über die hohen Mieten (in denen ja unter anderem die Grundsteuer steckt), an denen natürlich niemals die Politik schuld ist, sondern nur die gierigen Vermieter.

Ich habe da einen einfachen, revolutionären Vorschlag: einfach abschaffen. Würde zwar den Neidkomplex des Aufrechten Deutschen bezüglich der “Reichen”, die bekanntlich immer die anderen sind, dramatisch schüren. Aber das kann man aushalten. Gewisse Kreise werden den Reichen auch dann den Reichtum neiden, wenn per Vermögensteuer, Luxussteuer, Reichensteuer, Erbschaftsteuer oder was auch immer in den Gehirnen der passionierten Umverteiler herumspukt diese weitestgehend enteignet werden.

Das Aufkommen der Grundsteuer von rund 10 Mrd. Euro ist eh so niedrig, dass es sich nicht lohnt, regelmäßig den Aufwand zu investieren um die Bemessungsgrundlage geradezuziehen. Wer will schon alle paar Jahre in ganz Deutschland den “Wert” von Immobilien schätzen? Klar, da könnte man ein paar unproduktive Arbeitsplätze mehr schaffen, das scheint ja die Berufung allzu vieler Politiker zu sein – das Ergebnis, wenn man mit diesem Ansinnen allzu erfolgreich ist, kann unter anderem in Griechenland begutachtet werden.

Wenn man schon dabei ist: die Erbschaftsteuer leidet auch unter “viel Aufwand, ungerecht, merkwürdige Ausnahmeregelungen, Bemessungsgrundlage unklar, kaum Aufkommen”. Gleich mit abschaffen.