E-Auto-Update 2022

Lange nichts mehr zum Themenkomplex “Elektroauto” geschrieben. Die Meldung, dass die Deutsche Post nun ihren Verlustbringer Streetscooter an den Mann bzw. den Investor gebracht hat – ohne sich gänzlich davon zu verabschieden, dafür war das Investment viel zu teuer und der große Haufen existierender Fahrzeuge will ja auch gepflegt und gewartet werden, da bietet es sich an, eine Minderheitsbeteiligung zwecks Einflussnahme zu behalten – hat diesen Beitrag indirekt veranlasst.

So viel vorweg: ich habe mich Ende 2021 erneut für einen (gebrauchten) Benziner entschieden – Gründe dafür waren unter anderem die Ladesituation, die Verfügbarkeit, die jährliche Fahrleistung, der Kaufpreis, der Ladestrompreis, der regelmäßige Transportbedarf und das Streckenlängenprofil. Jeder einzelne Grund wäre schon für sich schwerwiegend genug, um von derzeit verfügbaren E-Auto Abstand zu nehmen, nimmt man alle Gründe zusammen ist es ein “no-brainer”.

Was die Verkaufszahlen angeht, sind die Elektroautos und mit Abstrichen die Plug-In-Hybride ja durchaus auf dem Vormarsch, die Wachstumsraten erheblich (wenn auch kommend von niedrigem Niveau). Man sieht aber auch, dass der Erfolg ziemlich stark mit den von Staat zu Staat sehr unterschiedlich ausgestalteten Subventionen zusammenhängt – von daher ist es letztlich selten Markterfolg, sondern eher Subventionserfolg, wenn die Verkaufszahlen steigen. Hierzulande dürfte nicht nur die Kaufprämie in geradezu dramatischer Höhe ein gewaltiger Kaufanreiz sein, sondern auch die Bevorzugung beim geldwerten Vorteil in der Firmenwagenregelung. Ein Plug-In-Hybrid rechnet sich dadurch sehr schnell gegenüber einem klassischen Verbrenner, und der Geldbeutel war schon immer ein exzellentes Argument. Dazu kommt, dass gerade im Bereich der typischen höherklassigen Firmenwagen-Limousinen das Angebot an Elektrovarianten auch besonders groß ist.

Ob der weiteren Entwicklung der Verkäufe bin ich skeptisch, sollten die Subventionen mal massiv zurückgefahren werden. Denn nach wie vor ist es eher schwierig, jenseits von Minderheitenanwendungen einen überzeugenden Use-Case für die E-Autos zu konstruieren. Die CO2-Intensität unseres Strommixes ist nach wie vor viel zu hoch, die Akkupreise sind zu hoch, das Ladenetz zu dünn, die Ladezeiten zu lang, der Ladestrom zu teuer, die Fahrzeugauswahl zu klein, der Gebrauchtwagenmarkt zu mickrig. Praktische Butter-und-Brot-Autos vom Schlage “Kompaktklasse-Kombi unter 20000€” sind nach wie vor nicht erhältlich, und wer nicht ein entsprechendes Fahrprofil hat und zuhause laden kann, tut sich immer noch schwer bei der schmerzarmen E-Auto-Nutzung. Vereinfacht gesagt: der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage auf dem Dach und Bedarf für einen kleinen Zweitwagen für die Kurzstrecke kann durchaus mit der aktuellen Modellauswahl von Renault über Hyundai und Kia bis Opel leben, sofern er sich einen Neuwagen leisten will – auf dem Gebrauchtmarkt sieht es zappenduster aus, und ob sich der in den nächsten Jahren wirklich gut entwickelt, steht in den Sternen. Da die Entwicklung der E-Autos im Moment eher noch zügig von statten geht, ist nicht davon auszugehen, dass der Wertverlust ähnlich niedrig wie bei den Verbrennern sein wird. Ein 10 Jahre altes E-Auto wird alleine aufgrund des unklaren Akkuzustands nur schwer verkäuflich sind, und in so einer Marktsituation tendieren die Nutzer dazu, die Nutzungsdauer deutlich zu verlängern.

Interessant ist – wie immer – ein Blick auf Tesla, das entgegen meinen Unkenrufen die finanzielle Situation erfolgreich konsolidiert hat und inzwischen auch jenseits von verkauften CO2-Zertifikaten an den Rest der Autoindustrie in der Gewinnzone ist. Die Zeit der Verluste scheint vorbei, und es wäre wohl an der Zeit, dass vor allem der deutsche Steuerzahler mal ein Dankesschreiben für die über Jahre andauernde Rettung der Firma erhält. Ich schätze, in 2022 könnten durchaus in der Region von einer Million Teslas weltweit verkauft werden, sofern so viele überhaupt produziert werden können. Aber Tesla kämpft aktuell mit erheblichen Risiken, die Konkurrenzsituation hat sich verschärft, die Alleinstellungsmerkmale sind weitgehend Vergangenheit, und die Qualitätsprobleme tendenziell ungelöst. Dazu kommt die Überalterung des margenstarken Teils der Produktpalette, was sich auch in den einzelnen Verkaufszahlen der Modelle widerspiegelt. Nur das Marketing funktioniert exzellent und wie gewohnt – bei welchem Autohersteller wäre es schon denkbar, dass quasi im Tagestakt Meldungen in der überregionalen Presse bezüglich des Baufortschritts einer schnöden Produktionsstätte erscheinen.

Insgesamt finde ich die Fortschritte bei der E-Mobilität noch eher überschaubar – die Akkus haben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, sind aber immer noch verhältnismäßig teuer und vor allem konstruktiv aufwändig bei der Integration – nur mit ausgefuchstem Temperaturmanagement und großen Kapazitäten erreicht man eine erträgliche Lebensdauer bei guter Schnellladefähigkeit, und diesen Integrationsaufwand wiederum ist im naheliegenden Anwendungsfall “kleiner Zweitwagen” eher nicht zu finden. Auch das Ladenetz hat durchaus Fortschritte gemacht, und auf der Langstrecke gibt es inzwischen halbwegs erträgliche Lösung dank der neuen Schnelllader jenseits der Tesla-eigenen Supercharger. Aber die Preise für den Ladestrom aus diesen Schnellladern sind natürlich auch exorbitant, so dass man im Einzelfall durchaus nochmal nachrechnen sollte, ob der versprochene niedrigere Kilometerpreis beim E-Auto überhaupt noch existiert. Die Idee, dass jeder Supermarkt seinen Parkplatz mit ausreichend kostenlosen Ladeplätzen ausstattet, ist jedenfalls nicht Wirklichkeit geworden. Der lokale Aldi ums Eck hat immer noch nur eine einzige Ladestation, die über die Dauer des typischen Einkaufs eher nicht in der Lage ist, den Stromverbrauch der Hin- und Rückfahrt zu ersetzen. Falls sie überhaupt gerade frei ist. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Zahl der verfügbaren Ladesäulen pro existierendem Elektroauto in 2021 überhaupt zugenommen hat. Sicher ist hingegen, dass der Ladestrom deutlich teurer geworden ist, und angesichts steigender Strompreise wird sich dieser Trend vermutlich fortsetzen – und so schließt sich der Kreis, und der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage verbleibt als Zielgruppe.

Fortschritte beim typischen Stromverbrauch gab es leider auch nur begrenzt, interessanterweise schwanken die Verbrauchswerte aber ziemlich – Hyundai scheint da gerade die Nase vorne zu haben und kommt in den Tests (inklusive Ladeverluste) auf realistische 16 kWh/100km, während die Renaults, VWs, Opels und Teslas dieser Welt eher im bekannten Mittelfeld von rund 20 kWh/100km beheimatet sind. Und damit sind wir wieder beim Ladeproblem: die typische 11kW-Wallbox in der heimischen Garage braucht also im Idealfall 2h, um schlappe 100km Reichweite nachzuladen. Je nach Fahrprofil ist das irgendwo zwischen absolut ausreichend und viel zu langsam, aber es sollte klar sein, dass oft propagierte Ideen wie “nur laden wenn die PV-Anlage gerade Überschüsse produziert” oder “wir nutzen Fahrzeugakkus zur Netzstabilisierung” komplett abwegig sind. Wenn das Fahrzeug am Kabel hängt, sollte es auch laden, und zwar so viel und schnell wie möglich, weil es eh schon viel zu lange dauert. Und dafür reicht die Schuko-Steckdose der vorhandenen Strominstallation in der Garage bei weitem nicht aus, es sei denn man fährt nur zweimal die Woche auf er Kurzstrecke Auto – dann sollte man sich aber umso intensiver überlegen, ob ein E-Auto (oder generell ein Auto) überhaupt Sinn ergibt.

Auch nicht erfüllt haben sich die Hoffnungen bezüglich signifikant reduzierter Wartungskosten bei den E-Autos gegenüber den Verbrenner-Brüdern. Das liegt zum einen daran, dass der typische unkomplizierte Benziner-Antriebsstrang heutzutage – wenn man nicht gerade mutwillig den Turbo kaputtfährt – eine sehr zuverlässige Angelegenheit ist und große Reparaturen innerhalb von 150000km eher die Ausnahme sind, zumal eine zusätzliche Absicherung über eine Garantieverlängerung extrem preiswert ist (was wiederum dafür spricht, dass die durchschnittliche Zuverlässigkeit der teuren Komponenten sehr hoch ist). Und die Verschleißteile sind bei den E-Autos eben ähnlich wie bei den Verbrennern, von der Beleuchtung über die Reifen bis zu – bei manchen Herstellern – die Bordelektronik, dazu kommt noch der Akku als drohendes Totalschadenrisiko im Hintergrund. Dass man bei Plug-In-Hybridfahrzeugen “worst of both worlds” hat, dürfte sich von selbst verstehen.

Zum Abschluss noch eine kurze Überschlagsrechnung mit schönen geraden Zahlen im Lichte dieser Erkenntnisse. Benzin kostet 2€ pro l, die kWh Fahrstrom 50ct (Ionity ruft am Schnelllader gerade 79ct/kWh auf, man sollte also tunlichst hauptsächlich zu Hause laden). Als Realverbrauch eines einigermaßen modernen, ausreichend motorisierten mittelgroßen Benziners kann ich 6l/100km vermelden. Bei angenommenen 20 kWh/100km kosten 100000km Fahrleistung also benzintechnisch 12000€ vs. stromtechnisch 10000€. Dabei hat der Benziner dann etwa 10t CO2 ausgestoßen, was selbst nach derzeitigem Plan mit 50€/Tonne ab 2025 übers Autoleben gerechnet dann gerade mal 500€ ausmacht. Selbst wenn man den CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion vernachlässigt, fragt man sich schon, warum es aus Klimaschutzgründen sinnvoll sein soll, 9000€ Kaufprämie auszuschütten (wobei ehrlicherweise nur 6000€ echt ausgeschüttet werden, weil die restlichen 3000€ vom Hersteller kommen, der das vorher natürlich auf den Kaufpreis draufgeschlagen hat) um damit in Summe CO2 im Wert von 500€ einzusparen. Und dabei sind die anderen CO2-Steuern sowohl auf die KfZ-Steuer als auch die seit Januar 2021 erhobene CO2-Steuer auf Benzin von 10ct/l als auch die CO2-Strafabgaben der Automobilhersteller bei Überschreiten des Flottengrenzwertes noch gar nicht berücksichtig. Kaum etwas könnte politischen Irrsinn besser illustrieren als diese Gesamtgemengelage. Und am Ende beklagt man sich über “Marktversagen”, nachdem man erstmal den einzig entscheidenden Faktor der Marktwirtschaft, nämlich den Preis, willkürlich verzerrt hat.

Nehmen wir für einen kurzen Moment an, Fahrstrom wird mit einer ähnlichen Steuer- und Abgabenlast belegt wie Benzin. Die Subventionen des E-Autos von der KfZ-Steuer über die Zuschüsse für Ladestationen bis zur Kaufprämie werden eingestellt. Der echte CO2-Ausstoß je verbrauchter kWh Fahrstrom wird abkassiert. Wer bei klarem Verstand würde da ein E-Auto kaufen?