Der Zusammenhang zwischen Leistung, Energie, Kapazität und Qualitätsjournalismus

Ein Ärgernis seit vielen Jahrzehnten ist die komplette Unfähigkeit von Journalisten, beim Thema Stromversorgung die Parameter “Leistung” und “Energie” auseinanderzuhalten. Meist äußert sich das im wilden Durcheinanderwerfen von Watt und Wattstunden, im Kraftwerksmaßstab also meist MW und kWh.

So auch das Pioneer Hauptstadt-Briefing vom Freitag, wo folgende Aussagen im Rahmen des völlig berechtigten Hinweises “ohne Speicher funktioniert die deutsche Energiewende nicht” getätigt wurden: “Bis 2030 gehen etwa die Forscher vom Fraunhofer ISE von einem Bedarf für Batteriekapazitäten in Höhe von rund 50 Gigawatt aus.” und “Mit der aktuellen Geschwindigkeit aber würden bis dahin keine zehn Gigawatt erreicht werden” und “Kyon ist der deutsche Marktführer für den Bau und Betrieb von Batteriegroßspeichern. Und dabei, die Marke von einem Gigawatt Speicherkapazität zu überspringen.” Die drei Zitate sind zusammengenommen ungefähr so dumm, wie wenn man bei einem Windpark schreibt “versorgt 50000 Haushalte” – in Wahrheit versorgt ein Windpark in Ermangelung von Stromspeichern genau 0 Haushalte.

All das zeigt, dass Journalisten nicht mal den Wissensstand von Mittelstufen-Physik (8. Klasse) verinnerlicht haben. Was per se schon traurig wäre, selbst wenn sie nicht Artikel über Themen der Energiewende und der Stromversorgung schreiben würden. So ist es höchst ärgerlich und zeigt die Dringlichkeit, den Durchschnittsjournalisten endlich durch einen KI-Bot zu ersetzen. Denn schlechter kann die Qualität nicht werden, egal ob es um Faktentreue oder logische Zusammenhänge oder Rechtschreibung und Grammatik geht.

Damit die Leser hierzublogs noch wenigstens ein paar gewinnbringende Erkenntnisse außer dem wohlbekannten “Presse und Rundfunk sind qualitativ großer Mist und kann weg” mitnehmen kann, hier mal ein paar Größenordnungen und Überschlagsrechnungen zum Thema Strom.

Ein wichtiger Parameter des Stromverbrauchs hierzulande ist die Lastspitze. Man muss regelmäßig mit einem Bedarf von rund 75 GW Leistung rechnen, man braucht also in Summe konventionelle Kraftwerke, die diese 75 GW stemmen können – denn bei der gefürchteten Dunkelflaute machen PV und Windkraft bekanntlich synchron schlapp, auch wenn inzwischen dank der irrsinnigen Subventionen die installierte Leistung (die Summe aller Erzeugungskapazitäten) in Deutschland bei inzwischen 220 GW liegt – zu schlechten Zeitpunkten wie “bewölkter Schwachwindtag” oder “schwacher Wind nach Sonnenuntergang” ist es kein seltenes Ereignis, dass die summarische Produktion aus PV und Wind unter 2 GW liegt – 2 GW aus 220 GW, Respekt. Bezüglich Netzstabilität: die einigermaßen zuverlässigen Erzeuger Steinkohle, Braunkohle, Gas, Öl, Wasser und Biomasse liegen in Summe bei 85 GW, zusammen mit der Netzkopplung im europäischen Verbundnetz mit etwa 30 GW Potenzial sind wir hier also noch auf der sicheren Seite. Übrigens ist die Spitzenlast über die Jahrzehnte deutlich gesunken, Mitte der 90er galt “95 GW” als Worst-Case-Winterabend-Spitze noch als Maßstab. Heute hat man im Tagesverlauf überwiegend eine Mittagsspitze zwischen 11:00h und 14:00h, und im Herbst bis Frühjahr eine Abendspitze von etwa 17:00h bis 19:00h. Wie sich das in Zukunft mit Weiterverbreitung von Wärmepumpen, Klimaanlagen und Elektroautos entwickelt ist schwer vorherzusagen. Wenn 20 Millionen Elektroautos über Nacht am Strom hängen, braucht man schon ein vernünftiges Lastmanagement, und auf Schnellladung sollte verzichtet werden – selbst an einer mickrigen 11kW-Wallbox, die bei heute gängigen Akkugrößen schon 6h zum Vollladen braucht, würde sich der Leistungsbedarf im Netz im Szenario “alle wollen laden” auf 220GW summieren. Gott sei Dank ist die durchschnittliche tägliche Fahrleistung nur bei knapp 40km, also müssen nur – je nach Fahrzeug – irgendwas zwischen 6 und 10 kWh nachgeladen werden.

Ein weiterer wichtiger Parameter ist der Jahresstromverbrauch. In den 80ern rechnete man noch mit in Summe 650 TWh, inzwischen bewegt sich das eher in Richtung 500 TWh (Deindustrialisierung sei Dank, und auch LED-Leuchten statt Glühlampen haben einen nicht zu verachtenden Anteil). Tendenz gleichzeitig steigend und sinkend – steigend wegen Wärmepumpe (aka “Heizen mit Strom”) und Elektromobilität, sinkend wegen der Abwanderung der industriellen Produktion.

Welchen Beitrag leisten die erneuerbaren Energien PV und Windkraft, die ja in Zukunft das Rückgrat der Stromversorgen bilden sollen? Es schwankt. An einem typischen Sommertag liegt Windkraft irgendwo zwischen 1 GW und 35 GW, PV zwischen 0 GW und 45 GW (wenn es sonnig ist) bzw. 15 GW (wenn es bewölkt ist). Kurz gesagt: man braucht Speicher, oder weiterhin einen kompletten konventionellen Kraftwerkspark und verabschiedet sich von der CO2-Neutralität, die hierzulande ja je nachdem wen man fragt zwischen 2040 und 2050 Realität sein soll. Auch wichtig zu wissen: 2022 lag die installierte Leistung aller PV-Anlagen in Deutschland bei rund 60 GW, die der Windkraftanlagen (onshore und offshore) ebenfalls. Wer sich jetzt wundern, warum wir nicht viele Tage im Jahr haben, wo Wind und Sonne unseren kompletten Strombedarf decken können: das hängt mit dem miserablen Jahresnutzungsgrad dieser Anlagen zusammen. Das Jahr hat bekanntlich 8760h, und bei PV-Anlagen liegt die Zahl der sogenannten Jahresvolllaststunden nur bei 1000, bei Wind etwa bei 2000 (offshore etwas mehr, aber wir haben in Deutschland einen deutlichen Onshore-Überhang).

Schlagen wir den Bogen zurück zum Ausgangspunkt – Stromspeicherung in großen Batteriespeichern. Beispielsweise gibt es da schlüsselfertige Anlagen mit dem schönen Namen “Megapack” von Tesla, wo jeder auf der Homepage nachlesen kann, was denn so ein Dingens so kostet. Speichert etwa 4 MWh und schafft je nach Konfiguration eine Leistung von 1 MW oder 2 MW. Anschaffung: grob 1,8 Mio US$ netto pro Stück (inklusive Installation in Kalifornen – Alaska ist “etwas” teurer, für Europa kenne ich keine Zahlen), wenn man gleich mal 100 Stück ordert. Lebenserwartung 20 Jahre. Mit Wartungsverpflichtung zu 0,5 Mio US$ jährlich. Machen wir eine kurze Überschlagsrechnung und gehen wir davon aus, dass wir nur auf Tagesebene puffern müssen und keinerlei Redundanz vorhalten wollen. Erst mal die Netzlast absichern: 75 GW kosten dann rund 70 Mrd. US$. Das kauft gleichzeitig eine Speicherkapazität von etwa 150 GWh. Bei 500 TWh im Jahr liegt der Tagesverbrauch bei gemittelt 1,4 TWh – oops, das wird dann wohl nicht reichen, also nochmal Faktor 10 draufschlagen (und das ist eine wichtige Erkenntnis – Leistung ist nicht unser Problem, sondern Kapazität bzw. Energie). 700 Mrd. US$. Speicherwirkungsgrad ist auch noch zu berücksichtigen, der liegt natürlich nicht bei 100%, Tesla gibt etwa 90% an (für den gesamten Lade-Entladezyklus – ob dabei der Stromverbrauch des Akkutemperaturmanagements schon inkludiert ist, weiß ich nicht). In der Praxis ist das Problem natürlich viel größer, denn es gibt durchaus Wochen im Jahr, wo Wind und Sonne kombiniert sehr wenig Ertrag bringen – grob gesagt zwei Wochen Stromverbrauch sollte so ein Stromspeicher deutschlandweit schon puffern können, denn den Mittelwert abzudecken bringt bei einem Stromnetz naturgemäß nichts, man muss leider für den Worst Case gewappnet sein. 10 Billionen US$ ist doch mal eine runde Summe, aber ob die reicht – unklar. Müsste man mal eine anständige Simulation mit den Erzeugerwerten der letzten 20 Jahre durchführen. Ein wenig abgemildert wird die Misere immerhin durch Biomasse und Wasserkraft, aber nicht wesentlich. Es sei denn, man will die “Vermaisung der landwirtschaftlichen Nutzfläche” extrem ausweiten und damit alle Bemühungen um Umwelt- und Naturschutz in den Wind schlagen. Und wer will schon Nahrungsmittel anbauen, Energiepflanzen sind doch viel wichtiger.

Jetzt verbinden wir die Erkenntnis “Kosten Stromspeicherung” noch mit “Jahresvolllaststunden PV und Wind”. Selbst ohne Speicher, und wenn wir mal Wind mit 2000 Volllaststunden ansetzen und alles durch Wind abdecken wollen – 500 TWh – also 500000 GWh – müssen eben allermindestens erzeugt werden. Macht eine installierte Leistung von 250 GW Windkraftanlagen. Wie gesagt: gerade sind wir bei etwa 60 GW, und die guten Standorte sind ja weitgehend belegt. Da gewinnt der Satz von der “Verspargelung der Landschaft” doch gleich eine gewisse Nachdrücklichkeit. Konsequent weitergerechnet bräuchte es demzufolge 500 GW installierte PV um dasselbe Ergebnis zu erreichen. Man hofft instinktiv, dass Deutschland in Zukunft seinen Strom hauptsächlich aus dem Ausland beziehen wird. Verschiedene Szenarien bezüglich Deutschlands zukünftiger Stromversorgung gehen übrigens von schlappen 200 TWh Stromimport aus – warum wohl.

Ich will nicht mit weiteren Überschlagsrechnungen langweilen, es sollte inzwischen klar geworden sein: es wird teuer. Sauteuer. Noch viel viel teurer als es jetzt schon ist. So teuer, dass ein Irrsinn wie das Habeck’sche Heizungsgesetz wie ein unbedeutendes preiswertes Kleinkleckerleswerk aussieht. Es sollte sich nun keiner mehr wundern, dass der Rest der Welt hauptsächlich auf wahlweise Klimaschutz-Lippenbekenntnisse oder Kernenergie setzt.

Die gute Nachricht: weil es so irrsinnig teuer wird, ist es recht unwahrscheinlich, dass wir 2040 tatsächlich 500 TWh Stromverbrauch haben werden. Durch die dann zwingend erfolgte großflächige Verarmung der Bevölkerung und der Vernichtung von Industrie und Dienstleistungssektor werden 200 TWh sicher reichen – willkommen in der dritten Welt, Deutschland. Oder um ein wahres Wort nochmal aufzuwärmen: “Das Tolle an der Energiewende ist, dass der letzte nicht mal das Licht ausmachen muss.”