Drohnen über Kernkraftwerken

2014-11-27, 00:38h, ZDF, „heute nacht“, die Mutter aller Qualitätsnachrichtensendungen. Das Aufmacherthema sind die „Ufo-Flüge“ über französischen Kernkraftwerken. Als Expertin in Bild und Ton: Oda Becker. Bei dem Namen klingelte irgendwas, und eine kurze Googelei später finde ich zwei Artikel aus „Zettels Raum“, einem meiner Lieblingsblogs (leider ist Blog-Gründer „Zettel“ viel zu früh von uns gegangen). Bis heute hat noch niemand verstanden, was Frau Becker qualifiziert, über die Sicherheit von Kernkraftwerken zu referieren. Ihre Ausführungen in der heute-Sendung erreichten denn auch nicht mal das Niveau der Sendung mit der Maus. Nein, das ist unfair formuliert. Sie erreichten bei weitem nicht das Niveau der Sendung mit der Maus.

Die Sendung endet mit Berichten von den Champions League-Begegnungen, davor ein Bericht über einen Karikaturisten aus China. Ja, es ist wieder über allerhand Relevantes aus der ganzen Welt berichtet worden.

E-Autos – Comeback der Brennstoffzelle

Hier habe ich vor nicht allzu langer Zeit den E-Auto-Hype unter die Lupe genommen. Dabei habe ich mich auf bereits erhältliche E-Autos konzentriert, die – sicher nicht zufällig – alle ihren Strom aus dem mitgeführten Akku beziehen.

Die Älteren unter uns werden sich noch daran erinnern, dass vor allem in den 90ern des vorigen Jahrtausends die „Wasserstoffwirtschaft“ eines der Hype-Themen war. Große Visionen für die automobile Zukunft wurden entworfen – die Fahrzeuge sollten mit Wasserstoff fahren (egal ob als klassischer Verbrenner wie von BMW favorisiert oder per Brennstoffzelle wie u.a. von Daimler (hießen die damals noch DaimlerBenz oder schon DaimlerChrysler?) bevorzugt), der dafür benötigte Wasserstoff sollte am besten in Wüstengebieten per Photovoltaik erzeugt werden.

Viele Detailprobleme wurden bereits in den 90ern gelöst – BMW präsentierte mit Linde den superisolierten LH2-Tank, der es schaffte, trotz Flüssigwasserstoffinhalt die Abdampfverluste gering zu halten. Daimler machte große Fortschritte bei der Miniaturisierung der Brennstoffzelle und in Bezug auf Haltbarkeit und Verwendungsparameter wie Kaltstartfähigkeit. Am Ende schien die Erkenntnis zu stehen, dass die Brennstoffzelle schlicht zu teuer war. Anno 2009 wagte Honda noch einen Versuch und bot in USA den FCX Clarity an, allerdings nur in geringen Stückzahlen und ausschließlich als Leasingangebot. Wieviel Honda pro Stück draufgelegt hat, lässt sich schwer sagen – immerhin schaffte es der FCX Clarity nachzuweisen, dass man mit heutiger Technologie ein Fahrzeug mit Wasserstofftank und Brennstoffzelle bauen kann, das keine wesentlichen Einschränkungen im Praxisbetrieb mit sich bringt. Reichweite 400-500km, verhältnismäßig simpler Drucktank in 350bar-Technik, kleiner LiIon-Akku mit an Bord um den Brennstoffzellenstack vor zu gravierenden Leistungsgradienten zu bewahren, mit 100kW auch ausreichende Leistung.

Danach wurde es recht still um die Brennstoffzelle – abgesehen von ein paar Absichtserklärungen diverser Automobilhersteller, man wolle spätestens 2012…äh 2013…doch eher 2014…nicht vor 2015…ganz bestimmt 2016…vielleicht doch erst 2017 entsprechende Serienmodelle auf den Markt bringen.

Einigermaßen überraschend ist nun Toyota – bekannt als Hybrid-Pionier und Verweigerer reiner akkubetriebener E-Autos – mit dem Mirai vorgeprescht und verspricht allgemeine Verfügbarkeit ab 2015, wenn auch zunächst als Kleinserie (700 Stück). Die Preise sind ambitioniert, in Europa sollen es 60000€ (sagt die Wikipedia – möglicherweise netto, denn andere Quellen reden von bis zu 79000€ in Deutschland) sein. Rund 100kW Leistung, Tanks in 700bar-Technik, NiMH-Akku zum Puffern und eine Reichweite irgendwo zwischen 400 und 700km sind die Eckdaten.

Und plötzlich stellt sich die lange schlummernde Frage wieder mit neuer Aktualität: ist ein großer Akku oder doch eher die Brennstoffzelle der Energielieferant für das Elektroauto?

Leider gibt es viele Parameter bei dieser Frage, die man heute kaum seriös abschätzen kann. Wie entwickeln sich die Preise für Akku und Brennstoffzelle weiter? Wie sieht es mit der Dauerhaltbarkeit aus? Was kostet der Aufbau der jeweils notwendigen Infrastruktur?

Ein paar Dinge kann man aber prinzipiell festhalten. Der größte Vorteil des Brennstoffzellenautos ist sicherlich, dass es in der Nutzung den heute üblichen benzin-, diesel- oder gasbetriebenen Fahrzeuge sehr ähnlich ist – Reichweiten von jenseits der 500km sind kein Problem, die Tankdauer liegt bei wenigen Minuten. Das sind Parameter, die ein akkubetriebenes E-Auto wohl nicht so schnell erreichen wird. Klar, wenn man genügend Akkus in ein Fahrzeug packt (wie beim 85kWh-Modell des Tesla S) kann man sicherlich auch 500km Reichweite realisieren – aber es ist dann doch ziemlich erbärmlich, dass selbst am Tesla-Supercharger mit 120kW Ladeleistung es eine halbe Stunde dauert, bis 200-250km Reichweite zur Verfügung stehen.

Einer der oft zitierten Vorteile des akkubetriebenen Elektroautos ist, dass man es in der heimischen Garage laden kann. Man sollte diesen Vorteil nicht überschätzen, denn man wird um eine zusätzliche Elektroinstallation kaum herumkommen – mit der üblichen Schukodose mit maximal 3,5kW Anschlusswert macht das Laden eines 85kWh-Akkus sicher keinen Spaß. Honda hatte beim FCX Clarity damals die Möglichkeit des Heimbetankens über die „Home Energy Station“ vorgesehen, die über Dampfreformation von Erdgas den Wasserstoff erzeugt. Kaum vorstellbar, dass diese Idee zu akzeptablen Kosten machbar ist, auch wenn Honda sie als Komplettlösung fürs ganze Haus anpreist – sie versorgt den Haushalt nicht nur mit Wasserstoff fürs Auto, sondern auch mit Strom und Wärme.

Unterm Strich löst die Brennstoffzelle drei der großen Akku-Probleme: Gewicht, Volumen und Tankdauer. Gemeinsam mit der Akkutechnologie plagt die Brennstoffzelle das Infrastrukturproblem und das Preisproblem. Man muss wohl kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass höchstwahrscheinlich der Sieg im Kampf der Konzepte über den Preis errungen werden wird. Es werden noch Wetten angenommen.

Über Architekten, die Polizei und Qualitätsjournalismus

Neulich auf Seite 1 unserer lokalen Tageszeitung. Ein kurzer Bericht über eine Warnung ehemals wichtiger Politiker vor einer Spaltung Europas. Interessantes Detail: Michail Gorbatschow wird dort als „einer der Architekten der Deutschen Einheit“ bezeichnet. Hallo? Die UdSSR war pleite und hat sich alle Zugeständnisse zur Einheit unter größtem Widerstand schnöde abkaufen lassen. „Architekt“ heißt für mich eine führende, gestaltende Rolle einzunehmen. Welche Verdienste Gorbatschow auch immer hat – zweifellos hat er nach den Betonköpfen Breschnew, Andropov und Tschernenko für frischen Wind gesorgt – ihn als Architekt der Deutschen Einheit zu bezeichnen erfordert ein erhebliches Maß an Realitätsverweigerung. Das einzige, was man ihm zugutehalten kann ist, dass er nicht alles getan hat, um die Einheit zu verhindern.

Ein weiterer Artikel auf Seite 1: die Polizei fordert die Bürger auf, Fälle von Internetkriminalität auch tatsächlich bei der Polizei zur Anzeige zu bringen. Wer einmal dabei war, wie die Polizei z.B. bei einem Wohnungseinbruch quasi schulterzuckend „das passiert halt, da kann man nix machen, die erwischt man nie“ zu Protokoll gibt, wird über einen Aufruf, der Polizei mehr Beschäftigung zu verschaffen, entweder resigniert lächeln oder explodieren. Also, liebe Freunde in Grün (oder Blau): bitte auf die Kernaufgaben konzentrieren. Und der Politik klarmachen, was mit dem seit Jahren erodierenden Gewaltmonopol passiert, wenn weiter Mittel gekürzt bzw. ineffizient eingesetzt werden.

Was das alles mit „Qualitätsjournalismus“ zu tun hat? Immer öfter werden blind Agenturmeldungen abgedruckt und Pressemitteilungen veröffentlicht, ohne sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn die Meldungen und Mitteilungen neutral wären und sich auf die Fakten beschränken würden. Darin inhärente Tendenzen und Meinungen werden aber ungefiltert an den Leser weitergegeben. Man fragt sich, welchen Mehrwert der Journalismus gedenkt, seinen Konsumenten bereitzustellen. Die allerorten sinkenden Auflagen und Umsätze sprechen eine deutliche Sprache: der Konsument erwartet mehr für sein Geld.

Li-Tec am Ende

Gestern ging es durch die Presse: die Daimler AG hat beschlossen, die Akkufertigung bei der 100%-Tochter Li-Tec dichtzumachen. Offenbar war man nicht in der Lage, kostentechnisch mit den Koreanern und Chinesen mitzuhalten. Eingesetzt wurden die Li-Tec-Akkus bisher in den Elektro-Smarts, nicht hingegen in der elektrifizierten B-Klasse, die auf einem Antriebsstrang inklusive Akku von Tesla basiert.

Li-Tec begann 2006 als Unternehmung von Evonik, einer Ausgründung aus der altehrwürdigen Ruhrkohle AG. 2008 wurde daraus ein Joint-Venture zwischen Evonik und Daimler. Im April 2014 übernahm Daimler die Anteile von Evonik, und Li-Tec wurde eine 100%-Tochter der Daimler AG. Und nun also die Ankündigung, dass 2015 Schluss ist mit der Produktion von Akkuzellen. Wie man hört (aber ich habe keine zuverlässigen Quellen dazu gefunden) waren die Li-Tec-Zellen technisch ganz weit vorne, sowohl was Leistungsfähigkeit als auch Robustheit (z.B. Zyklenfestigkeit und Temperaturunempfindlichkeit) angeht. Aber preislich ganz und gar nicht konkurrenzfähig. Was einerseits sicherlich an fehlenden Stückzahlen lag, aber vermutlich auch am Fertigungsstandort Deutschland.

Daimler steigt damit allerdings nicht komplett aus der Akkufertigung aus. Bei Accumotive geht es bis auf weiteres weiter, und die Forschung soll bei Li-Tec auch weitergehen. Man konzentriert sich nun auf die Fertigung von ganzen Akkupacks, will die einzelnen Zellen aber nun einkaufen.

Was bedeutet das für den Traum vom E-Auto? Vermutlich gar nichts. Wer konnte ernsthaft erwarten, dass Deutschland ein geeigneter Fertigungsstandort für Massenfertigung eines doch relativ einfachen Bauelements sein könnte? Hat man nichts aus dem Desaster der Photovoltaik-Fertigung in Deutschland gelernt? Rohstoffe und Energie sind in Deutschland teuer, die Lohnkosten sind hoch, die Regulierung überbordend, das Steuersystem zum Davonlaufen. Aus diesem Grund ist der Abgesang der Presse auf den High-Tech-Standort Deutschland auch unsinnig – Deutschland ist strukturell gar nicht dazu geeignet, die Werkbank der Welt zu sein.

Moderne industrielle Massenfertigung zeichnet sich durch Arbeitsteilung und niedrige Fertigungstiefe aus. Gerade die Automobilindustrie hat das in den letzten 30 Jahren konsequent umgesetzt, weil man erkannt hat, dass spezialisierte Zulieferer bessere Qualität, mehr Innovation und niedrigere Preise bieten können – das Wunder des Wettbewerbs und der unsichtbaren Hand des Marktes. Warum Daimler nun geglaubt hat, dass das bei Akkus anders sein soll – man weiß es nicht. Der Traum von der „Alles-aus-einer-Hand“-Strategie scheint weiter durch die Vorstandsetagen zu wabern. Vielleicht der Apple-Virus? Aber auch Apple lässt bei Foxconn, Samsung und TSMC fertigen.

25 Jahre Mauerfall

Heute jährt sich der Tag des Mauerfalls zum 25. Mal. Ein emotionaler Tag, vor allem für die Berliner. Ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Und jede Menge Vorkommnisse in jüngster Zeit – die SED und ihre DDR-Unrechtsstaat-Diskussion, die sich andeutende Dunkelrot-Rot-Grün-Koalition in Thüringen, der Auftritt von Wolf Biermann im Bundestag – die man aus der historischen Mauerfall-Perspektive süffisant, ironisch, sarkastisch, ärgerlich oder wie auch immer in Blogbeiträgen hätte aufspießen können.

Und trotzdem habe ich heute zuerst drei Blogbeiträge für meine anderen Blogs geschrieben. Irgendwie bin ich die ewigen Diskussionen um Sozialismus, Kommunismus, totalitäre Systeme und ähnliches schlicht leid. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass der Liberalismus in Deutschland und damit der Drang nach Freiheit am Ende ist. Und das mache ich keineswegs am Untergang einer ehemals partiell liberalen Partei fest. Viele werden diesen Trend erst bewusst wahrnehmen, wenn ihre eigene Freiheit signifikant beschnitten wird. Dann wird es zu spät sein.

Liebe Berliner, liebe ex-DDR-Bewohner: genießt den heutigen Tag. Erinnert Euch an die schlechte alte Zeit zwischen 1949 und 1989. Und alle sollten nochmal überlegen, warum die DDR der Bundesrepublik beigetreten ist und nicht andersrum.