Der CO2-Preis für Autofahrer

Nicht alle Steuerzahler sind gleich. Traditionell wird der Autofahrer in Deutschland besonders geschröpft, und beim Klimaschutz macht die Politik da logischerweise keine Ausnahme. Wobei, es ist spezifisch der Verbrenner-Autofahrer, der hier zur Kasse gebeten wird.

Zur Illustration will ich ein Fallbeispiel vorrechnen. Ein benzinbetriebenes Neufahrzeug, frisch angemeldet, 6l/100km Verbrauch, Jahresfahrleistung 10000km, erwartete Lebensdauer 20 Jahre. Schöne runde Zahlen, damit es einfacher zu rechnen ist.

Seit 1.1.2022 ist die CO2-Steuerkomponente auf Benzin erneut erhöht worden (das passiert seit 2021 jährlich), zugrundeliegend ist ein CO2-Preis von derzeit 30€ pro t, das wird zukünftig jährlich steigen. 1l Benzin verbrennt zu etwa 2,3kg CO2. Am Ende stehen damit – die MwSt. kommt selbstverständlich auf die CO2-Steuer oben drauf – ein Mehrpreis von etwa 8,5ct/l Benzin.

Die KfZ-Steuer hat seit einiger Zeit auch eine CO2-Komponente, mit spannenden Regulierungsdetails, die jeglichen Sinn vermissen lassen – ganz abgesehen vom Wahnsinn, hier einen „Basispreis“ ab dem ersten km festzulegen, obwohl definitiv der CO2-Ausstoß nur stattfindet, wenn das KfZ auch bewegt wird, die optimale Steuer für diese Zwecke also zweifellos die Spritsteuer ist, weil die auch so Dinge wie „fährt wie die gesengte Sau“ und „fährt gerne nutzlos durch die Gegend“ präzise erfassen kann. Aber das Ziel staatlicher Steuern ist natürlich neben „Geld einnehmen zwecks sinnlosem Verprassen“ auch „wir gängeln und erziehen den Bürger“. Jedenfalls – unrealistischerweise davon ausgehend, dass der Zyklusverbrauch genau dem realen Verbrauch von 6l/100km entspricht – sind diese 6l/100km etwa 138g CO2/km, und damit über 135g/km und damit im Kostenbereich „2,50€ pro g CO2/km über 95“, also etwa 110€ pro Jahr.

Nun gibt es natürlich auch noch die EU, die die Hand aufhält. Die verhängt Strafzahlungen basierend auf dem Flottenverbrauch eines jeden Herstellers, mit allerlei sinnlosen Detailregelungen wie „schwere Fahrzeuge kosten weniger als leichte“ und „zugrunde liegt der NEFZ, nicht der WLTP“ und natürlich „die 5% verbrauchsintensivsten Fahrzeuge dürfen gestrichen werden“ und natürlich „Elektroautos werden übergewichtet und gehen zusätzlich mit 0g CO2/km in die Flotte ein“. Jedenfalls liegt die Strafzahlung pro verkauftem PKW bei 95€ pro g CO2/km über dem derzeitigen Flottengrenzwert von 95g CO2/km. Macht in unserem Beispiel also rund 4000€, also 200€ bei den angesetzten 20 Jahre Lebensdauer.

Der fiktive Autofahrer in meinem Beispiel zahlt also pro Jahr 310€ „Grundgebühr“ ab dem ersten km, und zusätzlich für die tatsächlich gefahrenen 10000km bzw. 600l Benzin nochmal 51€. Sein Jahresausstoß von 1380kg CO2 kostet ihn also 361€.

Nun gehen wir spaßeshalber mal auf die Webseite von einem der CO2-Ablasshandelunternehmen wie „atmosfair“ und schauen, was es uns dort kosten würde, 1380kg CO2 zu kompensieren. Antwort: 32€.

Der Staat macht also aus 32€ „Wert“ nicht weniger als 361€ „Kosten“. Sauber.

Zum Vergleich: der Elektroautofahrer zahlt keine KfZ-Steuer (bzw. bei Erstzulassung seit 1.1.2021 nur eine kleine, basierend auf dem Fahrzeuggewicht, also entfernt ähnlich zum hubraum-basierten KfZ-Steueranteil bei Verbrennern), seine auf Basis der hiesigen CO2-Intensität des Strommixes von derzeit etwa 360g/kWh (nächstes Jahr eher mehr, wegen der Abschaltung der Kernkraftwerke) eigentlich fälligen Zahlungen für die verbrauchten schätzungsweise 2000 kWh oder umgerechnet 720kg CO2 (und wir verkneifen uns den Hinweis, dass natürlich der Ladestrom nicht aus dem „Durchschnitt“ kommt, sondern aus fossilen Kraftwerken, die diesen zusätzlich notwendigen Strom bereitstellen müssen) fallen nicht an wegen „keine CO2-Besteuerung des Stromes“, und die EU gibt noch einen Bonus an die Hersteller bei der Flottenverbrauchsberechnung.

Wenn zwei das Gleiche tun – CO2 ausstoßen durch Individualverkehr – ist es eben noch lange nicht dasselbe.

E-Auto-Update 2022

Lange nichts mehr zum Themenkomplex „Elektroauto“ geschrieben. Die Meldung, dass die Deutsche Post nun ihren Verlustbringer Streetscooter an den Mann bzw. den Investor gebracht hat – ohne sich gänzlich davon zu verabschieden, dafür war das Investment viel zu teuer und der große Haufen existierender Fahrzeuge will ja auch gepflegt und gewartet werden, da bietet es sich an, eine Minderheitsbeteiligung zwecks Einflussnahme zu behalten – hat diesen Beitrag indirekt veranlasst.

So viel vorweg: ich habe mich Ende 2021 erneut für einen (gebrauchten) Benziner entschieden – Gründe dafür waren unter anderem die Ladesituation, die Verfügbarkeit, die jährliche Fahrleistung, der Kaufpreis, der Ladestrompreis, der regelmäßige Transportbedarf und das Streckenlängenprofil. Jeder einzelne Grund wäre schon für sich schwerwiegend genug, um von derzeit verfügbaren E-Auto Abstand zu nehmen, nimmt man alle Gründe zusammen ist es ein „no-brainer“.

Was die Verkaufszahlen angeht, sind die Elektroautos und mit Abstrichen die Plug-In-Hybride ja durchaus auf dem Vormarsch, die Wachstumsraten erheblich (wenn auch kommend von niedrigem Niveau). Man sieht aber auch, dass der Erfolg ziemlich stark mit den von Staat zu Staat sehr unterschiedlich ausgestalteten Subventionen zusammenhängt – von daher ist es letztlich selten Markterfolg, sondern eher Subventionserfolg, wenn die Verkaufszahlen steigen. Hierzulande dürfte nicht nur die Kaufprämie in geradezu dramatischer Höhe ein gewaltiger Kaufanreiz sein, sondern auch die Bevorzugung beim geldwerten Vorteil in der Firmenwagenregelung. Ein Plug-In-Hybrid rechnet sich dadurch sehr schnell gegenüber einem klassischen Verbrenner, und der Geldbeutel war schon immer ein exzellentes Argument. Dazu kommt, dass gerade im Bereich der typischen höherklassigen Firmenwagen-Limousinen das Angebot an Elektrovarianten auch besonders groß ist.

Ob der weiteren Entwicklung der Verkäufe bin ich skeptisch, sollten die Subventionen mal massiv zurückgefahren werden. Denn nach wie vor ist es eher schwierig, jenseits von Minderheitenanwendungen einen überzeugenden Use-Case für die E-Autos zu konstruieren. Die CO2-Intensität unseres Strommixes ist nach wie vor viel zu hoch, die Akkupreise sind zu hoch, das Ladenetz zu dünn, die Ladezeiten zu lang, der Ladestrom zu teuer, die Fahrzeugauswahl zu klein, der Gebrauchtwagenmarkt zu mickrig. Praktische Butter-und-Brot-Autos vom Schlage „Kompaktklasse-Kombi unter 20000€“ sind nach wie vor nicht erhältlich, und wer nicht ein entsprechendes Fahrprofil hat und zuhause laden kann, tut sich immer noch schwer bei der schmerzarmen E-Auto-Nutzung. Vereinfacht gesagt: der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage auf dem Dach und Bedarf für einen kleinen Zweitwagen für die Kurzstrecke kann durchaus mit der aktuellen Modellauswahl von Renault über Hyundai und Kia bis Opel leben, sofern er sich einen Neuwagen leisten will – auf dem Gebrauchtmarkt sieht es zappenduster aus, und ob sich der in den nächsten Jahren wirklich gut entwickelt, steht in den Sternen. Da die Entwicklung der E-Autos im Moment eher noch zügig von statten geht, ist nicht davon auszugehen, dass der Wertverlust ähnlich niedrig wie bei den Verbrennern sein wird. Ein 10 Jahre altes E-Auto wird alleine aufgrund des unklaren Akkuzustands nur schwer verkäuflich sind, und in so einer Marktsituation tendieren die Nutzer dazu, die Nutzungsdauer deutlich zu verlängern.

Interessant ist – wie immer – ein Blick auf Tesla, das entgegen meinen Unkenrufen die finanzielle Situation erfolgreich konsolidiert hat und inzwischen auch jenseits von verkauften CO2-Zertifikaten an den Rest der Autoindustrie in der Gewinnzone ist. Die Zeit der Verluste scheint vorbei, und es wäre wohl an der Zeit, dass vor allem der deutsche Steuerzahler mal ein Dankesschreiben für die über Jahre andauernde Rettung der Firma erhält. Ich schätze, in 2022 könnten durchaus in der Region von einer Million Teslas weltweit verkauft werden, sofern so viele überhaupt produziert werden können. Aber Tesla kämpft aktuell mit erheblichen Risiken, die Konkurrenzsituation hat sich verschärft, die Alleinstellungsmerkmale sind weitgehend Vergangenheit, und die Qualitätsprobleme tendenziell ungelöst. Dazu kommt die Überalterung des margenstarken Teils der Produktpalette, was sich auch in den einzelnen Verkaufszahlen der Modelle widerspiegelt. Nur das Marketing funktioniert exzellent und wie gewohnt – bei welchem Autohersteller wäre es schon denkbar, dass quasi im Tagestakt Meldungen in der überregionalen Presse bezüglich des Baufortschritts einer schnöden Produktionsstätte erscheinen.

Insgesamt finde ich die Fortschritte bei der E-Mobilität noch eher überschaubar – die Akkus haben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, sind aber immer noch verhältnismäßig teuer und vor allem konstruktiv aufwändig bei der Integration – nur mit ausgefuchstem Temperaturmanagement und großen Kapazitäten erreicht man eine erträgliche Lebensdauer bei guter Schnellladefähigkeit, und diesen Integrationsaufwand wiederum ist im naheliegenden Anwendungsfall „kleiner Zweitwagen“ eher nicht zu finden. Auch das Ladenetz hat durchaus Fortschritte gemacht, und auf der Langstrecke gibt es inzwischen halbwegs erträgliche Lösung dank der neuen Schnelllader jenseits der Tesla-eigenen Supercharger. Aber die Preise für den Ladestrom aus diesen Schnellladern sind natürlich auch exorbitant, so dass man im Einzelfall durchaus nochmal nachrechnen sollte, ob der versprochene niedrigere Kilometerpreis beim E-Auto überhaupt noch existiert. Die Idee, dass jeder Supermarkt seinen Parkplatz mit ausreichend kostenlosen Ladeplätzen ausstattet, ist jedenfalls nicht Wirklichkeit geworden. Der lokale Aldi ums Eck hat immer noch nur eine einzige Ladestation, die über die Dauer des typischen Einkaufs eher nicht in der Lage ist, den Stromverbrauch der Hin- und Rückfahrt zu ersetzen. Falls sie überhaupt gerade frei ist. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Zahl der verfügbaren Ladesäulen pro existierendem Elektroauto in 2021 überhaupt zugenommen hat. Sicher ist hingegen, dass der Ladestrom deutlich teurer geworden ist, und angesichts steigender Strompreise wird sich dieser Trend vermutlich fortsetzen – und so schließt sich der Kreis, und der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage verbleibt als Zielgruppe.

Fortschritte beim typischen Stromverbrauch gab es leider auch nur begrenzt, interessanterweise schwanken die Verbrauchswerte aber ziemlich – Hyundai scheint da gerade die Nase vorne zu haben und kommt in den Tests (inklusive Ladeverluste) auf realistische 16 kWh/100km, während die Renaults, VWs, Opels und Teslas dieser Welt eher im bekannten Mittelfeld von rund 20 kWh/100km beheimatet sind. Und damit sind wir wieder beim Ladeproblem: die typische 11kW-Wallbox in der heimischen Garage braucht also im Idealfall 2h, um schlappe 100km Reichweite nachzuladen. Je nach Fahrprofil ist das irgendwo zwischen absolut ausreichend und viel zu langsam, aber es sollte klar sein, dass oft propagierte Ideen wie „nur laden wenn die PV-Anlage gerade Überschüsse produziert“ oder „wir nutzen Fahrzeugakkus zur Netzstabilisierung“ komplett abwegig sind. Wenn das Fahrzeug am Kabel hängt, sollte es auch laden, und zwar so viel und schnell wie möglich, weil es eh schon viel zu lange dauert. Und dafür reicht die Schuko-Steckdose der vorhandenen Strominstallation in der Garage bei weitem nicht aus, es sei denn man fährt nur zweimal die Woche auf er Kurzstrecke Auto – dann sollte man sich aber umso intensiver überlegen, ob ein E-Auto (oder generell ein Auto) überhaupt Sinn ergibt.

Auch nicht erfüllt haben sich die Hoffnungen bezüglich signifikant reduzierter Wartungskosten bei den E-Autos gegenüber den Verbrenner-Brüdern. Das liegt zum einen daran, dass der typische unkomplizierte Benziner-Antriebsstrang heutzutage – wenn man nicht gerade mutwillig den Turbo kaputtfährt – eine sehr zuverlässige Angelegenheit ist und große Reparaturen innerhalb von 150000km eher die Ausnahme sind, zumal eine zusätzliche Absicherung über eine Garantieverlängerung extrem preiswert ist (was wiederum dafür spricht, dass die durchschnittliche Zuverlässigkeit der teuren Komponenten sehr hoch ist). Und die Verschleißteile sind bei den E-Autos eben ähnlich wie bei den Verbrennern, von der Beleuchtung über die Reifen bis zu – bei manchen Herstellern – die Bordelektronik, dazu kommt noch der Akku als drohendes Totalschadenrisiko im Hintergrund. Dass man bei Plug-In-Hybridfahrzeugen „worst of both worlds“ hat, dürfte sich von selbst verstehen.

Zum Abschluss noch eine kurze Überschlagsrechnung mit schönen geraden Zahlen im Lichte dieser Erkenntnisse. Benzin kostet 2€ pro l, die kWh Fahrstrom 50ct (Ionity ruft am Schnelllader gerade 79ct/kWh auf, man sollte also tunlichst hauptsächlich zu Hause laden). Als Realverbrauch eines einigermaßen modernen, ausreichend motorisierten mittelgroßen Benziners kann ich 6l/100km vermelden. Bei angenommenen 20 kWh/100km kosten 100000km Fahrleistung also benzintechnisch 12000€ vs. stromtechnisch 10000€. Dabei hat der Benziner dann etwa 10t CO2 ausgestoßen, was selbst nach derzeitigem Plan mit 50€/Tonne ab 2025 übers Autoleben gerechnet dann gerade mal 500€ ausmacht. Selbst wenn man den CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion vernachlässigt, fragt man sich schon, warum es aus Klimaschutzgründen sinnvoll sein soll, 9000€ Kaufprämie auszuschütten (wobei ehrlicherweise nur 6000€ echt ausgeschüttet werden, weil die restlichen 3000€ vom Hersteller kommen, der das vorher natürlich auf den Kaufpreis draufgeschlagen hat) um damit in Summe CO2 im Wert von 500€ einzusparen. Und dabei sind die anderen CO2-Steuern sowohl auf die KfZ-Steuer als auch die seit Januar 2021 erhobene CO2-Steuer auf Benzin von 10ct/l als auch die CO2-Strafabgaben der Automobilhersteller bei Überschreiten des Flottengrenzwertes noch gar nicht berücksichtig. Kaum etwas könnte politischen Irrsinn besser illustrieren als diese Gesamtgemengelage. Und am Ende beklagt man sich über „Marktversagen“, nachdem man erstmal den einzig entscheidenden Faktor der Marktwirtschaft, nämlich den Preis, willkürlich verzerrt hat.

Nehmen wir für einen kurzen Moment an, Fahrstrom wird mit einer ähnlichen Steuer- und Abgabenlast belegt wie Benzin. Die Subventionen des E-Autos von der KfZ-Steuer über die Zuschüsse für Ladestationen bis zur Kaufprämie werden eingestellt. Der echte CO2-Ausstoß je verbrauchter kWh Fahrstrom wird abkassiert. Wer bei klarem Verstand würde da ein E-Auto kaufen?

Alle Reflexe noch intakt

Dank der neuen Beschlussvorlage der EU-Kommission zur „Taxonomie von nachhaltigen Aktivitäten“, die nun auch die Kernenergie mit dem Label „Nachhaltige Lösung“ versieht, konnte man am Rauschen im Blätterwald wieder gut erkennen, dass vor allem bei den Grünen in Deutschland alle alten Reflexe aus der Gründerzeit noch intakt sind.

Nun kann man von Kernenergie ja halten, was man will – wie alle Energieerzeugungsarten hat sie sowohl Vorteile als auch Nachteile. Aber man kann wohl kaum ernsthaft bestreiten, dass die Kernenergie bezüglich entscheidender Parameter mindestens so „grün“ und „nachhaltig“ ist wie Photovoltaik oder Windkraftanlagen, bezüglich so profaner Dinge wie echtem Umwelt- und Naturschutz sogar um einiges nachhaltiger, weil der Flächenbedarf und der Stromleitungsbedarf und die Notwendigkeit des Überangebots zwecks Speicherung und die notwendigen Stoffströme und die Rohstoffintensität eben deutlich niedriger anzusetzen sind. Von den niedrigeren Preisen, der höheren Versorgungssicherheit, der Tauglichkeit für Wärmeanwendungen und der viel einfacher zu erlangenden Netzstabilität ganz zu schweigen. Wenn es also eine Energieerzeugungstechnik gibt, die das Prädikat „Nachhaltigkeit“ sich redlich verdient hat, dann die Kernenergie.

Aber Fakten haben die grüngekleideten Rotfrontler der Grünen und der SPD noch nie gestört, und so durfte jeder sein Lieblingssprüchlein aus der Mottenkiste der Antiatomkraftschwurbeleien aus den goldenen 70ern und 80ern der „Bewegung“ aufsagen. Stellvertretend will ich eine besonders dumme Äußerung von Saskia Esken zitieren, die mal wieder eindrucksvoll ihre totale Ahnungslosigkeit gepaart mit reichlich Selbstbewusstsein zur Schau stellt: „Atommeiler produzieren Abfälle, die über Jahrmillionen radioaktiv strahlen und damit das Leben auf unserer Erde gefährden.“ Da muss man erst mal drauf kommen – aber vielleicht kann ihr ja ein Parteifreund die Sache mit der Radioaktivität und deren natürliches Vorkommen auf der Erde mal näher erläutern, nebst den Erkenntnissen aus der Medizin zum Themenkomplex „Wirkung von radioaktiver Strahlung auf den menschlichen Körper“. Und vielleicht, nur vielleicht, können ja die Finnen mal eine Führung durch ihr neues Endlager für hochradioaktive Reststoffe für eine deutsche Delegation organisieren. Aber das hätte vermutlich einen ähnlich niederschmetternd geringen Lerneffekt wie eine Führung durchs Konzentrationslager Auschwitz bei einem überzeugten Nazi. Frau Esken ist wirklich ein herausragendes Beispiel für einen Menschenschlag, der völlig zurecht gerne unter „Ewiggestrige“ einsortiert wird. Und zusätzlich unter „Merkbefreite“. Und damit als Frau natürlich prädestiniert für höchste Parteiämter.

Der Fairness halber will ich aber auch noch einen durchaus wahren Satz von Saskia Esken herausgreifen und unterstreichen: „Atomstrom ist immer noch der teuerste Strom.“ Damit liegt sie bezogen auf Deutschland vermutlich nicht weit von der Wahrheit weg, denn wir haben hier durch komplett überzogene staatliche Regulierung und Gängelung nicht zuletzt unter Trittin als Umweltminister erfolgreich dafür gesorgt, dass Betrieb, Rückbau und vermutlich auch Endlagerung zu maximal denkbaren Kosten geschehen wird. Exemplarisch kann man das an der Entscheidung zur Rückholung der radioaktiven Reststoffe aus dem Versuchsendlager Asse nachvollziehen, eine der allerdümmsten politischen Entscheidungen der Neuzeit, gegen den Rat aller Wissenschaftler. Selbst wenn man sie gelassen hätte, ist zweifelhaft, ob die Eigentümer deutscher Kernkraftwerke große Lust gehabt hätten, die pfennigguten Kernkraftwerke noch die mindestens angemessenen weiteren 20 Jahre zu betreiben.

Aber ich will nicht zu hart zu Saskia Esken sein – sie ist ja quasi universalahnungslos, da erwartet man ja per se keine geistigen Höhenflüge. Beim Thema Kernenergie fallen aber auch Menschen, die zu einigen Themen grundvernünftige Ansichten pflegen, auf die jahrzehntelange Propaganda rein. Aktuell kann man solche Faktenabstinenz bei Fefe nachlesen, der ebenso klassische wie abstruse Antiatomkraftschwurbeleien unkritisch zitiert und verlinkt. Was mal wieder zeigt, dass Experten eben meistens nur zu einem einzigen Themenkomplex Experte sind, bei anderen Themenkomplexen aber häufig komplett ahnungslos bis überfordert sind.

Zurück von der betrüblichen antiwissenschaftlichen Front in die Realität. Mal ganz grundsätzlich: ich persönlich halte eine solche „Taxonomie“ für völlig überflüssig – würde die Politik ihrer Aufgabe nachkommen und z.B. über eine allgemeine CO2-Steuer (die natürlich auch importierte PV-Panels, die mit schmutziger Kohlekraft in China hergestellt wurden, betreffen müsste) dafür sorgen, dass Klimaschutz technologieneutral wäre, würde sich nachgeordnet auch die Investmentbranche automatisch für die umwelt- und klimaverträglichen Technologien mehr interessieren als für andere. Aber damit würde man natürlich das Lieblingsinstrument der Politik, die Einzelfallsteuerung mit ständiger Nachjustierung nach politischer Opportunität, aus der Hand geben. So lange es nicht völlig egal ist, ob ich einen Liter Diesel oder einen Liter Heizöl einspare, kann Marktwirtschaft nicht funktionieren. Und so gilt auch hier der alte Spruch: wenn man den Sumpf austrocknen will, darf man nicht die Frösche fragen. Dahingehend ist unser Politikbetrieb eine einzige Sumpflandschaft, und weitestgehend froschgrün. Folgerichtig ist heutiges Politikergeschwätz auch von Gequake nicht zu unterscheiden.

Noch ein Omikron-Detail

Nach allgemeinen Gedanken zu Virus-Mutationen am praktischen Beispiel von SARS-CoV-2 sowie einer ersten Einschätzung zum Wissensstand bezüglich Omikron will ich – auch in Anbetracht der gestrigen Gedanken zur Welt der Pandemie-Kennzahlen – noch auf ein spezielles Detail aufmerksam machen.

Es wurde relativ breit in der Presse berichtet, dass die ersten Ergebnisse bezüglich der Erkrankungsschwere bei Omikron-Infektion darauf hinweisen, dass diese deutlich reduziert ist. Über den Daumen gepeilt verringert sich die Hospitalisierungsrate auf etwa ein Drittel, so diese Ergebnisse. Aber wie immer kommt es auf die Details an. Dass diese recht drastische Reduktion der Zahl der seriös Erkrankten im Angesicht der deutlich höheren Infektiösität von Omikron uns nicht viel Zeit erkauft, habe ich ja schon dargelegt. Es gilt aber auch zu berücksichtigen, dass man noch nicht genau weiß, wie die Erkrankungsschwere mit dem Genesenen- oder Geimpft-Status zusammenhängt. Hauptgrund ist natürlich der katastrophale Zustand der Datenerfassung, der hier leider wieder weiten Raum für Spekulationen offen lässt.

Und so ist es durchaus möglich, dass die beobachtete höhere Infektiösität hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass sich im Gegensatz zu Delta nun auch massiv Geimpfte und Genesene reinfizieren können. Und die Drittelung der schweren Verläufe kann hauptsächlich darauf zurückzuführen sein, dass Geimpfte und Genesene vor schweren Verläufen weiterhin gut geschützt sind. Die Daten aus Südafrika, wo ein Großteil der Menschen schon als bereits infiziert gilt, deuten ja durchaus auch in diese Richtung: die Omikron-Welle ist dort ja recht schnell wieder abgeflacht, was im Angesicht der Teststrategie dort (hauptsächlich bei symptomatischem Verlauf wird getestet) plausibel ist bezüglich des Szenarios „nur symptomlose oder leichte Verläufe bei Geimpften und Genesenen“ – die mit starken Symptomen und schweren Verläufe war der kleine Prozentsatz der Bevölkerung, der entweder noch nicht infiziert war oder mit geschwächtem Immunsystem unterwegs ist, und weil dieser Anteil eben sehr klein ist, hat sich die beobachtete Welle sehr schnell wieder abgeschwächt.

Angesichts recht guter Impfquoten sowie ebenfalls einem für europäische Verhältnisse hohen Anteil an Genesenen würde das für Frankreich und UK trotz der ungünstigen Altersstruktur nahelegen, dass zwar die Infektionszahlen durch die Decke gehen, die Zahl der Hospitalisierten und der Intensivpatienten sowie der Toten sich aber in engen Grenzen halten wird. Die Notwendigkeit, bei den Quarantänevorschriften deutlich laxer vorzugehen um mindestens die kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten, wird also nach meiner jetzigen Einschätzung nur für geringere Probleme sorgen als ich zunächst befürchtet hatte. Dank der weiterhin sehr guten Wirksamkeit der Impfung gegen schwere Verläufe. Und wenn sich die bisher spärlichen, aber vielversprechenden Daten zur Langzeitimmunität (manche sprechen von „Superimmunität“) bewahrheiten für Vollständig Geimpfte plus Auffrischung plus Infektion bzw. Genesenen plus Auffrisch-Impfung, sind wir auf einem guten Weg zur Endemisierung des Virus – eine Omikron-spezifische Auffrischung wird dann vermutlich nur für die Risikogruppe 70+ und Immunsupprimierte und gravierend Vorerkrankte notwendig sein.

Kleine Corona-Zahlenkunde

Seit Beginn der Pandemie zeichnen sich Teile der öffentlichen Diskussion rund um COVID-19 und SARS-CoV-2 dadurch aus, dass wild irgendwelche Zahlen durch die Gegend geworfen werden um damit die eigene Lieblingshypothese zu untermauern. Oft wird dabei der Zeitfaktor außer Acht gelassen, und gerne wird genau ein für die eigene Argumentation günstiger Zeitpunkt genutzt, um allgemeingültige Erkenntnisse daraus abzuleiten. Hier ein kleiner Lehrgang, auf was es alles zu achten gilt und wo Vorsicht geboten ist. Und wie man merkt, dass irgendeiner einen verarschen will.

Eine der meistgenannten Zahlen sind die „Fälle“ und „Inzidenzen“. Man muss aber stets berücksichtigen, in welchem Kontext diese Zahlen erhoben werden. Beispielsweise wie viele Tests durchgeführt wurden und wie hoch die Positivquote dieser Tests ist. Wenn die Positivquote bei hinreichend hoher Testanzahl irgendwo zwischen 0,1% und 1% liegt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man eine ganz gute Testabdeckung erreicht hat. Auf den Höhepunkten der großen Infektionswellen in Deutschland lag die Positivquote allerdings bei bis zu 20% – ein sicheres Zeichen dafür, dass die Zahl der Tests nicht mal ansatzweise reicht, um das Ausmaß der Infizierten abzubilden. Zusätzlich ist hier die Aussagekraft der Fallzahlen und Inzidenzen zu berücksichtigen: welches Problem daraus tatsächlich erwächst, kann man nur abschätzen, wenn man die Altersstruktur der Infizierten und deren Impf- bzw. Genesenen-Status kennt – in der zweiten Welle, als der allergrößte Bevölkerungsanteil in Deutschland noch ungeimpft war, konnte man recht sicher sein, dass aus 1000 Infizierten 50-100 Hospitalisierte und 10-20 Intensivpatienten und 5-10 Tote folgten. Mit Fortschreiten der Impfkampagne hat sich das zum weit Besseren gewendet, mit Nachlassen des Schutzes durch Impfung oder Genesung wieder leicht zum schlechteren, mit der Auffrischimpfung wieder zum Besseren. Besonders wenn man internationale Quervergleiche macht, muss man sowohl den Verlauf der Impfquote sowie mindestens das Durchschnittsalter der Bevölkerung berücksichtigen, für eine bessere Abschätzung am besten nach Alterskohortenzahlen aufgesplittet und idealerweise noch Informationen über die zahlenmäßige Verwendung der verschiedenen Impfstoffe, denn deren Wirksamkeit hat sich ja auch als höchst unterschiedlich herausgestellt. Zusatz-Warnung beim Vergleich internationaler Zahlen: in manchen Ländern gilt nicht nur ein laborbestätigter positiver PCR-Test als „Fall“, sondern schon ein positiver Schnelltest.

Bei den Fallzahlen ist auch zu berücksichtigen, dass die Bevölkerungsdichte und die Mobilität eine entscheidende Rolle spielen. Aber letztlich interessieren die Fallzahlen nur als Frühindikator, denn das wirkliche Problem der Pandemie sind ja die schweren Verläufe und Todesfälle. Es bedarf einer Abschätzung auf Basis aller genannter Einflussfaktoren, um aus den Fallzahlen die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Dummerweise stehen den hiesigen Politikern nur eher schlechte Daten zur Verfügung, und ob sie besser entscheiden würden, wenn die Daten besser wären, kann auch bezweifelt werden.

Weitere wichtige Einflussfaktoren bei den Fallzahlen sind auch die Zahl der durchgeführten (Schnell-)Tests und daraus folgende Aktionen – wie schnell werden Kontaktpersonen identifiziert und getestet, wie sind die Quarantänevorschriften, und werden diese tatsächlich eingehalten und kontrolliert? Länder wie Südkorea und Taiwan sind unter anderem durch sehr schnelle Kontaktnachverfolgung und umfangreiche Testregime – neben konsequenten Einreiseregeln – relativ unbeschadet durch die Pandemie gekommen. Im technologischen Drittweltland Deutschland, wo die Gesundheitsämter inzwischen die Kontaktnachverfolgung an die Bevölkerung delegiert hat und sich große Teile dieser weigern, eine einfache App zu nutzen, sieht das naturgemäß anders aus.

Nicht zu unterschätzen ist übrigens auch der Faktor „Glück“. Man kann das z.B. anhand von Tschechien gut nachvollziehen: quasi keine erste Welle im Frühjahr 2020, die zweite Welle begann dafür schon Anfang September 2020 statt wie bei uns Mitte Oktober. Daran sieht man auch, dass man keine direkten Schlüsse aus „Maßnahmen“ auf „Fallzahlen“ ziehen sollte – der Zufallsfaktor hat im Einzelfall einen viel zu großen Einfluss, selbst wenn man alle anderen Faktoren mit einbezieht. Tschechien illustriert auch noch etwas anderes sehr schön: noch im Oktober 2021 wähnten manche Tschechien als „durchseucht“ und damit weitestgehend immunisiert. Was sich schon im November 2021 als ziemlicher Irrtum herausstellte, mit vielen tausend zusätzlichen Toten, nicht zuletzt aufgrund der geringen Impfquote, und trotz des deutlich niedrigeren Durchschnittsalters als hierzulande. Was letztlich auch erneut beweist, dass die Theorie „es sterben nur die Alten und Schwachen“ grundlegend falsch ist, denn die wären in Tschechien schon zum Jahreswechsel 2020/2021 gestorben. Der vielzitierte Harvesting-Effekt zeigt sich auch in den diversen Kurven zur Übersterblichkeit wenig bis überhaupt nicht.

Überhaupt die Übersterblichkeit – es empfiehlt sich, hier genau hinzuschauen. Die einzelnen Jahre der Vergangenheit schwanken ziemlich stark, des Winters ob einer starken oder schwachen Grippewelle, des Sommers wegen gelegentlichen Hitzewellen, und generell ist auch hier der Faktor „Zufall“ nicht zu unterschätzen, denn ein Jahr mit ungewöhnlicher Untersterblichkeit wird logischerweise in den Folgejahren zu leichter oder stärkerer Übersterblichkeit führen. Man muss auch aufpassen, nicht zuviel wegzumitteln – in Deutschland beispielsweise waren die Infektionswellen in den einzelnen Regionen ja keinesfalls synchron, und zudem lokal von ganz unterschiedlicher Höhe. Und so kann es nicht überraschen, dass beispielsweise die zweite Welle nur für Sachsen betrachtet eine erhebliche Übersterblichkeit in der Statistik hinterlassen hat, in Mecklenburg-Vorpommern hingegen nicht so sehr.

Ein derzeit beliebter Statistikkunstgriff in gewissen Kreisen ist übrigens der Vergleich zwischen dem „Pandemiejahr 2020“ und dem „Impfjahr 2021“, wo die relativ überschaubare Übersterblichkeit in 2020 für das Narrativ „das Virus ist harmlos“ herhalten muss, während die deutliche Übersterblichkeit in 2021 auf die Impfung zurückgeführt wird. Was natürlich kompletter Bullshit ist, wenn man sich die Zahlen mal etwas genauer anschaut: der Löwenanteil der Verstorbenen in 2021 verstarb lange bevor die Impfkampagne halbwegs Fahrt aufgenommen hatte, und in 2020 begann die Pandemie bekanntlich erst im März (nach zwei Monaten deutlicher Untersterblichkeit wegen harmlosem Verlauf der saisonalen Grippewelle), man bekämpfte die Ausbreitung erfolgreich durch recht harte Schutzmaßnahmen und die anlaufende zweite Welle führte erst zum Jahresende 2020 zu einer signifikanten Anzahl von COVID-19-Toten. Und wenn man sich anschaut, wie bei ungeimpfter Bevölkerung das Verhältnis Infizierte-zu-Toten war und wie viel freundlicher das jetzt – trotz immer noch unzufriedenstellender Impfquote – aussieht, wird klar, dass der einzige Gamechanger in dieser Pandemie bisher die Verfügbarkeit der Impfstoffe war. Nicht, um die Fallzahlen unter Kontrolle zu haben, sondern um den Anteil der schweren Verläufe drastisch zu senken.

Ebenfalls beliebt scheint derzeit die Behauptung „die Impfung bringt nix – schau‘ die hohen Infektionszahlen in Land XY“. Inzwischen sollte sich ja herumgesprochen haben, dass die neueren Varianten von SARS-CoV-2 deutlich infektiöser mit der Zeit geworden sind, und die Maßnahmen wurden in diversen Ländern eher laxer bzw. wurden nicht mehr in dem Maße befolgt wie Anfang 2020 – ein Vergleich der Fallzahlen der ersten Welle beispielsweise mit der dritten Welle verbietet sich also nicht nur deshalb, weil das Testregime völlig anders aussieht. Zudem zu berücksichtigen ist, dass die Impfung bekanntlich sehr gut gegen schwere Verläufe schützt, aber weniger gut (und deutlich schneller nachlassend) gegen Infektion – was übrigens für Genesene genauso gilt, was im Nachhinein nochmal vor Augen führt, was für eine dumme Idee „maximal schnelle natürliche Durchseuchung“ war: es hätte lediglich dazu geführt, in jeder Welle das Maximum an Kranken und Toten zu generieren, aber die Pandemie wäre trotzdem immer noch nicht vorbei.

Also: Augen auf beim Zahlenvergleich. Ich empfehle für den schnellen Überblick Worldometer https://www.worldometers.info/coronavirus/, für Detailvergleiche auf Länderebene OurWorldInData https://ourworldindata.org/explorers/coronavirus-data-explorer. Tagesaktuelle Zahlen machen selten Sinn, das 7-Tage-Mittel hat sich ganz gut bewährt, weil es eventuell unzureichende Meldestrukturen wie in Deutschland gut glätten kann.

Kurzes Omikron-Update

Ein paar Wochen ist es her, da wurde eine neue SARS-CoV-2-Mutation als „Variant of Concern“ gelabeled und mit dem schönen griechischen Buchstaben „Omikron“ versehen. Zuerst in Südafrika detektiert, schien es zunächst leise Hoffnung zu geben, dass das endlich die lang erwartete „COVID-19 so harmlos wie eine Grippe“-Variante sein würde: zwar etwas infektiöser, aber weit weniger gefährlich. Die erste Wasserstandsmeldung aus Südafrika war „keine schweren Verläufe“ und „nicht mehr Hospitalisierungen als bei Delta“. Nun ist Südafrika bekanntlich nicht Europa, vor allem was das Durchschnittsalter der Bevölkerung angeht. Auch nicht was die Impfquote angeht, und erst recht nicht was die Anzahl der bisher schon durchgemachten Infektionen angeht.

Jetzt liegen ein paar belastbarere Daten auf dem Tisch aus Schottland und England, und es sieht jetzt eher durchwachsen aus. Omikron ist nicht nur etwas, sondern sehr viel infektiöser. Bei gleichem Maßnahmenumfang, der bei Delta zu einem R-Wert von „um die 1“ gereicht hat, liegt Omikron eher so bei „um die 3“. Was die Hospitalisierungen angeht, müssen gegenüber Delta nur etwa ein Drittel der Infizierten im Krankenhaus behandelt werden. Das ist aber nur eine vermeintlich gute Nachricht – ohne verschärfte Maßnahmen reden wir bei Omikron von einer Verdoppelungszeit von 2-4 Tagen, d.h. also die absolute Zahl der schweren Verläufe ist nach 4-8 Tagen mehr genauso hoch wie bei Delta, und danach wird es nur schlimmer. Eine lineare Reduktion kann eben gegen exponentielles Wachstum nicht anstinken.

Was die Impfung angeht, sind die Nachrichten auch durchwachsen. Der Schutz gegen Infektion ist eher durchwachsen – bei kürzlich Aufgefrischten noch ganz OK, aber nach zwei Monaten schon stark vermindert. Der Schutz vor schweren Verläufen ist noch weitgehend intakt, aber auch schlechter als zuvor. Ich schätze, eine speziell auf Omikron angepasste Impfung wird empfehlenswert sein, jetzt kann die mRNA-Technologie zeigen, ob sie ihrem Ruf der schnellen Anpassbarkeit gerecht werden kann.

Was für die Impfung gilt, gilt logischerweise auch für die Genesenen: auch dort ist der Schutz gegen Reinfektion stark vermindert, während der Schutz vor schweren Verläufen auch noch weitgehend intakt scheint. Zumindest was die Erkrankten angeht, bei den asymptomatisch Infizierten ist die Datenlage zu dünn für genauere Aussagen.

Unterm Strich hat die Omikron-Variante ihren Status als „Variant of Concern“ redlich verdient, und nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu „zwar saumäßig infektiös, aber nur ein harmloser Schnupfen“. Inwieweit die Zahl „Hospitalisierungen drei Mal seltener“ belastbar ist oder nach oben oder unten korrigiert werden muss, können wir die nächsten Monate im nahen und fernen Ausland beobachten. Für gestern meldeten UK und Frankreich um die 200000 Neuinfektionen, während in Deutschland das Infektionsgeschehen eher so vor sich hin plätschert – auch bei den Krankenhauseinweisungen ist ein ähnliches Bild, in Deutschland eher fallende Tendenz, in Frankreich und UK eher steigend. In 2-3 Wochen werden wir dann Genaueres wissen. Ich gehe aber davon aus, dass sowohl in UK als auch in Frankreich die Quarantänevorschriften für bestimmte Berufsgruppen inklusive des medizinischen Personals stark aufgeweicht werden müssen, sonst wird diese Welle wohl nicht handhabbar sein. Was gleichzeitig die weitere Verbreitung der Omikron-Variante stark begünstigen wird. Eine Operation am offenen Herzen.

Über SARS-CoV-2-Mutationen

Aus europäischer Sicht kommt mit der Omikron-Variante (auch oft „Mutante“ genannt – irgendwie sträubt sich mein Sprachgefühl aber gegen dieses Wort) die dritte seriöse und benannte Mutation des SARS-CoV-2-Wildtyps auf uns zu. Bzw. ist schon da. Nach Alpha und Delta nun also Omikron. Oder Omicron für meine anglophilen Freunde.

Mich wundert, wie viele Artikel zu Omikron schon durch den Blätterwald gerauscht sind, ohne dass wirklich substanzielle Erkenntnisse bereits vorliegen. Infektiöser oder nicht? Man weiß es nicht. Gefährlicher oder ungefährlicher oder ähnlich gefährlich? Man weiß es nicht. Schützt Impfung und/oder Genesung vor erneuter Ansteckung? Vermutlich nicht. Bleibt der Schutz durch Impfung oder Genesung gegen schwere Verläufe intakt? Vielleicht oder auch nicht. Wird Omikron Delta verdrängen? Man weiß es nicht.

Um mit Donald Rumsfeld zu sprechen: these are known unknowns. Wird es unknown unknowns geben? Wir werden es herausfinden.

Nur eines scheint klar: Omikron ist keine gute Begründung dafür, auf die jetzt vermutlich schon lange oder mindestens demnächst fällige Auffrischungsimpfung zu verzichten. Denn die wirkt immer noch recht gut gegen Delta, und Delta ist immer noch die weit vorherrschende Variante aka „das derzeit sehr viel größere Problem“. Wenn dann klar ist, ob Omikron einen angepassten Impfstoff benötigt und falls ja wann dieser dann zur Verfügung steht – ich schätze da werden noch mindestens 3-5 Monate ins Land gehen, so lange sollte man nicht mit nachlassendem Schutz gegen Delta durch die Weltgeschichte rennen.

Übrigens habe ich den Titel dieses Blog-Beitrags absichtlich varianten-neutral formuliert, denn die Fragen und zunächst ausbleibenden Antworten werden bei jeder neuen Mutation wieder genau so auftauchen. Also: auf Wiedervorlage.

Klimawandel und COVID-19

Fast alle meine Blogposts dieses Jahr drehen sich entweder um COVID-19 oder um den Klimawandel. Zeit, die beiden Themen zusammenzuführen.

Ich bin ja sowas wie eine Schnittmengen-Randgruppe. Ich bin mir sehr sicher, dass der Klimawandel zwar ein potenzielles, aber höchstwahrscheinlich eher kleineres Problem darstellt und die meisten diskutierten Lösungsansätze zwar sehr teuer, aber eher wirkungslos sind (vor allem Deutschland mit der Energiewende inklusive Ausstieg aus der Kernenergie). Und ich bin mir auch sehr sicher, dass COVID-19 ein seriöses Problem ist, die Pandemie real und die Impfung wirksam ist.

Komischerweise stelle ich gewisse Häufungspunkte fest, es scheint zwei einander gegenüberstehende Fraktionen zu geben: wer glaubt, dass COVID-19 nur eine harmlose Grippe ist, glaubt meistens auch, dass der Klimawandel kein Problem ist. Und andersrum scheinen diejenigen, die in COVID-19 ein seriöses Problem erkennen, auch den nahenden oder schon existierenden Klimawandel für ein seriöses Problem zu halten.

Ich will mich nicht mit tiefenpsychologischen Diagnosen aufhalten, wie diese beiden Häufungspunkte zu ihrer aus meiner Sicht irrigen Position kommen – das gehört zu den typischerweise unfruchtbaren Tätigkeiten des Lebens. Ich will stattdessen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Klimawandel und COVID-19 beleuchten. Natürlich nur aus meiner Sicht und damit aus der einzig richtigen.

Ein Unterschied: die Gefahren durch COVID-19 sind real, spiegeln sich in allen verfügbaren Zahlen wider, von der Übersterblichkeit in den Scheitelpunkten der Infektionswellen bis zu den Auslastungszahlen des Gesundheitswesens. Dagegen sind die Gefahren durch den Klimawandel überhaupt nicht klar, weil sie bisher nur durch Modellierung behauptet werden, aber real überhaupt nicht vorkommen. Ganz im Gegenteil sieht es derzeit eher so aus wie wenn es signifikante Vorteile durch die sich erwärmende Welt ergeben – von der Ergrünung der Wüsten bis zu sinkenden Schäden (relativ zum Wohlstand natürlich!) durch Naturkatastrophen wie Wirbelstürme und Überschwemmungen, alle Parameter sagen „es gibt aktuell kein Problem“. Auch die Flüchtlingskrise ist ganz sicher nicht durch den Klimawandel ausgelöst, sondern durch das Wohlstandsgefälle sowie das selten dämliche Verhalten diverser Möchtegern-Einwanderungsländer. Letztlich sind die Klimamodelle viel zu grob, um vernünftige Aussagen über zukünftigen Nutzen und Schaden daraus abzuleiten. Wo gibt es deutlich höhere Temperaturen, und in welcher Jahreszeit treten sie auf? Wie ändern sich die regionalen Niederschlagsmuster? Wo taut das Eis, wo wachsen die Gletscher? Keiner weiß es. Wie soll auf dieser Basis eine Vorhersage möglich sein? Durch die Unklarheiten bei der Wolkenmodellierung ist der Unsicherheitsfaktor derart groß, dass man genauso gut den Kaffeesatz oder die Glaskugel befragen kann. Ganz sicher ist nur eins: die beobachtete Klimaerwärmung seit Ende der kleinen Eiszeit Mitte des 19. Jahrhunderts hat keinerlei globale Probleme hervorgebracht, sondern ganz im Gegenteil den Boden bereitet für den rasantesten Zugewinn an Wohlstand in der Geschichte der Menschheit. Und zwar auch und ausdrücklich für die Armen dieser Welt.

Ein Unterschied ist auch die zeitliche Nähe des Problems. COVID-19 ist seit Anfang 2020 da, ständig präsent und für jeden in seinen Auswirkungen beobachtbar – jetzt mal ganz egal, ob man aus diesen Beobachtungen dann schließt, dass es eine tödliche Massenepidemie ist oder eine harmlose Grippe, die halt nur ein paar bedauerliche Opfer in der älteren vorerkrankten Bevölkerung fordert. Der Klimawandel ist zwar (was die Beobachtung durch den Menschen angeht) seit 150 Jahren da, aber kaum spürbar – und man braucht schon ganz gewiefte statistische Methoden und Einiges an Phantasie, um in ferner Zukunft sich ein potenzielles Problem abzeichnen zu sehen.

Eine Gemeinsamkeit ist die komplette Planlosigkeit der Politik bei der Bekämpfung der Probleme. Es werden vorwiegend teure und gerne auch wirkungslose Instrumente installiert, die bestenfalls nur sinnlose Symbolpolitik sind und schlimmstenfalls kontraproduktiv und teuer zugleich sind. Und gleichzeitig werden international erfolgreiche Muster der Problembekämpfung konsequent ignoriert. Was Taiwan, Südkorea, Finnland und Norwegen für die Pandemiebekämpfung ist – gute Vorbilder – ist Frankreich beim CO2-Ausstoß pro Kopf im Verhältnis zum Wohlstand.

Ebenfalls gemeinsam ist beiden Problemen, dass es recht einfache und preiswerte Auswege aus der Katastrophe gibt: Impfung auf der einen Seite, Kernenergie auf der anderen Seite. Kernenergiegegner verwenden gerne ähnlich gelagerte Schwurblerargumente wie Impfgegner, man denke an die übergroß dargestellten Gefahren der Kernenergie, insbesondere die Endlagerung – eine sehr auffällige Gemeinsamkeit. Die beschworenen Gefahren der Endlagerung sind äquivalent zu den unerforschten Langzeitnebenwirkungen der Impfung. Die Gefahren des Betriebs von Kernkraftwerken sind äquivalent zu den kurzfristig zu erwartenden Impfnebenwirkungen. Und die Beschwörungsformel „Kernenergie kann keinen relevanten Beitrag zum Klimaschutz leisten“ ist äquivalent zu „die Impfung wirkt gar nicht“. Und sowohl Kernenergiegegner als auch Impfgegner sind rationalen Argumenten gegenüber wenig aufgeschlossen, verstecken sich in ihren ideologischen Schützengräben um nicht mit der Realität konfrontiert zu werden.

Zurückkommend auf die beiden gegenüberstehenden Fraktionen bleibt nur die (erfahrungsgemäß sehr schwache, beinahe illusorisch anmutende) Hoffnung, dass sich die Grundsätze des Zeitalters der Aufklärung – oder populär ausgedrückt „Fakten, Fakten, Fakten“ – auf lange Sicht durchsetzen werden. Und ich werde dann sagen: „Ich hab’s Euch ja gleich gesagt“. Wenn ich es noch erlebe. Schaut man auf die Irrtümer der Vergangenheit – vom Marxismus über die Grenzen des Wachstums bis zum Waldsterben – kann man erahnen, dass Lebenslügen manchmal nicht mal mit der Lügengeneration aussterben.

COVID-19 – Here we go again

In vielen Bereichen des Lebens spricht man ja von einer „Lernkurve“. In der Softwareentwicklung hat man zum Beispiel das CMM („Capability Maturity Model“) entwickelt, mit den Stufen 1 bis 5. In einfache Sprache übersetzt bedeutet Stufe 1 „erste Versuche, ad-hoc-Vorgehen“, Stufe 2 „schon mal gemacht – das, was sich bewährt hat, behalten wir bei, es entwickelt sich Routine“, und Stufe 3 „definiertes Vorgehen, wir wissen recht gut was funktioniert und was nicht und haben einen Plan, um genau das zu tun, was funktioniert“.

Bei der Pandemie-Bekämpfung sehe ich vor allem die Politik seit Januar 2020 auf Stufe 1 herumkrebsen. Egal ob Empfehlungen oder Kennzahlen oder Organisation oder Impfung – was zu Anfang der Pandemie noch einigermaßen verständlich (wenn auch unentschuldbar aufgrund existierender Planspiele und Vorüberlegungen und mindestens 20 Jahre Zeit zur Vorbereitung) war, ist inzwischen nur noch peinlich.

Im Moment wiederholt sich das Impfdesaster von Anfang 2021. Obwohl die Zahlen aus Israel seit etwa Ende Juli 2021 klar sagen, dass die Wirkung der Impfung vor allem bei den Risikogruppen nach teilweise weniger als 6 Monaten spürbar nachlässt. Obwohl die Zahlen aus aller Welt wenig Gutes über die AstraZeneca- und J&J-Impfung bezüglich der Delta-Variante sowie die Dauer der Wirksamkeit sagen. Obwohl von Anfang an klar war, dass man die Wirksamkeit der Impfung eng überwachen muss, um rechtzeitig reagieren zu können, hat die Politik das Problem erneut konsequent verschlafen, zur Unzeit die Impfzentren dichtgemacht, noch im Oktober von einem „Freedom Day“ gelabert, und hauptsächlich auf die überschaubare Zahl der Impfgegner geschimpft, anstatt die Impfwilligen und Impfunentschlossenen bestmöglich zu versorgen.

Ebenfalls wiederholt sich das Krankenhausdesaster. In Baden-Württemberg werden seit heute Intensivpatienten in andere Bundesländer verlegt, um Platz zu schaffen für die COVID-19-Patienten, von denen man heute schon weiß, dass sie demnächst im Krankenhaus landen werden. Unnötig zu sagen, dass der Regelbetrieb in den Krankenhäusern schon lange wieder Geschichte ist und alle nicht dringend notwendigen medizinischen Eingriffe schon wieder verschoben werden. Es kann jeder von Glück sagen, der seine schwere Erkrankung schon im Sommer hinter sich gebracht hat.

Ein Dauerärgernis ist das Meldedesaster. Egal ob Impfung, Infektion, Hospitalisierung, Intensivstationsbelegung oder Intensivbettenkapazität – der berühmte Meldeverzug, gerne in Kombination mit Meldung per Fax oder Brieftaube, ist auch im Jahr 2 der Pandemie allüberall. Das Land Baden-Württemberg hat ja aufgrund der Überlastung der Gesundheitsämter – auch ein Dauerzustand seit Tag 1 der Pandemie – die Kontaktnachverfolgung eingestellt und überlässt das jetzt den Infizierten bzw. Erkrankten. Das klappt wirklich prima. Es fällt einem auch nach intensivem Nachdenken überhaupt kein Bereich des Staatswesens mehr ein, der als „funktionierend“ bezeichnet werden könnte, mit der möglichen Ausnahme „Parkraumüberwachung“ und „Steuer eintreiben“ – letzteres ist vermutlich der einzige Bereich im Staatswesen, der ausreichend automatisiert ist, so dass die Inkompetenz des Personals weniger Schaden anrichten kann.

Aber das Meldedesaster nebst den Schwierigkeiten der zeitnahen Aufbereitung der gesammelten Zahlen entschuldigt nicht alles – die Belastung der Krankenhäuser und die Notwendigkeit der Auffrischimpfung war lange vorhersehbar, auch auf Basis der allseits zugänglichen Zahlen des RKI. Abr es benötigt halt ein Minimum an Restintelligenz, diese Zahlen auch zu interpretieren.

A propos Intelligenz: in Sonntagsreden der Politik kommt ja häufig unser Nachwuchs zur Sprache. Die Kinder und Jugendlichen sind wichtig, ihre gute Ausbildung der Schlüssel zur Zukunft und so weiter. Die Realität hingegen zeigt, dass planlos rumgehampelt wird. Auf der Hand liegende Maßnahmen von der Maskenpflicht im Unterricht bis zu Luftreinigern und Hygieneprotokollen sowie einem umfangreichen Testregime – viel liegt in der Hand der einzelnen Schule, und auch der Online-Unterricht als Königsweg der Pandemiebekämpfung ist von nach wie vor sehr durchwachsener Qualität. Etwas besser sieht es an den Universitäten aus, da scheitert es eher an wirklich schwierig zu lösenden Problemen der Kategorie „wie verhindere ich wirksam Betrug bei Online-Prüfungen“. Denn selbständiges Lernen ohne Präsenzveranstaltung sollte nun wirklich jedem Studenten möglich sein, es ist sowas wie die Definition der Hochschulreife.

Die COVID-19-Lernkurve der Politik ist eine entartete Kurve. Mehr so eine Gerade. Parallel zur X-Achse. CMM Stufe 1 – aus Ermangelung einer Stufe 0. Verkacken in Serie. Für den gemeinen Bürger bleibt nur, sich selbst bestmöglich zu helfen – durch die Impfung, durch rechtzeitige Auffrischungsimpfung, durch Besonnenheit bei den persönlichen Kontakten, durch eine vorsichtige Einschätzung von Risiken.

Wer sich nun fragt, warum der Bürger solche Politiker immer wieder wählt – es gibt mindestens zwei Gründe. Der erste Grund: es gibt schlicht keine schlüssigen Alternativen. Die Partei, die das Wort im Namen trägt, war Anfang 2020 auf der richtigen Spur, ist aber inzwischen eine derart dämliche Ansammlung von Schwurblern ohne Faktenbasis, dass sie sich das Prädikat „unwählbar“ redlich verdient und damit endlich zu den anderen im Parlament vertretenen Parteien aufgeschlossen hat. Der zweite Grund: der alte Leitsatz „dumme Menschen wählen dumme Politiker“ hat weiterhin seine Gültigkeit. Auf die Intelligenz eines nicht geringen Anteils der Bevölkerung oder gar breite Rücksichtnahme braucht niemand zu hoffen – das ständige Wiederholen zigtausendfach widerlegter Hypothesen hat die Schmerzgrenze hier schon lange überschritten, eine sachlich-fachliche Diskussion ist unmöglich geworden. Selbst die allereinfachsten und minimalinvasivsten Dinge wie das richtige Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder das Verwenden der Corona-Warn-App ist einem erschreckend großen Teil der Bevölkerung nicht möglich – die Idee, dass die Bevölkerung unseres Landes ausreichend gebildet und gleichzeitig solidarisch veranlagt ist wurde nun in dieser Pandemie nachhaltig widerlegt. Und zu dieser Erkenntnis gelangt man unabhängig davon, wie man zur Impfung steht. Bei der Impfung gibt es immerhin ernstzunehmende, wenn auch sehr schwache Argumente für eine Verweigerung, das ist immerhin auf einem ähnlichen geistigen Niveau wie die Ablehnung der Gurtpflicht im Kfz.

Oder wie Blog-Kollege Danisch zu sagen pflegt: Geliefert wie bestellt.

Klimaschutz und Kernenergie

Schon in verschiedenen Beiträgen in diesem Blog habe ich mich dem Thema Klimawandel sowie mit der Kernenergie beschäftigt. Gerne auch in Kombination, weil mir die Idiotie der Argumentation „Klimakatastrophe – größtes Problem der Menschheit“ in Verbindung mit „Kernenergie darf nicht Teil der Lösung sein“ regelmäßig ins Auge springt. Im Aufgalopp zu „Glasgow“, der neuesten Auflage des allseits bekannten und beliebten „Klimagipfels“, dessen erste weithin bekannte Inkarnation „Kyoto“ mit dem beinahe ebenso bekannten „Kyoto-Protokoll“ endete, gab es nun wieder Rauschen im Blätterwald, weil sich einige – inklusive des sonst hochheiligen IPCC – doch tatsächlich erdreisteten, zur Bekämpfung des nahenden Klimatods eine technische Lösung namens „Kernenergie“ ins Spiel zu bringen. Für Deutschland als Kernenergieaussteigernation Nr. 1 natürlich besonders brisant, gibt es hierzulande doch noch ein paar völlig problemlos laufende, preiswerte, abgeschriebene und noch verhältnismäßig junge Kernkraftwerke, die man ja doch relativ problemlos weiterbetreiben könnte, um z.B. damit Kohlestrom zu substituieren.

Ich will mich an zwei Exemplaren von Berichterstattung durch typische Kernenergie-Contra-Argumente kämpfen und vor allem damit den Stand der Sachdiskussion betrauern, der seit „Tschernobyl – wir werden alle sterben“ zumindest in Deutschland unverändert zu sein scheint.

Beweisstück 1: SPIEGEL Online veröffentlichte im Bereich „Wissenschaft“ ein reines Meinungs- und Propagandapamphlet mit dem schon die Erwartungshaltung bezüglich der Neutralität des Artikels absteckenden Titel „Atomkraft? Nein, danke, wirklich nicht“. Basis dieses Artikels ist ein „Diskussionsbeitrag“ genanntes fast 100 Seiten starkes Pamphlet der selbstverständlich in der Sache völlig neutralen Forschungsgruppe der „Scientists for Future“. Eine der Autoren ist die allseits bekannte EE-Propagandistin Claudia Kemfert, die über die Jahre ausreichend unter Beweis gestellt hat, dass man sie zu Sachfragen besser nicht befragen sollte – wobei, ihre Diskussionsbeiträge sind dahingehend wertvoll, dass man mit einiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass das glatte Gegenteil ihrer Behauptungen richtig ist. Wer den Bericht in voller Schönheit konsumieren will – hier ist die Zusammenfassung, hier die Langversion.

Was also sind diese Murmeltiertag-Argumente, die immer wieder in die Diskussion eingebracht werden?

Punkt 1: die Sicherheit. Klar, da werden die Klassiker „Three Mile Island“, „Tschernobyl“ und „Fukushima“ aufgefahren. Abgesehen von der Tatsache, dass ganze drei seriöse Unfalle in 60 Jahren Kernenergienutzung doch für ein unglaublich hohes Sicherheitsniveau sprechen, und auch die offiziellen Statistiken wie die „Lost Workers Per Day“ eindeutig sagen, dass von allen Energieerzeugungsarten inklusive Windkraft und Photovoltaik die Kernenergie die mit Abstand sicherste ist, lohnt es sich, die drei Unfälle im Detail anzuschauen. Die Teilkernschmelze im Reaktor 2 in Harrisburg kannte nämlich nur einen Geschädigten: den Betreiber. Außerhalb des Kraftwerks passierte genau gar nichts. Oh, da haben wir aber Angst: einer der drei schlimmsten Reaktorunfälle aller Zeiten forderte genau 0 Todesopfer. Der nebenan stehende Reaktor 1 lieferte noch vier weitere Jahrzehnte Strom. Blick auf Fukushima, den Auslöser einer neuen Hysteriewelle gegen die Kernenergie hierzulande inklusive sofortiger Abschaltung diverser Kraftwerke und Einsetzen einer „Ethikkomission“, die den Ausstiegsbeschluss unterfütterte: hier ist es wichtig, die Auswirkungen des Reaktorunfalls ins Verhältnis zu setzen mit den Auswirkungen des den Unfall auslösenden Ereignisses: ein starkes Erdbeben gefolgt von einem Tsunami. Todesopfer des Tsunami: vermutlich 20000. Todesopfer des Reaktorunfalls: 2 Arbeiter. Vermutete langfristige Opfer der freigesetzten Strahlung: 0 – die am stärksten strahlenbelasteten Menschen waren Arbeiter des Kraftwerks, mit einer Strahlendosis von wenigen hundert Millisievert. Zum Zeitpunkt des Tsunami war der Platz innerhalb des Kraftwerks der Sicherste im Bereich der Küste. Wir halten fest: Fukushima zeigt uns, dass selbst bei Schlamperei des Betreibers (Schutzmaßnahmen gegen Tsunamis vorhersehbarer Größe unzureichend) und bei einem wirklich uralten Reaktors (GE BWR Mark I – Design aus den 60ern) selbst eine dramatische Naturkatastrophe kein wirkliches Problem darstellt. Weiterer Beweis in der Sache: die Reaktorblöcke des benachbarten Kernkraftwerks Fukushima Daini haben diese Naturkatastrophe unbeschadet überstanden und hätten, wenn die Politik nicht anders entschieden hätte, direkt nach Erdbeben und Tsunami den Betrieb weiterführen können. Blickt man leidenschaftslos auf den Tsunami-induzierten Reaktorunfall von Fukushima, kann man schlussfolgern, dass selbst bei einem alten Reaktor, der an einer ungünstigen Stelle steht, der mit sehr knappen Notstromreserven ausgestattet ist, dessen Notstromgeneratoren nicht ausreichend verbunkert sind, der weder mit heute üblichen (und bei den meisten Kernkraftwerken, insbesondere allen deutschen KKWs nachgerüsteten) katalytischen Rekombinatoren zur Vermeidung der Ansammlung von Wasserstoff oder gefilterter Ventilationsmöglichkeit zur Druckentlastung des Sicherheitsbehälters ausgestattet ist, das Risiko einer erheblichen Freisetzung des radioaktiven Inventars extrem gering ist.

Bleibt also Tschernobyl. Zweifellos ein seriöser Reaktorunfall – wenn auch mit insgesamt überschaubaren Auswirkungen was Leib und Leben angeht, vermutlich wird die Opferzahl auch langfristig im vierstelligen Bereich bleiben – allerdings unter besonderen Bedingungen, die man bei der Bewertung der Gefahren der Kernenergie berücksichtigen sollte. Man stellt ja auch den PKW-Verkehr nicht ein, nur weil ein Trabbi sehr wenig Schutz für die Insassen und Fußgänger bietet und einen sehr langen Bremsweg hat. Und da hat der havarierte RBMK-Reaktor von Tschernobyl einige unglückselige Alleinstellungsmerkmale wie den positiven Dampfblasenkoeffizient, das Fehlen entscheidender Schnellabschalteinrichtungen, die Moderation durch (brennbares) Graphit, das Fehlen eines Sicherheitsbehälters, ein unzureichendes Containment…die Liste ist lang. Dazu kam das von höchster politischer Stelle beauftragte Reaktorexperiment, das eine geschulte und geübte Bedienmannschaft, wie sie in Reaktoren westlicher Bauart und vor allem in Deutschland vorausgesetzt werden kann, niemals so durchgeführt hätte. Garniert wird die Reaktorkatastrophe noch durch den menschenverachtenden Charakter des zentral gesteuerten Marxismus Moskauer Prägung, der die Auswirkungen der Katastrophe nochmals schlimmer machte. Keine zeitnahe Evakuierung, keine Katastrophenvorsorge, kein Plan für den Ernstfall. Unterm Strich bleibt also eine Katastrophe aufgrund einer um Größenordnungen unsicherer Reaktorbauart im Verbund mit gnadenloser Menschenverachtung eines alles kontrollierenden Staatswesens ohne wirksame Risikovorsorge. Wenn es jemals eine Unvergleichbarkeit von technischen Konzepten gegeben hat, dann „RBMK“ vs. „Leichtwasserreaktor westlicher Bauart“.

Wichtig ist aber auch: selbst unter Berücksichtigung des Tschernobyl-Unfalls bleibt die Kernenergie eine ungeschlagen sichere und saubere Art der Stromerzeugung. Kernenergie ist vermutlich die einzige Technologie, die nicht mal der Kommunismus durch dramatisches Unterbieten von sinnvollen Mindeststandards im Durchschnitt ins Minus bringen konnte.

Bezüglich der Sicherheit wird auch die alte Schimäre „Proliferationsrisiko“ bemüht. Hintergrund ist, dass für die Produktion atomwaffenfähigen Materials zwar prinzipiell Kernreaktoren geeignet sind. Schaut man aber näher ins Detail, fallen zwei Dinge ins Auge: erstens die Entstehung der ersten Kernwaffen der fünf initialen Atomwaffenstaaten USA, UdSSR, Großbritannien, Frankreich und China. Keiner der Staaten verwendete kommerzielle Leistungsreaktoren, um sein Uran oder Plutonium für Atombomben zu erzeugen, sondern entweder reine Urananreicherung (so auch später Pakistan und Indien, und so wird es auch der Iran machen) oder spezielle Reaktoren, die darauf ausgelegt sind, tatsächlich möglichst reines Plutonium-239 zu erbrüten ohne die hässliche Eigenschaft von Leichtwasserreaktoren, die Chose mit reichlich Plutonium-240 zu verunreinigen, das den Isotopenmischmasch für den Bombenbau unbrauchbar macht. Oder anders ausgedrückt: gängige Reaktoren zur Stromerzeugung sind ganz ganz schlecht zur Erzeugung von waffenfähigem Material geeignet. Wen da wirklich noch Restzweifel beschleichen, der stellt interessierten Staaten einfach den kompletten Brennstoffkreislauf zur Verfügung und lässt vor Ort nur die Reaktoren betrieben, damit ist dieses Schreckensszenario endgültig mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 0 zu bewerten. Oder mal die Kanadier fragen – deren CANDU-Reaktoren benötigen nicht mal angereichertes Uran, sondern laufen mit Natururan, so dass sogar dieses Minimalrisiko ausgeschlossen werden kann.

Natürlich darf auch die angeblich ungelöste Endlagerung im bunten Reigen der Pseudo-Argumente nicht fehlen. Ein Problem, das andernorts – z.B. in Finnland – bekanntlich längst gelöst ist, prinzipiell sehr einfach lösbar ist wenn man Kernenergie-Abfälle einfach gemäß ihrer Gefährlichkeit wie anderen konventionellen Giftmüll behandeln würde, oder alternativ endlich schnelle Reaktoren zur Verwertung dieses „Abfalls“ bauen würde. Da sind uns inzwischen sogar die Russen voraus, nachdem wir in Deutschland zwar einen geeigneten schnellen Brutreaktor fertig gebaut haben, aber dann vorsichtshalber nicht in Betrieb genommen haben. Auch in Deutschland hat man ja ein sehr gutes Endlagerkonzept – wenn man auf „direkte Endlagerung“ steht – und noch niemand konnte schlüssig begründen, warum der Salzstock in Gorleben (oder praktisch jeder andere unberührte Salzstock in Deutschland oder die zahlreichen Granitgesteinsformationen ähnlich der finnischen Lösung) kein geeignetes Endlager sein soll, aber es wird politisch seit Jahrzehnten verhindert, weil die Anti-Kernkraft-Lobby natürlich eines ihrer Hauptargumente in Gefahr sieht. Nicht, dass ein paar Castorbehälter in einer Lagehalle a la Zwischenlager Gorleben oder Ahaus ein Problem wären – ja dann stehen die halt ein paar Jahrhunderte dort drin, wen kümmert das schon? Gegenüber der Endlagerung von dauerhaft giftigen Stoffen hat der atomare Abfall immerhin den Charme, dass er über die Zeit sehr viel weniger gefährlich wird.

Zuletzt natürlich auch noch das Versicherungsargument – angeblich sind die Schäden aus einem Kraftwerksunfall ja so groß, dass gar keine Versicherung dagegen möglich oder denkbar ist. Dubios, denn gerade in Deutschland sind die Schäden eines hypothetischen Unfalls selbstverständlich versichert, weltweit wäre das aufgrund des sehr seltenen Ereignisses „Kraftwerksunfall mit Außenwirkung“ natürlich auch kein Problem, aber allerorten verhindern staatliche Regulierungen eine solche marktwirtschaftliche Lösung. Weltweit agierende (Rück-)Versicherer haben ganz andere Risiken abgesichert, dagegen ist ein Unfall Marke „Three Mile Island“ oder „Fukushima“ ein Kleinkleckerlesbetrag. Und wenn man sieht, wieviel CO2 durch die Kernenergie bisher schon vermieden wurde, wird die finanzielle Haben-Seite der Kernenergie selbst im Angesicht eines jährlich stattfindenden schwerwiegenden Unfalls immer noch erklecklich sein. Wenn man dann noch bedenkt, wieviel sicherer moderne Kernkraftwerke gegenüber ihren schon sehr sicheren und zuverlässigen Geschwistern der Baujahre 1960 bis 1990 sind, bleibt nur die Erkenntnis, dass Sicherheits- und Kostenerwägungen ganz sicher nicht gegen die Kernenergie sprechen.

Warum der Spiegelartikel auch noch behauptet, dass die neue Generation der SMRs („Small Modular Reactors“) keinen relevanten Sicherheitsgewinn bringen würden, obwohl diese allesamt so konstruiert sind, dass ein Unfall mit Freisetzung radioaktiver Stoffe physikalisch ausgeschlossen ist – vermutlich schlägt hier die Relotius-Ader des Blattes wieder durch. Eine schändlichere Lüge wurde selten zu Buchstaben geformt. Oder steckt dahinter in Wahrheit die Erkenntnis, dass auch heute betrieben konventionelle Leichtwasserreaktoren bereits sehr sicher sind, und es deshalb gar keinen signifikanten Sicherheitsgewinn zu geben braucht und geben kann?

Wenn man den Sicherheitsaspekt mal auf die Frage verengt, ob Deutschland seine vorhandenen Reaktoren einfach 30-50 Jahre weiterbetreiben soll oder wie geplant aussteigen soll, stellt sich schnell die Erkenntnis ein: weiterbetreiben ist die einzig sinnvolle Entscheidung. Das Endlagerproblem, selbst wenn es existiert, wird dadurch nicht schlimmer. Das Proliferationsrisiko ist bei Reaktoren unserer Bauart nicht mal denkbar. Die Sicherheitshistorie der deutschen Reaktoren ist makellos, ihre Zuverlässigkeit vorbildlich. Bedenken gegen den Weiterbetrieb sind allesamt hypothetischer Natur, ähnlich einer Ablehnung der Windkraft mit dem Hinweis, dass es ja nicht auszuschließen sei, dass ab morgen in Deutschland nur noch sehr schwacher Wind wehen wird. Oder die Ablehnung der Photovoltaik mit der Befürchtung, dass ab morgen immer dunkel ist.

Kommen wir zu Punkt 2 – die Wirtschaftlichkeit. Zunächst lügt der Artikel sich zusammen, dass Kernenergie niemals wirtschaftlich war. Das stimmt insoweit, wenn man es mit Braun- oder Steinkohlekraftwerken vergleicht. Da wir ja aber den Klimawandel im Auge haben wollen, müssen wir die Kernenergie ja mit erneuerbaren Energien vergleichen, und da kann jeder an seiner Stromrechnung ablesen, was Sache ist: Kernenergie ist die einzig wirtschaftliche CO2-freie Stromerzeugungstechnologie, selbst heute, nachdem der Staat wirklich alles versucht hat, um mit überbordendem Regulierungsdrang die Kernenergie möglichst teuer zu machen. Wenn man sich anschaut, welche immensen Kosten durch die diversen Regulierungsbehörden wie die NRC in den USA entstehen – und das ohne merklichen Gewinn für die Sicherheit – wäre die Klimaschutzmaßnahme Nummer 1, endlich mal den ganzen Genehmigungsprozess für Kernreaktoren zu verschlanken und wieder auf ein Maß wie in den 70ern oder 80ern, der großen und erfolgreichen Zeit der preisgünstigen Reaktorneubauten, zurückzufahren. Früher konnte man einen GW-Reaktorblock für weniger als eine Milliarde Mark bauen und in Betrieb nehmen, heute wird eher der zehn- bis zwanzigfache Betrag fällig. Wenn jemand Angst vor Inflation hat, sollte er hier besser nicht so genau hinschauen. Und dennoch ist auch heute ein Neubau eines Kernkraftwerks unter entsprechenden Bedingungen ein gutes Geschäft, wenn man es mit CO2-freien Alternativen vergleicht.

Der Unterpunkt „aber die unbekannten Kosten für Rückbau und Endlagerung“ wird natürlich auch immer gerne genommen, ist aber keinesfalls valide. Bezüglich Rückbau hat insbesondere Deutschland reichlich Erfahrung, weil wir bereits die Altlasten des real existierenden Sozialismus im Osten des Landes komplett zurückgebaut haben, und das war alles andere als teuer, wenn man es vergleicht mit dem Wert des erzeugten Stroms, selbst zu damaligen niedrigen Marktpreisen in Konkurrenz zur schmutzigen Braunkohle sozialistischer Prägung. Zur Endlagerfrage gilt das oben gesagte – nimmt man den einzig vernünftigen Weg der Nutzung des „Atommülls“ als Brennstoff für schnelle Reaktoren, hat dieser Müll sogar einen Wert und verursacht gar keine Endlagerkosten. Bevorzugt man die direkte Endlagerung ohne Nutzung, sind aufgrund der sehr geringen Mengen die Kosten geradezu lächerlich niedrig, selbst bei pessimistischer Rechnung deutlich unter 1 ct/kWh bei Endlagerung nach Greenpeace-Standard.

Und verengen wir die Wirtschaftlichkeitsdebatte wieder auf die Frage, ob Deutschland seine vorhandenen Reaktoren einfach 30-50 Jahre weiterbetreiben soll oder wie geplant aussteigen soll, so kann die Antwort nur lauten „weiterlaufen lassen“. Die Kraftwerke stehen schon, der Betrieb ist äußerst kostengünstig, und weder für Rückbau noch für Endlagerung fallen bei einer Betriebszeit von 60-80 Jahren signifikant höhere Kosten an als bei einer Betriebszeit von etwa nur 34 Jahren wie im Falle von Neckarwestheim 2.

Punkt 3 – die Behauptung, ein Ausbau der Kernenergie käme zu spät für die Lösung der Klimawandelproblematik – ist besonders pikant. Seit Jahrzehnten versuchen Anti-Kernkraft-Lobbyisten, Sand ins Getriebe zu streuen. Jede Menge politische Entscheidungen wurden getroffen und Gerichtsverfahren angestrengt, um den Erfolg der Kernenergie zu verhindern. Man hat also das jetzt Kritisierte im Prinzip selbst verursacht und bejammert es jetzt. Scheinheiliger geht es ja gar nicht. Aber davon abgesehen ist die Aussage selbst im heutigen weitgehend totregulierten Kernreaktorbereich nicht die Wahrheit. Wenn man heute einen großen Kernreaktor ordert, egal ob in Russland, Südkorea, Japan oder USA, kann man – wenn man der juristischen Verzögerungstaktik der Feinde des Fortschrittes einen Riegel vorschieben kann – sich problemlos in 5-10 Jahren an einem neuen Reaktor erfreuen. Und mit jedem weiteren neuen Reaktor geht es schneller.

Ein praktisches Beispiel: die Vereinigten Arabischen Emirate haben quasi aus dem Stand – also bei gleichzeitigem Aufbau der Regulierungsbehörde und Schaffung aller Voraussetzungen für den Betrieb wie Ausbildung des Personals – mit Beginn 2012 bis Ende 2021/Anfang 2022 vier große Reaktorblöcke südkoreanischer Herkunft (KEPCO APR-1400) erfolgreich gebaut und in Betrieb genommen, zu je 1,4 GW elektrischer Leistung und einer vorgesehenen Betriebsdauer von je 60 Jahren. Und man erinnere sich zurück an den großen nuklearen Ausbau in Frankreich in den 80ern – eine Vielzahl von Reaktoren, die bis heute problemlos betrieben werden, haben Frankreich unter den Industrienationen zu der Nation gemacht, die den niedrigsten pro-Kopf-Ausstoß von CO2 hat. Warum sollte das heute nicht auch möglich sein? Der Einwand, man käme eh zu spät, ist derart unlogisch, dass nur ein verqueres Antiatomschwurblerhirn darauf kommen kann. Zumal man ja immer vergleichen muss mit der Alternative. Frankreich schaffte in den 80ern 12 große Druckreaktoren (Baubeginn 1980 bis 1982, Inbetriebnahme 1982 bis 1990), die Vereinigten Arabischen Emirate innerhalb von 10 Jahren 4 große Druckreaktoren – das entspricht einer Stromerzeugung von etwa 44 TWh pro Jahr zuverlässige Deckung der Grundlast, für die nächsten 60 Jahre. Wenn man wirklich will, geht es also, und das nachgewiesenermaßen. Hingegen ist eine zuverlässige und halbwegs bezahlbare Stromversorgung allein mit erneuerbaren Energien immer noch Wolkenkuckucksheim, und Subventionsweltmeister Deutschland hat es in 20 Jahren auf gerade mal dieselbe Stromerzeugung aus Photovoltaik gebracht – rund 40 TWh von Strom „wann immer gerade die Sonne scheint“. Zu dramatisch höheren Kosten als den vier Reaktorneubauten in den Emiraten versteht sich. Und das liegt nicht zuletzt an der Energie- und Rohstoffintensität der Herstellung von PV-Anlagen. Warum also gleichzeitig der schnelle Ausbau der Kernenergie unmöglich sein sollte während der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik nebst notwendigen Backups – die sich einigermaßen kostenfreundlich noch nicht mal auf dem Reißbrett abzeichnen – gar kein Problem sein sollen, auch dafür braucht man wohl verqueres Antiatomschwurblerdenken mit zuverlässiger Plausibilitätsprüfungsunterdrückung.

Für die Zukunft ist natürlich zu hoffen, dass die Kerntechnische Industrie tatsächlich mal den großen Worten Taten folgen lässt und kleine kompakte Kernkraftwerke in Serie produziert. Die jetzigen großen Kraftwerke sind ja ein wandelndes Investitionsrisiko in Anbetracht staatlicher Neigung zum grundlosen Eingriff in Bau und Inbetriebnahme, und es sind quasi alles Einzelstücke, weil handgedengelt auf die jeweiligen lokalen Befindlichkeiten der Behörden. Wer sich wundert, warum man in den 60ern einen so rasanten Ausbau der Kernenergie vorausgesagt hatte und warum das gescheitert ist: das ist der Grund. Kleinstaaterei bei den Anforderungen und Genehmigungen, Regulierung so gestaltet dass die Kraftwerke, um kostendeckend zu sein, riesig und damit teuer und komplex sein mussten. Die US-amerikanische NRC beispielsweise hat lange Zeit für jeden zu genehmigenden Reaktor den gleichen Aufwand und die gleiche Summe berechnet – egal ob ein Riesenreaktor mit 1,4 bis 1,6 GW (typischer PWR ab Mitte der 80er) oder schmaler 80 MW-Microreaktor. Ein kleiner Reaktor hat vielerlei Vorteile: er kann eher im Lastfolgebetrieb arbeiten, er ist relativ einfach mit völliger passiver Sicherheit konstruierbar, weil die Restwärmeproblematik über passive Abführung derselben gelöst werden kann. Er muss nicht „on site“ gebaut werden, sondern kann in der Fabrik in Serie gefertigt werden und vormontiert an seinen Standort transportiert werden. Er kann modular zugebaut werden je nach Bedarf. Er kann dezentral installiert werden und so auch zur Nahwärmeversorgung oder für Prozesswärmenutzung zur Verfügung stehen. Ja, denkt man an die schöne neue Welt der Elektroautos, würde so ein NuScale Power Module mit knapp 80 MWe perfekt zu einer Schnellladestation an einer Autobahnraststätte passen. Bei grob 300 kW pro Ladestation wäre das eine angemessene Größenordnung. Der geneigte Leser mag sich vorstellen, welche PV-Fläche für so ein Unterfangen notwendig wäre und wie viele Batterien man für den Fall „Nacht oder wolkig“ als Backup vorhalten müsste, um dieselbe Leistung dieses kleinen, kompakten NPM zu erzielen.

Und nur zur Übung verengen wir auch für Punkt 3 mal den Blick auf die Entscheidung in Deutschland „vorhandenen Reaktoren einfach 30-50 Jahre weiterbetreiben“ oder „wie geplant aussteigen“ – die deutschen Kraftwerke sind schon da und gebaut, also in Nullzeit verfügbar. Sie stillzulegen und auszusteigen ist in diesem Kontext wohl die dümmstmögliche Entscheidung.

Kommen wir zu Punkt 4, der letztlich der Grund ist, warum ich die Anti-Atom-Bewegung für eine neulinke Bewegung von Ökomarxisten halte (denn, man erinnere sich, die Marxisten, Leninisten und Stalinisten alter Prägung waren ja allesamt für den technischen Fortschritt und damit unweigerlich auch Befürworter der Kernenergie): die Kernenergie verhindert die notwendigen Transformationsprozesse hin zu einer klimaneutralen Stromerzeugung. Das ist nun eine so enddämliche Aussage, da weiß man gar nicht wo man anfangen soll. Nehmen wir an, ich habe eine beliebige Menge Geld zur Verfügung (und das muss man ja annehmen, sonst kann die Energiewende deutscher Prägung ja gar nicht stattfinden). Meine derzeitige Stromproduktion besteht immer noch zu einem großen Teil aus Kohlekraftwerken. Warum sollte eine Technologie A, die preiswerter ist als eine Technologie B, aber genauso CO2-frei ist, einen Transformationsprozess hin zu CO2-freier Stromerzeugung verhindern? So dumm kann man doch gar nicht sein. Und deshalb vermute ich dahinter Kalkül: der feuchte Traum der neulinken Ökomarxisten ist eine energetisch verarmte Bevölkerung, ohne jeden Komfort und Luxus, der nur noch der Nomenklatura zur Verfügung steht. Nur dann machen die Aussagen halbwegs Sinn. Wer Kernenergie als Lösungsmöglichkeit der angeblich so tödlichen Klimakrise ablehnt, auch wenn aus unerfindlichen Gründen sie nur 50% der Lösung sein kann, ist schlicht ein Menschenfeind. Oder er glaubt in Wahrheit gar nicht an die Klimakrise und will nur eine Ideologie von Hunger und Armut für alle (auch als „Sozialismus“ bekannt) durchsetzen und sieht in sinnloser Geldverschwendung in erneuerbare Energien ein geeignetes Vehikel.

Soweit der traurige Abriss zum Artikel in SPIEGEL Online. Das Relotius-Blatt in Hochform, Respekt. Selten so viele Lügen und Falschaussagen mit so wenig Text geschafft. Die Autorin Viola Kiel sollte hoffen, dass sie unter einem Pseudonym veröffentlicht, und dass sie nun dank des Feedbacks auch der Kommentatoren bei SPON gelernt hat, dass es manchmal von Vorteil sein kann, von einer Sache, über die man schreibt, wenigstens so viel Ahnung zu haben, dass man Propagandapapiere wie das von der „Scientists For Future“ wenigstens kritisch hinterfragen sollte.

Nun zu Beweisstück 2, vom SPON-Konkurrenten Focus Online mit dem Titel „Vor- und Nachteile von Atomstrom“ publiziert, ebenso irreführend platziert unter der Rubrik „Praxistipp“. Immerhin hat man sich dort bemüht, nicht nur die Nachteile, sondern auch die Vorteile der Kernenergie aufzulisten. So weit, so lobenswert – verfolgt man die deutsche Medienlandschaft, ist es ja quasi unmöglich, mal über einen Beitrag zu stolpern, der tatsächlich Vorteile von Kernenergie zu behaupten wagt. Die genannten Vorteile jedenfalls sind valide und halten auch näherer Betrachtung stand. Aber bei den aufgelisteten Nachteilen werden leider wieder die schon tausendmal widerlegten Behauptungen aus der Mottenkiste des Ökomarxismus herausgeholt. Die oben schon widerlegten Behauptungen in Punkto Sicherheit, Proliferation und Abfall/Endlagerung lasse ich mal aus, denn es folgen noch zwei nicht minder populäre Argumente aus der Antiatomschwurblerszene.

Da ist zum einen die behauptete Inflexibilität von Kernkraftwerken, die angeblich nicht in eine „dynamisches Energiesystem“ passen, um die „gewissen Schwankungen“ der Einspeisung erneuerbarer Quellen wie Wind, Wasser und Sonne auszuregeln. Liebe Antiatomschwurbler, was ihr hier beschreibt ist ein gravierender Nachteil von Erneuerbaren Energien, aber die Kernenergie könnte trotzdem euren Arsch retten, weil die Reaktoren keineswegs prinzipbedingt immer „volle Power“ laufen müssen. Nein, man ist völlig frei darin, sie als zuverlässige Grundlastbereitsteller zu nutzen (was naheliegt, weil die Investitionskosten relativ hoch sind und die Betriebskosten relativ niedrig, jedenfalls niedriger als für alle anderen regelbaren Formen der Stromerzeugung), oder im Lastfolgebetrieb um den Zappelstrom aus den dargebotsabhängigen Quellen auszuregeln. Moderne Kernkraftwerke sind nämlich ausgezeichnet regelbar, mit sehr steilen Leistungsgradienten. Da kann man innerhalb von Minuten von 50% auf 100% und wieder zurück regeln ohne mit der Wimper zu zucken. Dazu der netzstabilisierende Faktor „rotierende Massen“ durch die großen Turbinen. Bleibt natürlich die Frage, warum man überhaupt die zum Betrieb eines stabilen Stromnetzes problematischen Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen noch haben will, wenn man ausreichend Kernkraftwerke zur Verfügung hat, die in wirklich allen Belangen den „Renewables“ – im englischen Sprachraum oft auch als „Unreliables“ bezeichnet – vorzuziehen sind. Masochismus?

Dann kommt noch das für erfahrene Kerntechnik-Befürworter ebenso erwartbare wie falsche Argument der Endlichkeit des Kernbrennstoffs. Ja, Uran ist endlich. Thorium auch. Irgendwann wird unsere Sonne zum roten Riesen und sowohl Windkraft als auch Photovoltaik werden keinen Strom mehr erzeugen. Ja, Beton und Stahl und was-auch-immer sind ebenfalls endlich. Aber die entscheidende Frage ist doch: wann ist Schicht im Schacht? Für Uran ist das noch nicht mal am Horizont abzusehen. Die statische Reichweite (also als zu derzeitigen Marktpreisen gesichert abbaubare Reserven) beträgt derzeit rund 50 Jahre, wie schon seit den 70ern des letzten Jahrhunderts. Damals hat man einfach die Exploration eingestellt, weil man einfach überall auf der Welt Uran gefunden hat. Die Japaner haben es sogar noch weiter getrieben und haben die Extraktion von Uran aus Meerwasser zur Marktreife gebracht – verdoppelt sich der Natururanpreis (was auf den aus Kernenergie erzeugten Strom kostentechnisch sich quasi gar nicht auswirkt, weil der Preis von Natururan nur im einstelligen Prozentbereich zu den Stromgestehungskosten beiträgt), wird deren Methode schon kostendeckend, und der Nachschub von Uran im Meerwasser ist quasi-unendlich. Nicht zu vergessen die Möglichkeit, mit Brutreaktoren neues spaltbares Material aus Thorium-232 oder Uran-238 zu erzeugen. Und natürlich den riesigen Reserven, die in unserem „Atommüll“ stecken und nur darauf warten gehoben zu werden. Mit der WAA Wackersdorf und dem SNR in Kalkar hatte Deutschland das perfekte Konzept für einen geschlossenen Brennstoffkreislauf – aber die Anti-Atom-Lobby der Pseudo-Ökos konnte natürlich eine Lösung für das Endlagerproblem nicht zulassen und malte den Teufel der Plutoniumwirtschaft an die Wand.

Aber selbst wenn man jetzt mal alle Brutreaktoren dieser Welt außer Acht lässt, den deutschen Atommüll unbedingt unangetastet lassen will und postuliert, dass der Rest der Welt uns kein frisches Uran mehr liefern will – selbst dann könnte man mit den bekannten Uran-Lagerstätten den kompletten deutschen Bedarf für eine Energievollversorgung locker decken. Mit anderen Worten: zumindest für eine noch zu bauende neue Kernkraftwerksgeneration gäbe es mehr als genug einheimischen Brennstoff. Warum sollte uns die Situation in 100 oder 200 Jahren bezüglich der Uran-Versorgungssituation kümmern, wo uns das Klima doch angeblich heute oder zumindest in allernächster Zukunft um die Ohren fliegt? Warum eine Lösung ablehnen, die uns im schlechtesten Falle „nur“ 100 Jahre Zeit verschafft? Wie alle Antiatomschwurblerargumente ergibt auch das vom knappen Uran einfach überhaupt gar keinen Sinn.

Ebenfalls erwähnen will ich einen exklusiv im/für den Focus Online-Artikel mit außerordentlicher Kreativität erfundener, nahezu einzigartiger Nachteil von Kernkraftwerken: sie können tatsächlich – im Gegensatz zu allen anderen Energieerzeugern wie Windkraftanlagen, Wasserkraftwerken oder Photovoltaikanlagen – nicht unendlich lange laufen sondern müssen irgendwann ersetzt werden. Skandal! So ein Kraftwerk aus den 70ern oder 80ern muss doch tatsächlich nach 60 bis 80 Betriebsjahren stillgelegt werden! Nicht zu fassen. Ganz im Gegensatz zu den allseits bekannten Windkraftanlagen, die meisten davon bekanntlich seit dem Mittelalter oder sogar noch von den alten Römern gebaut. Was bleibt einem bei so einer Argumentationsqualität übrig außer Ironie und Sarkasmus?

Kommen wir zum Abschluss zum Bereich „Glaskugel“. Ich halte den Ausstieg aus der Kernenergie hierzulande für nicht aufzuhalten, da mögen alle guten Argumente der Welt für einen Weiterbetrieb der letzten 6 Kernkraftwerke sprechen. Ich glaube sogar, dass das Anti-Atom-Denken in Deutschland so erfolgreich über die Jahrzehnte eingetrichtert wurde, dass selbst großflächige Stromausfälle in Zukunft niemals auf den Ausstiegsbeschluss zurückgeführt würden oder gar der Ausstieg wehmütig bedauert werden würde. Am Deutschen Wesen soll schließlich die Welt genesen, und Konsequenz nach Deutschem Muster heißt, auch einen Holzweg zu Ende zu gehen.

International hingegen ist die Renaissance der Kernenergie langsam im Kommen. China hat die letzten 20 Jahre Reaktor um Reaktor gebaut, Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate sind neu eingestiegen, in den USA haben Reaktorneubauten durch die explodierenden Gaspreise und die CO2-Bepreisung inzwischen wieder reelle Chancen, und in UK wird nach dem Brexit wieder ernsthaft über die Kernenergieoption nachgedacht – auch wenn dort die Mühlen eher langsam arbeiten, und der Weg zu den Reaktorneubauten dort eher lang ist. Ob die Ausbaupläne im Rest von Europa wie z.B. in Polen oder in Tschechien tatsächlich kommen werden – da bin ich unsicher. Durch die unbegrenzte Gelddruckerei der EZB sind auch absurd kapitalintensive Unterfangen wie Windkraftanlagen oder Photovoltaik zusammen mit den reichlich fließenden Subventionen ein risikoarmes Investment, so dass die EU eher weiter in Richtung Deindustrialisierung und Auslagerung der Produktion in ferne Länder fortschreiten wird.

Knackpunkt für eine echte Renaissance der Kernenergie sind meines Erachtens tatsächlich in der Praxis erprobte kleine modulare Reaktoren zwischen 50 und 500 MW. Die kann man überall netzverträglich integrieren, die sind inhärent sicher, die sind CO2-neutral, und wenn sie in Serie produziert werden auch preislich attraktiv. Vielleicht ist das US-Militär der notwendige Katalysator für diese Technologie, denn im IT-Zeitalter wird die zuverlässige und vor allem netzunabhängige Stromversorgung von Militärbasen immer wichtiger, und was könnte da einfacher, kompakter, sicherer und eleganter sein als ein kleines Reaktormodul, dass sich mit dem LKW oder gar per Hubschrauber an den Einsatzort transportieren lässt. Ob diese kleinen Reaktoren dann von NuScale oder TerraPower oder GEH oder Terrestrial Energy oder X-energy oder Rolls-Royce oder von allen genannten und ungenannten – vor allem chinesischen – Anbietern kommen, scheint erst mal sekundär. First-of-a-kind bauen, Betriebserfahrung sammeln, Serienproduktion starten. So, wie man es zur Anfangszeit der kommerziellen Leistungsreaktoren auch gemacht hat – mit dem Vorteil, dass man heute nichts mehr über Kernreaktionen dazulernen muss und auf vorhandene 60jährige Betriebserfahrung mit Leistungsreaktoren zurückgreifen kann.