Volker Wissing – für alle, die das Ampel-Kabinett noch nicht auswendig gelernt haben: derzeit Verkehrsminister und parteitechnisch beheimatet in der FDP – hat heute für ein gewisses Presseecho gesorgt. Hauptsächlich, weil er die bisherige FDP-Parteilinie bezüglich der uralten Diskussion Akku-Auto vs. E-/Bio-Fuels verlassen und hat mehr in Richtung “E-Auto ist der einzig wahre Weg” unterwegs ist. Man könnte auch sagen, durch dieses schon frühzeitig gebrochene Versprechen sowohl was die Aussagen vor der Wahl angeht als auch was den Koalitionsvertrag angeht hat es Wissing geschafft, der langen Liste an FDP-Enttäuschungen für die Wählerschaft einen neuen Eintrag hinzuzufügen. Wie der Rest der FDP dazu steht, habe ich noch nicht vernommen.
Um was geht es? Aus irgendeinem dunklen Grunde hat unsere Regierung – oder besser gesagt “die Politik”, weil es trotz den diversen Regierungswechseln seit Ende der 90er ja nie anders gehandhabt wurde – irgendwann beschlossen, dass man bei den Senkungen der CO2-Emissionen sektorweise vorgeht. Jeder Sektor muss eine Reduktion vorweisen hin zum gemeinsamen Klimaziel. Industrie, Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft. Weil es ja auch ein supersinnvolles Vorgehen ist, für viel Geld sagen wir CO2 im Verkehrssektor zu reduzieren, wenn dieselbe Reduktion im Gebäudesektor für viel weniger Geld möglich wäre – klar, weil jede Tonne CO2 aus dem Auspuff eines SUVs viel viel schwerer wiegt als die aus dem Kamin eines Reiheneckhauses. Völliger Schwachsinn, aber in der Politik business as usual.
Nun kann man sich im Verkehrssektor ja viel vorstellen, um CO2-Reduktion zu erreichen. Viel mehr Elektroautos beispielsweise. Oder einfach eine Erhöhung des regenerativen oder atomaren Anteils der Stromerzeugung, um Bahn und Elektrobusse und Straßenbahn und schon vorhandene Elektroautos mit einem Strommix mit niedrigerem CO2-Anteil zu betreiben. Oder man könnte Treibstoffe höher besteuern, um die Verkehrsleistung zu reduzieren (das passiert beispielsweise mittels der neuen CO2-Steuer auf Diesel und Benzin, ich erwähnte das bereits). Oder E-Fuels bzw. Bio-Fuels – wir alle kennen letzteres aus den Beimischungen zu Benzin und Diesel, bei “Super E10” beispielsweise ein Anteil von (bis zu) 10% an Bioethanol. E-Fuels stammen hauptsächlich aus der Notwendigkeit, für die unzuverlässigen erneuerbaren Energien eine Speichermöglichkeit zu kreieren, mit der man aufgrund der CO2-Neutralität der Quelle bei temporärem Überangebot des erzeugten Stroms mit dem so erzeugten Treibstoff klassische Verbrennertechnik beibehalten könnte um so zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn der Weiterbetrieb eines Verbrenner-Autos ist allemal klimafreundlicher als ein neues Elektroauto, das mit einem erheblichen CO2-Rucksack auf die Welt kommt, der dann insbesondere beim eher ungünstigen Strommix hierzulande auch eine erhebliche Fahrleistung erfordert, um mühsam eventuell irgendwann in den CO2-einsparenden Bereich zu kommen. Trotz immenser Kaufanreize haben die Elektroautos ja noch nicht mal bei den Neuwägen die Verbrenner zahlenmäßig überholt, man wird also mindestens die nächsten 10 Jahre eine große Zahl von Verbrennern auf der Straße haben.
Besonders amüsant ist Wissings Einlassung dahingehend, dass ein Teilargument ist, dass man das wenige zur Verfügung stehende E-Fuel eher für den Flugverkehr bräuchte als es in Verbrenner-Autos zu verschwenden. Da liegen doch zwei einfache Lösungen nahe: mehr E-Fuels produzieren, oder mindestens einsehen, dass es völlig wumpe ist ob das E-Fuel nun im PKW, im LKW, im Bus, in der Diesellok oder im Flugzeug verbrannt wird – die CO2-Einsparung ist stets dieselbe. Eine Spielart des Wissing-Arguments wäre: so lange die Erneuerbaren Energien nicht den kompletten Stromverbrauch von Industrie und Haushalten und Kleinverbrauchern und Schienenverkehr deckt, brauchen wir im Straßenverkehr erst gar nicht anzufangen mit der Elektromobilität. Und was soll ich sagen: würde stimmen, aber so weit hat der gute Mann nicht gedacht. Denke ich an seine Vorgänger, scheint das Verkehrsministerium ein besonderer Anziehungspunkt für geistige Minderleister zu sein. Wie das Verteidigungsministerium. Oder das Wirtschaftsministerium. Oder das Außenministerium. OK, ich gebe es zu: wie jedes Ministerium.
Unterm Strich ist Wissings Äußerung eben nur ein weiterer Nachweis dahingehend, dass man politikseitig ständig versucht, bestimmte Lieblingslösungen durch Subventionen zu favorisieren, anstatt einfach die Rahmenbedingungen vernünftig zu setzen (beispielsweise durch einen durchgängigen CO2-Preis) und abzuwarten, wie man für das wenigste Geld den größten Effekt bekommt – denn der Markt ist echt gut dabei, solche Dinge zu regeln, wenn nur das Preissignal gut und nicht (üblicherweise durch die Politik) verzerrt ist. Dass gerade die angeblichen Freunde der Marktwirtschaft von der FDP diesen ursozialistischen Planwirtschaftsfehler wiederholen, ist leider genauso enttäuschend wir erwartbar. Um mal Danisch zu zitieren: wer wählt so was?
Aber vielleicht tue ich Wissing auch unrecht, und er wollte in Wahrheit in einer Art subversiver Underground-Taktik den deutschen EU-Austritt nahelegen, denn er sagte wohl auch folgendes: “Wenn man sich die EU-Regulierung anschaut, sieht man, dass die Entscheidung für die E-Mobilität längst gefallen ist”. Daraus könnte man folgern, dass die EU-Regulierung kacke ist, man aber auf EU-Ebene nicht mehr rauskommt, und es ergo die einzig sinnvolle Option ist, diesen Verein zu verlassen, der solche dummen Regulierungen für angemessen hält. OK, da ist wohl eher mein Wunsch der Vater dieser absurden Interpretationsvariante.