Revolutionäres Forschungsprojekt sichert Gelingen der Energiewende

Viele haben berichtet, auch mit durchaus angemessenem Sarkasmuslevel. Das Bild von der „Eröffnung“ ist wirklich spektakulär – Photovoltaik-Module auf einer ausgefuchsten tragenden Konstruktion (vier Pfeiler im Betonsockel), einen Straßenabschnitt überspannend. Nein, nicht etwa über die Autobahn, wie der Heise-Artikel frech behauptet (kann man das schon Lügenpresse nennen?), sondern neben der Autobahn auf einem Rastplatz.

Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Man weiß nicht, warum Forschungsinstitute wie das Fraunhofer solche Projekte bezahlt bekommen – gut, es könnte natürlich sein, dass die Fraunhofer-Solarexperten nur auf extrem niedrigem Niveau arbeiten, das ist (zumindest mir) ja schon früher aufgefallen bei diversen Studien zur Stabilität von Stromnetzen mit hohem PV- und Windanteil. Zumal unter den Orten, wo PV-Ausbau stattfinden sollte, verbraucherferne Standorte zuallerletzt in Betracht gezogen werden sollten. Wobei, dank des kurz bevorstehenden Durchbruchs des Elektroautos nebst daraus resultierender Notwendigkeit einer großen Anzahl Schnellladestationen entlang der Autobahn (Daumenregel: 10 Schnellader ersetzen eine Zapfsäule), könnte das bei Sonnenschein ja sogar sinnvoll sein. Am besten noch ein paar Hotels hinbauen, denn bei Wolken oder bei Nacht bleibt der Akku dann leider leer und sorgt für entsprechende Zwangspausen. Wir wollen ja nur Ökostrom im Elektroauto, denn es wird ja gerne und häufig als CO2-frei angepriesen.

Wenn man solche Projekte sieht, versteht man plötzlich, wie unsere Regierung auf so einen Schwachsinn wie das Heizungsgesetz von Robert H. (oder war es doch von Patrick G.?) verfallen kann – das ist ja schon fast eine intellektuelle Meisterleistung gegenüber diesem Rohrkrepierer.

Als Gegenvorschlag empfehle ich mal folgendes: alle sich im Besitz des Bundes befindlichen Gebäude mit PV-Dachanlagen versehen und mit Wärmepumpen sowie ausreichendem Warmwasserspeicher für die Pufferung die Heiz- und Brauchwasserwärme bereitstellen. Wichtig: Netzstrom darf zur Wärmeerzeugung nicht verwendet werden, damit die Feedbackschleife der Bewohner zum Thema „PV macht uns unabhängig von fossiler Energie“ möglichst kurz ist, Hat auch darüber hinaus weitere Vorteile: keine Unfallgefahr für Autofahrer, die den Betonsockel der tragenden Konstruktion treffen. Verbrauchernahe Erzeugung des Stroms. Schon vorhandener Netzanschluss zur Einspeisung von Überschüssen. Tragende Konstruktion existiert schon (Dach). Diebstahl der PV-Module ist erschwert. Wenn der Bund damit fertig ist, kann man über Autobahnüberbauung nachdenken. So in 30 bis 40 Jahren schätzungsweise.

Ukraine-Update – kein Mangel an Phantasie

Seit meinem letzten Ukraine-Update von Anfang September letzten Jahres hätte es viele Gelegenheiten gegeben, über den weiteren Verlauf des russischen Angriffskrieges zu spekulieren. Beispielsweise nach Beginn der russischen Winter-Offensive, wo man sich bis heute fragt, ob die eigentlich stattgefunden hat oder ob Russland so schwach ist, dass man trotz Konzentration aller verfügbaren Kräfte es gerade mal für einen Pyrrhus-Sieg in Bachmut gereicht hat. Oder alles einer cleveren, aber bisher undurchsichtigen Strategie der Russen folgt, um welches-Ziel-auch-immer zu erreichen. Oder die ganzen Geschichten zu den Waffenlieferungen von Schützenpanzern über Kampfpanzer bis hin zu F16-Kampfflugzeugen, und ob es jetzt 16 oder doch 18 deutsche Leo 2 sein werden. Oder warum die bei der Bundeswehr lange ausgemusterten Gepard-Flakpanzer in der Ukraine als ein sehr beliebtes und erfolgreiches Waffensystem reüssierten. Oder die langdauernde Vorbereitungsphase der ukrainischen Gegenoffensive, die eventuell oder auch nicht dann tatsächlich im Mai begonnen hat. Oder über die ausbleibenden Fortschritte dieser Offensive nebst Verlust „westlicher Panzer“, die so natürlich niemals nicht hätten passieren dürfen – schließlich ist so ein Leo 2 bekanntlich unverwundbar und topmodern mit seiner Grundkonstruktion aus den 70ern, so eine High-Tech-Kiste kann ja niemals auf dem Schlachtfeld ausfallen. Dann die Sprengung des Kachowka-Damms („Die Russen waren es! Nein, die Ukrainer! Alles von den Amis eingefädelt! Das waren doch diese britischen Marschflugkörper, die sind extra dafür geliefert worden! Nein, die Russen wollten doch nur ein kleines Loch reinsprengen und dann haben sie es verkackt!“). Unwillkürlich fühlte man sich auf der Suche nach Schuldigen an die Sabotage der Nordstream-Pipeline erinnert, wo ja auch jeder seine Lieblingstheorie hat.

Und nun die große Wagner-Revolution. Was Freitag noch wie ein großangelegter Putsch mit durchaus guten Erfolgsaussichten aussah, entpuppte sich einen Tag darauf als Revolutiönchen, das schneller im Sande verlief als irgendjemand glauben mochte. Und unter allen Ereignissen dieses Krieges ist es eins der rätselhafteren, und da gibt es ja wahrlich genug Konkurrenz. Einige brachten die Theorie ins Spiel, Prigoschin sei von den Amis gekauft worden, um Putin zu eliminieren. Das war zu Anfang vielleicht noch eine zumindest plausible Hypothese, aber nach der Exil-in-Weißrussland-Auflösung zunehmend unwahrscheinlich. Dann gab es die Idee, das alles ein abgekartetes Spiel zwischen Prigoschin und Putin wäre – das erklärt aber nicht die sehr unsouveräne, fast panikartige Reaktion von Putin und der tatsächlich stattfindenden Scharmützel zwischen Wagner und russischer Armee, Nationalgarde, und was da sonst noch am Start ist. Wenn man sich anschaut, wie schnell die Wagner-Truppen quasi ohne Widerstand gen Moskau vorgestoßen sind, fragt man sich schon, ob Putin wirklich daran interessiert sein kann, zu illustrieren, wie schutzlos sein Land im Moment durch die Konzentration der kämpfenden Truppe in der Ukraine wirklich ist. Vor allem, weil er ja nicht müde wird zu behaupten, dass die NATO quasi demnächst in Russland einmarschieren wird. Eine Verfeinerung der alles-abgesprochen-Theorie ist, dass Putin unauffällig eine schlagkräftige Truppe nach Weißrussland verlegen wollte, um dort die Front im Norden wiederzueröffnen. Diese Hypothese erscheint mir eher abwegig, denn 30000 Mann sind jetzt von der Schlagkraft her eher übersichtlich, zumal sie ja schwere gepanzerte Waffensysteme brauchen würden – und deren Transport ist kaum geheimzuhalten und nach jetzigem Erkenntnisstand (noch?) nicht erfolgt.

Die ganze Aktion hat die russischen Truppen in der Ukraine ja auch durchaus geschwächt, die Wagner-Söldner sind ja durchaus kampferfahren und wären vor Ort sicherlich wertvoll bei Verteidigung und Gegenangriff gewesen. Es könnte aber sein, dass die russische Strategie tatsächlich schon – wie Prigoschin die letzten Monate ja nicht müde wurde zu behaupten – eine Art Aushungern der Wagner-Truppe durch schleppende Material- und Munitionsversorgung war mit dem Ziel, die Wagner-Kämpfer langfristig in die russische Armee zu überführen oder alternativ aus dem Spiel zu nehmen, ironischerweise vielleicht sogar wegen befürchteter Putschgefahr. Wenn Prigoschin das so gesehen hat, wäre es gut denkbar und plausibel, dass er den – so er denn stattgefunden hat, die russische Armeeführung bestreitet das ja vehement – Angriff russischer Einheiten auf ein Wagner-Camp zum Anlass für einen Befreiungsschlag genommen hat. Lieber mit einem Knall gehen und noch ein paar Feinde mitnehmen, als dem langsamen Siechtum beizuwohnen. Dass er die Wagner-Truppen nicht bis zum bitteren Ende gegen russische Einheiten kämpfen lässt, passt auch gut zu Prigoschins vermutetem Mindset: kein Blut von Russen vergießen. Und vielleicht waren seine Erzfeinde Schoigu und Gerassimov wirklich das Ziel dieser Aktion, und nachdem deren Eliminierung kurzfristig nicht erreichbar war, sollte der Marsch auf Moskau eben nicht im großen Bürgerkrieg enden – auch das passt zu Prigoschin und seinen kolportierten Ansichten.

Interessant ist auf jeden Fall, dass jetzt plötzlich wieder Lukaschenko im Spiel auftaucht, der ja eigentlich seit seiner Ablehnung einer aktiveren Rolle Weißrusslands im Krieg gegen die Ukraine mehr oder weniger unbeteiligt an der Seitenlinie steht. Seine Vermittlerrolle kam für mich doch eher überraschend, aber aus Putins Sicht vermutlich willkommen – sehr lange hat Putin ja die Eskapaden von Prigoschin gedeckt und die Wagner-Truppen auch dringend gebraucht, sei es in Syrien, Mali oder in der Ukraine. Wagner konnte dahin gehen, wo die russische Armee nicht eingreifen konnte oder sollte. Vermutlich hat deshalb Putin seinen großen Worten bezüglich der Behandlung der Verräter da keine Taten folgen lassen, weil er nach der ersten Panik erkannt hat, dass ein Deal mit Prigoschin auf lange Sicht die bessere Idee ist.

Ist Putin nun angeschlagen? Götterdämmerung in Russland? Bröckelt der Koloss auf den tönernen Füßen? Hilft all das der Ukraine? Man weiß es nicht. Es bleibt viel Raum für Phantasie. Für mich ist besonders interessant zu beobachten, ob Prigoschin weiterhin die Öffentlichkeit mit seiner doch recht drastischen Kritik vor allem an der russischen Armeeführung suchen wird, und wie lange er in Weißrussland überlebt – Profi-Tipp: am besten immer im Erdgeschoss aufhalten. Und was mit den ganzen Wagner-Söldnern nun eigentlich passiert. Zumal Wagner ja auch noch andere Geschäftsbereiche hat als „wir führen Krieg für Wladimir“, aber letztlich zu großen Teilen von Staatsaufträgen gelebt hat. Da wird sich aber sicher ein Oligarch von Putins Gnaden finden, der sich da großzügig opfert um den Geschäftsbetrieb weiterzuführen.

Der Kanzlerkandidat der Union

Nicht mal ganz Halbzeit bei der Ampel-Regierung. Wenn man mal davon ausgeht, dass sich diese sich eher feindlich gesonnene Chaotentruppe über die ganze Legislaturperiode zusammenreißt. Böse Zungen behaupten ja, dass die wahre Oppositionsarbeit innerhalb der Regierung geleistet wird. Und da dachte sich die Union wohl (oder genauer, es scheint derzeit eine CDU-Debatte zu sein), man sollte jetzt dringend mal die Kanzlerkandidatenfrage aufgreifen. Wobei, vielleicht war es auch die Presse, die da die Saat gelegt hat, um nicht ganz nackt im Sommerloch dazustehen. Die Aufregung um das katastrophale Heizungsgesetz wurde ja recht schnell wieder auf die hinteren Seiten der Postillen verbannt.

Wie dem auch sei, der Senf ist aus der Tube, und zumindest die Presse diskutiert über Merz vs. Wüst. Und manchmal wird auch noch Söders Hut – stellvertretend, denn er selbst ist zu clever für Äußerungen in diese Richtung – in den Ring geworfen. Und tatsächlich ist Söder m.E. der Einzige, der momentan von dieser Debatte profitiert, denn kaum ein Kommentar (also praktisch alle Artikel in der heutigen Presse – „Bericht“ kann man diese meinungsstarken Debattenbeiträge ja allesamt nicht nennen) kommt ohne die Bestandsaufnahme aus, dass für den Fall, dass Söder ein überzeugendes Ergebnis bei der kommenden Landtagswahl in Bayern (2023-10-08) einfährt, selbstverständlich Söder im engsten Favoritenkreis zu sehen ist. Eine Art Win-Win-Situation für Söder, denn einige bayrische Wähler könnte das dazu veranlassen, Söder ihre Stimme zu geben, damit endlich mal ein CSU-Kandidat Kanzler wird. Und wenn der Rückenwind nicht reicht, macht er halt nochmal 5 Jahre den bayrischen Ministerpräsidenten und stänkert wie gewohnt von München aus gegen „die da in Berlin“.

Ich halte Söder für einen Totalopportunisten ohne stabiles eigenes Wertesystem, für einen Dampfplauderer allererster Güte, für aalglatt und prinzipienlos. Und doch würde ich ihn Merz oder Wüst jederzeit vorziehen. Was einiges über die Qualität des CDU-Personals aussagt – zu Kohl-Zeiten konnte man sich problemlos Schäuble, Späth, Biedenkopf oder Stoltenberg als Kanzlerkandidat oder sogar Kanzler vorstellen. Heute hofft man eigentlich nur, dass niemand auf die Idee kommt, Ursula von der Leyen ins Spiel zu bringen. Das wäre doch mal ein Bundestagswahlkampf – UvdL oder AKK für die Union, Claudia Roth oder Ricarda Lang für die Grünen, Klara Geywitz oder Nancy Faeser oder Christine Lamprecht für die SPD, Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder Bettina Stark-Watzinger für die FDP, Alice Weidel für die AfD.

Möge dieser Kelch an uns vorübergehen. Wobei vermutlich einige von ihnen es besser machen würden als Angela Merkel. Oder zumindest kürzer.

Heizungsquatsch mit Robert

Als normaler Mensch mit GMV („Gesunder MenschenVerstand“) fällt es einem schwer, sich in die Gedankenwelt grüner Politik zu begeben. Zu viel Unsinn, zu viele offensichtliche Widersprüche, zu viel Ideologie, kein Pragmatismus. Auch die neueste Idee (wobei, so neu ist sie nicht, schon im Koalitionsvertrag wurde dergleichen angedeutet, nun allerdings vorgeschlagen in einer verschärften Variante) fällt in diese Rubrik.

Nun soll also das Thema „Wärme und Heizung“ mit der Brechstange auf Klimaneutralität getrimmt werden. Weg mit Gas und Öl, es bleibt im Prinzip Strom (bevorzugt: Wärmepumpe) und Pellets bzw. andere Holzheizungsformen. Wobei die letzteren Optionen vermutlich demnächst in Ungnade fallen werden, denn die nächsten EU-Grenzwerte zum Thema Feinstaub und Stickoxide stehen ja schon vor der Tür und werden dem Heizen mit Holz einen Riegel vorschieben. Und der Bürger sollte inzwischen gelernt haben, dass sowas wie „Bestandsschutz“ in politischen Überlegungen nicht mehr vorkommt. Man schaue sich die schon bestehenden Regelungen zur EE-Pflicht und Ölheizungstauschpflicht in Baden-Württemberg an.

Klimaneutralität und Strom? Da war doch was…richtig, wir erzeugen ja erkleckliche Mengen an Strom noch gar nicht klimaneutral und werden dies auch auf absehbare Zeit nicht tun (und schon gar nicht im Winter, wo – man muss es wohl betonen bei dem allgemeinen Niveau der Diskussionsteilnehmer – weiterhin die Hauptheizzeit ist). Ist so ähnlich wie beim Elektroauto: man definiert einfach „Strom ist klimaneutral, weil theoretisch ja möglich und irgendwie wollen wir ja irgendwann da ja mal hin“, und definiert alle anderen – ebenso theoretisch klimaneutralen – Lösungen als böse und verbietet sie. Das hat man bei den Autos ja schon EU-weit geübt, auch wenn es da im Moment noch zaghaften, aber wenig zielführenden Widerstand bei der FDP gibt.

Nicht, dass eine Wärmepumpe zu Zwecken der Brauchwassererwärmung und für Raumwärmebereitstellung aka Niedrigtemperaturheizzwecke nun eine schlechte Idee wäre. Thermodynamisch gesehen ist das dufte, Stichwort „Leistungszahl“, und solange die Vorlauftemperatur niedrig genug ist (auf deutsch: bevorzugt gut gedämmter Neubau mit Flächenheizung), könnte es sich sogar ökonomisch rechnen. Ja, da isser wieder, der Konjunktiv. Denn die Anschaffung einer Wärmepumpe ist halt eine teure Angelegenheit, die Wartung derselben ebenso, und in der schönen neuen Welt der dargebotsabhängigen Stromerzeuger will man ja auch noch einen ausreichenden Wärmepuffer einbauen, um schwankende Stromerzeugung auf der Verbraucherseite ausregeln zu können. Das alles treibt die Kosten gegenüber einer supersimplen Gastherme, die jetzt auch relativ CO2-arm ist, zudem wartungsarm und preiswert, und emissionstechnisch auch nicht gerade problematisch ist. Wenn man nun seine gut gedämmte (also 00er-Jahre-Baujahr) 100qm-Etagenwohnung mit vielleicht 5000 kWh Wärmebedarf abfrühstücken kann – die Anschaffungsmehrkosten kann die Wärmepumpe während ihrer Lebensdauer niemals reinspielen. Eine Luftwärmepumpe mit Jahresleistungszahl 3 braucht dafür auch immerhin 1600 kWh Strom, der liegt gerade bei etwa 40 ct/kWh, während der Gaspreisdeckel gerade auf 12 ct/kWh den Gaspreis begrenzt (und der reale Gaspreis schon wieder deutlich niedriger ist, eher so bei 10 ct/kWh) – d.h. die laufenden Kosten sind bei der strombetriebenen Wärmepumpe derzeit sogar höher. Kurzer Crosscheck zum Heizöl: derzeit bei etwa 1 € pro l bei Abnahme von 3000l, macht 10 ct/kWh. Die Ökonomie spricht also eindeutig gegen die Wärmepumpe. Sagte jemand Erdwärmepumpe, um über die höhere Jahresleistungszahl die Bilanz zu schönen? Leider noch viel teurer in der Anschaffung, und zudem lange nicht überall möglich. Nicht alles, was einen höheren Wirkungsgrad hat, rechnet sich eben – alte Ingenieursweisheit.

Genauso wie die Ökonomie typischerweise gegen Nachrüstung bezüglich Dämmung von noch-nicht-ganz-so-Altbau spricht. Fallbeispiel Haus, erste Wärmeschutzverordnung (also Baujahr ab 1979), 4-Personen-Haushalt auf 200qm brauchen hier im Jahr etwa 30000kWh, wovon etwa 10% für Brauchwasser draufgehen dürfte. Bei derzeitigen Heizölpreisen (und die waren schon sehr viel niedriger, und werden vermutlich demnächst auch nochmal niedriger sein) also 3000€ im Jahr. Wenn man das übliche Programm Aufdachdämmung-Fassadendämmung-neue-Fenster fährt, also noch nicht mal eine Flächenheizung einbauen lässt und stattdessen durch etwas größere Heizkörper mit einer Vorlauftemperatur unter 50 Grad auskommen kann (das ist so grob der Richtwert, bis zu dem eine Wärmepumpe energetisch einigermaßen Sinn ergibt), liegt man bei der Renovierung schon im sechsstelligen Bereich, was die Kosten angeht. Wenn man Glück hat, senkt man damit die Verbrauchskosten auf 1000€ im Jahr. Preisfrage: was ist hier der Investitionshorizont? 100 Jahre? Selbst bei Einsatz von sündteurem BtL-Heizöl und 3fach kompensiertem CO2-Ausstoß geht die Rechnung niemals auf. Und dabei ist noch nicht mal berücksichtigt, dass sowohl Wartung als auch Lebenserwartung einer Wärmepumpe zuungunsten derselben ausfallen.

Und genau deshalb gibt unsere Regierung Unsummen aus für sinnlose kontraproduktive Förderprogramme bezüglich Dämmung, Wärmepumpe, Pelletheizung und Brennstoffzellen (und vor kurzem noch ironischerweise auch für Gasheizungen). Und überlegt sich nun gravierende Zwangsmaßnahmen, um die störrischen Bürger auf den Pfad der Tugend zu führen, der letztlich eine Mischung aus Enteignung und Sondersteuer bedeutet. Denn wenn man kühl rechnet, würde man die von der Regierung favorisierten Maßnahmen niemals durchführen.

Aber vielleicht kommt ja alles anders, die erneuerbaren Energien werden wirklich so billig bei der Stromproduktion wie schon seit Jahrzehnten versprochen, und der Strompreis sinkt auf 10 ct/kWh. Aber dann bauen wir wohl lieber wieder Nachtspeicheröfen und Durchlauferhitzer ein, wie es die Franzosen schon seit jeher tun – und auch deshalb die deutlich bessere CO2-Bilanz haben als Deutschland, dank Stromerzeugung aus Kernenergie und Wasserkraft. Denn je billiger der Strom, desto weniger lohnt sich eine Investition in eine Wärmepumpe – und auch in Wärmedämmung. Und je besser das Haus gedämmt ist, desto weniger lohnt sich logischerweise die Investition in Effizienzverbesserung der Wärmebereitstellung. Es passt also alles zusammen: die Grünen favorisieren wie immer die dümmste und teuerste Lösung.

Noch ein Schlenker zum politischen Abgesang auf die Gasheizungen: ein unverzichtbarer Bestandteil der Energiewende hin zur Klimaneutralität ist ja das sogenannte „Windgas“, also letztlich die Erzeugung von CH4 aus CO2 unter Einsatz von elektrischer Energie. Unverzichtbar zur Pufferung des erheblichen Ausregelbedarfs der erneuerbaren Energien vom Schlage Wind und PV. Klimaschutztechnisch wäre es genauso gut, dieses Windgas in den bestehenden Gasheizungen zu verfeuern oder in Erdgasfahrzeugen zu Transportzwecken zu nutzen als es in Gasturbinen zu Strom zu machen (Wirkungsgrad: 30-40%, GuD geht eigentlich nicht wegen der notwendigen schnellen Regelbarkeit) um damit Wärmepumpen zu betreiben. Die durch die Konstruktion der Energiewende geschaffene Notwendigkeit für energietechnische Absurditäten wie Windgas führt die Wärmepumpenideologie quasi inhärent selbst ad absurdum. Chance darauf, dass man das einem Politiker erklären kann: 0%.

Und alle diese Betrachtungen ignorieren ja sogar die Tatsache, dass Klimaschutz am preiswertesten woanders implementiert wird, wo durch geringeren Kapitaleinsatz deutlich höherer Nutzen generiert werden kann. Aber das würde das politische Hauptziel „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen“ natürlich gefährden. Zum politischen Irrsinn hierzulande gehört eben auch, globale Probleme lokal lösen zu wollen. Zu einem Preis, der garantiert keine Vorbildwirkung für den Rest der Welt entfaltet.

Und wie würde nun die GMV-Lösung aussehen? CO2 gleichmäßig bepreisen, die absurden Bauvorschriften bezüglich Wärmedämmung einstampfen, und den Markt entscheiden lassen. Am Ende könnte sich synthetisch erzeugtes Heizöl oder Gas aus Hochtemperaturreaktoren (natürlich im Ausland betrieben, hierzulande ist das ausgeschlossen) durchsetzen. Oder große Wärmespeicher für ganze Siedlungen, die bei großem Stromangebot aus PV per Heizstab auf Temperatur gebracht werden und per Nahwärmenetz die Wohnungen versorgen. Oder die reine Elektroheizung-Variante, wenn PV lokal preiswert genug ist, damit jeder sein Balkonkraftwerk betreiben kann und vor allem will. Bei den geplanten EE-Ausbauzielen ist es sowieso unabdingbar, andere Speichermöglichkeiten außer „E-Auto“ und „Windgas“ bereitzustellen – Warmwasserspeicherung ist da verhältnismäßig einfach und preiswert zu machen.

Hochsprung und Qualitätsjournalismus

Vorgestern im Handelsblatt Morning Briefing: Dick Fosbury ist gestorben. Jeder Leichtathletik-Interessierte kennt Dick Fosbury als Olympiasieger im Hochsprung von Mexiko-City 1968, neben Bob Beamon im Weitsprung (8,90m) die zweite Legende dieser Olympischen Spiele. Nicht aufgrund eines legendären Weltrekords wie im Falle von Beamon, sondern aufgrund seiner revolutionären Technik, die als „Fosbury-Flop“ in die Geschichte einging – auch wenn er wohl nicht der Erfinder der Technik war, das wird einem recht erfolglosen Österreicher zugeschrieben.

So weit, so bekannt (zumindest für die Sport-Nerds). Wo ist die Verbindung zum Qualitätsjournalismus? Ich zitiere aus dem Text des Handelsblatts: „Er war der erste Athlet, der die Hochsprungstange in Rückenlage mit dem Kopf voran überquerte. Bis dahin waren die Athleten meist in der Frontalhocke über die Stange gesprungen.“ Äh, nein. Frontalhocke, das war ganz ganz früher und gilt als vielleicht älteste Technik. Im 20. Jahrhundert hat das vernünftigerweise keiner mehr verwendet, schon im 19. Jahrhundert wurde weithin der „Schersprung“, auch „Scherenschlag“ genannt, genutzt. Und kurz darauf sprang die ganze Welt im „Straddle“ bäuchlings über die Latte. Auch nach Fosbury war das noch lange Zeit gängig, erst Anfang der 80er setzte sich der Fosbury-Flop auf ganzer Linie durch. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an den Zehnkämpfer Christian Schenk, der regelmäßig die größte Höhe im Hochsprung im Rahmen des Zehnkampfes erzielte, mit 2,27m lange Zeit Rekordhalter und letzter Straddle-Springer im Spitzensport – immerhin bis in die 90er hinein.

Und ja, solche Dinge hat man früher im Rahmen des Sportunterrichts an allgemeinbildenden Gymnasien gelernt. Heute könnte man sie auch einfach auf Wikipedia nachlesen. Wenn verstehendes Lesen und Lust auf Recherche und Bewusstsein für eigenes Nichtwissen noch notwendige Merkmale für Journalisten heutzutage wäre. Besonders peinlich, wenn solche Qualitätsmängel bei eigentlich themenfremden Randbemerkungen zutage treten. Man hofft, dass bei den wichtigen Themen solider recherchiert wird. Und zweifelt gleichzeitig dran, weil einfach bei allen Themen, bei denen man gut Bescheid weiß, dieselbe Misere zutage tritt.

Putin erhöht den Einsatz

Wladimir Putin hat gestern – je nachdem, welcher Quelle man glaubt – die „Teilmobilmachung“ oder die „Mobilmachung“ verkündet. Damit wird höchstoffiziell die „militärische Spezialoperation“ zum ausgewachsenen Krieg, die Realität ist also auch in die offiziellen Verlautbarungen der russischen Regierung eingezogen. Auch die eher unspezifische Atomdrohung gegen alle, die Russland vernichten wollen, wurde erneuert, inklusive einem merkwürdigen Nachsatz „ich bluffe nicht“. Und es werden Referenden zeitnah durchgeführt in diversen Gebieten, teils welche die schon seit 2014 umkämpft sind, teils in seit 2022 eroberten Gebieten. Warum die Russen sich die Mühe machen wollen, hier nach dem Krim-Annexions-Playbook vorzugehen, erschließt sich mir nicht – völkerrechtlich hat es keine Relevanz, und zuhause hat man ja bisher behauptet, dass die Ukraine als Staat eh nicht existiert und das im Grunde alles schon immer zu Russland gehört. Und als Argumentationshilfe für die Putin-Trolle taugt es auch nicht wirklich, dazu ist die Story nun wirklich zu dünn. Mitten im Krieg in einem besetzten Gebiet ganz offensichtlich unfreie Wahlen abzuhalten – wen soll das denn überzeugen?

Mehrere Fragen treiben mich rund um diese Teilmobilmachung um. Eine ist: wird es wirklich etwas ändern, zusätzliche Truppen im Umfang von vielleicht 300000 Mann in die Schlacht zu werfen, oder leidet man nicht eher unter dem Mangel an hochwertigem Material? Zusätzliche Soldaten werden wohl kaum dabei helfen, die Luftüberlegenheit zu erringen. Oder das Aufklärungsdefizit in den Griff zu kriegen. Zumal es sich ja letztlich um Reservisten handelt, d.h. gemessen an den Berufssoldaten, die im Moment kämpfen, jetzt eher nicht die Elite darstellt. Wobei es natürlich die Möglichkeit gibt, die jetzt einberufenen Reservisten auf die Grenztruppen in den ruhigen Lagen – Kasachstan, Finnland, Norwegen, Baltikum, Georgien, Polen, China – zu verteilen und erfahrenere Kräfte von dort stattdessen abzuziehen und in die Ukraine zu verfrachten. Was aber natürlich das Gefahrenpotenzial dort erhöht – Russland läuft Gefahr, da in ein paar Grenzkonflikte und „alte Rechnungen“ zu laufen, man denke an die Aserbaidschan/Armenien-Geschichte oder Georgien. Und logistisch gesehen ist ein solcher Truppentausch natürlich auch nicht ganz einfach und erfordert Zeit. Die Wirkung der neuen Personalreserve wird sich also vermutlich erst im nächsten Frühjahr bemerkbar machen können.

Die politische Frage, was denn die Verkündung der Teilmobilmachung bewirkt – man hatte ja Gründe, bisher von einer „militärischen Spezialoperation“ zu reden, und diese Gründe können ja nur innenpolitischer Natur sein – ist auch kaum vorhersagbar. Wird das russische Volk jetzt misstrauischer werden? Kaum vorstellbar, die letzten 8 Jahre des Konflikts waren ja schon eine wilde Achterbahnfahrt der Kreml-Propaganda, da kann ich mir nicht vorstellen, dass das jetzt der ausschlaggebende Tropfen sein soll, der das berühmte Fass zum Überlaufen bringt.

Wobei eine Mobilmachung unter Rückgriff auf Zivilisten natürlich schon Wirkung entfaltet. Der Krieg landet viel direkter bei der Bevölkerung. Es heißt ja, dass der Abzug aus Afghanistan damals innenpolitisch aufgrund der Opferzahlen unter den eigenen Soldaten fast schon als zwangsläufig angesehen wurde, und die politische Legende rund um die Notwendigkeit des Afghanistan-Krieges war ja von ähnlich unterirdischer Qualität was die Propaganda betrifft. Aber ich sehe einen gewichtigeren Faktor, der allerdings auch eher mittelfristig zur Wirkung kommt: diese 300000 Mann sind ja normalerweise im besten Alter, um einer produktiven Berufstätigkeit nachzugehen. Der Verlust einer solchen Anzahl von Arbeitskräften wird an der russischen Wirtschaft nicht spurlos vorübergehen. Insbesondere, wenn man ja gleichzeitig ganz dringend ein paar hochwertige Rüstungsgüter in größerer Menge unter einem unangenehmen Sanktionsregime produzieren sollte.

Welche Reaktion des Westens wird diese Eskalation durch Putin nach sich ziehen? Man könnte meinen, dass nun in die Kampf- und Schützenpanzerdiskussion etwas Bewegung kommen könnte. Die Idee, über Ringtausch altes Sowjetmaterial dem „heißen Recycling“ zuzuführen, ist bekanntlich ausgereizt, und irgendwann müssen (oder „müssten“, quasi der Scholz’sche Konjunktiv) den Worten ja Taten folgen. Eine Verschärfung der Wirtschaftssanktionen wäre auch möglich, nachdem Russland inzwischen ja die Gaslieferungen weitgehend eingestellt hat, kann da nichts schlimmeres mehr passieren, und die derzeitigen Schlupflöcher zum Unterlaufen der Sanktionen sind ja riesig. Verschiedene Seiten haben vor allem dem US-Präsidenten ja geraten, ein paar rote Linien zu ziehen und seinerseits ganz vage auf das atomare Potenzial der NATO hinzuweisen. Ich halte das für eine schlechte Idee. Nicht nur, weil ich mich an das rote-Linien-Desaster des Duos Obama/Clinton noch gut erinnere. Denn man muss gar nicht konkret werden, sollen sich die Kreml-Strategen doch den Kopf darüber zerbrechen, welche mögliche Reaktion auf welche weitere Eskalation erfolgt. Dass die NATO im Angesicht der ultimativen Eskalation entsprechend reagieren wird, ist dem Kreml ganz sicher klar, insbesondere weil sie noch an ihrer Fehleinschätzung vom Februar bezüglich der Reaktion des Westens zu knabbern haben. Das mahnt zur Vorsicht.

Letztlich muss man aber feststellen, dass die Gesamtsituation noch etwas unangenehmer geworden ist. Denn jetzt sollte auch dem Letzten klar geworden sein, dass Putin und seine Freunde im Kreml vor kaum etwas zurückschrecken werden. Und „Irre mit Atomwaffen“ ist halt ein unangenehmes Setting. Insofern ist die beste Hoffnung vermutlich sowas wie das Gorbatschow-Szenario – Putin segnet das Zeitliche, sein Nachfolger ist nominell aus demselben Kader, besinnt sich dann aber – vor allem aufgrund der normativen Macht des Faktischen – eines Besseren. Denn ein Untergangsszenario mit Putin am Ruder mag ich mir nicht vorstellen. Und das Ende des Russisch-Japanischen Kriegs 1905 will mir nicht so recht als Blaupause taugen.

Beinahe hätte ich übrigens als Überschrift für diesen Artikel „Putin ruft zum Volkssturm auf“ gewählt, aber ich glaube diese Parallele ist nicht ganz so parallel wie manche nicht müde werden zu behaupten.

Zeitenwende und Zustand der Bundeswehr

Es ist nun schon ein Weilchen her, als Olaf Scholz im Bundestag die „Zeitenwende“ inklusive „Sondervermögen“ (Neusprech für: Schattenhaushalt) für die Bundeswehr angekündigt hat. Es war am 27. Februar diesen Jahres, die Älteren werden sich erinnern.

Nun hat man in Deutschland vor allem seit Ende des Kalten Krieges, aber eigentlich schon seit Ende der 70er/Anfang der 80er die Bundeswehr sowohl personell als auch materiell eher heruntergefahren. Eventuelle Etaterhöhungen sind nie in der kämpfenden Truppe gelandet, sondern stets in der Bürokratie, in komplizierten Ausschreibungsverfahren, und viel zu teure Rüstungsvorhaben und Prestigeprojekte ohne militärischen Wert. Und komischerweise ging nach Verkündung des 100-Milliarden-Euro-Honigtopfes auch die Diskussion direkt los mit diversen Rüstungsvorhaben, die zehn bis vielleicht sogar vierzig Jahre – man denke an das FCAS-Projekt in Partnerschaft mit Frankreich, geplante erste Indienststellung 2040, real also frühestens 2050 – bis zur Vollendung brauchen.

Nun ist Haushaltspolitik ja immer eine komplizierte und ggf. langwierige Sache. Aber es gibt auch für Beschaffung bei der Bundeswehr einen „Fast-Track“ für kleinere Vorhaben, in Fachkreisen „25Mio-Vorlage“ genannt. Damit kann das BAAINBw – eine Monsterbehörde, ansässig in Koblenz, die hauptverantwortlich für die Materialbeschaffungsmaßnahmen von der Planung bis zur Durchführung entlang der typischen Ergebnisse „zu spät, zu teuer, und weitgehend nutzlos“ ist – kleinere Rüstungsvorhaben ohne langwierigen politischen Genehmigungsprozess durchführen.

Man weiß seit geraumer Zeit, dass die Bundeswehr insbesondere an zu viel nicht einsatzbereitem Material (man informiere sich mal über „dynamisches Verfügbarkeitsmanagement“ und staune über den Einfallsreichtum, der bei solchen Neusprech-Wortkreationen möglich ist) und sehr dünnem Munitionsbestand (man spricht von „ausreichend für 2 Tage Krieg“, was wiederum den Kritikern seit Tag 1 recht gibt, dass die Bundeswehr nur dazu taugt, den Feind so lange aufzuhalten, bis das richtige Militär eingreift) leidet. In der Ausbildung der Soldaten ist Übungsmunition und Übungsschießen mit scharfer Munition eher selten, und das führt natürlich zu fatalen Mängeln. Untrainierte Soldaten sind im Ernstfall Kanonenfutter. Insbesondere in einer Demokratie ist dieser Zustand unerträglich.

Nun hat der Krieg in der Ukraine ja verschiedene Erkenntnisse gebracht. Z.B., dass insbesondere nicht ganz so moderne Kampfpanzer für moderne Panzerabwehrwaffen eher so Ziele wie beim Tontaubenschießen sind. Oder, dass reichweitenstarke und zielgenaue Artillerie ein Schlüssel zum Erfolg ist. Oder, dass preiswerte kleine Drohnen sehr gut zu Aufklärungszwecken verwendet werden können. Oder, dass gesicherte Kommunikationsstrecken wichtig sind. Oder, dass es bei so manchem Material wie Munition von Vorteil ist, wenn man größere Mengen vorrätig hat, weil im Ernstfall Nachbeschaffung eher schwierig und/oder zeitaufwändig ist.

Unnötig zu sagen, dass die Bundeswehr in allen Bereichen katastrophal schlecht auf den Verteidigungsfall vorbereitet ist – besonderes Highlight ist die Geschichte mit der noch analogen Funktechnik, die nicht mal eine Kommunikation mit den NATO-Partnern im Gefecht ermöglicht. Und dieser katastrophale Zustand ist seit mindestens drei Jahrzehnten jedem Verantwortlichen klar und bewusst, und die politische Strategie scheint zu sein, dass man darauf hofft, dass es im Ernstfall schon die NATO-Partner richten werden. Es war Trumps Verdienst, regelmäßig in Erinnerung zu rufen, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis mit Bringschuld aller Partner ist, und nicht ein US-Schutzschirm für den Notfall. Lehren aus Trumps Erinnerungen hat man jedoch keine gezogen. Aber dazu war ja nicht mal ein heißer Konflikt vor der Haustür wie der Ukraine-Krieg – tödlich und mitten in Europa – in der Lage. Man wurschtelt rum, von einem Fettnapf in die nächste Verlegenheit stolpernd. Und plant die nächste Goldrandlösung – besonders teuer durch besonders sinnlose Detailanforderungen und niedriger Stückzahlen.

Wir werden von Totalversagern regiert. Und das bezieht sich keinesfalls nur auf die jetzige Regierung und die jetzige Verteidigungsministerin. In diesem Falle kann man nicht mal sagen, dass der Niedergang mit Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin begonnen hat – nein, die Misere dauert schon sehr viel länger, und der Fisch stinkt vom Kopf her. Schmidt, Kohl, Schröder, Merkel, und ihre jeweilige Ministerriege (oder muss man jetzt „Ministrierende“ sagen?). Es ist immer schlimmer geworden über die Jahrzehnte. Unsere Flinten-Uschi hat den Niedergang höchstens noch etwas beschleunigt.

Ich glaube an die Zeitenwende, sobald eindeutig sichtbar wird, dass man aktiv die Ausrüstungsmängel der Bundeswehr behebt. Durch tatsächliche, nicht durch geplante Beschaffungen. Prognostizierter Glaubensbeginn: kurz nach dem Sankt-Nimmerleinstag.

Zum Tode der Queen

Es dürfte wohl kaum jemandem möglich gewesen sein, die Nachricht NICHT mitbekommen zu haben: Queen Elizabeth II. ist verstorben, heute ist die Beerdigung in London mit wirklich großer Zeremonie.

Nun wurde in den letzten Wochen sehr viel berichtet. Interna aus dem Königshaus, die einen normalen Menschen wohl eher weniger interessieren. Die Lebensgeschichte der Queen, die mich eigentlich sehr interessiert – denn es wurde ja sehr überwiegend positiv über ihre Verdienste und ihr Lebenswerk berichtet. Allerdings musste ich feststellen, dass man kaum etwas herausdestillieren kann, das man als „Lebensleistung“ titulieren könnte – abgesehen von ein paar lustigen Anekdoten. Hat sie gewichtige Worte gefunden, um Missstände anzuprangern? Hat sie diplomatische Erfolge gefeiert, wo andere versagt haben? Hat sie Einfluss genommen auf die Politik, wie es sich viele Kommentatoren immer gewünscht haben – vom Falkland-Krieg bis zum Brexit? Nein. Die Queen schwieg beharrlich, blieb neutral, hielt sich strikt ans Zeremoniell und die althergebrachten Regularien. An die Grundidee der konstitutionellen Monarchie.

Und das ist auch vermutlich die größte Leistung von Queen Elizabeth II. gewesen: sie hat die Rolle der Königin ohne Macht, der modernen Monarchin in einer Demokratie, einfach perfekt verkörpert, hat sich immer im Hintergrund gehalten, hat den Dingen ihren Lauf gelassen, hat den Versuchungen, sich in tagesaktuelle Themen einzumischen, immer widerstanden. Und letztlich hat sie dadurch auch Stabilität vermittelt. Stabilität durch Nichtäußern und Nichteingreifen. Sie wäre so ein großes Vorbild für unsere aktionistische bis aktivistische Politik. Mindestens aber für Herrn Steinmeier.

Ukraine-Update

Fast vier Monate sind vergangen seit meinem letzten Post zur (vermuteten) Lage – und ich muss meine Vorhersagequalität zum Thema „was passiert am 9. Mai“ im Nachhinein loben, wenn es schon kein anderer tut. Punktgenau getroffen. Die aktuelle Situation im Ukraine-Krieg liegt wie immer im Nebel des Krieges, die Einschätzungen diverser Experten und denen die sich dafür halten oder dafür gehalten werden gehen weiterhin weit auseinander, aber so ein paar Schlussfolgerungen kann man aus dem bisherigen Verlauf schon ziehen, und einen vorsichtigen Ausblick wagen.

Im Moment scheint es so, dass die Russen ein Nachschubproblem haben. Aufgrund des Festhaltens am Narrativ „militärische Spezialoperation“ bleibt der Weg in die Mobilmachung verwehrt, und die Materialsituation scheint auch nicht gerade so üppig zu sein. Klar, mit der wenig zielgenauen Standard-Artilleriemunition können die Russen vermutlich ein paar Jahre durchschießen, und ausreichend altertümliche Panzer werden auch noch in den Depots stehen, und Freifallbomben zum Abwurf aus großer Höhe für das klassische Flächenbombardement dürften auch noch reichlich verfügbar sein. Aber beim High-Tech – sofern es das je in ausreichendem Maße gab – wie bei zielgenauen Marschflugkörpern oder bewaffneten Drohnen oder modernen Kampfjets oder gar den eher hypothetisch erscheinenden Hyperschallwaffen sieht es doch eher düster aus. Und das ist auch die Hauptwirkung der westlichen Sanktionen: hier tun sich die Russen sehr schwer, die notwendigen Komponenten für eine ausreichende Produktionsmenge zu beschaffen. Klar gibt es den Schwarzmarkt und dunkle Beschaffungskanäle, aber das erzeugt Reibungsverluste und höhere Preise und bindet Personal in der Beschaffung. Der kürzlich bekannt gewordene Beschaffungsversuch iranischer Drohnen signalisiert jedenfalls schon ziemliche Verzweiflung.

Zusätzlich haben die Russen es auch nach vielen Monaten nicht geschafft, die Lufthoheit zu erringen. Der Einsatz von Kampfhubschraubern oder Erdkampfflugzeugen findet praktisch nicht statt, die Reste der ukrainischen Luftwaffe können weiterhin operieren. Dasselbe gilt für die Schwarzmeerflotte, die sich weit weg von der Küste halten muss und so quasi wirkungslos ist bis auf den Abschuss von einzelnen Raketen oder Marschflugkörpern aus großer Distanz. Aufgrund reichlich vorhandener ukrainischer Panzerabwehr bleibt den Russen im Prinzip nur die althergebrachte „Artillerie-Feuerwalze“-Doktrin, und das reicht wenn überhaupt punktuell mal für kleine Raumgewinne. Die Vorhersagen, dass die Russen nach dem schwierigen Gelände in Richtung Kiew es im Süden und Osten der Ukraine leichter haben werden, haben sich auch nicht bewahrheitet. Die Ukrainer waren recht erfolgreich bei ihrer „bend-but-don’t-break-defense“-Taktik, um mal einen Vergleich mit dem American Football zu ziehen.

M.E. entscheidenden Anteil an der derzeitigen für Russland sehr schwierigen Situation sind die gelieferten westlichen Waffensysteme vom Schlage MARS, HIMARS und PzH2000. Weitreichende und trotzdem treffgenaue Artillerie bedeutet, dass man eben seine Nachschub-Depots nicht irgendwohin im Hinterland aber in Frontnähe bauen kann, sondern ausreichend große Distanz zur Frontlinie braucht für eine ausreichende Sicherheit, dass so ein Depot nicht zu einem ex-Depot wird. Und das wiederum ist ein Logistikalbtraum, der sich stark negativ auf die Fähigkeiten der russischen Armee zur flexiblen Kriegsführung auswirkt. Die jetzige Sachlage riecht jedenfalls ziemlich nach „Patt“.

In Summe würde ich deshalb die nächsten Monate darauf setzen, dass die Front in allen Himmelsrichtungen mehr oder weniger erstarrt, und die Ukraine einige empfindliche Nadelstiche setzen wird. Für eine großangelegte Offensive fehlt beiden Mensch und Material. Ein Eingreifen von Weißrussland an der ukrainischen Nordgrenze halte ich für extrem unwahrscheinlich, die werden alles versuchen diesem Konflikt jenseits von „liebe Russen, verschießt euer Zeug gerne von unserem Territorium aus, und ihr dürft hier auch gerne eure Nachschublinien betreiben“ fernzubleiben.

Und wie wird der Ukraine-Krieg nun enden? Ich habe keine Ahnung, das hängt von vielen Faktoren ab. Bleibt die Unterstützung durch Waffen und das Embargo durch den Westen bestehen, räume ich der Ukraine aber gute Chancen ein. Wann der Krieg aber endet, das liegt allein in der Hand von Putin – oder ggf. seines Nachfolgers. Eine mögliche Parallele zur Situation Mitte der 80er mit dem Wechsel von Breschnew-Andropow-Tschernenko zum Nachfolger Gorbatschow, der in einem Akt der Verzweiflung den Kalten Krieg beenden musste, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Rückzug oder Kapitulation ist für die Ukraine keine vernünftige Option. Für Russland hingegen wäre eine Beendigung der „militärischen Spezialoperation“ durchaus ein plausibles Exit-Szenario, man muss nur dem russischen Volk irgendeine Geschichte auftischen. Realistischer als „die Ukraine gehörte schon immer zu Russland, und jetzt müssen wir dort mal entnazifizieren“ wird diese Geschichte in jedem Falle sein.

Jedenfalls sehe ich die größte Gefahr für die derzeitigen Machthaber im Kreml gar nicht direkt durch mögliche Erfolge der Ukraine, sondern durch einen möglichen Lawineneffekt bei Unabhängigkeitsbestrebungen in anderen grenznahen Gebieten. Das kann dann sehr schnell außer Kontrolle geraten, und das russische Militär ist gerade nicht in einer Verfassung, um an vielen Fronten zu kämpfen. Geschweige denn zu siegen. Wenn ein Imperium zerfällt – insbesondere, wenn es auf solch tönernen Füßen ruht wie das russische – dann wittern alle Unterdrückten Morgenluft. Eine gefährliche Situation.

Rest in peace, Mr. Gorbatchev

Michail Gorbatschow ist gestorben. Je nachdem, in welchem Teil der Welt man Mitte der 80er gelebt hat, ist der Blick auf die Geschichte rund um die UdSSR, dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs, der Deutschen Einheit, dem Ende der UdSSR und das Wirken von Gorbatschow als Nachfolger der KPdSU-Betonkopf-Garde vom Schlage Breschnew-Andropow-Tschernenko bezüglich dieser historischen Großereignisse höchst unterschiedlich. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Würdigungen der Verdienste von Gorbatschow. Höchste Zeit also, eine weitere Facette hinzuzufügen. Nur den Friedensnobelpreis spare ich vorsichtshalber aus, da er jegliche Sinnhaftigkeit allerspätestens mit der Verleihung an Barack Obama verloren hat. Aber eigentlich schon 1971, oder spätestens 1973 – Interessierte werden wissen, wovon ich rede, der Rest googelt und reimt es sich zusammen.

Nun wird Gorbatschow vor allem in Deutschland, aber auch im westlichen Ausland, häufig verehrt für sein Lebenswerk, den Fall des Eisernen Vorhangs. Und in Russland wird er teilweise gehasst, weil ihm sowohl die katastrophale wirtschaftliche Lage seiner streng planwirtschaftlich arbeitenden Vorgänger zur Last gelegt wird als auch natürlich die Auflösung der Sowjetunion, die chaotische Kleptokratie der Jelzin-Jahre und zuletzt auch (das wiederum eher aus westlicher Richtung) die aggressive Politik Putins. Kaum etwas, das in der Sowjetunion und/oder Russland schieflief und schief läuft, das Gorbatschow nicht schon in die Schuhe geschoben wurde.

Ich vertrete zu Gorbatschow eher die These, die andere in Richtung Helmut Kohl und die Deutsche Wiedervereinigung am Werk sehen: Gorbatschow war letztlich ein Getriebener, vieles was er tat war weniger „Werk“ (im Sinne von bewusste, geplante, abgewogene eigene Entscheidung) als Notwendigkeit, Taktieren, Befriedigung verschiedener politischer Strömungen. Bis zu seiner Ablösung war Gorbatschow ja überzeugter Kommunist, der alles daransetzte, die Sowjetunion zusammenzuhalten – das Einzige, was man ihm zugutehalten kann ist, dass er nicht annähernd so gewissenlos wie Stalin war und eben nicht bereit war, beliebige Gewalteskalationen zu befehlen, um bedingungslos seine Macht zu sichern. Was man ihm sicher vorwerfen kann – er hat sich seine Zustimmung zur Deutschen Einheit bei gleichzeitigem Verbleib in der NATO vermutlich viel zu billig von Kohl und Genscher abkaufen lassen. Da wäre deutlich mehr drin gewesen, und auch deutlich intelligentere Hilfen als nur „ihr bezahlt die neuen Wohnungen der Soldaten, nachdem ihr deren Abzug bezahlt habt, und die Altlasten dürft ihr selbst aufräumen“.

Interessant auch die Interpretation, dass Gorbatschow der Treiber der Abrüstung des nuklearen Potenzials der Supermächte war und damit als großer Friedensengel der späten 80er in den Geschichtsbüchern zu stehen hat. Auch da: Gorbatschow musste sich letztlich entscheiden, ob die Bürger der Sowjetunion verhungern, während man weiter an der Rüstungsspirale drehte, oder ob man nicht hier den Rüstungswettlauf als hoffnungslos verloren einsieht und das Geld lieber spart, um es sinnvoller auszugeben. Die normative Macht des Faktischen war hier m.E. der Treiber, nicht die tiefsitzende Friedensliebe von Gorbatschow. Interessant war ja letztlich, dass der als „Kalte Krieger“ verschriene Reagan sofort bereit war, drastische Abrüstungsschritte zu vereinbaren – in Wahrheit waren eben selten die USA die Agierenden in diesem Aspekt des kalten Krieges, sondern haben letztlich meistens reagiert. Für die Mitteleuropäer am besten sichtbar geworden im NATO-Doppelbeschluss, der ohne die vorherige Stationierung sowjetischer SS-20 vermutlich niemals zustande gekommen wäre.

Außerdem vertrete ich die These, dass es – mindestens Mitte der 80er, aber auch zum großen Teil noch heute – aufgrund bestehender tief verwurzelter Überzeugungen und Strukturen nahezu unmöglich war, Russland in eine blühende Marktwirtschaft zu verwandeln. Bis heute ist Russland nicht in der Lage, mit ganz wenigen Ausnahmen wie z.B. bei einzelnen Rüstungsgütern auf dem Weltmarkt zu bestehen. Im Prinzip basiert der bescheidene Wohlstand der russischen Bevölkerung genau wie der fast unendliche Reichtum einiger weniger Oligarchen einzig und allein auf Rohstoffexport, angereichert durch ein wenig Landwirtschaft und vereinzelter Schwerindustrie. Also im Prinzip der gleiche Stand wie Anfang der 50er. Und das größte aktuelle Problem Russlands, das vollständige Fehlen eines Rechtsstaats und die weitgehende Abwesenheit von Faktoren, die diesen unterminieren. Wie beispielsweise Korruption – wie man das angehen will, da habe ich nicht genug Phantasie.

Jedenfalls halte ich die Idee, anno 1990/1991 durch einen wie auch immer gearteten Plan die Sowjetunion zu konservieren, für nicht umsetzbar, ohne auf stalinistische Prinzipien zurückzugreifen. Die Satellitenstaaten des Warschauer Paktes hatten schon allesamt die Flucht ergriffen, das Baltikum sich für unabhängig erklärt, die Ukraine in trauter Einigkeit mit innerrussischen Kräften der Sowjetunion die Gefolgschaft gekündigt – so viel Militär und Sicherheitskräfte hätte man ja gar nicht mobilisieren können, um das unterm Deckel zu halten.

Letztlich war Gorbatschow der Begleiter eines weiteren unvermeidlichen Niedergangs eines kommunistischen Großexperiments. Er war nicht der Steuermann des Wandels. Er hat vielleicht den ersten zaghaften Anstoß dafür geliefert, aber m.E. war das unvermeidlich. Insbesondere seit dem rasanten Fortschritt im Bereich Mikroelektronik beginnend Mitte der 70er war die Planwirtschaft so hoffnungslos im Hintertreffen (und die führenden Köpfe vermutlich auch zu verknöchert, um das zu realisieren – eine der Stärken des Kapitalismus, dass es auf die führenden Köpfe nicht wirklich ankommt, weil es potenziell unendlich viele davon gibt, und die schlechten führenden Köpfe zuverlässig aussortiert werden), da war der Niedergang nur noch Formsache und eine Frage des „wann“, und nicht des „ob“.

Da aber letztlich wichtig ist, was hinten rauskommt – der Zerfall der Sowjetunion und damit der Zerfall eines großen Unterdrückungsapparats hat es einer großen Zahl von Menschen und Staaten erlaubt, in Frieden und Freiheit zu leben. Und auch wenn ich nicht daran glaube, dass das Teil des großen Plans von Gorbatschow war, dieses zu ermöglichen, so muss man doch anerkennen, dass seine Herangehensweise zur Lösung der Probleme der Sowjetunion letztlich mit dazu beigetragen hat, dass diese Situation entstanden ist. Und es spricht nichts dagegen, Freiheitshelden zu ehren, auch wenn ihre Intentionen nicht dem Reinheitsgebot entsprechen.

In diesem Sinne: „Danke, Gorbi“.