Kretschmann For President

Es geistert seit heute durch die Gazetten: Winfried Kretschmann, unser aller Landesvater, ist im allerengsten Favoritenkreis für die Wahl des nächsten Bundespräsidenten und damit Nachfolger Nummer 1 von Joachim Gauck, der vermutlich größten Enttäuschung auf diesem Posten seit Carl Carstens. Und das nicht, weil er absolut gesehen jetzt einen schlechteren Job gemacht hätte als beispielsweise Bruder Johannes – nein, meine Erwartungen an einen als eher liberal wahrgenommenen Geist waren einfach höher und wurden bitter enttäuscht. Mit Übernahme des Amtes schien Gauck alle liberalen Ideen schlicht vergessen zu haben. Später verabschiedete er sich endgültig von einer sachlichen Debatte, als er politisch Andersdenkende als „Dödel“ bezeichnete. Auch seine Idee von „Dunkeldeutschland“ erschien mir (Achtung, Merkelismus!) „nicht hilfreich“.

Aber das soll kein Abgesang auf Gauck, sondern eine begeisternde Empfehlung für Kretschmann werden. Auch wenn einem schummrig werden kann bei dem Gedanken, welche Leuchte von den Grünen in Baden-Württemberg womöglich den Job des Ministerpräsidenten übernehmen könnte.

Kretschmann ist deshalb optimal als Bundespräsident geeignet, weil er zwei Dinge meisterhaft beherrscht: er weiß die Massen für sich einzunehmen, ohne auch nur einen Handstreich für sie getan zu haben, und er ist in der Lage, mit sehr vielen schönen gutklingenden Worten gar nichts zu sagen. Gut, beides würde ihn auch zum Bundeskanzler qualifizieren.

Mal sehen, vielleicht stellt die SPD ja mal wieder Gesine Schwan auf. Und was macht eigentlich Dagmar Schipanski gerade?

Immer wenn der Heller schreibt

Ich bin nicht besonders gut darin, aktuellste Entwicklungen kurzfristig im Politik-Blog aufzugreifen. Ich notiere oft Dinge, um später in einem Artikel darauf zurückzukommen oder zu diesem Thema zu schreiben, aber meistens wird nix draus, weil das Thema schon wieder an Aktualität eingebüßt hat – und wer schreibt schon gerne über den Schnee von gestern. Immerhin ist es mir gelungen, noch vor dem Brexit über den Brexit zu schreiben, eine wie ich finde großartige Leistung 🙂

Nun muss man ja nicht unbedingt immer zu allem selbst seinen Senf dazu geben – wozu haben die Erfinder von HTML schließlich den Hyperlink integriert. Benutzt heute eigentlich noch jemand Worte wie Hyperlink und Hyperspace? Zu meiner Uni-Zeit war im Bereich Interaktive Systeme die Gefahr des „Lost in Hyperspace“ in aller Munde. Zeigt wahrscheinlich nur, dass ich schon ziemlich alt bin. Zeigt hingegen auch, dass wir ein Volk von Bedenkenträgern sind.

Zurück zum Thema – hier habe ich den ScienceSkepticalBlog als einen meiner Lieblingsblogs vorgestellt. Mein Lieblingsautor dort ist Peter Heller. Niemand sonst bringt die Dinge rund um Energietechnik, Energiewende, Technologie, Mobilität und Klimawandel so auf den Punkt, argumentiert so klar, spricht mir so aus der Seele.

Aktuell will ich auf zwei Artikel hinweisen:

Peter Heller schreibt auch immer häufiger bei Tichys Einblick. Unbedingt empfehlenswert – auch die anderen Autoren dort. Eine Oase des gesunden Menschenverstands in der großen Wüste der Qualitätsmedien.

Und immer wenn der Heller schreibt, lehne ich mich zurück und denke: besser hätte ich es auf keinen Fall schreiben können – danke, Peter!

Gedanken zum Brexit

Am 23.Juni stimmt Großbritannien über den Verbleib in der EU ab. „Brexit“ ist die griffige Kurzform für das Verlassen der EU. In vielen Presseartikeln wird das Für und Wider abgewogen, die Mehrheit rät den Briten zum Verbleib in der EU, mit ganz unterschiedlichen Argumenten.

Da ist zum einen das wirtschaftliche Argument. Abschied von der EU heißt Abschied vom europäischen Binnenmarkt. Auch wenn die Briten nicht Teil des Euroraumes sind, hat der Binnenmarkt doch erhebliche Vorteile aufzuweisen. Handelsschranken existieren nicht, genauso wenig wie Zölle oder Protektionismus, und diese Freiheiten sind einklagbar. Eine Freihandelszone wie sie freier fast nicht sein könnte. Es ist unschwer zu erkennen, dass der Wegfall dieser Freiheiten die britische Wirtschaft (und nebenbei auch die Wirtschaft der dann in der EU verbleibenden Staaten) eine Menge Geld kosten wird. Handel, wenn er auf frei(willig)er Basis erfolgt, nützt eben allen Beteiligten.

Die Frage ist: wie groß ist diese Menge Geld? Und wie lange wird es dauern, bis Großbritannien mittels anderweitiger bilateraler Verträge wieder Teil von Freihandelszonen werden kann? Schließlich gibt es ja den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der im Prinzip den Binnenmarkt auf die nicht-EU-Mitglieder Island, Norwegen und Liechtenstein ausdehnt. Ein erneuter Beitritt zur EFTA wäre sicher kein Problem, da sind die Briten pragmatisch genug. Bilaterale Verträge mit Kanada und den USA sollten doch auch kurzfristig erreichbar sein. Wenn man sich anschaut, wie gut es der Schweiz gelingt, außerhalb der EU inmitten von Europa erfolgreich Handel zu treiben, dann sollte klar sein, dass das wirtschaftliche Argument gegen den „Brexit“ vielleicht nicht ganz so schwer wiegt wie das oft dargestellt wird. Kann natürlich sein, dass die EU die beleidigte Leberwurst spielen wird und versucht, die Briten am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen – in Zeiten, wo gefühlt immer mehr Entscheidungen nicht zum Wohle der Mehrheit, sondern aus egoistischen Gründen der handelnden Personen und der von ihnen repräsentierten Lobby gefällt werden, ist das eine reale Gefahr. Aber dann wäre es umso wichtiger, dass die Briten diesem Verein den Rücken kehren.

Oft wird bezüglich des „Brexit“ jedoch weit schwereres argumentatives Geschütz aufgefahren als der schnöde Mammon. Von einer Entscheidung über Krieg oder Frieden ist dann die Rede. Das Ende der europäischen Völkerfreundschaft wird beschworen. Man sieht die Zukunft des Westens in Gefahr. Und außerdem: wird Trump auch noch Präsident der USA, stehen die bisher festen Bündnisse quasi wie selbstverständlich vor dem Aus. Ich halte das alles für Mumpitz. Teil eines Bündnisses zu sein war per se noch nie Voraussetzung für Frieden. Ob die Briten nun Teil der EU sind oder nicht, macht in Ermangelung einer gemeinsamen EU-Außenpolitik weltpolitisch gesehen überhaupt keinen Unterschied. Auch hier mag das Beispiel der Schweiz zeigen, dass man außerhalb aller Bündnisse sehr lange in Frieden und Freundschaft mit anderen Ländern leben kann.

Erschreckend viele Artikel versuchen zu suggerieren, dass nur die Ewiggestrigen, die mit niedrigem Bildungsgrad oder sonstige anderweitig intellektuell benachteiligte Menschen für einen „Brexit“ und gegen diese EU sein könnten. Nichts könnte falscher sein. Die EU kann mit einigem Recht als sozialistisches Gebilde mit ungebändigter Regulierungswut inklusive fehlender demokratischer Kontrolle, dafür aber mit überbordender Bürokratie gesehen und bezeichnet werden. Die Briten sind vom Naturell eher pragmatisch und liberal geprägt – wen soll es da wundern, dass sie sich in der EU derzeitiger Ausprägung nicht besonders wohl fühlen? Wäre die EU ein Staatenbund mit Freihandelszone aber ansonsten von ausgeprägter Subsidiarität, die Briten hätten wenig Anlass zum „Brexit“.

Ich vermute, die Ereignisse rund um die Flüchtlingskrise haben die Briten in ihrer Ansicht bestärkt, dass die EU ein Schönwetterverein ist und die unterschriebenen Verträge von einzelnen Mitgliedern nach Gutdünken außer Kraft gesetzt werden, sobald mal etwas Gegenwind herrscht. Auch das Behandeln der Finanz- und Eurokrise inklusive der Dauerrettung Griechenlands sollte jedem klar gemacht haben, dass die Themen Eigenverantwortung und Freiheit in der EU aktueller Ausprägung nur wenig Platz haben.

Kommt der „Brexit“, gibt es eigentlich nur zwei denkbare Szenarien für die EU: entweder es ist der „wake up call“, um wieder zurück zu weniger Zentralität und weniger Regulierung zu kommen. Oder es gewinnt die „more of the same“-Fraktion, und das Unternehmen EU driftet noch weiter in Richtung Sozialismus, mit allen bitteren Konsequenzen. Innerhalb der EU waren die Briten immer die (wirtschafts-)liberale Stimme. Fällt diese weg, ist das Schlimmste zu befürchten. Am Ende wird der „Brexit“ den Briten zum Vorteil gereichen, während der Rest der EU tiefer im Sumpf des Sozialismus versinken wird.

Unter all den merkwürdigen Veröffentlichungen zum „Brexit“ ist mir dieser auf Spiegel ONLINE besonders negativ ins Auge gesprungen http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-wer-klug-ist-bleibt-kommentar-a-1096123.html. Die Idee direkt in der Überschrift, dass nur eine der beiden Möglichkeiten „klug“ ist, hat schon etwas sehr Arrogantes, Elitäres. Aber dann im Artikel ohne den Hauch einer Argumentation auszukommen, warum das so sein sollte – das ist wahrer Qualitätsjournalismus. Die richtige Haltung genügt, deshalb ist Argumentation unnötig, da jeder „Kluge“ ohnehin schon erleuchtet ist.

Die Lust am Verbieten

Eine der größten Freuden vieler Politiker ist offenbar, wenn endlich mal wieder irgendwas verboten werden kann. Anders ist wohl kaum zu erklären, welch steter Strom an Verboten und Verbotsvorschlägen uns seit Jahrzehnten beglückt. Ist es die Lust an der Macht? Das Sendungsbewusstsein? Der innere Drang, dem blöden Volk die Richtung vorzugeben?

Eines der neuen Verbote betrifft die Tabakwerbung. Als lebenslanger Nichtraucher habe ich ein recht entspanntes Verhältnis zu vorhergehenden Verboten wie dem Rauchverbot in Restaurants und Kneipen oder dem Verbot beliebigen Schachteldesigns durch Aufnötigen seltsamer Texte (demnächst vermutlich noch verschärft durch die Verpflichtung, „Schockbilder“ auf der Packung zu bringen). Es betrifft mich schlicht nicht. Nun aber wird beispielsweise die Kinowerbung für Zigaretten verboten. Das trifft mich als regelmäßigen Kinogänger gleich doppelt hart – steigende Ticketpreise sind wahrscheinlich, und man muss mit furchtbar schlecht gemachter Alternativwerbung rechnen (man erinnere sich an den ewiglangen Spot von H&M – nur zur Warnung…).

Beim Rauchverbot konnte man ja noch argumentieren, dass man irgendwie die Nichtraucher schützen wollte – auch wenn das wissenschaftlich nur schwach belegt ist, aber das hat ja noch nie einen Politiker an irgendwas gehindert. Aber das Werbeverbot? Das einleuchtendste Argument war noch „die anderen Länder machen es genauso“ – ja, Uniformität ist natürlich immer anzustreben, ich schlage als nächstes das Einheitsauto vor. Gefolgt von der Einheitswohnung – man denke nur an die positiven Effekte wie niedrigerer Energieverbrauch, wenn man den zulässigen Wohnraum pro Person auf sagen wir 15m² einschränkt.

Wir haben es jetzt also schwarz auf weiß: Gesundheit ist keinesfalls Privatsache. Das ist beim Rauchen besonders befremdlich, hat es doch volkswirtschaftlich gesehen vermutlich eher positive Effekte, denn durch die Verkürzung der Lebenszeit wird sowohl Renten- als auch Krankenversicherung entlastet. Wir sollten uns also schon mal auf weitere Verbote gefasst machen: Fettverbot, Zuckerverbot, Fleischverbot. Mit der geplanten Lebensmittelampel ist man ja schon auf dem besten Weg.

Erschreckend dabei, von welchem Menschenbild (oder sollte man „Untertanenbild“ sagen?) die Politik ausgeht. Das Volk, eine Ansammlung unmündiger, hilfloser Schäfchen, die vor allem Unbill – ob tatsächlich oder nur eingebildet – beschützt werden muss. Der Nanny-Staat in Reinkultur. Man erinnert sich unweigerlich an liberale Geister wie Ronald Reagan, der den Ausspruch prägte: „The nine most terrifying words in the English language: I’m from the government and I’m here to help.“

Ein anderes Beispiel für Verbote aus jüngster Vergangenheit, das aber naturgemäß eine viel geringere Breitenwirkung hat: das Bundesverwaltungsgericht hat es Jägern untersagt, halbautomatische Jagdwaffen zu verwenden. Nein, nicht nur zu verwenden, sondern sogar zu besitzen. Per richterlichem Urteil. Also nicht etwa auf gesetzlicher Grundlage.

Ich will nicht die ganz große Keule schwingen, aber mit meiner Auffassung eines liberalen Rechtsstaates geht das nicht zusammen.

Die Lust am Verbieten ist auf politischer Seite ungebrochen. Das Sexismusverbot in der Werbung wird vermutlich demnächst kommen. Klar, die größten Probleme der Neuzeit bedürfen dringend ganz strenger Regulierung. Das UBA fordert das Verbot von Dieselfahrzeugen in Innenstädten, die Grünen träumen gleich vom Verbot von Verbrennerautos. Dagegen nimmt sich ja die alte Forderung nach 5 DM pro Liter Benzin geradezu liberal-freiheitlich aus. Renate Künast verlangt ja nach ihrem Kassenschlager „Veggie-Day“ seit einiger Zeit das Zuckerverbot in Kinderlebensmitteln, flankiert von Foodwatch, einer der merkwürdigsten NGOs auf diesem Planeten.

Vermutlich war die letzte Gesetzesänderung, die der Bundesrepublik mehr statt weniger Freiheit brachte, die Aufhebung des Fernbusverkehrsverbots. Ein kurzes Aufflackern liberalen Gedankenguts in unserer Verbotsgesellschaft.

Gut, dass jetzt endlich die deutsche Politik – getrieben von der EU, aber das macht die Sache nicht besser – eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ mit dem Einzelhandel bezüglich Plastiktüten eingetütet hat. Mit wahnwitzigen Begründungen wie z.B. der fortschreitenden Verschmutzung der Meere will man die Anzahl der genutzten Plastiktüten EU-weit auf 40 pro Person und Jahr reduzieren. 40, die magische Zahl – komisch, dass nicht auch Volumen und Materialdicke gleich mit spezifiziert wurde, denn es kann doch wohl nicht angehen, dass damit 40 sehr große Tüten gleich behandelt werden wie 40 eher kleine Tüten. Da besteht dringender Regulierungsbedarf. Und: es kann doch nicht sein, dass beim Online-Shopping derart viel Karton beim Versand verwendet wird. Erlaubte Maximaldicken von Karton müssen her. Allein, um die Gleichbehandlung mit dem Einzelhandel wieder herzustellen.

Ich habe in diesem Artikel bewusst auf Links verzichtet – es ist einfach zu deprimierend, wenn man noch mehr über die Verbotslust lesen muss. Um das alles zu verkraften, bedarf es einer ausgeprägten masochistischen Ader. Also: wer mehr über dieses Thema lesen will, muss selber googeln.

Schlimme Sache. Heute: der niedrige Ölpreis

Zunächst ein Hinweis in eigener Sache. Seit Beginn meiner Blogs gibt es Artikelüberschriften, die suggerieren, dass hier eine neue Artikelserie startet oder zumindest eine Rubrik etabliert wird – „Weltuntergang“ beispielsweise, bis heute der einzige „Weltuntergangsbeitrag“. Immerhin hat es „Lieblingsblogs vorgestellt“ schon auf ganze drei Beiträge gebracht, nimmt damit aber eine Sonderstellung ein.

Nun, woran liegt das? Oft daran, dass ich viele Ideen für Blog-Einträge zu bestimmten Themenkomplexen habe, die ich mir dann aber sparen kann, weil andere Blogger das Thema zu meiner vollsten Zufriedenheit schon behandelt haben – besonders häufig passiert das, wenn Peter Heller beim ScienceScepticalBlog schreibt.

Sei’s drum – die Reihe „Schlimme Sache“, die mit diesem Artikel beginnt, hat tatsächlich Chancen, etwas häufiger fortgesetzt zu werden. Ich weiß nicht genau mit was es zusammenhängt – kurzatmigere Berichterstattung, steigende Tendenz zum Sensationsjournalismus, größere Sensibilität meinerseits (so etwas wie umgekehrte Altersmilde vermutlich) – immer häufiger schüttle ich den Kopf, wenn ich Artikel oder Kommentare lesen muss, die entweder Trivialitäten zu Riesenereignissen aufblasen oder die es schaffen, ganz normale Vorgänge zu (normalerweise erst kommenden) Katastrophen umzudeuten.

Heute also: der (derzeit) niedrige Ölpreis. Aktueller Anlass ist die Berichterstattung rund um die Konferenz in Doha (Dubai), wo verschiedene Ölförderländer mal wieder zusammenkamen, um über Möglichkeiten der Förderreduktion zum Zwecke der Ölpreiserhöhung zu diskutieren. Wie man lesen kann, ist dieses Vorhaben gescheitert und es wird keine Absprachen zur Drosselung der Förderung geben. Stellvertretend sei ein Artikel von SPIEGEL Online verlinkt.

Kurz zur historischen Einordnung: nominell liegt der Ölpreis in den letzten Monaten irgendwo zwischen 35 US$ und 45 US$ pro Barrel (Referenzsorten WTI und Brent). Bis zur ersten Ölkrise in den 70ern – die ja letztlich ein Förderboykott des OPEC-Kartells war – kostete Rohöl praktisch nichts, seit man große und leicht förderbare Vorkommen vor allem im arabischen Raum entdeckt hatte. Dann erfolgte aufgrund der „Krise“ ein Preissprung auf knapp 20 US$ pro Barrel, dann zur zweiten Ölkrise Ende der 70er Anfang der 80er ein weiterer Sprung auf knapp 40 US$ mit nachfolgendem lokalem Minimum Ende der 90er bei wiederum unter 20 US$. Erst danach erfolgte ein kontinuierlicher Anstieg auf über 110 US$ vor der großen Wirtschaftskrise (oder war es nur eine Bankenkrise?) 2008. Danach der große Preissturz auf das heutige Niveau. Man kann also zunächst feststellen, dass das heutige Preisniveau nichts Außergewöhnliches ist und wohl nur der, der die Peak-Oil-Propaganda und diverse Teile der Energiewende-Rechtfertigungen löffelweise gefressen hat, konnte davon überrascht werden.

Inflationsbereinigt sieht die Sache nochmal harmloser aus, aber da die Inflationsrate natürlich nicht unerheblich vom Ölpreis abhängt, ist eine objektive Betrachtung hier sehr schwierig – aber letztlich kann man sich denke ich auf die qualitative Aussage einigen, dass der Ölpreis schwankt, derzeit ein recht niedriges, aber nicht superniedriges Niveau hat und die Preisspitzen nur sehr kurz angehalten haben (sonst würden sie ja auch nicht „Spitzen“ heißen).

Was kann man aus dieser Preisentwicklung ableiten? Offenbar hat der Ölpreis wenig mit Produktionskosten zu tun, und nur begrenzt mit Nachfrage. Aber sehr viel mit Angebot. Als die OPEC noch 70% der Weltölförderung kontrollierte, konnte man per Förderquoten den Preis quasi beliebig steuern. Heute, da der einstige Großimporteur USA dank weiterentwickelter Fördertechnik (oft unter dem Stichwort „Fracking“ subsummiert) fast schon zum Exporteur mutiert ist und mit Russland, Brasilien und teilweise den Europäern große Fördermengen aus nicht-OPEC-Staaten kommen, hat die OPEC kräftig an Preisgestaltungsmacht verloren. Man könnte sagen, der Preis ist deutlich weniger politisch als er noch vor Jahrzehnten war.

Also, jetzt ist der Preis niedrig. Schlecht für die Produzenten, gut für die Verbraucher. Da wir in Deutschland Verbraucher und nicht (in nenneswerter Menge) Produzenten sind, freuen wir uns also über vorrübergehend etwas niedrigere Benzin-, Diesel- und Heizölpreise. Nur „etwas“ und nicht „viel“ niedriger, weil die Steuerlast erheblich ist, und irgendein Politiker wird das sicherlich als großen Vorteil verkaufen können, dass die abartige Steuerhöhe die Preisschwankungen dämpft. Aber ich schweife ab.

Kommen wir endlich zur „schlimmen Sache“. SPIEGEL Online nennt nun verschiedene schlimme Auswirkungen des derzeit niedrigen Ölpreises – z.B. dessen destabilisierende Wirkung auf diverse Förderländer wie Russland oder Venezuela. Weil diese nicht mehr länger das reichlich eingenommene Ölgeld für die wirklich wichtigen Dinge – wie z.B. Waffenkäufe oder pseudosoziale Beruhigungspillen für die Bevölkerung – zur Verfügung haben. Tja, da haben diese Länder wohl aufs falsche Pferd gesetzt. Aus meiner Sicht ist der niedrige Ölpreis damit eine Art Geschenk für diese Länder, denn er erzeugt Anpassungsdruck – vielleicht besinnt man sich ja jetzt auf die Grundwerte fast jeder erfolgreichen Volkswirtschaft wie Bildung, Rechtssicherheit und freies Unternehmertum.

Was ist noch schlimm? Das jetzt unnötig viel Öl verbraucht wird und damit natürlich die wertvollen Ressourcen unserer Kinder und Kindeskinder (von denen wir bekanntlich die Erde nur geliehen haben) sinnlos verheizt werden – und natürlich mehr vom schlimmen CO2 erzeugt wird. Letzteres wäre gar nicht notwendigerweise der Fall, denn anstatt den Ölförderdespoten die Dollars in den Rachen zu werfen, könnte man ja endlich die freigewordenen Mittel in wirklich umweltschützende Technologien investieren. Da es die Industrienationen aber vorgezogen haben, den kompletten Energiebereich totzuregulieren, wird das natürlich nur partiell geschehen. Ich schweife schon wieder ab.

Ersteres – das ungehörige Verbrauchen eines wertvollen Rohstoffs – ist eine besonders merkwürdige Ausprägung der Nachhaltigkeitsideologie, die vielerorts schon den Status eines Naturgesetzes erreicht zu haben scheint. Das würde eigentlich einen eigenen Artikel rechtfertigen. Hier nur so viel: Öl hat, wie alle anderen Rohstoffe auch, keinen „inhärenten“ Wert. Sondern einen Marktwert. Wenn des Öl nun billig ist, heißt das nix anderes, als dass der Wert im Moment nicht besonders hoch ist, entweder weil das Zeugs keiner braucht oder weil es mehr als genug davon gibt – also beides eigentlich positiv zu werten. Wenn man nicht gerade eine Deindustrialisierungsagenda verfolgt. „Zu schade zum Verbrennen“ ist einfach nur eine unsinnige Aussage – es wird verbrannt, weil es ökonomisch im Moment Sinn ergibt. Auch die Tatsache, dass Öl nützlich für die Grundstoffindustrie ist, ändert daran nix. Die oft erwähnten Nutzer der Kunststoffherstellung oder der Medikamente brauchen nur verhältnismäßig geringe Mengen, können durch synthetisch erzeugte Kohlenwasserstoffe substituieren und sind generell gemütlich in der Lage, auch den zehnfachen Ölpreis zu bezahlen.

Werden unsere Kinder und Kindeskinder uns dereinst vorwerfen, dass wir das Öl einfach verfeuert haben anstatt es für sie aufzubewahren? Möglich, wenn das Bildungsniveau rapide sinkt. Aber wenn unsere Kinder oder Kindeskinder noch ein Fünkchen rationales Denken kultiviert haben, würden sie uns eher vorwerfen, heute schon teure Substitutionsanstrengungen (wie z.B. die Energiewende) zu unternehmen und so den zukünftigen Wohlstand sinnlos zu reduzieren. Man könnte sagen, wer heute unnütz Geld ausgibt, verhindert aktiv, dass unsere Kinder und Kindeskinder selbst entscheiden können, welche Maßnahmen sie wogegen oder wofür treffen. Wir würden unsere Nachfahren also einschränken und quasi enteignen. Ihre Lösungsalternativen beschränken. Na diese Erkenntnis könnte doch ein erfahrener Politstratege in einen griffigen Slogan verwandeln. „Wir dürfen das Kapital unserer Kinder nicht sinnlos verplempern.“ OK, ich bin definitiv nicht zum Spin-Doctor geeignet.

Bezüglich CO2 sollte man festhalten, dass die übliche Ölpreisschwankungsbreite der letzten drei Jahrzehnte praktisch nichts am Verbrauch geändert hat. Was bei kurzem Nachdenken ja auch klar ist – kurzfristige Schwankungen haben eben nur wenig Auswirkungen auf langfristige Investitionsentscheidungen wie den Kauf eines PKWs oder die Wahl der Heizungstechnologie oder den Aufwand der Dämmung. Zumal bei all diesen Dingen der Staat ja sein bestes tut, um das klare Preissignal des Marktes durch möglichst undurchsichtige Förderungen und Subventionen zu verschleiern.

Lange Rede, kurzer Sinn – niedriger Ölpreis ist super für uns. Aber nicht so super für die Produzenten. Was uns aber egal sein sollte.

Propaganda made by ZDF

Es gab mal eine Zeit, da standen Öffentlich-Rechtliche Sender insbesondere bei Berichten über Wissenschaft und Forschung im Ruf einer topseriösen Institution.

Lange her. Gerade musste ich noch einige Minuten „Leschs Kosmos“ ertragen – Thema waren Kernenergie und Strahlung. Selten so viel üble Anti-Kernkraft-Propaganda auf einem Haufen gesehen. Und man entblödete sich nicht, tatsächlich das Konzept „Gravity Power“ in der Variante „bauen wir auf das Gelände eines abgeschalteten Kernkraftwerks“ als Lösung für den Zappelstrom der sogenannten „Erneuerbaren Energien“, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, mal Kosten und Potenzial wenigstens anzusprechen. Keine Ahnung, inwiefern Prof. Lesch redaktionell involviert ist, aber er machte nicht den Eindruck, wie wenn er sich als Propagandaschleuder irgendwie unwohl fühlen würde. Beschämend. Als Schlusswort prophezeite er die große Katastrophe, weil weniger panisch veranlagte Länder sich doch tatsächlich erdreisten, Laufzeiten von 60 Jahren ins Auge zu fassen – wo doch der Tschernobyl-Reaktor schon in seinem zehnten Lebensjahr in die Luft geflogen ist. Kein Scherz, auf diesem Niveau wird heutzutage Meinung gemacht.

Zwangs-Pay-TV abschaffen. Sofort. Dann wäre ein solches propagandistisches Machwerk wenigstens nicht ganz so ärgerlich.

Das Tesla-Phänomen

In den letzten Tagen wurden wir wieder Zeuge eines Schauspiels, das bisher nur von Apple in dieser Form bekannt war.

Die Firma Tesla Motors, gegründet 2003 von Elon Musk (und Mitstreitern) und seit 2008 Produzent verschiedener Elektro-PKWs, hat ihr „Model 3“ präsentiert. Auf eine Art und Weise, die man sonst nur von Apple bei der Vorstellung eines neuen iPhones kennt. Ganz große Show, aber sehr sparsam bei den Details. Wer bereits über die Jahre die Vorankündigungen verfolgt hat, hat eigentlich nichts Neues erfahren.

Interessanterweise hat es Tesla mit diesem Konzept geschafft, innerhalb von zwei Tagen nicht weniger als 260000 Vorbestellungen, für die eine Anzahlung von je 1000 US$ geleistet wurden, einzusammeln. Respekt. Dass derart viele (im Moment potenzielle) Käufer willig sind, ein Fahrzeug quasi blind, ohne Probefahrt, vorzubestellen – im Prinzip weiß man nur, wie das Dingens aussieht, dass es in den USA voraussichtlich 35000 US$ (netto) kosten wird und vermutlich um die 350km Reichweite haben wird – das zeugt von einem sensationellen Markenimage.

Was war nun an Substantiellem durch die Präsentation zu erfahren? Wie gesagt, die 350km Reichweite nach US-Zyklus, die 35000 US$ netto, Platz für 5 Personen, ein Panorama-Glasdach, ein gefälliges Design, und man wird wohl die Supercharger-Infrastruktur (spezielle Tesla-Ladestationen, die meist an Autobahnen platziert mit einer Leistung von 120 bis 135kW die großen 85kWh-Akkus des Model S in „nur“ 45 Minuten auf 80% laden können) nutzen dürfen – zu welchem Preis, und ob es ein „Flatrate“-Angebot wie beim Model S geben wird, ist noch unbekannt. Die erste Auslieferung in USA wird für Ende 2017 erwartet, voller Produktionsanlauf dann im Laufe des Jahres 2018.

Ein potenzieller deutscher Kunde, der heute vorbestellt und Tesla einen zinslosen Übergangskredit von 1000 US$ gewährt (nicht, dass das Geld woanders Zinsen abwerfen würde…), darf also in etwa zwei Jahren mit Lieferung rechnen – wenn er am Anfang der Vorbesteller-Liste steht. Denn nach bisherigem Produktionsplan wird man bis Ende 2019 maximal 212000 Fahrzeuge produzieren können. Erinnert ein wenig an die Bestellung eines Trabants in der DDR. Und Tesla hat bisher selten die angekündigten Zeitpläne eingehalten.

Wie gesagt, die Jungs von Tesla haben da wirklich ein sensationelles Markenimage geschaffen. Denn wer kennt heute schon die Details des Automarktes von 2018 oder 2020? Welche Autos sind bis dahin angekündigt, und sind die vielleicht besser und preiswerter als das Tesla Model 3? Denn was sind denn die wirklichen Alleinstellungsmerkmale von Tesla: das doch eher dünne Supercharger-Netz (das ja für einen großen Markterfolg eines Model 3 überhaupt nicht ausreichend dimensioniert ist), und die Tatsache, dass außer Tesla noch niemand derart viel Akkukapazität in ein Fahrzeug gepackt hat. Der Rest ist bei Tesla doch eher hausbacken: Design, Komfort, Platzangebot, Innenraumflexibilität, Verarbeitung, Sicherheit, Techie-Goodies. Alles nicht schlecht bzw. Geschmacksfrage, aber sich kein Alleinstellungsmerkmal. Manchmal wird der „Autopilot“ genannt, aber der ist nicht viel mehr als ein Spurhalteassistent mit Abstandsregeltempomat, also nichts, was es nicht schon in der Kompaktklasse bei anderen Herstellern geben würde. Manchmal werden die automatischen „Over-the-Air“-Updates genannt, aber ob das ein Vorteil sein soll angesichts der üblichen Softwarequalität im Automotive-Bereich – ich weiß es nicht.

Unterm Strich kann man Elon Musk und seinen Mannen also nur gratulieren zu diesem großartigen Marketing. Eine würdige Nachfolge für die „Premium“-Anstrengungen von Teilen der Automobilindustrie.

Da erinnere ich mich an einen Ausspruch von meinem Informatik-Professor: „Finden Sie einen Menschen, der behauptet, Kaufentscheidungen rational zu fällen. Dann fragen Sie ihn, was er für ein Auto fährt.“

Am Rande: dramatisch schlecht fand ich die Berichterstattung in der deutschen Online-Presse. Oft war vom „31000€-Auto“ die Rede, in völliger Verkennung, dass die genannten 35000 US$ selbstverständlich netto, also ohne „sales tax“, zu verstehen sind. Am Ende ist der zu erwartende Preis in Deutschland wohl eher bei 40000€ zu erwarten. Qualitativ noch schlechter allerdings die sich daraus ergebenen Diskussionen zwischen den Tesla-Fanboys und der Verbrenner-Fan-Fraktion (ab und zu noch ein Brennstoffzellen-Fanatiker und zwei bis drei Hybrid-Junkies dazwischen), die immer wieder dieselben Halbwahrheiten in demselben schrillen Tonfall austauschen. Ermüdend.

Und warum steht dieser Beitrag nun im Politik-Blog? Leider hat ja die E-Auto-Kiste eine politische Dimension, und die heißt „Subventionen“. Tesla profitiert ja schon reichlich davon, vom Verkauf von Emissionszertifikaten über Tax Credits für die neue Akkufabrik in Reno/Nevada (man redet von über einer Milliarde US$) bis hin zur Einzelfahrzeugförderung in diversen Staaten dieser Erde. Anstatt Subventionen als schädliche Marktverzerrung zu begreifen, spielen ja auch unsere Politiker gerne in diesem Konzert der Geldverschwender mit – siehe EEG, Abwrackprämie und Konsorten. Also der Merksatz zum Schluss: wenn ein Produkt Subventionen benötigt, um verkauft werden zu können, ist es einfach nicht oder noch nicht marktreif. Wenn man den Enthusiasmus der Tesla-Jünger sieht, braucht dieses Produkt doch ganz bestimmt keine Subvention – die sind doch jederzeit bereit, gerne ein paar tausend Euro mehr auf den Tisch zu legen.

Koalitionspoker in Baden-Württemberg

Anfang März war meine Prognose, dass es in Baden-Württemberg zu einer Koalition CDU-SPD-FDP kommen wird. Stand heute scheint das unwahrscheinlich. Die SPD hat dieser Kombination eine Absage erteilt. Die FDP verweigert (im Moment) standhaft die klassische Ampel. So scheint alles auf Grün-Schwarz herauszulaufen.

Für mich eine Überraschung, und ich werde erst daran glauben, wenn die Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag trocken sind. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Überschneidungen der Politikziele von Grünen und CDU – insbesondere in Baden-Württemberg – so groß sein sollen, dass diese Koalition sinnvoll möglich ist. Zumal die CDU-Basis zu großen Teilen eine solche Koalition ablehnt.

Die CDU ist ja weithin bekannt oder auch verrufen als „Kanzlerwahlverein“ – die einzige Konstante über all die Jahre ist der unbedingte Wille zur Macht. Und natürlich ist die CDU zumindest auf Bundesebene inzwischen so weit nach links gerückt, dass man durchaus Überschneidungen mit den Grünen sehen könnte. Und es existiert ja auch durchaus die Ansicht, dass Winfried Kretschmann ein verkappter Konservativer sei. Ich sehe das alles nicht. Die Baden-Württemberg-CDU ist immer noch eher konservativ. Grün-Rot hat in weiten Teilen lupenreine klassisch links-grüne Politik gemacht.

Wie weit wird sich die CDU verbiegen, um wieder an die Fleischtöpfe der Macht zu kommen? Ist das strategisch eine gute Idee, als Juniorpartner mit dem natürlichen Feind zu koalieren? Wird die CDU an der Seite von Kretschmann ein ähnliches Debakel erleben wie die SPD? Wird diese Legislaturperiode bereits den Abschied von Kretschmann sehen, und wie wird sich das auf die Chancen der Grünen bei der nächsten Landtagswahl auswirken? Wird die SPD in der Opposition sich wieder regenerieren können?

Viele Fragen, noch keine Antworten. Es bleibt spannend im Ländle.

Zu Zeiten einer NRW-Landtagswahl in den 90ern gab es mal den Spruch, dass sich die Grünen zum Machterhalt so weit verbiegen würden, dass sie sogar einem Kernkraftwerk in der Düsseldorfer Innenstadt zustimmen würden. Mal sehen, was man über die CDU sagen wird.

Erkenntnisse der Landtagswahl Baden-Württemberg

Quellenhinweis: Saubere und vollständige Ergebnisse erfährt man gesammelt hier vom Statistischen Landesamt. In der Online-Presse habe ich spontan z.B. nirgends gefunden, was sich hinter „Sonstige“ aufgeschlüsselt verbirgt. Wenn man einen Rechtsrutsch konstatiert, sind doch Zahlen von NPD und Republikanern durchaus von Interesse. Auch das Abschneiden der AfD-Abspaltung ALFA hat mich interessiert. Und auch die ehemaligen Superstars der Piratenpartei interessieren mich immer noch.

Nachfolgend ein paar Gedankenschnipsel zum Wahlausgang.

  • Die Regierungskoalition hat 4,3%-Punkte verloren. Das widerspricht der These, dass die Bürger mit der Regierungsarbeit zufrieden waren.
  • Die Grünen sind in Baden-Württemberg als Volkspartei etabliert. M.E. ausschließlich ein Verdienst von Kretschmann, wie man am Wahlergebnis der Grünen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sehen kann.
  • Die CDU vermeldet einen historischen Tiefststand.
  • Die SPD hat ihr schon schlechtes Ergebnis von 2011 nochmal beinahe halbiert. Status „Volkspartei“ inzwischen fragwürdig.
  • Die AfD liegt deutlich vor der SPD, interessanterweise war das in den ersten Hochrechnungen noch nicht zu sehen.
  • Die FDP ist stark erholt und beinahe schon auf Augenhöhe mit der SPD.
  • Die LINKE spielt in Westdeutschland faktisch keine Rolle mehr. Möglicherweise, weil sich das Protestpotenzial auf die AfD konzentriert.
  • Die Koalitionsbildung wird sehr interessant. Die einzigen realistischen Optionen sind Grün-Schwarz, Schwarz-Rot-Gelb und Grün-Rot-Gelb. Alles drei sehr schwer vorstellbar, am ehesten würde ich noch Schwarz-Rot-Gelb für möglich halten.
  • Die rechten Parteien Republikaner und NPD spielen mit 0,3% bzw. 0,4% der Stimmen überhaupt keine Rolle.
  • Die ALFA hat, trotz reichlich Wahlwerbung am Straßenrand, nur 1,0% der Stimmen errungen. Vermutlich, weil die Partei in den Medien überhaupt keine Rolle gespielt hat – da gab es ja nur „AfD gegen den Rest der Welt“.
  • Die in vielen Medien transportierte Idee, dass Wolf wegen seines „Schlingerkurses“ bezüglich der Flüchtlingsfrage so schlecht abgeschnitten hat, halte ich für abwegig. Der CDU-Kandidat in Sachsen-Anhalt hat lange Zeit konsequent gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung opponiert und hat das Ergebnis der vorigen Wahl beinahe gehalten. Die beiden eher linientreuen Kandidaten Klöckner und Wolf hingegen haben dramatisch verloren.
  • Wenn diese Idee schon abwegig ist, wie ist dann die Idee von Jakob Augstein zu bewerten („Sieg für Angela Merkel“), die dieser in seiner Kolumne bei Spiegel Online äußert? Völlig abwegig? Komplett abwegig? Absurd abwegig? Da gehen einem doch die Superlative aus.

Ich habe das Gefühl, dass viele Bürger sich im konservativen Niemandsland verloren fühlen, weil die CDU unter Angela Merkel schon zu Zeiten von Schwarz-Gelb deutlich nach links gerückt ist und viele konservative Positionen geräumt hat. Sowas dauert immer ein wenig, bis es sich in der Breite auch in Teilen der Stammwählerschaft niederschlägt, aber jetzt scheint es – natürlich beschleunigt durch die Flüchtlingskrise (oder ist es eine Migrationskrise?) – sich zu manifestieren. Der konservative Wähler hat verschiedene Schlüsse aus seinem Dilemma gezogen: Kretschmann wählen, weil er den seriösen Landesvater perfekt verkörpert. AfD wählen, weil sie als einzige noch konservative Inhalte glaubwürdig vertritt. Das verspricht eine spannende Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl.

Was ist eigentlich aus den „Grauen“ und der Autofahrerpartei geworden?

Grüne Grundsätze

Parteispenden sind immer ein politisches Thema. Die Medien berichten auch gerne darüber, wie es den Anschein erweckt. Wer erinnert sich nicht an die üble Schmutzkampagne der Qualitätspresse anno 2010 gegen die FDP, weil diese vom Unternehmer und Investor August von Finck eine Großspende erhielten – prompt wurde von Bestechung, Skandal und der „gekauften Republik“ berichtet. Naja, „berichtet“ ist wohl das falsche Wort hier. Der Hintergrund: weil August von Finck Großaktionär beispielsweise beim Mövenpick-Konzern ist und Mövenpick schließlich auch ein paar Hotels betreibt, war damit der Zusammenhang glasklar: die Anpassung des Mehrwertsteuersatzes bei Hotelübernachtungen – obwohl bei vielen Parteien im Programm und durchaus ein Beitrag zur europäischen Harmonisierung – war selbstverständlich nur aufgrund dieser Spende gemacht worden.

Besonders die Grünen taten sich hervor mit Forderungen, die natürlich zufällig perfekt zu ihrem Spendenprofil (eher kleine, dafür viele Spender – wenige industriellen Großspender) passten. Maximal 100.000€ sollte es bei Spendern pro Jahr sein. Drüber geht gar nicht, weil das natürlich – mindestens latent, wie es so schön heißt – ein „Gschmäckle“ hat, wie der Schwabe sagt. Beeinflussung. Bestechung. Eben das volle Programm.

Nun trug es sich kürzlich zu, dass eine Privatperson – der Vermögensberater Jochen Wermuth, der nach eigenen Angaben u.a. in erneuerbare Energien investiert und damit direkt vom von den Grünen mitgetragenen Subventionsirrsinn profitiert – den Grünen in Baden-Württemberg eine Spende über 300.000€ zukommen ließ. Nun hätte man auf die Idee kommen können, dass die Grünen – immer stark beim Einfordern von Grundsätzen bei anderen – sich an ihre eigenen Grundsätze halten und die Spende ablehnen. Z.B. um das „Gschmäckle“ zu vermeiden.

Aber: Integrität wird sowieso überschätzt. Und so erklärt uns Winfried Kretschmann, dass man selbstverständlich über die Spende froh sei und sie gerne annehme – alles andere wäre ja „naiv“.

Wir merken uns also: Grundsätze zu formulieren ist super. Sich dran zu halten wäre aber naiv. Das fällt schon unter fortgeschrittenes Pharisäertum.