In den letzten Tagen wurden wir wieder Zeuge eines Schauspiels, das bisher nur von Apple in dieser Form bekannt war.
Die Firma Tesla Motors, gegründet 2003 von Elon Musk (und Mitstreitern) und seit 2008 Produzent verschiedener Elektro-PKWs, hat ihr „Model 3“ präsentiert. Auf eine Art und Weise, die man sonst nur von Apple bei der Vorstellung eines neuen iPhones kennt. Ganz große Show, aber sehr sparsam bei den Details. Wer bereits über die Jahre die Vorankündigungen verfolgt hat, hat eigentlich nichts Neues erfahren.
Interessanterweise hat es Tesla mit diesem Konzept geschafft, innerhalb von zwei Tagen nicht weniger als 260000 Vorbestellungen, für die eine Anzahlung von je 1000 US$ geleistet wurden, einzusammeln. Respekt. Dass derart viele (im Moment potenzielle) Käufer willig sind, ein Fahrzeug quasi blind, ohne Probefahrt, vorzubestellen – im Prinzip weiß man nur, wie das Dingens aussieht, dass es in den USA voraussichtlich 35000 US$ (netto) kosten wird und vermutlich um die 350km Reichweite haben wird – das zeugt von einem sensationellen Markenimage.
Was war nun an Substantiellem durch die Präsentation zu erfahren? Wie gesagt, die 350km Reichweite nach US-Zyklus, die 35000 US$ netto, Platz für 5 Personen, ein Panorama-Glasdach, ein gefälliges Design, und man wird wohl die Supercharger-Infrastruktur (spezielle Tesla-Ladestationen, die meist an Autobahnen platziert mit einer Leistung von 120 bis 135kW die großen 85kWh-Akkus des Model S in „nur“ 45 Minuten auf 80% laden können) nutzen dürfen – zu welchem Preis, und ob es ein „Flatrate“-Angebot wie beim Model S geben wird, ist noch unbekannt. Die erste Auslieferung in USA wird für Ende 2017 erwartet, voller Produktionsanlauf dann im Laufe des Jahres 2018.
Ein potenzieller deutscher Kunde, der heute vorbestellt und Tesla einen zinslosen Übergangskredit von 1000 US$ gewährt (nicht, dass das Geld woanders Zinsen abwerfen würde…), darf also in etwa zwei Jahren mit Lieferung rechnen – wenn er am Anfang der Vorbesteller-Liste steht. Denn nach bisherigem Produktionsplan wird man bis Ende 2019 maximal 212000 Fahrzeuge produzieren können. Erinnert ein wenig an die Bestellung eines Trabants in der DDR. Und Tesla hat bisher selten die angekündigten Zeitpläne eingehalten.
Wie gesagt, die Jungs von Tesla haben da wirklich ein sensationelles Markenimage geschaffen. Denn wer kennt heute schon die Details des Automarktes von 2018 oder 2020? Welche Autos sind bis dahin angekündigt, und sind die vielleicht besser und preiswerter als das Tesla Model 3? Denn was sind denn die wirklichen Alleinstellungsmerkmale von Tesla: das doch eher dünne Supercharger-Netz (das ja für einen großen Markterfolg eines Model 3 überhaupt nicht ausreichend dimensioniert ist), und die Tatsache, dass außer Tesla noch niemand derart viel Akkukapazität in ein Fahrzeug gepackt hat. Der Rest ist bei Tesla doch eher hausbacken: Design, Komfort, Platzangebot, Innenraumflexibilität, Verarbeitung, Sicherheit, Techie-Goodies. Alles nicht schlecht bzw. Geschmacksfrage, aber sich kein Alleinstellungsmerkmal. Manchmal wird der „Autopilot“ genannt, aber der ist nicht viel mehr als ein Spurhalteassistent mit Abstandsregeltempomat, also nichts, was es nicht schon in der Kompaktklasse bei anderen Herstellern geben würde. Manchmal werden die automatischen „Over-the-Air“-Updates genannt, aber ob das ein Vorteil sein soll angesichts der üblichen Softwarequalität im Automotive-Bereich – ich weiß es nicht.
Unterm Strich kann man Elon Musk und seinen Mannen also nur gratulieren zu diesem großartigen Marketing. Eine würdige Nachfolge für die „Premium“-Anstrengungen von Teilen der Automobilindustrie.
Da erinnere ich mich an einen Ausspruch von meinem Informatik-Professor: „Finden Sie einen Menschen, der behauptet, Kaufentscheidungen rational zu fällen. Dann fragen Sie ihn, was er für ein Auto fährt.“
Am Rande: dramatisch schlecht fand ich die Berichterstattung in der deutschen Online-Presse. Oft war vom „31000€-Auto“ die Rede, in völliger Verkennung, dass die genannten 35000 US$ selbstverständlich netto, also ohne „sales tax“, zu verstehen sind. Am Ende ist der zu erwartende Preis in Deutschland wohl eher bei 40000€ zu erwarten. Qualitativ noch schlechter allerdings die sich daraus ergebenen Diskussionen zwischen den Tesla-Fanboys und der Verbrenner-Fan-Fraktion (ab und zu noch ein Brennstoffzellen-Fanatiker und zwei bis drei Hybrid-Junkies dazwischen), die immer wieder dieselben Halbwahrheiten in demselben schrillen Tonfall austauschen. Ermüdend.
Und warum steht dieser Beitrag nun im Politik-Blog? Leider hat ja die E-Auto-Kiste eine politische Dimension, und die heißt „Subventionen“. Tesla profitiert ja schon reichlich davon, vom Verkauf von Emissionszertifikaten über Tax Credits für die neue Akkufabrik in Reno/Nevada (man redet von über einer Milliarde US$) bis hin zur Einzelfahrzeugförderung in diversen Staaten dieser Erde. Anstatt Subventionen als schädliche Marktverzerrung zu begreifen, spielen ja auch unsere Politiker gerne in diesem Konzert der Geldverschwender mit – siehe EEG, Abwrackprämie und Konsorten. Also der Merksatz zum Schluss: wenn ein Produkt Subventionen benötigt, um verkauft werden zu können, ist es einfach nicht oder noch nicht marktreif. Wenn man den Enthusiasmus der Tesla-Jünger sieht, braucht dieses Produkt doch ganz bestimmt keine Subvention – die sind doch jederzeit bereit, gerne ein paar tausend Euro mehr auf den Tisch zu legen.