Mehr soziale Gerechtigkeit

Der aktuelle Wahlkampf hat ein uraltes Politikthema wieder nach oben gespült: die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Quasi alle Parteien bombardieren den mehr oder weniger geneigten Wähler mit diesem Begriff, freilich meist ohne genau zu sagen, was sie denn genau unter dieser “Gerechtigkeit” verstehen – noch mehr als bei vielen anderen Themen liegt bei der Frage der Gerechtigkeit die Wahrheit im Auge des Betrachters. Von Seiten der eher linken Parteien sind die Rezepte eigentlich immer gleich: mehr Geld für die Rentner, mehr Geld für die Sozialhilfe, mehr Geld für die Arbeitslosen, und vor allem mehr Steuern von den Reichen. Letzteres ist immer ein interessanter Punkt, denn wenn man sich unsere Steuersätze mal anschaut, beginnt in Deutschland der Reichtum doch schon bei verhältnismäßig niedrigen Einkommen. Ich wünsche mir immer, dass Journalisten präzise nachhaken würden, wenn von den “Reichen” die Rede ist, wer denn da genau gemeint sei.

Wie auch immer, die Idee, von den Reich(er)en höhere Steuern zu kassieren und sie irgendwie an echte oder vermeintlich ärmere Bevölkerungsgruppen zu verteilen, ist natürlich so alt wie einfallslos. Deshalb will ich hier ein paar Anregungen an künftige Regierungen auflisten, wie man sehr einfach für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen kann. Natürlich in den Augen dieses speziellen Betrachters. Die Liste erhebt natürlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

1. Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes

Nahrungsmittel braucht jeder. Aber es macht keinen Sinn, sie in beliebiger Menge zu kaufen. Also ein ideales Feld für mehr soziale Gerechtigkeit, wenn man diese preiswerter macht – man entlastet die gesamte Bevölkerung, aber die Ärmeren überproportional. Also: Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Dinge des täglichen Bedarfs. Kann auch supereinfach gegenfinanziert werden, indem man die komplett sinnlosen Ausnahmen, die nur mit dem ermäßigten Satz besteuert werden, einfach künftig mit dem vollen Satz besteuert wird. Ich denke an so Klassiker wie Bienen, Schnittblumen, Bücher und Zeitungen, Düngemittel, Kaffee und Kakao und Tee, Kunstgegenstände, Pferde, Schokolade…selbst eine leichte Anhebung des vollen Satzes zur Gegenfinanzierung wäre m.E. aufgrund des Nullsummen-Charakters hinnehmbar.

Was wäre das Ziel der Senkung? 0% natürlich.

Wenn man schon dabei ist hier auszumisten: kann mal jemand eine Begründung dafür finden, warum Maultiere mit 7% besteuert werden, Esel hingegen mit 19%? Der reine Steuerwahnsinn.

2. Aufhebung des Fracking-Verbots

Aus m.E. vorgeschobenen Pseudo-Öko-Gründen ist hierzulande die Förderung von Öl und Gas mittels Fracking verboten. Was nichts anderes bedeutet als einen massiven Wohlstandsverlust. In den USA kann man seit Jahren – vor allem aber seit der Korrektur vieler unsinniger Regulierungen der Obama-Administration durch Trump – betrachten, was einigermaßen liberale Gesetzgebung in diesem Bereich ermöglicht. Sinkende Energiepreise auf weiter Front, Unabhängigkeit von Importen, höhere Versorgungssicherheit und im Nachgang die ganzen positiven Sekundäreffekte auf die Wirtschaft und den Verbraucher.

3. Ende des EEG, Gleichbehandlung aller Arten der Stromerzeugung

Der Subventionswahnsinn namens EEG ist Legende. Noch niemals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde mit so hohem Mitteleinsatz so wenig erreicht. Besonders sinnlos: die Subventionen sind für jede Technologie von teilweise dramatisch unterschiedlicher Höhe, so dass selbst im planwirtschaftlichen Rahmen der Energiewende eine dennoch mögliche marktwirtschaftliche Optimierung wirksam ausgebremst wird. Einfache Lösung: sofortiger Stopp von Einspeisevergütungen und der Abnahmegarantie für Neuanlagen. Die EE-Fans erzählen ja schon seit Jahren, dass die sogenannten erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig sind – Zeit, das mal in der Praxis zu prüfen.

4. Keine Finanzierung von NGOs

Die staatliche Finanzierung eines bunten Straußes dubioser Organisationen hat aufzuhören. Ebenfalls darf gerne wieder genauer geprüft werden, dass wirklich nur gemeinnützige Organisationen den Status eines eingetragenen Vereins haben können. Dass z.B. eine professionelle Spendensammelvereinigung wie Greenpeace ein e.V. sein darf, ist wirklich lächerlich.

5. Verlängerung der Laufzeiten der sich noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke

Energiepreise waren in der Vergangenheit ein massiver Kostentreiber, der untere Einkommensgruppen überproportional belastet hat. Nun sollen in den nächsten Jahren noch einwandfrei funktionierende Kernkraftwerke lange vor dem Ende der technisch und wirtschaftlich sinnvollen Laufzeit abgeschaltet werden, anstatt wie anderswo auf der Welt die genehmigte Laufzeit von typisch 40 Jahre auf 60 Jahre zu erhöhen. Ein massiver Wohlstandsverlust, der sich in Form von höheren Stromkosten auf alle auswirkt. Ganz nebenbei verdrängt der Strom der Kernkraftwerke tendenziell den Kohlestrom aus den Netzen, was unserer CO2-Bilanz auch hilft.

6. Ende des Abgaben- und Gebührenwahnsinns

Obwohl der Bund, Länder und Gemeinden überreichlich mit Steuern alimentiert sind, verlangen sie für alle möglichen Dinge Gebühren und Abgaben. Sogar für Dinge wie einen Personalausweis, den bekanntlich jeder braucht. Irrsinn. Auch die ständig steigenden Müllgebühren – alle predigen doch, was für ein wertvoller Rohstoff Müll doch sei. Na denn: private Anbieter werden dann sicherlich gerne die kostenlose Abholung veranlassen. Klappt ja sogar beim halbstaatlichen DSD mit dem grünen Punkt.

7. Automatische Anpassung des Steuersystems anhand der Inflation

Die “kalte Progression” ist ein Dauerärgernis. Durch die Inflation erhöht sich die Steuerlast aufgrund der progressiven Natur unseres Einkommensteuersystems ständig. Dabei ist nicht nur der progressiv-lineare Anstieg des Steuersatzes das Problem, sondern auch der Grundfreibetrag, der bekanntlich auch progressiv in seiner Wirkung ist. Man muss seit Jahrzehnten darauf hoffen, dass sich die Politik zu entsprechenden regelmäßigen Anpassungen durchringt. Meist geschieht das aber zu spät und in zu geringem Umfang, so dass die Steuerlast real ständig steigt. Einfacher Vorschlag: auf Basis der offiziellen Inflationsrate wird automatisch eine Anpassung von Grundfreibetrag und Steuersatzkurve angenommen und jährlich ab 1.1. Gesetz. Einfach, gerecht, fair.

8. Ende der Importhindernisse für landwirtschaftliche Erzeugnisse

Zölle und andere Importhindernisse dienen vordergründig dem Schutz der heimischen Landwirtschaft (und im Falle des berühmten Chlorhühnchens wird sogar der Gesundheitsschutz vorgeschoben), sorgen letztlich aber nur für mindere Qualität zu höherem Preis. Zudem wird aktiv verhindert, dass außereuropäische Länder, die eher landwirtschaftlich als industriell geprägt sind, durch Nahrungsmittelexporte nach Europa sich wirtschaftlich positiv entwickeln können. Hier wäre eine Reform also eine klassische Win-Win-Situation – aber natürlich nicht so einfach durchzuführen, da auf EU-Ebene notwendig.

9. Ende der Entwicklungshilfe

Es ist kein großer Posten im Bundeshaushalt, aber auch Kleinvieh macht Mist. Und 8 Milliarden Euro sind schon ein Posten. In den letzten 40 Jahren wurde in der Praxis nachgewiesen, dass Entwicklungshilfe auf Ebene des Staates genau gar nichts zur (positiven) wirtschaftlichen Entwicklung des Empfängers beiträgt. Also weg damit, kann man sich auch gleich das entsprechende Ministerium sparen. Kann man direkt in eine Steuersenkung ummünzen. Private Entwicklungshilfe, oft als Hilfe zur Selbsthilfe organisiert, ist viel wirkungsvoller.

10. Ende des Regulierungswahns

Jeder – man verzeihe mir den Kraftausdruck – Scheißdreck in Deutschland ist teils abwegiger, in jedem Fall aber kostenintensiver Regulierung unterworfen. Ob Arbeitsmarkt oder Hausbau, überall existieren sinnlose bis schädliche Vorschriften. Der Nutzen ist fast immer minimal und steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. Wer sich schon mal gefragt hat, warum Wohnraum in Deutschland so exorbitant teuer ist – Regulierung trägt einen wesentlichen Teil dazu bei. Allein die Vorschriften bezüglich Wärmeschutz und Heizsysteme – ein einziger Irrsinn. Und wenn Wohnraum teuer im Bau ist, sind auch die Mieten höher und Eigentum schwerer zu erwerben. Beides geht letztlich hauptsächlich zu Lasten der niedrigen Einkommensgruppen.

11. Reduzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks auf ein Minimum

Ja, warum nicht gleich abschaffen. Gebraucht werden vor allem die ÖR-Fernsehsender ganz sicher nicht – wir haben eine überreichliche Auswahl an qualitativ höherwertigen Alternativen, die sich im Gegensatz zum ÖR-Sumpf am Markt (und damit bei den Zuschauern) ganz ohne Zwangsmaßnahmen etabliert haben. Jeder, der insbesondere in Hochzeiten des Wahlkampfes ARD oder ZDF schaut, weiß jedenfalls, dass die Berichterstattung weitgehend faktenarm und meinungsstark ist. Dazu muss man nicht 8 Milliarden Euro im Jahr verpulvern. Ich würde als Höchstgrenze im ersten Schritt 500 Millionen festlegen, das sollte reichen für ein ausreichend anspruchsvolles Rumpfprogramm. Sport? Verzichtbar, können andere besser. Spielfilme? Verzichtbar. Können andere besser. Unterhaltungssendungen? Verzichtbar. Können andere besser. Und das gilt letztlich für alle Sparten. Man denke nur an die Geldverschwendung namens “Tatort” – jede zweitklassige US-Serie ist sowohl schauspielerisch als auch storytechnisch Lichtjahre voraus. Der “Tatort” dient eigentlich nur als Beweis für die These von Harald Schmidt, dass letztlich jede Sendung erfolgreich wird, wenn sie nur lange und penetrant genug gesendet wird.

Radio? Hat jemand Radio gesagt? Ich würde das ÖR-Radio nicht vermissen. In Summe 8 Milliarden mehr in den Taschen der Bürger, das ist doch mal ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.

12. Kunst- und Kulturförderung beenden

Rund 10 Milliarden Euro fließen jedes Jahr staatlicherseits in die Kunst- und Kulturförderung. Eine typische Mittel- und Oberschichtenförderung, finanziert aber von allen Bevölkerungsschichten. Warum? Deutschland ist ein reiches Land. Wenn es förderungswürdige Kunst gibt, findet sich sicher ein privater Geldgeber, um den oder die Künstler zu finanzieren. Würde vermutlich auch etwas mehr Wettbewerb ins System bringen anstatt des typischen staatlichen Gießkannenprinzips. Nebenbei kann wohl keiner schlüssig erklären, warum Oper und Theater förderungswürdig sein soll, Rockkonzerte hingegen nicht. Und: das entsprechende Staatsministerium kann man dann auch gleich abschaffen. Eine klassische Win-Win-Situation, der Steuerzahler atmet auf.

Soweit meine Vorschläge. Wie man sieht ist die Idee, einfach die absolut verzichtbaren Teile der Lebenshaltungskosten so zu reduzieren, dass die unteren Einkommensschichten prozentual am meisten profitieren. Ganz simpel, ganz einfach, ganz wirkungsvoll. Genau deshalb kann man als gesichert annehmen, dass keiner dieser Vorschläge je von der Politik umgesetzt wird. Stattdessen wird weiterhin von Gerechtigkeit geschwafelt werden.

Einfach mal die aktuellen Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl durchlesen und mit der obigen Liste abgleichen. Kann bei der Wahlentscheidung helfen. Und die Augen dafür öffnen, was für einen Unsinn Politiker und Parteien für wichtiger halten.

Wahl-O-Mat – Ergebnis und Anmerkungen

Wie vor jeder relevanten Wahl habe ich auch dieses Mal den Wahl-O-Mat durchgeklickt, um einen Indikator bezüglich der Übereinstimmung von Partei- und Wahlprogrammen mit meiner aktuellen Befindlichkeit zu bekommen.

Mein Ergebnis:

  • AfD 77,1 %
  • FDP 74 %
  • CDU/CSU 66,7 %
  • FREIE WÄHLER 61,5 %
  • SPD 42,7 %
  • PIRATEN 29,2 %
  • GRÜNE 18,8 %
  • DIE LINKE 13,5 %

Wie immer beim Wahl-O-Mat sind die Thesen und Antworten für meinen Geschmack bei weitem nicht differenziert genug, aber ich verstehe natürlich, dass die Macher da einen Kompromiss suchen müssen zwischen Verständlichkeit, leistbarem Analyseaufwand und Nutzbarkeit.

Ein paar Dinge sind mir aber doch sehr unangenehm aufgefallen, was die Thesenformulierung angeht, weil sie m.E. so viel Spielraum bei der Interpretation lässt, dass die Antwort im Prinzip wertlos ist und vom Antwortgeber ein großes Maß politischen Verständnisses erfordert, um hier nicht in die falsche Richtung abzustimmen – man ist gezwungen, sehr viel zwischen den Zeilen zu lesen, zu vermuten, zu mutmaßen. Mängel, die mir übrigens auch bei vielen Fragestellungen bei Umfragen aller Art regelmäßig auffallen.

Besonders negativ sind mir folgende Thesen aufgestoßen:

“Dieselkraftstoff für Pkw soll höher besteuert werden.”

Unklare Zielrichtung bei dieser These. So, wie sie formuliert ist, klingt es nach platter Steuererhöhung, ich kann also auf keinen Fall zustimmen. Ich vermute als Intention hinter der Frage aber eher das Bedürfnis, die Ungleichbesteuerung bei den Kraftstoffen “Benzin” und “Diesel” zu beenden. Aber da müsste ja auch die Ungleichbehandlung bei der KfZ-Steuer (Dieselfahrzeuge werden hier höher besteuert) angegangen werden. Also: sinnvoller wäre die These so formuliert: “Die ungleiche steuerliche Behandlung von Diesel- und Benzinfahrzeugen soll beendet werden.”

“Für die Aufnahme von neuen Asylsuchenden soll eine jährliche Obergrenze gelten.”

Diese Formulierung ist derart sinnfrei, dass es schon schmerzt. Denn in der politischen Diskussion war ja logischerweise (siehe Grundgesetz) immer nur von einer möglichen Obergrenze für Flüchtlinge die Rede. Und wenn man noch an die Herrschaft des Rechts glaubt (also die fröhliche Ignorierung von Dublin-Abkommen, sicheren Drittstaaten etc. durch die derzeitige Regierung mal kurz aus dem Block verliert), dürfte die Zahl der Asylsuchenden die nach Deutschland kommen ja auch nie besonders hoch sein. Und egal ob Asylsuchende oder Flüchtlinge, wenn entsprechend der rechtlichen Möglichkeiten Abschiebungen stattfinden würden gäbe es ja möglicherweise gar kein Problem. Und solange man nicht sagt, wie hoch eine mögliche Obergrenze denn nun tatsächlich sein soll – was für einen Sinn ergibt die Frage dann überhaupt?

“Generelles Tempolimit auf Autobahnen!”

Auch hier ist das Unspezifische das Problem. Tempo 100 dürfte wenig Freunde finden, Tempo 150 vielleicht schon mehr. Angesichts des homöopathischen Anteils von Autobahnabschnitten ohne spezifisches Tempolimit wird das aber auch immer mehr zur akademischen Frage. Und ganz sicher zu keinem relevanten Thema für die kommende Bundestagswahl.

“Ökologische Landwirtschaft soll stärker gefördert werden als konventionelle Landwirtschaft.”

Und wieder etwas sehr unspezifisches. Ohne die Höhe der möglichen Subventionen zu nennen ist doch eine solche These weder zustimm- noch ablehnfähig – letztlich gilt das natürlich für fast alle Thesen zu den Finanzen, weil die Frage der Gegenfinanzierung in der Formulierung fehlt. Schade halt, dass es keine These “Subventionen für die Landwirtschaft sollen abgeschafft werden.” zur Zustimmung gab.

“Betreiber von Internetseiten sollen gesetzlich dazu verpflichtet sein, Falschinformationen (“Fake News”) zu löschen, auf die sie hingewiesen wurden.”

Von wem hingewiesen? Wer ist die Instanz, die dann über “wahr oder falsch” entscheidet? Wie sieht der Rechtsweg aus, um eine Löschung anzufechten? Und warum reicht das bisherige Instrumentarium gegen falsche Tatsachenbehauptungen nicht aus? Und was ist mit “Betreiber” genau gemeint? Das Maas’sche Katastrophengesetz hat doch all diese Fragen bereits aufgeworfen, wie kann man dann so einen Schwachsinn überhaupt zum Thema machen?

“Hohe Vermögen sollen besteuert werden.”

Was genau ist “hoch”? Was zählt alles zum “Vermögen”? Übrigens zwei Fragen, um deren Antworten die Fans einer Vermögenssteuer auch immer gerne herumschleichen wie die Katze um den heißen Brei.

“Der kontrollierte Verkauf von Cannabis soll generell erlaubt sein.”

Was bedeutet hier “kontrolliert” – wie und von wem?

“Der Gottesbezug im Grundgesetz soll bestehen bleiben.”

Kann man sich eine unwichtigere Frage für eine Wahlentscheidung vorstellen?

“In Deutschland soll es ein bedingungsloses Grundeinkommen geben.”

Ob man dem zustimmt oder nicht ist hier doch entscheidend davon abhängig, welche Höhe vorgesehen ist und welche anderen Transferleistungen dafür wegfallen sollen. Und wie die Gegenfinanzierung aussieht. Die vorliegende Formulierung klingt ein bisschen nach MLPD-Wahlplakat – “Erzeugerpreise hoch, Verbraucherpreise runter.” Und außerdem soll jeden Tag Weihnachten sein.

“Die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union soll verstärkt werden.”

In welchen Bereichen? Was bedeutet genau “Zusammenarbeit”? Ist es nicht ein dramatischer Unterschied, ob es hier um Außenpolitik geht oder um bisher von den Nationalstaaten geregelte innere Angelegenheiten?

Soweit zu einigen Kritikpunkten zu einzelnen Punkten – man sieht, dass es eben auch sehr schwer sein kann, vernünftige Formulierungen zu finden, die sowohl kurz als auch ausführlich genug sind. Keine Entschuldigung gibt es m.E. für die durch die ausgewählten Thesen abgedeckte Bandbreite der Themen – sehr merkwürdig. Im Prinzip gibt es seit Monaten zwei dominierende Themen: Flüchtlinge und Terrorismus. Dahinter vielleicht die Euro- und Staatsschuldenkrise. Diese Themen kommen doch relativ sparsam vor. Stattdessen fragt man nach Bildungsthemen, die ja bei einer Bundestagswahl eher deplatziert sind. Oder dem Gottesbezug im Grundgesetz, ein Thema das glaube ich ganz weit hinten auf der Prioritätenliste der Wähler steht. Naja, Bundeszentrale für politische Bildung eben. Die sind ja schon öfter negativ aufgefallen durch galoppierende Inkompetenz. Ohne eigene solide Bildung ist halt Bildung schwer zu vermitteln, das werden viele Schüler und Studenten aus eigener Anschauung von einigen Lehrkräften kennen.

Und noch was zum Abschluss: warum kann man im Wahl-O-Mat bei der Auswertung eigentlich nur maximal 8 Parteien zum Vergleich auswählen? Was für ein Schwachsinn.

Tipp zum Abschluss: auf jeden Fall die Positionen der PARTEI zu jeder einzelnen Frage durchlesen. Damit man bei dieser Wahl wenigstens etwas zu lachen hat.

Gedanken zur Diesel-Krise

Anderswo wird jetzt sicher übers TV-Duell geredet und geschrieben. Ich habe es aufgezeichnet, zweifle aber noch dran, ob ich das durchhalten kann. Schon das Format passt mir nicht, ich hätte gerne Vertreter aller Parteien, die Potenzial für den Einzug in den Bundestag haben, dabei. Und ich hätte gerne kompetente Journalisten, die angesichts des typischen Politikergeblubbers nicht nur bedächtig den Kopf wiegen, sondern knallhart nachfragen und Wischi-Waschi-Aussagen nicht durchgehen lassen. Die scheint es aber nicht zu geben. Also arbeite ich mich an einem schon älteren, aber immer noch aktuellen Thema ab.

Seit der Betrug von VW in den USA bei ihren “Clean Diesel”-Fahrzeugen mit eingebauter Prüfstandserkennung bekannt wurde, prasselt so einiges auf den Diesel ein. Wobei, hauptsächlich auf Diesel-PKWs, das ist der Lieblingskriegsschauplatz der Medien und Parteien. Vielleicht haben die im Hinterkopf, dass es ja auch Diesel-Busse und Diesel-Loks gibt, und die gehören qua Definition ja zu den “Guten”.

Und das ist auch das Charakteristische an großen Teilen dieser laufenden Diskussion: der gesunde Menschenverstand ist abgeschaltet, Fakten spielen nur eine Rolle wenn sie ins Konzept passen, Größenordnungen werden ignoriert, Minimalprobleme werden zum Weltuntergang hochstilisiert während echte Probleme unter den Tisch gekehrt werden.

Schrieb ich gerade “diese Diskussion”? Eigentlich sind das ja Charakteristika fast jeder öffentlich geführten Diskussion in den letzten Jahrzehnten, stets geprägt durch viel Überzeugung und wenig Wissen, befeuert von den Qualitätsmedien, denen kollektiv die Fähigkeit zu Recherche und neutraler Berichterstattung abhandengekommen ist. Zeit, ein paar Pflöcke einzuschlagen.

Gerne wird der gesamten Automobilindustrie kollektiver Betrug vorgeworfen. Dazu sollte zur Kenntnis genommen werden, dass das lediglich für VW (und Audi/Porsche) in den USA gilt. Gemäß europäischem Recht hingegen kann man das noch nicht in dieser Art festhalten. Dazu ist die europäische Gesetzgebung einfach zu schlecht. Ob das Argument “Bauteilschutz” für die diversen Kunstgriffe wie Thermofenster o.Ä. gut ist, lässt sich Stand heute eigentlich nicht sagen. Ein Thermofenster, das schon unter 17 Grad Celsius Außentemperatur Teile der Abgasreinigung abschaltet (das wurde bei einigen Opel-Dieselmotoren behauptet), scheint mir den Bogen des Zulässigen deutlich zu überspannen. Und was man über Fiat-Diesel lesen konnte – nach 25 Minuten werden Teile der Abgasreinigung abgeschaltet, ganz zufällig natürlich, weil die Prüfstandsmessung etwa 20 Minuten dauert – scheint mir auch zumindest in der Nähe des Betrugs zu verorten zu sein.

Regelmäßig wird auch das Verbot von Dieselmotoren oder gar aller Verbrennungsmotoren in naher oder etwas weiter entfernter Zukunft ins Gespräch gebracht – u.a. von Greenpeace, den Grünen und auch unserer Kanzlerin. Eine sachliche Begründung dafür habe ich noch nie gelesen. Klar trägt der PKW-Verkehr zur Umweltbelastung bei – Lärm, Schadstoffe, Verkehrsfläche. Aber erstens wird die Luft seit Jahrzehnten stetig besser (was sogar das UBA bestätigt – seit 1990 sind die Stickoxidbelastungen um rund 60% zurückgegangen, davon hat der Verkehr sogar den größten Anteil geleistet), und zweitens ist unklar, was denn die Alternative sein soll. Der Auspuff des Elektroautos steht halt woanders, nämlich beim Kraftwerk. Feinstaub in Form von Reifen- und Bremsabrieb erzeugt auch das Elektroauto. Und die Energiebilanz beim öffentlichen Verkehr sieht jetzt auch nicht wirklich prickelnd aus, von der notwendigen Verkehrsfläche ganz zu schweigen. Zumal ein komplettes Verbot von Verbrennungsmotoren im PKW-Bereich auch die schadstofftechnisch sehr günstigen Erdgasmotoren treffen würde – und bekanntlich ist Erdgas der Energieträger, der die Rettung für die Unstetigkeit der erneuerbaren Energien sein soll, Schlagworte sind hier “Windgas” oder “Bioerdgas”. Aber ein durchdachtes Politik-Konzept zu erwarten legt die Maßstäbe ja geradezu unerreichbar hoch für unsere Politikdarstellerlaientruppe.

Beim “Diesel-Gipfel” mit Bundesregierung und Vertretern der deutschen Automobilindustrie wurde eine recht umfassende, softwaretechnische Nachrüstung vieler Euro 5- und Euro 6-Dieselfahrzeuge beschlossen. Wie zu erwarten war ging direkt das Geheul los – auf keinen Fall ausreichend sei das, das würde ja nur wenig helfen bezüglich Einhaltung der EU-Grenzwerte der Luftqualität, und vieles mehr war zu lesen. Vor allem letzteres entbehrt nicht einer gewissen Ironie – denn der Grund, warum auch nachgerüstete (und damit auf jeden Fall gesetzeskonforme, die Euro-Grenzwerte einhaltende Fahrzeuge) Diesel-PKW nicht ausreichen, die Stickoxid-Werte unter den Grenzwert zu drücken, gibt es derer (mindestens) drei: der geringe Anteil des Verkehrs an der Gesamtstickoxidbelastung, der geringe Anteil der Euro5/Euro6-Diesel im Stadtverkehr, und die Weigerung ausländischer Hersteller (und das inkludiert z.B. auch Ford), an der Nachrüstung teilzunehmen (und das ist der eigentliche Diesel-Skandal, denn bei Messungen abseits des Prüfstandes schneiden BMW, Mercedes und VW/Audi sogar recht gut ab, während vor allem Renault- und Fiat-Modelle dramatisch höhere Emissionen im Realbetrieb zeigen). Selbst wenn man alle Diesel-PKWs kollektiv mit einem dauerhaften Fahrverbot belegt, ist an vielen Stellen der Republik der Grenzwert nicht einhaltbar.

Amüsant in diesem Zusammenhang der oft gehörte Vorwurf, dass man sich gar nicht vorstellen könne, dass allein ein Softwareupdate ausreichend Wirksamkeit entfaltet, denn die Software hätte man ja von Anfang an so gestalten können. Das verkennt in geradezu epischem Ausmaß die Realität der kommerziellen Softwareentwicklung. Man optimiert schlicht nicht bis zum bitteren Ende, denn das Optimum lässt sich erstens aufgrund der Zielkonflikte (hier z.B. Schadstoffausstoß vs. Fahrbarkeit vs. Verbrauch) schwer definieren, und beliebig viel Zeit und Geld steht bekanntlich auch nicht zur Verfügung.

Gerne wird die Diesel-Krise auch genutzt, um der deutschen Automobilindustrie vorzuwerfen, den Trend zum Elektroauto verschlafen zu haben und stattdessen am rückständigen Diesel festgehalten zu haben. Das ist in so vielerlei Hinsicht falsch, dass nicht mal das Gegenteil richtig ist. Zunächst sollte man nochmal festhalten: strenggenommen gibt der Markt gar keinen Trend zum Elektroauto her. Elektroautos sind nur dort so einigermaßen erfolgreich, wo der Staat massiv subventioniert – Norwegen ist das Paradebeispiel. Ansonsten ist das E-Auto nirgends aus seiner Mini-Nische herausgekommen. Und es ist ja nicht so, dass es keine E-Autos aus deutschen Landen gibt: vom BMW i3 bis zum e-Golf reicht das Angebot, dazu die zahlreichen Plugin-Hybrid-Angebote, die zumindest rein elektrisches Pendeln erlauben. Aber wie alle E-Autos kranken auch diese an den systembedingten Nachteilen: Akku teuer, Akku schwer, Akku sensibel, Ladezeiten ultralang, dünne Ladeinfrastruktur. Dass sich der Kunde da gerne für einen klassischen Verbrenner entscheidet, kann man ihm kaum vorwerfen. Es ist weiterhin die rationale Entscheidung.

Schwer verständlich fand ich das Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts unter Richter Kern zum Diesel-Thema und der DUH-Klage. Im Prinzip hat man Fahrverbote ab 2018 gefordert – weil der Gesundheitsschutz höher wiegt als der Bestandsschutz der PKW-Fahrer bzw. deren Mobilitätsbedürfnis. Euro 6-KfZ sollen ausgenommen sein. Fahrverbote nur an Schadstoff-Hotspots hat man als unzureichend abgelehnt, genau wie die Nachrüstung vorhandener Fahrzeuge. Alles, was ich über den Inhalt des Urteils gelesen habe, klingt schwer nach Willkür. Warum die Euro 6-Diesel von einem möglichen Verbot ausnehmen? Manche Euro 6-Diesel stoßen mehr Schadstoffe aus als gute Euro 5-Diesel. Und mancher Benziner ebenfalls. Warum sollen nur allgemeine und keine streckenbezogene Fahrverbote ein gültiges Mittel sein? Hat das Gericht womöglich Simulationen zur Ausbreitung der Schadstoffe durchgeführt und es keinem erzählt? Warum die Verengung auf den PKW? Es gibt schließlich andere NOx-Quellen, und wenn Bestandschutz eh nix zählt, wie wäre es mit dem Stilllegen von Dieselloks der Bahn, von Baufahrzeugen, von LKWs, von Bussen? Von Holz- und Kohleheizungen? Von Kraftwerken? Wie gesagt, reine Willkür. Zumal die Prämisse, dass die derzeit gültigen Grenzwerte überhaupt gesundheitsrelevant sind, nicht mal hinterfragt wurde. Wenn man sich die steil nach unten gehenden NOx-Konzentrationen in Deutschlands Atemluft anschaut, muss man sich schon fragen, wie damals überhaupt jemand überleben konnte.

Hat die Krise etwas Gutes? Sehr positiv finde ich, dass endlich mit RDE-Messungen (“Real Driving Emissions”) gearbeitet wird. Denn Prüfstand ist Prüfstand – “was zählt, is auffer Straße”, um ein geflügeltes Wort aus dem Fußball abzuwandeln. RDE-Messungen setzen die Automobilindustrie unter Druck, weil sie dem Käufer handfeste Entscheidungskriterien bereitstellen. Wer will schon der Schmutzigste sein? Es will ja auch keiner am meisten Sprit verbrauchen. Und tatsächlich zeigen ja aktuelle RDE-Messungen, dass der saubere Diesel sehr wohl möglich ist. Zumindest bei neuesten BMW- und Mercedesmodellen sowie einem Opel mit Softwareupdate – unsere ausländischen Freunde hinken hier noch ziemlich hinterher. Nur ein paar Zahlen: ab 2018 erfordert die Norm Euro 6c einen maximalen NOx-Ausstoß von 168mg/km. BMW 520d: 28mg/km. Mercedes 220d: 41mg/km: Opel Zafira 1.6: 71mg/km. Damit liegt der Ausstoß im Realbetrieb sogar noch unter den Prüfstandanforderungen. Hier ein zusammenfassender Artikel. Faktisch ist der saubere Diesel also möglich. Welches Verbotsargument bleibt dann noch? Richtig, kein rationales, nur ein ideologisches. Diesel böse. Verbieten.

Bald ist Bundestagswahl. Ich empfehle dringend, die Positionen der Parteien bezüglich ihres Rationalismus bei der Verkehrsfrage abzuklopfen. Es kommt jede Menge Unwählbares dabei raus.

Die Qual der Wahl

Bald ist Bundestagswahl. Und es quält mich gleich mehrfach. Zunächst, weil ich täglich an gefühlt 1000 Wahlplakaten vorbei fahre, die in ihrer übergroßen Mehrheit unglaublich dämlich sind. Gut, bei der MLPD und der SED (oftmals irreführend als “Die LINKE” bezeichnet) ist Dämlichkeit sowieso Programm, aber was die ehemals wenigstens teilseriöse SPD auf die Plakate pinselt – man würde sich wünschen, Herr Maas würde sich da bezüglich “Fake News” mal nützlich machen. Wobei: was von SPD-Aussagen auf Wahlplakaten und generell im Wahlkampf zu halten ist, wissen wir ja seit Franz Müntefering: der sagte sinngemäß, dass es ja unfair sei, Politiker nach der Wahl an ihre Wahlversprechen zu erinnern. Wenigstens einer, der ehrlich ist, allerdings ist dieses Maß an offen zur Schau gestellter Wählerverachtung schwer zu ertragen.

Quälend auch die CDU-Plakate, die weitestgehend aussagelos sind – offenbar hat sich die Merkel-Taktik, sich niemals festzulegen, endgültig auf die ganze Partei ausgebreitet. Man wünscht sich dringend einen Friedrich Merz zurück, der den Laden mal aufmischt.

Noch mehr quält mich, dass eine Wiederwahl von Angela Merkel als Bundeskanzlerin quasi nicht verhinderbar ist. Die Frau, die mit ziemlich großem Abstand die gravierendsten Fehlentscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik getroffen hat – Finanzkrise, Euro-Krise, Energiewende mit beschleunigtem Ausstieg aus der Kernenergie, Flüchtlingskrise – sitzt fester im Sattel denn je. Und das, obwohl sie auch “im Kleinen” stets bemüht war, jegliche ehemals unverrückbare CDU/CSU-Position kaltlächelnd zu räumen. Mindestlohn, Ehe für alle, Rente mit 63 – die Liste ist endlos. Jetzt hat sie ja gar Sympathie für die komplett irre Grünen-Idee geäußert, das Verbot von Verbrennungsmotoren zumindest in PKWs auf die Agenda zu setzen. Ganz prinzipiell würde ich es ja nicht mal für verwerflich halten, genuin linke Themen mit Augenmaß und Sachverstand nach langem Ringen um einen geeigneten Kompromiss umzusetzen – aber bitte doch ausschließlich dann, wenn man als Kompensation auch genuin eigene Themen umsetzt! Daran mangelt es aber ganz gewaltig. Wer Merkel wählt, bekommt links-grüne Politik und nicht das, was früher mal als typische CDU-Politik galt. Und was bis heute in jedem CDU-Programm steht.

Und damit kommen wir zur größten Qual – unter den Parteien, die reelle Chancen haben, in den Bundestag einzuziehen, gibt es nur zwei, deren Wahl unzweideutig als Anti-Merkel-Stimme aufzufassen ist: die AfD und die SED. SPD, Grüne und FDP würden nicht zögern, mit der CDU unter Merkel beliebige Koalitionen einzugehen, von Jamaica bis zur GroKo (wobei – ob die SPD unter dem lahmenden Zugpferd Schulz noch unter “groß” durchgehen wird…). Die Umfragewerte schwanken, aber sogar eine Neuauflage von Schwarz-Gelb scheint momentan möglich. Grund genug, die FDP nicht zu wählen – zu tief sitzt noch die Enttäuschung der Koalition ab 2009, als man mit gutem Wahlprogramm und klaren Aussagen ein Top-Ergebnis erzielte, um danach davon genau gar nichts durchzusetzen und nicht mal die schlimmsten Dinge (vom ESM bis zur Energiewende) verhinderte, sondern beflissen mittrug. Das wirkt nach, das trage ich nach. Da mögen noch so tolle Dinge im Wahlprogramm stehen und im Wahlkampf verkündet werden, es gibt keinen Grund der FDP zuzutrauen, insbesondere in einer Merkel-Regierung irgendwas davon durchzusetzen. Zumal ich Christian Lindner für einen Totalopportunisten schlimmster Sorte halte und ihm jederzeit sogar eine Ampelkoalition zutraue, wenn das Wahlergebnis entsprechend ist.

Jeder, der an Parteiprogramme glaubt, sollte das der SED durchlesen. Kann kein vernünftiger Mensch wählen. Dazu das unappetitliche Personal, das mir seit Jahren auf den Keks geht. Bleibt die AfD, wo die “Alternative” sogar im Parteinamen vorkommt. Ich war zur Lucke-Zeit AfD-Sympathisant, weil es die einzige Partei mit vernünftigen Ansichten zum Schulden- und Euro-Thema war, und zudem ein liberal-konservatives Profil pflegte, von dem sich CDU und FDP spätestens seit 2009 komplett verabschiedet haben. Seit Lucke abserviert wurde und insbesondere seit dem Essener Parteitag entwickelt sich die AfD allerdings eher in eine aus meiner Sicht ungünstige Richtung, und es gibt einiges an Personal, das mir gar nicht passt. Aber das gibt es in allen Parteien – wer könnte sich schon mit Claudia Roth, Jürgen Trittin oder Katrin Göring-Eckhard anfreunden? Und die Grünen haben sogar alle drei in einer einzigen Partei. Aber beim Parteiprogramm gibt es schlicht bei mir wichtigen Punkten viele Übereinstimmungen. Energiewende und Kernenergie, Umweltschutz, Rechtsstaat, innere Sicherheit, Euro und EU, Einwanderung, Asylrecht, Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Quotenregelungen aller Art. Und ich bitte darum, dass sich der Rest der Welt mit dem tatsächlichen Programm der AfD auseinandersetzt und nicht mit dem Zerrbild, das große Teile der Medien davon verbreiten. Sorgen kann allerhöchstens die diffuse außenpolitische Position machen, aber das tut die der aktuellen Regierung ja auch schon, und nicht mal Steinmeiers Umstieg hat daran etwas geändert.

Seit ein paar Tagen ist der Wahl-O-Mat online, allerdings gibt es hier erhebliche Zugriffsprobleme – klar, wer hätte von einer überreichlich öffentlich finanzierten Einrichtung auch schon erwartet, dass sie IT-technisch etwas stabiles und zuverlässiges auf die Beine stellt. Ich bin gespannt auf das Ergebnis, auch wenn die vorgestellten Thesen immer etwas undifferenziert sind, um wirklich präzise abzustimmen.

Gedanken zum 17. Juni

Der 17. Juni, ehemals “Tag der Deutschen Einheit” in der alten Bundesrepublik, bietet abseits der runden Jubiläen scheinbar wenig Stoff zur Berichterstattung in den Massenmedien. Gut, dass mein Blog so ungefähr das extremste Gegenteil eines Massenmediums ist. Ich will weniger den 17. Juni selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern ihn mehr einordnen in die Geschichte der DDR.

Die DDR hat in ihrer Geschichte lediglich fünf große Zeitpunkte in der Geschichtsschreibung verewigt, vermutlich könnten die wenigsten Einwohner Deutschlands auch nur zwei davon taggenau (zu befürchten ist, nicht mal jahresgenau) nennen. Also: Zeit für eine kleine Auffrischung der Geschichtskenntnisse.

Am 17. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet, quasi als Reaktion der UdSSR auf die Gründung der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Trizone durch die Westalliierten. Mit der Umwandlung der sowjetischen Besatzungszone in die DDR schien die deutsche Teilung auf unabsehbare Zeit fest zementiert. Ein logischer Endpunkt der Differenzen der Alliierten bezüglich der deutschen Frage nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Stalin konnte sich Gott sei Dank mit seiner Idee eines deindustrialisierten Agrarstaates nicht durchsetzen.

Der 17. Juni 1953 markiert den Tag, an dem die Welt erfuhr, was Sozialismus schon nach kurzer Zeit anrichten kann. Was als Arbeiteraufstand in Ostberlin begann als Protest gegen Normerhöhung und Lohnkürzung, breitete sich über die ganze DDR aus, wurde aber letztlich mit Hilfe der sowjetischen Besatzungsmacht niedergeschlagen – ein Muster, das sich 1956 in Ungarn und 1968 in der Tschechoslowakei wiederholte.

Am 13. August 1961 dann der Bau der Berliner Mauer, quasi das Eingeständnis, dass der Osten den Kampf der Systeme zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht so katastrophal verloren hatte, dass man das eigene Volk einmauern musste, um ein weiteres Ausbluten zu verhindern. Eine weitere logische Konsequenz des Sozialismus.

Der Mauerfall am 9. November 1989 läutete dann – zumindest für Deutschland, die Grenzöffnung in Ungarn hatte dafür natürlich schon den Weg geebnet genau wie Gorbatschows aus der Not geborene Entspannungspolitik – das Ende der DDR und den Prozess der Wiedervereinigung ein. Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, ohne blutige Revolution – das schien nicht nur zu Hochzeiten des Kalten Krieges lange Zeit undenkbar.

Die Existenz der DDR endete am 3. Oktober 1990, nach über 40 Jahren Diktatur (und das quasi direkt im Anschluss an 12 Jahre Diktatur), Unrechtsstaat und sozialistischer Misswirtschaft. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist ein Glücksfall der Geschichte, insbesondere für die DDR-Bürger. Und da werden nicht mal die Mitglieder der SED (zwischendurch umfirmiert in SED-PDS, PDS, Linkspartei.PDS und schließlich DIE LINKE – trotzdem immer noch dieselbe Partei) widersprechen, auch wenn sie regelmäßig ein verstörendes Maß an Ostalgie zur Schau stellen.

Helmut Kohl – Ein Nachruf

Heute wurde der Tod von Helmut Kohl bekannt. 87 Jahre alt ist er geworden, sein politisches Vermächtnis von 16 Jahren Kanzlerschaft ist zuallererst die Einheit Deutschlands, aber auch der Euro und eine vertiefte Integration der EU.

Neben der Einheit Deutschlands verblasst natürlich vieles. Ich verbinde mit Kohl aber hauptsächlich die Jahre 1982 bis 1989, als er den unerträglichen Stillstand der Regierung Schmidt beendete und endlich wieder wirtschaftlicher und finanzpolitischer Sachverstand von einer breiten Mehrheit des Bundestages getragen war und nicht nur durch einzelne Regierungsmitglieder. Die Durchsetzung des NATO-Doppelbeschlusses war meines Erachtens eng verknüpft mit dem damals schon sich abzeichnenden Niedergang der Sowjetunion und deren osteuropäischen Bündnispartner. Die Stationierung von atomar bestückten Pershing-II-Raketen und der Cruise-Missile-Marschflugkörper war die notwendige Antwort auf die atomare Aufrüstung der Sowjetunion in Form der Stationierung der SS-20-Raketen in Osteuropa. Gott sei Dank hat sich damals die sogenannte Friedensbewegung, die nach meinem Dafürhalten sehr wenig mit Frieden im Sinn hatten (ganz ähnlich wie die heutigen angeblichen Umweltschützer (gerne auch mal dieselben Personen aus der Friedensbewegung), die sich nicht für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt und Natur interessieren und einsetzen), mit ihren Forderungen nach faktischer Kapitulation nicht durchgesetzt.

Warum die Sowjetunion damals diese offensive Aufrüstung des nuklearen Mittelstreckenpotenzials in Form der SS-20 so forcierte, bleibt Spekulation. Es war eine klar aggressive Geste in Richtung Westeuropa, und gleichzeitig ja auch ein Hinweis an die USA: Euch betrifft es ja nicht, Eure Zweitschlagfähigkeit ist durch Interkontinentalraketen und der strategischen U-Boote ja nicht gefährdet. Der Verdacht liegt also nahe, dass man einfach etwas Zwietracht zwischen den Verbündeten säen wollte. Gott sei Dank war damals Ronald Reagan am Ruder (obwohl die ersten Schritte von Carter gemacht wurden, bleibt für mich unklar, ob er das durchgezogen hätte), der dieses Manöver durchschaute und in Form der Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa die einzig richtige Antwort gab – eine harte, klare und unmissverständliche Ansage an die Kriegstreiber aus dem Osten, ein Signal der Geschlossenheit an die NATO-Partner.

Positiv in Erinnerung blieb mir die Wirtschafts- und Finanzpolitik der achtziger Jahre. Die große Steuerreform unter Stoltenberg war vermutlich die letzte vernünftige Reform des deutschen Steuerwesens. Dazu der stetige Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Neuverschuldung, beides erst gebremst durch das, was als “Deutsche Einheit” in den Geschichtsbüchern steht, aus wirtschaftlicher Sicht aber schlicht der Aufkauf einer DDR, die faktisch pleite war, durch die BRD bedeutete. Inklusive Übernahme aller Altlasten. Und man mag kritisieren, dass die Angleichung der Lebensumstände in Ost und West vielleicht noch nicht abgeschlossen ist – dass aber auch der Durchschnittsbürger in Neufünfland heute weit besser lebt selbst als die damalige DDR-Elite, das dürfte unbestritten sein.

Warum Kohl 1998 nochmals als Kanzlerkandidat antrat, werde ich vermutlich nie verstehen. Wahrscheinlich hat er einfach in der CDU keinem seiner Vertrauten den Job zugetraut, und seinen Erzfeinden wie Biedenkopf oder Späth hätte er niemals freiwillig Platz gemacht. Da war er durchaus konsequent, andere sagen dickköpfig. Dickköpfig war er auch beim Aussitzen der Renten- und Steuerproblematik, erst 1997 gab es da Bewegung, die hauptsächlich an der SPD-Totalblockade im Bundesrat scheiterte, die wenigen durchgesetzten Dinge wurden von der Regierung Schröder im Chaos-Anfangsjahr von Rot-Grün direkt wieder zurückgedreht (um Jahre später in leicht veränderter Form wieder beschlossen zu werden) – vor allem bei der Rente einer der teuersten Fehler der Politik, die jemals begangen wurden. Zumindest bis Angela Merkel kam.

Noch ein kurzes Wort zur deutschen Einheit: aus meiner Sicht hat Kohl da viele Fehler gemacht, vor allem bezüglich der Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik und des Überstülpens der schon damals überregulierten West-Verwaltung über die Ost-Strukturen. Und das zu einem Zeitpunkt, da leichtgewichtige und flexible Lösungen angebracht gewesen wären. Aber die Grundidee war gegenüber den Ideen eines Oskar Lafontaine natürlich weitaus besser. Leider verstand Kohl recht wenig von liberaler Wirtschaftspolitik und setzte seine Hoffnungen wohl zu stark auf die Selbstdarstellung der DDR als damals (zumindest laut der Statistiken) zehntgrößter Industriestaat und die Weiterführung der Exporte in die osteuropäischen Absatzmärkte. Bei der Abwicklung der DDR-Substanz durch die Treuhandanstalt wurde ja letztlich klar, wie unglaublich marode und ineffizient die Industrie der DDR war, die letztlich fast nur auf dem Weltmarkt unverkäufliche Produkte im Sortiment hatte. Und die Bürger der DDR wollten das Zeugs ja nicht mal selbst haben. Ich glaube nicht, dass das 1989 in dieser Form schon jemand auf der Rechnung hatte. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 zerfiel dann auch dieser letzte Absatzmarkt für DDR-Produkte.

Im Übrigen denke ich, dass in dieser Form die Einheit ohne Kohl undenkbar gewesen wäre. Oftmals wird es ja so dargestellt, dass die Einheit auf jeden Fall gekommen wäre, egal wer da auf dem Kanzlerstuhl gesessen hätte. Das halte ich für Unsinn – Kohl war die treibende Kraft, von den Verhandlungen mit Gorbatschow bis zum Übergehen diverser Bedenkenträger bei den westeuropäischen Partnerländern. Bekanntlich waren weder Mitterand noch Thatcher große Fans der Einheitsidee. Ob Kohl das hätte durchsetzen können ohne die Unterstützung von George Bush, bleibt natürlich fraglich. Aber hätte man ruhig den Zerfall des Ostblocks abgewartet, wer weiß wie die Geschichte dann verlaufen wäre.

Und nichts zur Parteispendenaffäre? Nein, die halte ich im Gesamtzusammenhang für ein extrem unwichtiges Faktum am Rande. Schlimmer für uns alle war wohl Kohls fatales Vertrauen in Angela Merkel, die es ohne Kohls Zutun vermutlich nie an die Spitze der CDU geschafft hätte.

Jedenfalls hat Kohl nach seinem Abgang als Kanzler vornehme Zurückhaltung geübt. Sehr angenehm, vor allem im Vergleich zu seinem Vorgänger und seinem Nachfolger. Helmut Schmidts Drang, den Weltökonom zu geben und die Welt – vor allem eben die Wirtschaftswelt – über ihre Irrtümer aufzuklären, war mir schon immer zuwider. Ein Kanzler, dessen Hinterlassenschaft eine einzige wirtschaftliche Katastrophe war – von der Arbeitslosigkeit über die Verschuldung bis zur Inflation – hätte sich besser in etwas Zurückhaltung geübt. Wobei die mediale Hofierung Schmidts im neuen Jahrtausend natürlich auch ein Zeichen für den Verfall der Bildungsstandards vor allem im journalistischen Bereich, aber auch in weiten Teilen der Bevölkerung war.

Kleinere Anpassungen am 2017-07-01 – Wording, Ergänzungen, Korrekturen.

Die unerklärliche Beliebtheit der Eurobond-Idee

Herr Fricke hat zum Thema Eurobonds eine Kolumne bei SPIEGEL Online geschrieben. Meines Erachtens mit einer Argumentation, wie sie typisch ist für Eurobond-Freunde oder auch Keynes-Liebhaber oder generell von Menschen, die von den wirtschaftlichen Zusammenhängen entweder nicht den blassesten Dunst haben oder irgendeine merkwürdige Agenda verfolgen.

Ein Ökonomieverständnis der Sechzigerjahre wirft Fricke den Gegnern der Eurobonds vor. Nun, in den Sechzigern wusste man vermutlich noch, dass man jede Mark nur einmal ausgeben kann, dass man für seinen Staatshaushalt selbst verantwortlich ist und dass man erstmal vor der eigenen Tür kehren sollte, bevor man andere um Hilfe bittet. OK, scheint inzwischen unmodern zu sein. Zu konservativ. Zu viele Fakten, die dem wohligen Gefühl entgegenstehen, endlich mal das Geld anderer Leute auszugeben.

Herr Fricke hat auch anscheinend ein Problem mit dem ökonomischen Grundsatz “wer bestellt, zahlt”. Denn er hält den von der Bundesregierung geäußerten Wunsch, doch bitte nicht für die Schulden von Frankreich zur Kasse gebeten zu werden, für irgendwie egoistisch. Für nicht empathisch. Deutschland entziehe sich der Mitverantwortung. Verantwortung für was? Für die Unfähigkeit diverser Regierungen, ihrer Bevölkerung auch mal eine bittere Pille zu verabreichen? Für diese Bevölkerung, die Politiker wählt, die Geld ausgeben, dass sie nicht haben? Hat denn Deutschland irgendetwas getan, um andere Länder von Reformen abzuhalten?

Im Artikel entwickelt Herr Fricke dann die absurde Idee, Eurobonds würden irgendwas gegen Spekulanten oder Investoren (dieses Pack!) ausrichten können. Genauso schlimm: Deutschland fordert hochverschuldete Länder, die gerne mal den Euro gefährden, doch tatsächlich zu Sparsamkeit auf! Das geht natürlich gar nicht. Aber gut, allein die Tatsache, dass Herr Fricke Griechenland für “kaputtgespart” hält deutet auf galoppierenden Realitätsverlust hin.

Dann noch der linke Kassenschlager vom schlimmen deutschen Außenhandelsüberschuss. Irgendwie wurde dieses “Problem” so oft publiziert, dass inzwischen jeder dran zu glauben scheint. Aber damit hält sich Herr Fricke nicht lange auf, flugs schlägt er den Bogen zur Finanzkrise und versucht irgendwie dem Markt und der Selbstverantwortung die Schuld für das Fiasko zuzuschieben. Nochmal für alle: Grund für die Finanzkrise waren staatliche Eingriffe in das Zinssystem, zu billiges Zentralbankgeld, dazu der CRA, und die lockere Kreditvergabe staatlicher Banken in den USA bei der Baufinanzierung. Gerade dadurch wurde die Verantwortlichkeit für die Kreditvergabe und damit das wichtige Signal des Zinses bezüglich des Kreditrisikos gnadenlos verwässert.

Dann lobt Herr Fricke noch Mario Draghi, die vermutlich größte Gefahr für den Euro und das Finanzsystem seit Menschengedenken. Der Enteigner von Millionen von Sparern, der allein die deutschen Sparer um viele hundert Milliarden gebracht hat. Welches eigentlich diese “finanziell gut aufgestellten Länder” sein sollen, die durch eine fiktive Finanzkrise in große Schwierigkeiten kommen könnten (und was Eurobonds dabei helfen würden), diese Information bleibt Herr Fricke schuldig. Er raunt halt gerne, deutet an, stellt Hypothesen auf, aber wenn man genauer hinschaut – ein großes Nichts. Er scheint nicht mal zu wissen, dass Griechenland heute immer noch niedrigere Zinsen zahlt als vor dem (erschwindelten) Beitritt zur Eurozone – so schlimm kann es mit den Spekulanten, die irgendwie andere in die Kapitalflucht treiben, also kaum bestellt sein.

Mit einem hat Herr Fricke allerdings möglicherweise recht: gibt es eine “Panikspirale” an den Finanzmärkten, so können auch die weniger verschuldeten Länder in Europa betroffen sein wie beispielsweise die Niederlande oder Österreich. Hauptsächlich allerdings deshalb, weil diese auch hoch verschuldet sind (die Niederlande lag 2014 laut OECD-Zahlen bei einer Staatsschuldenquote von 80% des BIP, Österreich bei 100%) und nur die Einäugigen unter den Blinden darstellen. Und weil man es nicht oft genug sagen kann: auch das oft als Musterknabe hingestellte Deutschland ist verschuldet bis unters Dach. Insbesondere wenn man bedenkt, dass unser Pensionssystem für die lieben Staatsdiener quasi ohne Rückstellungen auf dem Prinzip Hoffnung basiert.

Zum Schluss erinnert Herr Fricke noch daran, dass ja auch Deutschland mal jahrelang Stagnation erfahren hat. Leider erinnert er sich nicht daran, wie Deutschland wieder aus dieser Stagnation herausgefunden hat: durch Sparen und durch Reformen. Rentenreform, Arbeitsmarktreform inklusive Hartz IV, Steuererhöhungen aller Art. Wenn wir anderen Ländern nun beim noch-mehr-Schulden-machen helfen, indem durch Eurobonds ihr Zins künstlich verringert wird, wie wird es dann wohl um deren Motivation für sinnvolle Reformen bestellt sein? Wir hatten die Situation ja schon mal: nach Einführung des Euros sank die Zinslast für Euroländer gravierend, aber nur wenige Länder zogen daraus den Schluss, dass sie dadurch Zeit für Reformen gewonnen haben – stattdessen haben sie die gewonnenen Verschuldungsspielräume für konsumtive Ausgaben aller Art genutzt. Mit anderen Worten: sie haben die Kohle verprasst. Warum sollte das anders werden? In der Geschichte der Menschheit haben Politiker nur dann gespart, wenn es zwingend notwendig war.

Letztlich führen Eurobonds zu einer weiteren Verzögerung der notwendigen Reformen in den diversen Schuldenländern. Und nach aller Erfahrung werden sie auch eine solche Chance nicht nutzen. Was kommt dann danach? Dürfen wir dann die Kohle direkt überweisen?

Im Prinzip kann Herr Fricke seine eigenen Ideen doch sofort in die Tat umsetzen: er sucht sich einen überschuldeten Mitbürger und nimmt auf seine Kappe einen zinsgünstigen Kredit auf, um den Mitbürger zu entschulden. Ich könnte mir vorstellen, dass Herr Fricke diese Idee für ähnlich absurd hält, wie es die Idee der Eurobonds, die Idee einer Vergemeinschaftung von Schulden generell, tatsächlich ist.

Steuereinnahmen und wer sie verschwenden will

Wahrscheinlich sind die anderen politischen Blogs heute voll von Kommentaren zum NRW-Wahlergebnis. Da ich traditionell der Musik ein paar Tage bis Monate hinterher laufe, widme ich mich einem ganz anderen Thema.

Die Steuerschätzer haben wieder getagt und stellen erhebliche zu erwartende Mehreinnahmen in Aussicht. Verschiedene Zahlen kursieren, beispielsweise knapp 8 Mrd. Euro mehr in 2017 als noch im November 2016 prognostiziert. Oder auch in absoluten Zahlen: in 2017 werden Gesamtsteuereinnahmen von 732,4 Mrd. Euro erwartet, 852,2 Mrd. Euro im Jahr 2021. Ein nominelles Plus von fast 120 Mrd. Euro. Die Steuerschätzer hatten im November 2016 noch “lediglich” 835 Mrd. Euro für 2021 prognostiziert.

Und immer wenn mehr Geld auch nur in Aussicht steht, mangelt es nicht an guten Ratschlägen wie man das Geld verwendet sollte. Einen besonders niederschmetternden Kommentar habe ich auf Spiegel ONLINE gelesen, der hauptsächlich argumentierte, dass der Staat viel besser weiß wie man das Geld vernünftig ausgibt als der gemeine Steuerzahler, und dass Steuersenkungen vor allem bei der Einkommensteuer überhaupt keine Option sind, weil dann ja “die Reichen” aufgrund der Progression mehr profitieren würden. Und der Artikel redet von einem “Steuersenkungswettlauf” – gerade so, als ob in den letzten 25 Jahren ständig (oder jemals!) Steuern in signifikantem Ausmaß gesenkt wurden. Einzig sinnvoller Vorschlag: Steuermehreinnahmen für Schuldenabbau nutzen. Im Angesicht von langfristig eher steigenden Zinsen keine abwegige Idee. Aber auf die Idee, dass zur Abwechslung auch mal gespart werden könnte (und zwar echtes Sparen, also tatsächlich mal signifikant weniger auszugeben als im letzten Jahr, nicht so typisches Fake-Politiker-Sparen, wo man nur weniger ausgibt als man ursprünglich mal vorhatte), kommt der Autor auch nicht.

Aber auch anderswo gibt es geradezu erschreckende Ideen. Vor allem mehr Geld für rein konsumtive Ausgaben ist immer eine beliebte Forderung. Ab und an als Feigenblatt noch mehr Geld für Investitionen, beliebte Beispiele sind hier die Infrastruktur – als wenn die Einnahmen aus Mineralölsteuer, KfZ-Steuer und Maut nicht dicke reichen würden, um hier jedes Jahr eine Komplettsanierung vorzunehmen, aber man zieht ja vor, das Geld anderweitig für die besonderen Zielgruppen der eigenen Partei zu verprassen – und natürlich die Bildung. Und kostenlose Kitas. Und kostenloses Studium. Für alle natürlich.

Da will ich ein paar Gegenvorschläge aus der Reihe “gesunder Menschenverstand” dagegenstellen. Sozialpolitisch intelligent wäre z.B. eine Senkung des verminderten Mehrwertsteuersatzes auf – radikale Idee – 0%. Natürlich bei gleichzeitiger Entschlackung der Liste der Dinge, die mit dem verminderten Satz belegt sind. Es gibt keine gute Begründung dafür, warum z.B. ausgerechnet Schnittblumen, Pferde, Zeitungen, Zeitschriften, Düngemittel, Kaffee und Tee unter den Ausnahmen zu finden sind.

Absolut unverzichtbar ist ein Ende des Effekts der sogenannten “kalten Progression”. Dadurch, dass die Inflation das Geld immer weiter entwertet, nominell aber die Steuersatzkurve unverändert bleibt, rutschen die Einkommensteuerzahler immer weiter nach oben bei der Progressionskurve. Höchst unfair. Mein Vorschlag: Ende der unterschiedlichen Steuersätze, den Effekt der progressiven Steuer erreicht man ja allein schon durch einen Grundfreibetrag. Den würde ich im Gegensatz kräftig erhöhen. Und jedes Jahr entsprechend der Inflationsrate automatisch erhöhen. Der Steuersatz sollte bei maximal 35% liegen. Da müssen die Ideologen natürlich erst mal kräftig schlucken, sollten aber bedenken, dass nach ihrer Ansicht die Reichen ja eh keine Steuern zahlen – entlastet würde also der brave Steuerzahler und nicht “die Reichen”. Ich lasse mal unhinterfragt, woher dieses Feindbild der “Reichen” überhaupt kommt.

Dann würde ich gerne bei den Kapitalerträgen eine Freistellung der Inflation sehen. Es kann nicht sein, dass der Bürger Steuern auf Erträge bezahlt, die er faktisch gar nicht zur Verfügung hat. Nicht zuletzt deshalb, weil der Staat selbst Inflationstreiber Nummer Eins ist.

Bei der Erbschaftsteuer könnte man übrigens auch bequem reformieren. Wer sich mit den Details der Ausgestaltung dieser Steuer befasst, verliert schnell den Glauben an Steuergerechtigkeit. Ausgewürfelte Freibeträge, willkürliche Einteilung in Steuerklassen, beliebige Steuersätze. Dazu ultrakomplexe Regelungen für die Bewertung von Betriebsvermögen. Und das alles für ein Steueraufkommen von gerade mal 7 Mrd. Euro in 2016 – das ist übrigens die Summe aus Erbschaft- und Schenkungsteuer! Wenn Bürger und Politiker ihren Neidkomplex in den Griff bekommen würden, gäbe es eine sehr einfache Reform: einfach die Steuer komplett abschaffen. Am Ende würde das vermutlich sogar volkswirtschaftlich gesehen effizienter sein, weil sich kein potenzieller Steuerzahler mehr Gedanken über Steuervermeidungsstrategien machen muss. Und die Politik muss nicht ständig neue merkwürdige Reformen zimmern, um noch mehr Einzelfallgerechtigkeit zu schaffen. Und dem Bundesverfassungsgericht bliebe so manche Verhandlung erspart.

Ein Ende der Planwirtschaft im Energiebereich wäre auch eine sehr einfache Methode, dem berühmten “einfachen Bürger” wieder Luft zum Atmen zu geben – weg mit der Zwangseinspeisung des Zappelstroms, weg mit den Einspeisevergütungen. Das geht jetzt natürlich über das Steuerthema hinaus. Aber Steuern und Abgaben haben eben eines gemeinsam: sie steigen unaufhörlich. Wenn Politiker bei den Sparvorschlägen ähnlich kreativ wären wie bei den Ausgaben, wir hätten deutlich weniger Probleme.

Und ich hätte da noch einen guten Sparvorschlag zum Abschluss: Ende der staatlichen Finanzierung der diversen NGOs. Dass NGOs wie Greenpeace den Status eines eingetragenen Vereins haben dürfen, ist lächerlich.

Absolute Mindestforderung: Verwendung der kompletten Mehreinnahmen zur Schuldenreduzierung. Obwohl der Staat die letzten Jahre von Rekord zu Rekord bei den Steuereinnahmen eilte, passierte an der Schuldenfront wenig. Deutschland ist immer noch extrem hoch verschuldet, und die langfristigen Wachstumsaussichten sind aufgrund von Demographie, Flüchtlingsproblematik, Migrationskosten und des drohenden Platzens diverser Blasen eher wenig vielversprechend.

Am Ende noch etwas, was mir auf dem Herzen liegt: manche Kommentare legen ein geradezu abwegiges Verständnis des Bürgers zum Staat nahe. Nach dem Motto: dem Staat gehört erst mal alles, was erwirtschaftet wird, und überlässt aus reiner Nächstenliebe dem Steuerzahler noch etwas für den Eigenbedarf. M.E. gäbe es nur ein Mittel, den Staat dazu zu zwingen, endlich mal Ausgaben mit Verstand zu tätigen: radikale Steuersenkung gepaart mit absolutem Verschuldungsverbot. “Starving the Beast” hieß das mal bei Ronald Reagan, dem vermutlich weltweit letzten Staatenlenker, der wirklich liberale Steuerpolitik gemacht hat.

Update am 2017-07-01 – kleine Ergänzungen und Anpassung weniger Formulierungen. Ein Satzende fehlte komplett.

Lehren aus der Solarworld-Insolvenz

Spiegel ONLINE meldet die anstehende Insolvenz von Solarworld. Irritierenderweise mit viel Fokus auf Frank Asbeck, womöglich wegen der empfundenen Schadenfreunde – das ist partiell verständlich, hat Asbeck doch in der Vergangenheit reichlich Sprüche geklopft, die man ihm heute genüsslich wieder unter die Nase reiben kann.

Nun hat Asbeck sicher seine Schäfchen im Trockenen, was vermutlich für die Angestellten von Solarworld nicht unbedingt gilt, aber das ist ja auch keine neue und interessante Erkenntnis.

Stattdessen will ich ein paar Lehren aus dieser Pleite festhalten, die zwar auch nicht unbedingt neu und spannend sind, aber mir ist gerade danach, diese trotzdem festzuhalten. Ätsch.

Lehre 1: Subventionen helfen nix und kosten nur. Man erinnere sich an die “Gründerzeit” des EEG – Photovoltaik wurde mit absurd hohen Einspeisevergütungen belohnt, viel höher als andere Arten der “erneuerbaren” Stromerzeugung. Das hat zurecht nie jemand verstanden, aber was sind schon ein paar Millarden unter Freunden. Zu Anfang haben die beteiligten politischen Parteien ja auch noch das große Jobwunder als Rechtfertigung für die Subventionitis in Aussicht gestellt – nichts gelernt aus dem Fiasko der Förderung des Steinkohlebergbaus, wobei hier ja immerhin noch das Argument von Autarkie und Versorgungssicherheit halbwegs valide war.

Lehre 2: Produktion von Low-Tech ist in Deutschland kein valides Geschäftsmodell. Mit seiner immensen Regulierungsdichte neben hohen Umweltauflagen und absurd teurer Energie nebst Importnotwendigkeit der meisten Rohstoffe kombiniert mit hohem Lohnniveau und ebensolchen Lohnnebenkosten ist Deutschland international nicht konkurrenzfähig. Dasselbe Problem wird sich übrigens auch bei der Akkuzellenproduktion für Elektroautos manifestieren. Naja, das Beispiel von Li-Tec steht ja schon mahnend im Raum.

Lehre 3: Hochmut kommt vor dem Fall. Fragen Sie Frank Asbeck, wenn daran Zweifel bestehen.

Lehre 4: Wenn man die richtigen Experten fragt, kann man sich solche Irrwege sparen. Schon in der Anfangszeit des EEG haben Experten vorhergesagt, dass die lokale Produktion von Solarzellen kein Dauergast in diesem Land sein würde. Ich auch, aber mich fragt ja eh keiner.

Lehre 5: Man kann nicht dauerhaft gegen den Markt agieren, auch wenn Politiker das noch so häufig versuchen. Das ist sozusagen die Generalisierung von Lehre 1.

Nochmal zur Wahl im Saarland

Der Blätterwald rauschte heftig nach dem weitgehend überraschenden Wahlergebnis im Saarland. Viele Theorien wurden aufgestellt. Über das Ausbleiben des Schulz-Effekts (wobei die SPD gegenüber früheren Umfragen ja durchaus deutliche Zugewinne verzeichnet hatte – es ist also eher eine schwache Hypothese, dass der Schulz-Effekt tatsächlich ausgeblieben sei). Über die möglicherweise wahlentscheidende Unbeliebtheit von Rot-Rot(-Grün). Über den Absturz der Grünen. Über das Ausbleiben des FDP-Wunders.

Einig waren sich viele, dass die Beliebtheit von und Zufriedenheit mit der Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zum hohen CDU-Ergebnis signifikant beigetragen hat.

Dann aber wurde es oft abstrus in der Berichterstattung: angeblich sei der Saarländer besonders zufrieden damit, dass die Ergebnisse stimmen und geräuschlos regiert wird. Hallo? Im Bundesland, wo Oskar Lafontaine buchstäblich jahrzehntelang mit absoluter Mehrheit regiert hat? Der Schaumschläger vor dem Herrn mit gleichzeitig katastrophalen Ergebnissen in Sachen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Verwaltung? Der Oberpopulist unter den Populisten, der es heute mit einem wahrlich gruseligen ultralinken Programm im Saarland immer noch auf zweistellige Prozentzahlen bei Wahlen kommt? Nein, die These vom vernünftigen saarländer Wähler trägt nach allem was wir aus der Vergangenheit wissen überhaupt nicht.

Höhepunkt der schwachsinnigen Hypothesen: Annegret Kramp-Karrenbauer sei eine Art Mini-Merkel, und deshalb stünden die Chancen für eine Wiederwahl Merkels im September auch sehr gut. Nun, ich befürchte auch, dass wir nochmal vier Jahre Merkel ertragen müssen, aber das liegt nicht daran, dass es so viele Gemeinsamkeiten mit der saarländischen Ministerpräsidenten gibt. Allein die Tatsache, dass sie erst knapp über 5 Jahre im Amt ist und deshalb der “Fresse-Voll-Effekt” noch nicht durchschlagen kann. Und Frau Kramp-Karrenbauer gilt ja auch als erfolgreich regierend – das kann Frau Merkel auf keinen Fall für sich reklamieren: vom ESM über die Energiewende bis zur Flüchtlingsproblematik hat sie mehrfach nachgewiesen, dass sie katastrophale Entscheidungen am Fließband fällt. Dazu das freundliche Durchwinken allerlei Schwachsinnsreformen der SPD – man denke nur mal an die Rente mit 63.

Ich warte noch auf den Tag, an dem der CDU wieder einfällt, was denn mal die Grundsätze ihrer Politik waren.