Bald ist Bundestagswahl. Und es quält mich gleich mehrfach. Zunächst, weil ich täglich an gefühlt 1000 Wahlplakaten vorbei fahre, die in ihrer übergroßen Mehrheit unglaublich dämlich sind. Gut, bei der MLPD und der SED (oftmals irreführend als „Die LINKE“ bezeichnet) ist Dämlichkeit sowieso Programm, aber was die ehemals wenigstens teilseriöse SPD auf die Plakate pinselt – man würde sich wünschen, Herr Maas würde sich da bezüglich „Fake News“ mal nützlich machen. Wobei: was von SPD-Aussagen auf Wahlplakaten und generell im Wahlkampf zu halten ist, wissen wir ja seit Franz Müntefering: der sagte sinngemäß, dass es ja unfair sei, Politiker nach der Wahl an ihre Wahlversprechen zu erinnern. Wenigstens einer, der ehrlich ist, allerdings ist dieses Maß an offen zur Schau gestellter Wählerverachtung schwer zu ertragen.
Quälend auch die CDU-Plakate, die weitestgehend aussagelos sind – offenbar hat sich die Merkel-Taktik, sich niemals festzulegen, endgültig auf die ganze Partei ausgebreitet. Man wünscht sich dringend einen Friedrich Merz zurück, der den Laden mal aufmischt.
Noch mehr quält mich, dass eine Wiederwahl von Angela Merkel als Bundeskanzlerin quasi nicht verhinderbar ist. Die Frau, die mit ziemlich großem Abstand die gravierendsten Fehlentscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik getroffen hat – Finanzkrise, Euro-Krise, Energiewende mit beschleunigtem Ausstieg aus der Kernenergie, Flüchtlingskrise – sitzt fester im Sattel denn je. Und das, obwohl sie auch „im Kleinen“ stets bemüht war, jegliche ehemals unverrückbare CDU/CSU-Position kaltlächelnd zu räumen. Mindestlohn, Ehe für alle, Rente mit 63 – die Liste ist endlos. Jetzt hat sie ja gar Sympathie für die komplett irre Grünen-Idee geäußert, das Verbot von Verbrennungsmotoren zumindest in PKWs auf die Agenda zu setzen. Ganz prinzipiell würde ich es ja nicht mal für verwerflich halten, genuin linke Themen mit Augenmaß und Sachverstand nach langem Ringen um einen geeigneten Kompromiss umzusetzen – aber bitte doch ausschließlich dann, wenn man als Kompensation auch genuin eigene Themen umsetzt! Daran mangelt es aber ganz gewaltig. Wer Merkel wählt, bekommt links-grüne Politik und nicht das, was früher mal als typische CDU-Politik galt. Und was bis heute in jedem CDU-Programm steht.
Und damit kommen wir zur größten Qual – unter den Parteien, die reelle Chancen haben, in den Bundestag einzuziehen, gibt es nur zwei, deren Wahl unzweideutig als Anti-Merkel-Stimme aufzufassen ist: die AfD und die SED. SPD, Grüne und FDP würden nicht zögern, mit der CDU unter Merkel beliebige Koalitionen einzugehen, von Jamaica bis zur GroKo (wobei – ob die SPD unter dem lahmenden Zugpferd Schulz noch unter „groß“ durchgehen wird…). Die Umfragewerte schwanken, aber sogar eine Neuauflage von Schwarz-Gelb scheint momentan möglich. Grund genug, die FDP nicht zu wählen – zu tief sitzt noch die Enttäuschung der Koalition ab 2009, als man mit gutem Wahlprogramm und klaren Aussagen ein Top-Ergebnis erzielte, um danach davon genau gar nichts durchzusetzen und nicht mal die schlimmsten Dinge (vom ESM bis zur Energiewende) verhinderte, sondern beflissen mittrug. Das wirkt nach, das trage ich nach. Da mögen noch so tolle Dinge im Wahlprogramm stehen und im Wahlkampf verkündet werden, es gibt keinen Grund der FDP zuzutrauen, insbesondere in einer Merkel-Regierung irgendwas davon durchzusetzen. Zumal ich Christian Lindner für einen Totalopportunisten schlimmster Sorte halte und ihm jederzeit sogar eine Ampelkoalition zutraue, wenn das Wahlergebnis entsprechend ist.
Jeder, der an Parteiprogramme glaubt, sollte das der SED durchlesen. Kann kein vernünftiger Mensch wählen. Dazu das unappetitliche Personal, das mir seit Jahren auf den Keks geht. Bleibt die AfD, wo die „Alternative“ sogar im Parteinamen vorkommt. Ich war zur Lucke-Zeit AfD-Sympathisant, weil es die einzige Partei mit vernünftigen Ansichten zum Schulden- und Euro-Thema war, und zudem ein liberal-konservatives Profil pflegte, von dem sich CDU und FDP spätestens seit 2009 komplett verabschiedet haben. Seit Lucke abserviert wurde und insbesondere seit dem Essener Parteitag entwickelt sich die AfD allerdings eher in eine aus meiner Sicht ungünstige Richtung, und es gibt einiges an Personal, das mir gar nicht passt. Aber das gibt es in allen Parteien – wer könnte sich schon mit Claudia Roth, Jürgen Trittin oder Katrin Göring-Eckhard anfreunden? Und die Grünen haben sogar alle drei in einer einzigen Partei. Aber beim Parteiprogramm gibt es schlicht bei mir wichtigen Punkten viele Übereinstimmungen. Energiewende und Kernenergie, Umweltschutz, Rechtsstaat, innere Sicherheit, Euro und EU, Einwanderung, Asylrecht, Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Quotenregelungen aller Art. Und ich bitte darum, dass sich der Rest der Welt mit dem tatsächlichen Programm der AfD auseinandersetzt und nicht mit dem Zerrbild, das große Teile der Medien davon verbreiten. Sorgen kann allerhöchstens die diffuse außenpolitische Position machen, aber das tut die der aktuellen Regierung ja auch schon, und nicht mal Steinmeiers Umstieg hat daran etwas geändert.
Seit ein paar Tagen ist der Wahl-O-Mat online, allerdings gibt es hier erhebliche Zugriffsprobleme – klar, wer hätte von einer überreichlich öffentlich finanzierten Einrichtung auch schon erwartet, dass sie IT-technisch etwas stabiles und zuverlässiges auf die Beine stellt. Ich bin gespannt auf das Ergebnis, auch wenn die vorgestellten Thesen immer etwas undifferenziert sind, um wirklich präzise abzustimmen.