Schäuble und die Sonderabgabe auf Benzin

Wolfgang Schäuble, unser aller Finanzminister und damit per se Liebling der Massen, hat in einem Interview in der SZ (leider hinter einer Paywall, und wer will schon einer Zeitung, die meiner Meinung nach sehr zurecht von verschiedener Seite auch “Prantl-Prawda” oder “Neues Süddeutschland” genannt wird, Geld in den Rachen werfen) laut Berichten von SPIEGEL online und Focus Online einen grandiosen Vorschlag gemacht. Eine EU-weite Sonderabgabe auf Benzin, um die Kosten zur Bewältigung der Flüchtlingskrise zu decken.

Dieser Vorschlag ist auf so viele Arten dämlich, dass man gar nicht glauben kann, dass ein Politiker so einen Vorschlag überhaupt nur denken kann, geschweige denn öffentlich äußert. Zunächst: Benzin? Also nicht “Mineralöl”, sondern nur Benzin? Also nicht Diesel? Dann: EU-weit? Die EU ist uneins wie selten, und dann soll man hier Einigungschancen sehen? Auch dämlich: was ist die Begründung, sowas nicht über eine allgemeine Steuer wie Mehrwertsteuer oder Einkommensteuer zu regeln, sondern über eine so spezielle Abgabe? Gut, da gibt es ja viele Präzedenzfälle, wer erinnert sich nicht an “Rauchen für die Sicherheit” oder “Rasen für die Rente”, aber muss man alte Fehler immer wieder neu machen?

Wenig überraschend: anstatt die Kosten zu senken, will man die Einnahmen erhöhen – das ist eine alte Politiker-Krankheit. Man erinnere sich an Franz Münteferings Credo “der Staat ist chronisch unterfinanziert”. Und die immer wieder allgemein wahrnehmbare Ansicht, dass es die pure Menschenfreundlichkeit des Staates ist, seinen Untertanen nicht einfach 100% ihrer Einnahmen und ihres Vermögens wegzubesteuern, sondern ihm doch großzügigerweise ein wenig zum Leben zu lassen. Der neueste Nachweis dieser Denkweise war die Idee des Bundesumweltamtes, die “Subvention des Dieselkraftstoffs” doch endlich zu beenden – klar, die Sichtweise, man könnte auch die Höherbesteuerung des Benzins zu reduzieren, kommt einem Politiker nicht in den Sinn.

Amüsante Randnotiz: Frau Göring-Eckardt hat Schäubles Vorschlag auch abgelehnt – und das bei einer Kernforderung der Grünen seit ihren Anfängen. Sollten die Grünen tatsächlich wieder gelernt haben, unpopuläre Vorschläge lieber nicht in der Öffentlichkeit zu diskutieren?

Hier irrt Prof. Sinn

In der Zeitschrift “Schweizer Monat” ist jüngst ein Interview mit Prof. Sinn erschienen.

Ich persönlich schätze die Einlassungen von Prof. Sinn sehr. Geerdet, in sich schlüssig, fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Ökonomie, trotzdem wohltuend pragmatisch bei seinen politischen Vorschlägen. Ein Wissenschaftler weit ab vom Elfenbeinturm.

Zur sogenannten Energiewende hat Prof. Sinn in der Vergangenheit schon das Notwendige gesagt, z.B. in seinem schön zusammenfassenden Vortrag “Energiewende ins Nichts”.

Auch im vorliegenden Interview spricht Prof. Sinn entscheidende Schwächen der Energiewende an. Beispielsweise den Widerspruch, die Energiewende als Klimaschutzprogramm zu verkaufen, obwohl man gleichzeitig aus der einzig sinnvollen CO2-freien (ja, ich weiß, nix ist wirklich CO2-frei, insbesondere nicht die sogenannten Erneuerbaren Energien und auch nicht die Kernenergie, aber bei der Kernenergie ist der Ausstoß über alles so gering, dass die Bezeichnung CO2-frei durchaus treffend ist) Stromerzeugungstechnologie aussteigt.

Ich denke aber, dass Prof. Sinn bei einigen seiner Prognosen völlig falsch liegt. Eine davon, als Antwort auf die Frage nach der Stromerzeugung in 20 Jahren: “Wir werden wieder Atomkraftwerke haben, solche eines neueren Typs, der den veränderten Sicherheitsvorstellungen genügt. Ich sehe nicht, wo der Strom sonst herkommen sollte.”

Es zieht sich durch das Interview – Prof. Sinn geht davon aus, dass es in Deutschland noch ökonomischen Restverstand in Politik und Bevölkerung gibt. Dass, wenn die Stromversorgung nur entsprechend teuer wird, man sich besinnen wird auf sinnvolle und gangbare Wege zurück auf den Weg der ökonomischen und auch ökologischen Vernunft (warum weder Windkraft noch Photovoltaik und schon gar nicht Biomasse ökologisch sinnvoll sind wäre wohl genug Stoff für eine ganze Artikelserie).

Ich denke, dass dieser Optimismus nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahren überhaupt keine Grundlage hat. Sowohl Politik als auch Gesellschaft sind zu großen Teilen bereit und willig, ökonomisch unsinnige Dinge trotzdem zu tun und dafür praktisch beliebig viel Geld auszugeben. EEG, Euro-Krise, Rente mit 63, Griechenland-Rettung, Mindestlohn, Flüchtlingspolitik.

Dazu kommt die Tatsache, dass wir offenbar breite lernresistente Bevölkerungsschichten haben sowie die übergroße Mehrzahl der Medien, die weitgehend unabhängig von den Fakten operieren und “berichten”. Woher soll der Funke der Vernunft kommen? Der letzte Moment der Hoffnung war bei mir das Wahlergebnis 2009. Die Union zurechtgestutzt aufgrund der katastrophalen Großen Koalition, eine wiedererstarkte FDP aufgrund eines glasklaren liberalen wirtschaftspolitischen Programms. Es folgte wie bekannt das Totalversagen der FDP in allen relevanten wirtschaftspolitischen Fragen unter einem beispiellosen medialen Dauerfeuer. Sogar beim Ausstieg aus der Kernenergie nach Fukushima hörte man keine Stimme der Vernunft von der FDP.

Besondere Beachtung muss auch die traditionell seit den frühen 80er Jahren vorhandene totale Ablehnung der Kernenergie in weiten Teilen der Bevölkerung und der Medien neben dem praktisch vollständigen Fehlen entsprechender Öffentlichkeitsarbeit der Kernenergiebeführworter finden.

Aus diesen Gründen halte ich es für völlig ausgeschlossen, dass in Deutschland innerhalb der nächsten 50 Jahren neue Kernkraftwerke gebaut werden. Und das ist völlig unabhängig davon, was das für Kraftwerkstechnologie ist – inhärent sicher, in der Lage den alten hochaktiven Abfall zu neutralisieren, superpreiswert, hoch verfügbar, schnell regelbar. Das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zur Kernenergie ist komplett irrational, warum sollten rationale Argumente etwas daran ändern?

Die Antwort auf Prof. Sinns Frage, woher denn sonst der Strom kommen solle, ist relativ einfach. Kohle, Gas, Biomasse, Wind, Sonne. Bevor in Deutschland ein neues Kernkraftwerk gebaut wird, werden wir das Land komplett zugepflastert haben mit Windrädern, die in Zeiten der Überproduktion “Windgas” oder Wasserstoff erzeugen, um die Flauten auszugleichen. Wir werden uns auf Gedeih und Verderb an das russische Erdgas binden, weil wir zu feige für Fracking im eigenen Land sind. Wir werden ggf. Strom importieren. Wir werden im Zweifel auf den Klimaschutz pfeifen und weiter Kohle verstromen. Alles ist in Deutschland einfacher zu verkaufen als Kernenergie.

Prof. Sinn sagt: “Ich bezeichne die Energiewende als einen Irrweg, da wir noch nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, den grünen Strom zu glätten.” Da liegt er komplett falsch. Denn natürlich haben wir die technischen Möglichkeiten – sie sind nur sehr teuer, deshalb hält sie Prof. Sinn als Ökonom für nicht relevant. Er liegt komplett falsch. Geld spielt keine Rolle. Politik und Bevölkerung werden nicht zögern, unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu reduzieren. Das hat man doch in der Vergangenheit gesehen. Und vermutlich wird es sich gar nicht so dramatisch auf den Wohlstand in Deutschland auswirken, kleinere Einbußen – auch das lehrt die Vergangenheit – scheinen aber niemand zu interessieren, man fährt dann halt das traditionell-sozialistische Argumentationsmuster “die Reichen sind schuld”. Und im Angesicht der Auswirkungen des Flüchtlingsstroms werden ein paar 100 Mrd. EUR für die Energiewende sowieso nicht ins Gewicht fallen.

Im Einführungsartikel meines Nachbarblogs habe ich geschrieben, dass der Blog auch so eine Art Archiv sein soll, um das oft wiederkehrende Gefühl “ich hab’s ja gleich gesagt” auch faktisch zu untermauern. Ich bin eigentlich ein optimistischer Mensch, aber bezüglich der Qualität von Politik und Medien insbesondere im Bereich Energieversorgung bin ich über die Jahre sehr pessimistisch geworden. Wir werden sehen, ob Prof. Sinn richtig liegen wird oder ich. Wir lesen uns in 20 Jahren wieder.

Fritz Kuhn empfiehlt: Auto fahren!

Die Stadt Stuttgart verschwendet gerade Geld für eine Plakatkampagne im Rahmen der Mobilitätskampagne “Stuttgart steigt um”. Dabei schaut mir gerade auf meinem Weg zur Arbeit – selbstverständlich per Auto – Fritz Kuhn direkt in die Augen. Dazu prangt der Schriftzug “Fahrt Smart!” auf dem Plakat.

So einer Aufforderung sollte man nachkommen. Also: alle aufs Auto umsteigen. Auch, wenn man nicht direkt einen Smart hat. Die Tatsache, dass auf dem Plakat auch ein größeres gelbes Fahrzeug zu sehen ist, kann getrost ignoriert werden.

Gedanken zu Griechenland

Getreu dem Motto “Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem” will ich noch ein paar Gedanken an die Griechenlandkrise und das große Drumrum verschwenden.

Zunächst gibt es bei der ganzen Chose eine Menge Wortmeldungen, die ich schlicht nicht verstehe. Warum behauptet jemand, die EU oder Merkel oder die EZB oder Schäuble würden sich in griechische Angelegenheiten einmischen? Auf so eine Idee kann nur ein sehr dummer Mensch (oder alternativ jemand, der Propaganda betreiben will) kommen. Griechenland will Geld. Griechenland hat bewiesen, dass es überhaupt keine gute Idee ist, ihnen ohne jegliche Bedingungen Geld zu geben. Ergo gibt es Bedingungen. Wenn Griechenland diese Bedingungen nicht passen, ist das doch kein Problem – jemand anderes gibt sicher gerne Geld zu besseren Bedingungen. Die Welt ist voll von durchgeknallten Investoren wie man hört.

Warum musste ich vorgestern im ARD-Brennpunkt hören, dass durch das “Nein” der Griechen bei der Volksbefragung Tsipras nun gestärkt in weitere Verhandlungen geht? Das “Nein” ist doch ein klares Signal, dass es keine weiteren Verhandlungen geben wird. Es sei denn natürlich, unsere lieben Politiker wollen einmal mehr einknicken und gutes Geld schlechtem hinterherwerfen. Leider nicht auszuschließen.

Sehr merkwürdig auch die Idee, alles würde gut werden, wenn nur Griechenland dem Euro entsagen würde und wieder auf die Drachme kommt. Welches Problem soll das denn lösen können? Eine Abwertung der Währung hat noch niemandem geholfen, weder kurz- noch langfristig. Wirtschaftliche Gesundung benötigt harte Reformen, nicht das süße Gift von Weichwährung und Inflation.

Unverständlich für mich, wie es Syriza offenbar immer wieder gelingt, die Schuld auf andere zu schieben – wahlweise böse Mächte, die EU, die EZB, der IWF oder die kapitalistische Weltverschwörung. Griechenland war unter der Vorgängerregierung dank einiger Reformen durchaus auf einem nicht ganz schlechten Weg. Bis dann Syriza sich auf die schlechten alten sozialistischen Tugenden besann und vieles wieder zerstörte. Auch das wehleidige Klagen, dass die vielen geforderten (und teils umgesetzten) Reformen doch nur die kleinen Leute träfe – Freunde, ihr seit die Regierung. Führt einfach Reformen durch, die die aus Eurer Sicht richtigen treffen und jammert nicht nur rum.

Und noch etwas: die vielen Milliarden, die in Griechenland versickert sind, sind nicht “der Finanzwelt” zugutegekommen. Im Gegenteil, die “Finanzwelt” wird noch kräftig beim unvermeidlichen Schuldenschnitt bluten müssen (so wie sie bereits beim ersten Schuldenschnitt geblutet hat). Die vielen Milliarden sind den Griechen zugutegekommen. Vielleicht nicht allen, vielleicht nicht den “richtigen” – tja, liebe Griechen, hättet ihr besser mal eine Regierung gewählt, die das mit dem Verteilen besser kann.

Ab und zu behauptet auch jemand, die EU oder wer auch immer gerade das Feindbild ist würde demokratische Entscheidungen der Griechen nicht akzeptieren. Vor allem Frau Wagenknecht von der Linken befeuert dieses Narrativ gerne und ausführlich, weil natürlich auf keinen Fall ihre linken Parteifreunde der Syriza für das Schlamassel verantwortlich sein kann – die sind schließlich auf die Opferrolle abonniert. Was für ein absoluter Bullshit. Die Griechen dürfen alles in welcher Art auch immer ganz alleine für sich entscheiden. Z.B. bei der jetzt durchgeführten Volksbefragung. Aber eine demokratische Entscheidung führt nicht zu einem Wünsch-Dir-Was im Anschluss. Ein demokratischer Beschluss “die Welt muss Griechenland hunderte Milliarden schenken” darf gerne gefasst werden, wird aber wenig zielführend sein.

Was zum G36

Das G36 von Heckler & Koch, das Standardsturmgewehr der Bundeswehr seit 1996, ist derzeit in aller Munde und beherrscht die Titelseiten der Print- und Onlinepresse. Ich habe nun zig Artikel darüber gelesen, und irgendwie schlug fast immer mein Bullshit-Indikator an. Ich bin nun wahrlich maximal interessierter Laie, was Feuerwaffen angeht. Also habe ich ein wenig quergelesen in diversen Zeitungen, Kommentaren zu Artikeln und Blogs.

Exemplarisch sei dieser Artikel auf SPIEGEL Online genannt. Es wird aus einem (geheimen, oder jedenfalls der Öffentlichkeit nicht zugänglichen) Untersuchungsbericht zitiert, wonach nach dem Verschuss von zwei Magazinen (zusammen 60 Schuss, falls das Standardmagazin genutzt wird – aber wurde das genutzt? Das bleibt leider im Dunkeln.) die Treffwahrscheinlichkeit auf 53% sinke.

Man könnte auch sagen: nix genaues weiß man nicht. Vielleicht wurden die 100-Schuss-Trommelmagazine verwendet? 200 Schuss oder 60 Schuss scheint für SPIEGEL Online keinen Unterschied zu machen. Was wurde versucht zu treffen, und auf welche Entfernung? Und in welchem Zeitraum wurde diese Schusszahl abgegeben? Wenn es tatsächlich ein Hitzeproblem gibt, ist das doch eine ganz entscheidende Metrik. Allein: man erfährt nichts darüber. Auch schwere Maschinengewehre, die für Dauerfeuer konzipiert wurden, können bekanntlich überhitzen, deshalb werden üblicherweise Ersatzläufe mitgeführt – sind die deshalb untauglich?

Ähnlich sieht es beim Thema “Vergleichsschießen” aus. Angeblich wurde ein solches durchgeführt, von der Bundeswehr in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut. Leider fehlen auch hier alle Details in der Berichterstattung. Wie sah dieses Vergleichsschießen aus? Wieviel Schuss wurden in welchem Zeitraum abgegeben? Welche anderen Gewehre nahmen am Vergleich teil? Wenn die entscheidenden Fakten nicht auf dem Tisch liegen, sollte man das doch in der Berichterstattung auch erwähnen, oder?

Ebenfalls völlig unklar ist, was denn damals bei der Beschaffung des G36 für eine Spezifikation zugrunde gelegt wurde. Letztlich ist jedes Gewehr ein Kompromiss. Leicht soll es sein, preiswert, robust, treffgenau (auch für ungeübte Schützen – sprich Wehrpflichtige), idiotensicher…dass es kein Gewehr gibt, dass alle diese Eigenschaften hat, sollte jedem einleuchten. Man kann ja auch keinen Familien-Van kaufen, der so schnell wie ein Ferrari fährt und unter 10.000 EUR kostet. Und wieso ein Sturmgewehr, dessen Schütze nur einen begrenzten Munitionsvorrat mitführt, in einer Gefechtssituation als MG im Dauerfeuermodus eingesetzt werden soll, bleibt unklar. Inwiefern das G36 seiner Spezifikation genügt, lässt sich wohl daran ablesen, dass die Bundeswehr dem Gewehr die Abnahme erteilt hat (so hoffe ich jedenfalls, weil ich immer noch an einen gewissen Rest an Professionalität hoffe) und auch nach den neuesten Erkenntnissen die Bundeswehr immer noch der Meinung ist, das der Hersteller wohl nicht schadenersatzpflichtig ist. Wobei, da heißt es inzwischen “man prüft”. Erinnert ein wenig an Toll-Collect.

Wie man hört, wurde das G36 für eine Nutzungsdauer von 20-30 Jahren angeschafft. Es ist also in absehbarer Zeit sowieso eine Neuanschaffung fällig. Warum machen Bundeswehr und Verteidigungsministerium hier so ein Fass auf? Es riecht nach gezielter Rufschädigung, oder nach Ablenkung von anderen Merkwürdigkeiten des Beschaffungswesens (man denke an den immer noch nicht ausgelieferten Airbus A400M, oder die legendären Marinehubschrauber, die leider nicht seefest sind). Denn finanziell ist der Schaden doch sehr begrenzt: die bisher beschafften rund 180.000 Gewehre wurden wohl zu einem Stückpreis von rund 600 EUR gekauft, insgesamt also etwa 100 Millionen EUR. Das ist sicher ein Schnäppchen im Gegensatz zu den Kosten bei Eurofighter, Drohnen mit Flugverbot oder dem neuen Schützenpanzer.

Unterm Strich vermute ich, dass die Anforderungen an das G36 sich einfach über die Jahrzehnte gewandelt haben. Im Szenario “Kalter Krieg” brauchte man eine unkomplizierte, robuste, leichte, preiswerte Waffe. Man rechnete mit einer Gefechtssituation der verbundenen Waffensysteme – für hohe Schussfrequenzen waren hier die echten MGs ausersehen, das Sturmgewehr sollte eher für den gezielten Einzelschuss auf 200-300m Entfernung oder maximal Dreier-Feuerstöße verwendet werden. Was ich inzwischen zu diesen Themen gelesen habe, legt nahe, dass in einem solchen Einsatzszenario das G36 eine sehr gute Figur macht. Dass Ursula von der Leyen in ihren zahllosen Pressekonferenzen und Statements zumindest indirekt den Hersteller dafür verantwortlich macht, dass das Gewehr nicht ihrem Wunschkonzert, sondern nur der ursprünglichen Spezifikation entspricht, spricht Bände.

Wenn das Verteidigungsministerium nun glaubt, für andere Einsatzszenarien jetzt und in Zukunft gerüstet zu sein, wäre es doch ein leichtes, für diese Truppenteile auf dem freien Markt ein besseres (in welcher Hinsicht?) Sturmgewehr zu beschaffen. Wie viele können das schon sein – 5.000? In Afghanistan war die deutsche Truppenstärke jedenfalls 1.500 Mann.

Wie gesagt, ich bin bei diesem Thema nur interessierter Laie. Aber bei quasi jedem Beitrag in den Qualitätsmedien fallen mir zig Sachen ein, die eigentlich zu einer anständigen Recherche dazugehören würden, die aber nicht thematisiert werden. Und das ist ärgerlich.

Angekommen in der Bedeutungslosigkeit

Neulich auf dem Weg zur Arbeit. Ich fahre an einem FDP-Plakat vorbei, auf dem das traditionelle Dreikönigstreffen in Stuttgart angekündigt wird. Wie immer stehen darauf die Namen der FDP-Spitzenpolitiker, die dort die Hauptredner sein werden.

Nun bin ich als bekennender Liberaler rein parteienspektrumstechnisch der FDP nicht abgeneigt, wenn auch tief enttäuscht von der stark suboptimalen Performance in der letzten schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene. Umso bedenklicher, dass ich von den fünf Namen auf dem Plakat gerade mal einen ohne längeres Nachdenken identifizieren konnte: Christian Lindner.

Gibt es ein stärkeres Indiz dafür, dass die FDP inzwischen in der Bedeutungslosigkeit versunken ist? Ja, vielleicht: während früher die Qualitätspresse lustvoll auf die FDP eingeprügelt hat, ist inzwischen die Berichterstattung weitestgehend eingeschlafen. Wenn Dich nicht mal mehr der Feind ernst nimmt…

Über Architekten, die Polizei und Qualitätsjournalismus

Neulich auf Seite 1 unserer lokalen Tageszeitung. Ein kurzer Bericht über eine Warnung ehemals wichtiger Politiker vor einer Spaltung Europas. Interessantes Detail: Michail Gorbatschow wird dort als “einer der Architekten der Deutschen Einheit” bezeichnet. Hallo? Die UdSSR war pleite und hat sich alle Zugeständnisse zur Einheit unter größtem Widerstand schnöde abkaufen lassen. “Architekt” heißt für mich eine führende, gestaltende Rolle einzunehmen. Welche Verdienste Gorbatschow auch immer hat – zweifellos hat er nach den Betonköpfen Breschnew, Andropov und Tschernenko für frischen Wind gesorgt – ihn als Architekt der Deutschen Einheit zu bezeichnen erfordert ein erhebliches Maß an Realitätsverweigerung. Das einzige, was man ihm zugutehalten kann ist, dass er nicht alles getan hat, um die Einheit zu verhindern.

Ein weiterer Artikel auf Seite 1: die Polizei fordert die Bürger auf, Fälle von Internetkriminalität auch tatsächlich bei der Polizei zur Anzeige zu bringen. Wer einmal dabei war, wie die Polizei z.B. bei einem Wohnungseinbruch quasi schulterzuckend “das passiert halt, da kann man nix machen, die erwischt man nie” zu Protokoll gibt, wird über einen Aufruf, der Polizei mehr Beschäftigung zu verschaffen, entweder resigniert lächeln oder explodieren. Also, liebe Freunde in Grün (oder Blau): bitte auf die Kernaufgaben konzentrieren. Und der Politik klarmachen, was mit dem seit Jahren erodierenden Gewaltmonopol passiert, wenn weiter Mittel gekürzt bzw. ineffizient eingesetzt werden.

Was das alles mit “Qualitätsjournalismus” zu tun hat? Immer öfter werden blind Agenturmeldungen abgedruckt und Pressemitteilungen veröffentlicht, ohne sich kritisch damit auseinanderzusetzen. Das wäre ja nicht so schlimm, wenn die Meldungen und Mitteilungen neutral wären und sich auf die Fakten beschränken würden. Darin inhärente Tendenzen und Meinungen werden aber ungefiltert an den Leser weitergegeben. Man fragt sich, welchen Mehrwert der Journalismus gedenkt, seinen Konsumenten bereitzustellen. Die allerorten sinkenden Auflagen und Umsätze sprechen eine deutliche Sprache: der Konsument erwartet mehr für sein Geld.

25 Jahre Mauerfall

Heute jährt sich der Tag des Mauerfalls zum 25. Mal. Ein emotionaler Tag, vor allem für die Berliner. Ein Wendepunkt in der deutschen Geschichte. Und jede Menge Vorkommnisse in jüngster Zeit – die SED und ihre DDR-Unrechtsstaat-Diskussion, die sich andeutende Dunkelrot-Rot-Grün-Koalition in Thüringen, der Auftritt von Wolf Biermann im Bundestag – die man aus der historischen Mauerfall-Perspektive süffisant, ironisch, sarkastisch, ärgerlich oder wie auch immer in Blogbeiträgen hätte aufspießen können.

Und trotzdem habe ich heute zuerst drei Blogbeiträge für meine anderen Blogs geschrieben. Irgendwie bin ich die ewigen Diskussionen um Sozialismus, Kommunismus, totalitäre Systeme und ähnliches schlicht leid. Viele Anzeichen deuten darauf hin, dass der Liberalismus in Deutschland und damit der Drang nach Freiheit am Ende ist. Und das mache ich keineswegs am Untergang einer ehemals partiell liberalen Partei fest. Viele werden diesen Trend erst bewusst wahrnehmen, wenn ihre eigene Freiheit signifikant beschnitten wird. Dann wird es zu spät sein.

Liebe Berliner, liebe ex-DDR-Bewohner: genießt den heutigen Tag. Erinnert Euch an die schlechte alte Zeit zwischen 1949 und 1989. Und alle sollten nochmal überlegen, warum die DDR der Bundesrepublik beigetreten ist und nicht andersrum.