Erkenntnisse der Landtagswahl Baden-Württemberg

Quellenhinweis: Saubere und vollständige Ergebnisse erfährt man gesammelt hier vom Statistischen Landesamt. In der Online-Presse habe ich spontan z.B. nirgends gefunden, was sich hinter “Sonstige” aufgeschlüsselt verbirgt. Wenn man einen Rechtsrutsch konstatiert, sind doch Zahlen von NPD und Republikanern durchaus von Interesse. Auch das Abschneiden der AfD-Abspaltung ALFA hat mich interessiert. Und auch die ehemaligen Superstars der Piratenpartei interessieren mich immer noch.

Nachfolgend ein paar Gedankenschnipsel zum Wahlausgang.

  • Die Regierungskoalition hat 4,3%-Punkte verloren. Das widerspricht der These, dass die Bürger mit der Regierungsarbeit zufrieden waren.
  • Die Grünen sind in Baden-Württemberg als Volkspartei etabliert. M.E. ausschließlich ein Verdienst von Kretschmann, wie man am Wahlergebnis der Grünen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sehen kann.
  • Die CDU vermeldet einen historischen Tiefststand.
  • Die SPD hat ihr schon schlechtes Ergebnis von 2011 nochmal beinahe halbiert. Status “Volkspartei” inzwischen fragwürdig.
  • Die AfD liegt deutlich vor der SPD, interessanterweise war das in den ersten Hochrechnungen noch nicht zu sehen.
  • Die FDP ist stark erholt und beinahe schon auf Augenhöhe mit der SPD.
  • Die LINKE spielt in Westdeutschland faktisch keine Rolle mehr. Möglicherweise, weil sich das Protestpotenzial auf die AfD konzentriert.
  • Die Koalitionsbildung wird sehr interessant. Die einzigen realistischen Optionen sind Grün-Schwarz, Schwarz-Rot-Gelb und Grün-Rot-Gelb. Alles drei sehr schwer vorstellbar, am ehesten würde ich noch Schwarz-Rot-Gelb für möglich halten.
  • Die rechten Parteien Republikaner und NPD spielen mit 0,3% bzw. 0,4% der Stimmen überhaupt keine Rolle.
  • Die ALFA hat, trotz reichlich Wahlwerbung am Straßenrand, nur 1,0% der Stimmen errungen. Vermutlich, weil die Partei in den Medien überhaupt keine Rolle gespielt hat – da gab es ja nur “AfD gegen den Rest der Welt”.
  • Die in vielen Medien transportierte Idee, dass Wolf wegen seines “Schlingerkurses” bezüglich der Flüchtlingsfrage so schlecht abgeschnitten hat, halte ich für abwegig. Der CDU-Kandidat in Sachsen-Anhalt hat lange Zeit konsequent gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung opponiert und hat das Ergebnis der vorigen Wahl beinahe gehalten. Die beiden eher linientreuen Kandidaten Klöckner und Wolf hingegen haben dramatisch verloren.
  • Wenn diese Idee schon abwegig ist, wie ist dann die Idee von Jakob Augstein zu bewerten (“Sieg für Angela Merkel”), die dieser in seiner Kolumne bei Spiegel Online äußert? Völlig abwegig? Komplett abwegig? Absurd abwegig? Da gehen einem doch die Superlative aus.

Ich habe das Gefühl, dass viele Bürger sich im konservativen Niemandsland verloren fühlen, weil die CDU unter Angela Merkel schon zu Zeiten von Schwarz-Gelb deutlich nach links gerückt ist und viele konservative Positionen geräumt hat. Sowas dauert immer ein wenig, bis es sich in der Breite auch in Teilen der Stammwählerschaft niederschlägt, aber jetzt scheint es – natürlich beschleunigt durch die Flüchtlingskrise (oder ist es eine Migrationskrise?) – sich zu manifestieren. Der konservative Wähler hat verschiedene Schlüsse aus seinem Dilemma gezogen: Kretschmann wählen, weil er den seriösen Landesvater perfekt verkörpert. AfD wählen, weil sie als einzige noch konservative Inhalte glaubwürdig vertritt. Das verspricht eine spannende Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl.

Was ist eigentlich aus den “Grauen” und der Autofahrerpartei geworden?