Ein paar Wochen ist es her, da wurde eine neue SARS-CoV-2-Mutation als “Variant of Concern” gelabeled und mit dem schönen griechischen Buchstaben “Omikron” versehen. Zuerst in Südafrika detektiert, schien es zunächst leise Hoffnung zu geben, dass das endlich die lang erwartete “COVID-19 so harmlos wie eine Grippe”-Variante sein würde: zwar etwas infektiöser, aber weit weniger gefährlich. Die erste Wasserstandsmeldung aus Südafrika war “keine schweren Verläufe” und “nicht mehr Hospitalisierungen als bei Delta”. Nun ist Südafrika bekanntlich nicht Europa, vor allem was das Durchschnittsalter der Bevölkerung angeht. Auch nicht was die Impfquote angeht, und erst recht nicht was die Anzahl der bisher schon durchgemachten Infektionen angeht.
Jetzt liegen ein paar belastbarere Daten auf dem Tisch aus Schottland und England, und es sieht jetzt eher durchwachsen aus. Omikron ist nicht nur etwas, sondern sehr viel infektiöser. Bei gleichem Maßnahmenumfang, der bei Delta zu einem R-Wert von “um die 1” gereicht hat, liegt Omikron eher so bei “um die 3”. Was die Hospitalisierungen angeht, müssen gegenüber Delta nur etwa ein Drittel der Infizierten im Krankenhaus behandelt werden. Das ist aber nur eine vermeintlich gute Nachricht – ohne verschärfte Maßnahmen reden wir bei Omikron von einer Verdoppelungszeit von 2-4 Tagen, d.h. also die absolute Zahl der schweren Verläufe ist nach 4-8 Tagen mehr genauso hoch wie bei Delta, und danach wird es nur schlimmer. Eine lineare Reduktion kann eben gegen exponentielles Wachstum nicht anstinken.
Was die Impfung angeht, sind die Nachrichten auch durchwachsen. Der Schutz gegen Infektion ist eher durchwachsen – bei kürzlich Aufgefrischten noch ganz OK, aber nach zwei Monaten schon stark vermindert. Der Schutz vor schweren Verläufen ist noch weitgehend intakt, aber auch schlechter als zuvor. Ich schätze, eine speziell auf Omikron angepasste Impfung wird empfehlenswert sein, jetzt kann die mRNA-Technologie zeigen, ob sie ihrem Ruf der schnellen Anpassbarkeit gerecht werden kann.
Was für die Impfung gilt, gilt logischerweise auch für die Genesenen: auch dort ist der Schutz gegen Reinfektion stark vermindert, während der Schutz vor schweren Verläufen auch noch weitgehend intakt scheint. Zumindest was die Erkrankten angeht, bei den asymptomatisch Infizierten ist die Datenlage zu dünn für genauere Aussagen.
Unterm Strich hat die Omikron-Variante ihren Status als “Variant of Concern” redlich verdient, und nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu “zwar saumäßig infektiös, aber nur ein harmloser Schnupfen”. Inwieweit die Zahl “Hospitalisierungen drei Mal seltener” belastbar ist oder nach oben oder unten korrigiert werden muss, können wir die nächsten Monate im nahen und fernen Ausland beobachten. Für gestern meldeten UK und Frankreich um die 200000 Neuinfektionen, während in Deutschland das Infektionsgeschehen eher so vor sich hin plätschert – auch bei den Krankenhauseinweisungen ist ein ähnliches Bild, in Deutschland eher fallende Tendenz, in Frankreich und UK eher steigend. In 2-3 Wochen werden wir dann Genaueres wissen. Ich gehe aber davon aus, dass sowohl in UK als auch in Frankreich die Quarantänevorschriften für bestimmte Berufsgruppen inklusive des medizinischen Personals stark aufgeweicht werden müssen, sonst wird diese Welle wohl nicht handhabbar sein. Was gleichzeitig die weitere Verbreitung der Omikron-Variante stark begünstigen wird. Eine Operation am offenen Herzen.