Am Vorabend der Wahl in den USA nochmal ein paar unsortierte Gedanken. Nach wie vor melden die Demoskopen hauptsächlich „nix genaues weiß man nicht“. Das Umfrageinstitut, dass bei der letzten Wahl 2020 die entscheidenden Ergebnisse in allen Swing States am genauesten vorhergesagt hat, hat derzeit Trump in praktisch allen Swing States vorne. Das Umfrageinstitut, dass 2016 und 2020 in Iowa am präzisesten vorhergesagt hat (deutlicher Vorsprung für Trump – Iowa ist daher diesmal nicht als Swing State in der veröffentlichten Debatte genannt), hat in seiner neuesten Umfrage zur allgemeinen Überraschung einen recht deutlichen Vorsprung für Harris gemessen.
Was folgt daraus? Nix genaues weiß man nicht. „Within the margin of error“, sagen die Spezialisten. Egal ob es um das (irrelevante) Ergebnis der „popular vote“ geht (da hat Harris lange Zeit die Umfragen deutlich angeführt, inzwischen ist Trump je nach Institut knapp dahinter oder knapp davor) oder um das (relevante) Ergebnis in den Swing States wie Nevada, North Carolina, Wisconsin, Georgia, Arizona, Pennsylvania and Michigan.
Es gibt viele Theorien, was letztlich den Ausschlag geben wird. Kann Harris die Frauen mobilisieren mit ihrem Pro-Abtreibungswahlkampf (oder einfach nur, weil Frauen bevorzugt Frauen wählen, aber das hat Hillary Clinton auch nicht gerettet, aber Merkel)? Oder die Senioren mit ihrer „Trump ist ein Faschist“-Kampagne? Kann Trump bei den Latinos, den Schwarzen, den Männern überraschend gut abschneiden? Ich habe inzwischen so viele gut begründete Hypothesen gelesen (natürlich nicht in Presse und Rundfunk hierzulande, da ist man immer noch stramm auf Pro-Harris-Kurs, wie wenn die Wahl in Deutschland entschieden wird), das mir fast schwindelig wird.
Interessant fand ich Überlegungen, welcher Art wohl die Korrekturfaktoren mehrheitlich sein werden, die die Demoskopen in ihre Modelle eingebaut haben. Aus der jüngeren Vergangenheit weiß man, dass man teilweise die Republikaner-Wähler krass unterschätzt hat (2016) oder krass überschätzt hat (2022). Wie stark hat man da wohl gegengesteuert, und gegebenenfalls überkompensiert? Man weiß es nicht. Je mehr Details man liest, desto unklarer wird die Lage. Es ist ein bisserl wie beim Fußball: da hat vor dem Spiel auch jeder eine Meinung und eine Prognose, aber erst nach dem Spiel sind alle klüger.
Und dann wird ja auch noch für den Senat und das Repräsentantenhaus gewählt. Da sind die Demoskopen ebenfalls sehr sehr uneinig – der wahrscheinlichste Ausgang wird mit „Senat wird republikanisch, Repräsentantenhaus wird demokratisch“ beschrieben.
Macht es am Ende überhaupt einen Unterschied, ob Trump oder Harris am Ende gewinnt? Keinen großen, denke ich. Die USA sind hoffnungslos gespalten, und egal wer gewinnt, die andere Seite wird mit Gewalt antworten. Ich befürchte, dagegen werden die oftmals als „Ausschreitungen“ verniedlichten Zerstörungsorgien der Terroristen von BLM noch harmlos aussehen. Und es wird wieder Vorwürfe bezüglich Wahlbetrug geben. Und wenn man das US-Wahlsystem kennt, muss man diese für plausibel, wenn auch schwer nachweisbar halten. Eine Nation, die mangels Einrichtungen wie „Personalausweis“ oder „Melderegister“ nicht mal genau weiß, wer da eigentlich wählen darf und wer nicht, begibt sich mutwillig und gewollt in diese Position. Geliefert wie bestellt, um einen bekannten deutschen Blogger zu zitieren.
Eines kann man aus europäischer Perspektive jedenfalls festhalten: verschiedene Katastrophen, die angeblich ganz sicher eintreten, wenn Trump Präsident wird, wurden prognostiziert. Aber wirklich vorbereitet darauf hat man sich nicht. Ich sage nur Ukraine-Krieg. Ein absolutes Desaster, und ein erstklassiges Beispiel dafür, woher Politikverdrossenheit kommt: erst große Töne gespuckt, und dann fast drei Jahre nahezu das Gegenteil gemacht. Ob das allerdings reicht, um sich Harris als Präsidentin zu wünschen, nur um der hiesigen Politik die „Trump ist schuld“-Ausrede zu nehmen – so weit würde ich dann doch nicht gehen. Viele ihrer Positionen sind so eindeutig linksradikal, dass man es nicht übers Herz bringt, den Amis diese Präsidentin zu wünschen und von Herzen zu gönnen.