Omikron-Zahlen-Update

Noch immer ist weitgehend unklar, inwiefern eine Omikron-Infektion verglichen mit Delta schwere Verläufe verursacht. Ganz zu Anfang hieß es aus Südafrika: alles harmlos, keine schweren Verläufe. Und auch die Zahlen aus Großbritannien verhießen zwar alarmierende Fallzahlen, aber wenig spektakuläre Krankenhaus-/ICU-Zahlen – und auf letzteres kommt es bekanntlich an.

Beide Länder sind durchaus interessant aus deutscher Sicht – Südafrika, weil die Omikron-Welle dort schon wieder abflaut (Peak kurz vor Weihnachten) und man daher ungefähr jetzt die daraus resultierenden schweren Fälle und Todeszahlen anschauen kann – natürlich immer unter Berücksichtigung des deutlich niedrigeren Durchschnittsalters der Südafrikaner, dem leicht unterentwickelten Meldewesens (wobei – ob das wirklich schlechter sein kann wie hierzulande) und der gänzlich anderen Zahlen bezüglich Geimpfter, Genesener und Geboosterter. GB ist interessant, weil die Welle gerade auf den Höhepunkt überschritten hat, während sie bei uns erst im Anstieg begriffen ist, und GB uns relativ ähnlich ist was Bevölkerungsdichte, Impfquote und Altersdurchschnitt angeht – größter Unterschied ist der deutlich weitere Fortschritt der Boosterkampagne (GB hat über 10%punkte der Bevölkerung mehr aufgefrischt als wir hier) und die deutlich höhere Zahl Genesener sowie eine bessere Impfquote in der Risikogruppe.

So richtig positiv stimmt diese Zahlenakrobatik im Moment leider nicht. Südafrika zeigt einen deutlichen Anstieg bei den COVID-19-Toten in den letzten zwei Wochen. Deutlich unter dem Niveau der letzten großen Welle von Juli/August, aber schon signifikant. Ob der Hochpunkt schon erreicht ist, kann man noch nicht erkennen. In GB steigen die Todeszahlen gerade recht zügig, diese Höhe lag zuletzt Anfang November vor, aber ist natürlich weit entfernt von der Zeit vor der Impfung. Aber vergleichbar mit der Delta-Zeit nach der großen Impfkampagne, was dafür spricht, dass die Omikron-Kombination “infiziert Genesene und Geimpfte besser, führt zu weniger schweren Verläufen” am Ende ungefähr auf dasselbe rausläuft wie Delta – aber das ist nur eine Momentaufnahme, mehr wird man für GB erst in drei bis vier Wochen sagen können, wenn der Scheitelpunkt der Omikron-Welle sich in den Todeszahlen niederschlägt. Viel bedenklicher ist die Betrachtung für GB in punkto Hospitalisierung: hier ist seit Anfang Dezember ein stark steigender Trend zu sehen. Von 5000 wöchentlichen Neueinweisungen Anfang Dezember hat sich GB inzwischen auf 15000 hochgearbeitet, und der Trend scheint ungebrochen. Für Südafrika sieht das harmloser aus: hier ist der Peak der Welle schon länger Vergangenheit, die absoluten Zahlen liegen aber noch deutlich über den aktuellen Zahlen für Deutschland, was zeigt, dass das Narrativ “Omikron ist ein harmloser Schnupfen” auch nicht unbedingt trägt.

Es bleibt spannend. Die Chancen für Ungeimpfte, nach der Welle entweder zu “genesen” oder zu “gestorben” zu gehören, ist groß.

Über die Merkwürdigkeit der Corona-Debatte am praktischen Beispiel

Mindestens seit Beginn der Impfkampagne, eher schon seit den ersten Studienphasen beim Testlauf der mRNA-Impfstoffe, gibt es auf einer Seite der Diskussion eine Behauptung: dass die mRNA-Impfstoffe in Wahrheit gar keine Impfstoffe seien, sondern vielmehr eine Gentherapie (oft auch zur Verstärkung “experimentelle Gen-Therapie” genannt). Ich will an diesem Beispiel zeigen, was mir in der ganzen Debatte so auf den Senkel geht, was es so unendlich mühselig macht. Und es soll gar nicht darum gehen, dass es vollkommen unlogisch ist, sich vehement gegen die Impfung zu wehren, obwohl alternativ sowohl vektorbasierte Impfstoffe als auch Totimpfstoffe zur Verfügung stehen – OK, die wirken halt lange nicht so gut, aber wenn man sowieso der Meinung ist, dass COVID-19 nur eine leichte Erkältung ist, sollte das ja kein Problem sein.

Ich will auch gar nicht darauf eingehen, dass eine “Therapie” normalerweise erst nach der Erkrankung folgt und die COVID-19-Schutzimpfung nun mal definitiv vor der Erkrankung verabreicht wird und werden muss. Und ich will auch hier gar nicht abschweifen und darauf hinweisen, dass es durchaus Impfungen gibt, die noch nach der Infektion verabreicht werden können und trotzdem wirksam sind. Und ich will auch nicht darauf eingehen, dass es eigentlich ja wurschdegal ist, ob es nun eine “echte” Impfung oder eine Gentherapie ist – Hauptsache es hilft. Es geht mir mehr um die Denkstrukturen und Denkabläufe hinter solchen Debattenbeiträgen.

Auslöser: heute habe ich auf Twitter einen Beitrag gesehen (verlinkt aus einem Blogpost), dass es nun als eindeutig belegt gelten kann, dass die mRNA-Impfung gar keine “echte” Impfung sei, sondern eben eine Gentherapie. Als Zeuge wird aufgerufen: eine Veröffentlichung von BionTech selbst – der 2019-NASDAQ-Jahresbericht. Es werden verschiedene Teile (übersetzt) zitiert, die in der Tat darauf hinweisen könnten, z.B. “No mRNA immunotherapy has been approved, and none may ever be approved. mRNA drug development has substantial clinical development and regulatory risks due to the novel and unprecedented nature of this new category of therapeutics.”

Was bei solchen Sachen oft hilft: vollständiges Lesen, und verstehendes Lesen. Stellt sich raus: Impfungen gelten allgemein als zugehörig zum englischen Begriff “immunotherapy” und auch dem passenden deutschen “Immuntherapie”, wie sogar die Wikipedia weiß. Aber genauso wird er verwendet für Medikamente, die das Immunsystem z.B. zwecks erfolgreicherer Krebsbekämpfung anregen sollen. Eben etwas, das in das Immunsystem eingreift, um es (hoffentlich) besser zu machen. Wer ein wenig die Geschichte von BionTech verfolgt hat und an was da so geforscht wurde: ja, das passt. Zwar hatte man in diversen Forschungsfirmen Anfang der Nullerjahre an einem SARS-CoV-1-Impfstoff gearbeitet, aber dieses Virus verschwand bekanntlich lange bevor ein Impfstoff fertig war. BionTech fokussierte sich deshalb hauptsächlich auf den Einsatz der mRNA-Technologie zur Krebsbekämpfung.

Hingegen wird später im Bericht auf mögliche Impfungen basierend auf mRNA-Technologie hingewiesen: “We are collaborating with Pfizer to develop an influenza vaccine and Pfizer and Fosun Pharma to develop a COVID-19 vaccine, each through our mRNA-based immunotherapy technology”. Wer einigermaßen Englisch versteht, dem wird spätestens hier klar: aha, mRNA ist die Technologie, und BionTech arbeitet an vielerlei Anwendungen dieser Technologie, darunter offenbar Therapien (z.B. monoklonale Antikörper, die im Kampf gegen schwere COVID-19-Verläufe eingesetzt werden – US-Präsident Trump wurde damit z.B. behandelt, ist aber sauteuer) und Medikamente und Impfungen. Rätsel gelöst, der Bericht redet in der Hauptsache gar nicht von mRNA-Technologie im COVID-19-Impfstoff-Kontext, sondern vom vollen BionTech-Portfolio, und damit muss man schon den Kontext beachten, wenn man aus dem Bericht zitiert. Und die Warnungen zwischendrin, inklusive Hinweise, dass es sich hier noch nicht um markfähige Produkte handelt, müssen in so einem Börsenbericht zwingend sein – Optimismus ist da nicht erlaubt, da würde die Börsenaufsicht dazwischengrätschen.

Und jetzt der Abschlussgag: der Bericht enthält eine schöne Abgrenzung zu “handelsüblichen” Gentherapien (die dauerhafte Änderungen an Zell-DNA vornehmen und damit bezüglich möglicher Nebenwirkungen natürlich in einer ganz anderen Liga spielen) und beklagt, dass mRNA-Technologie in USA und Europa fälschlicherweise ebenfalls diesem Komplex zugeschlagen wird (“irrespective of the mechanistic differences between gene therapies and mRNA”) – was gleichzeitig deutlichst unterstreicht, dass gerade BionTech den Impfstoff NICHT als Gentherapie sieht. Es handelt sich also um eine regulatorische Einordnung, nicht um eine wissenschaftliche. Komischerweise wird hier in diesem speziellen Punkt dann FDA und EMA allerhöchste Glaubwürdigkeit zugebilligt, was in punkto Zulassung der Impfstoffe in gewissen Kreisen ja eher zurückhaltend gesehen wird. Und hier setzt jetzt die Fortsetzung der Verschwörungserzählung ein: weil das inzwischen geändert wurde, haben damit die Behörden selbstverständlich böswillig die mRNA-Technologie quasi nachträglich reingewaschen! Fragt sich nur, warum das von Interesse sein sollte: entscheidend bei Impfung und Medikament sollte doch dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit sein, wen hätte es überhaupt interessiert, unter welcher Fahne Corminaty seinen Siegeszug angetreten hätte? Es ist ja auch nichts davon bekannt, dass Gentechnikgegner so Segnungen der Zivilisation wie gentechnisch hergestelltes Insulin verweigern.

Leichtgläubigkeit gepaart mit Unwissenheit ist halt eine zuweilen ungünstige Kombination. Und führt zu idiotischen Talking Points wie “Bill Gates” oder “nur ein leichter Schnupfen” oder “die Schweinegrippe war der Probelauf” oder “in Land XY gibt es gar kein Problem” oder “PCR-Tests sind häufig falsch-positiv” oder “die Pandemie wurde nur herbeigetestet” oder “an ABC sieht man, dass Corona kein Problem ist” oder “die ganzen Geimpften Infizierten zeigen, dass die Impfung unwirksam ist” oder “tausende Intensivbetten wurden abgebaut” oder “die Krankenhäuser waren nie überlastet” oder “Klaus Schwab ist der Hauptstrippenzieher” oder “die Bilderberger kontrollieren das alles”. Wer nichts weiß, muss alles glauben.

Sieben Tage, sieben Posts

Es basierte nicht auf einem (guten?) Vorsatz zum neuen Jahr. Es war einfach ein Zusammenkommen von Schreiblust, Freizeit und Themen im Hinterkopf. Resultat war ein beinahe danischartiger Schreiboutput.

Ist das nun gut oder schlecht? Nur ein kurzes Aufflackern oder dauerhaftes Niveau? Nur eine Episode oder der Beginn einer Tradition? Stehen am Ende 2022 8 Beiträge oder 365 Beiträge im Jahr in der Historie?

Niemand ist so gespannt wie ich, wie sich das weiter entwickelt.

Gedanken zur Impfpflicht

Das soll jetzt keine juristische Abhandlung sein. Denn besonders bei dieser Frage herrscht wie so oft die Willkür der “Verhältnismäßigkeit”, die weit auslegbar ist, und zwar in jede Richtung, gerne je nach Tagesform. In der Vergangenheit gab es in der Bundesrepublik schon die allgemeine Impfpflicht gegen Pocken, das wurde sogar explizit vom Verfassungsgericht als verfassungskonform eingestuft. Es gibt nun ungefähr vierhundertdrölfzig Gründe, warum eine COVID-19-Schutzimpfung genau dasselbe oder etwas völlig anderes ist – kurz: es ist eine müßige Diskussion, die kein Ende finden wird. Gäbe es hypothetisch gesprochen eine COVID-19-Impfpflicht, und das Verfassungsgericht würde dessen Verfassungskonformität bestätigen, würde die Diskussion trotzdem weitergeführt werden.

Es schwirren sehr merkwürdige bis zweifelhafte Argumente bei dieser Diskussion durch den Raum. Beispielsweise “die Politik hat versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird”. Die Politik hat schon viel versprochen – “mit uns keine Mehrwertsteuererhöhung”, oder “die Rente ist sicher”, oder “die EZB wird derselbe Schutzanker gegen Inflation sein wie die Bundesbank”. Wer’s geglaubt hat, dem ist wirklich nicht zu helfen.

Auch ein Klassiker: weil es keine sterile Impfung ist, darf es keine Impfpflicht geben. Ein schwachsinniges Argument, denn Grund für die Impfung ist ja die Kontrolle der Auswirkungen von SARS-CoV-2 bzw. COVID-19 auf die Gesellschaft, und da ist die Impfung nach allen vorliegenden Daten hervorragend geeignet – schwere Verläufe, die im Krankenhaus oder gar auf der Intensivstation landen, werden zu einem seltenen Ereignis, und damit droht die Gefahr der Überlastung des Gesundheitswesens nicht mehr länger.

Ein anderer Klassiker: aufgrund des verfassungsmäßig garantierten Rechts auf körperliche Unversehrtheit ist eine Impfung Privatsache. Das wäre nur richtig, wenn eine schwere COVID-19-Erkrankung nicht den Rest der Gesellschaft signifikant betreffen und letztlich gefährden würde. Solange man Ungeimpften nicht die Behandlung in den Krankenhäusern der Republik verweigert, landen wir wieder bei der Abwägungsfrage der Verhältnismäßigkeit, die letztlich auf eine Risikobewertung der Impfung hinausläuft. Nach dem weltgrößten Impffeldversuch in 2021 kann man mit einiger Sicherheit sagen, dass das Risiko einer Impfung extrem gering ist, das Risiko einer Erkrankung hingegen nicht. Nimmt der Staat seine aus dem Grundgesetz abgeleiteten Schutzpflichten ernst, muss er handeln – ob eine Impfpflicht hier das richtige Mittel ist, darf trotzdem diskutiert werden.

Selten dumm sind Einlassungen von Politikern, die eine Impfpflicht wollen, aber keine Gefängnisstrafe bei Verstößen. Irgendeine Sanktion muss es ja geben für solche Pflichtverstöße, wenn die Impfpflicht nicht nur auf dem Papier existieren soll – und typischerweise bedient man sich hier der Geldstrafe als Mittel. Wenn einer nicht zahlt, kommt automatisch das Mittel der Beugehaft zur Anwendung. Soll man nun daraus schließen, dass diese Politikerforderung stillschweigend ebenfalls fordert, keine Sanktion für Verstöße gegen die Impfpflicht vorzusehen? Oder vielleicht nur “Ermahnung und gutes Zureden”? Hört sich in der Tat sehr dumm an.

Eine für mich offene Frage ist, ob es mildere Mittel gibt als die Impfpflicht. Wenn das Ziel ist, das Gesundheitssystem vor der Überlastung zu schützen, kann es ja nur darum gehen, die Zahl der Infektionen in der Gruppe der Ungeimpften – möglicherweise altersabhängig, weil mit dem Alter bekanntlich das Risiko eines schweren Verlaufs stark ansteigt – unter Kontrolle zu halten. Da die Impfung keine sterile Impfung ist, muss man diese Menschen also durch andere Maßnahmen vor Infektion schützen, also z.B. von nicht lebensnotwendigem Kontakt mit der Bevölkerung ausschließen – klingt nicht nur unschön, ist es auch. Die Option “isoliert sterben lassen” halte ich für ethisch nicht vertretbar, und ich weiß nicht mal, ob man durch eine Willenserklärung wie eine Patientenverfügung sowas überhaupt juristisch eindeutig formulieren könnte – jedenfalls glaube ich nicht, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung grundgesetzkonform ausgestaltet werden könnte. Ist aber nur so ein Gefühl. Jedenfalls scheint mir bei den Alternativen die Impfpflicht ein vergleichsweise sehr mildes Mittel zu sein.

Möglicherweise wird die Diskussion durch die Omikron-Variante auch stark abgekürzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Mitte des Jahres noch eine relevante Anzahl von Menschen weder geimpft noch genesen noch verstorben ist, schätze ich als relativ gering ein. Muss man die Zahl der Infektionen und die Infektiösität nicht mehr per Impfung oben halten (und dass das geht, wenn auch nur für einen begrenzten Zeitraum, kann man anhand der israelischen Daten sehr gut nachvollziehen), sondern nur noch den schweren Verlauf verhindern, wird es vermutlich ausreichen, jährlich so gegen Oktober die Risikogruppe zu impfen – damit hätte COVID-19 den langen Weg von der Pandemie zur influenzaähnlichen endemischen Situation zurückgelegt. Es wird spannend sein, ob Länder, die die Impfpflicht schon für die nächste Zukunft angekündigt haben, davon wieder abrücken werden.

Bin ich nun für oder gegen eine Impfpflicht? Als Erzliberaler natürlich dagegen. Allerdings bin ich auch ein Verfechter der “wer bestellt, zahlt”-Theorie und würde stattdessen eine Haftpflichtversicherung für Ungeimpfte bevorzugen, um die entstehenden Mehrkosten bei notwendiger Behandlung und eventuellen Spätschäden eigenverantwortlich abzudecken. Natürlich mit hoher Selbstbeteiligung, denn man kann das Risiko ja selbst stark beeinflussen. Wie alle liberalen Konzepte wird aber auch dieses nicht umgesetzt werden.

Abschließend: eine Gesellschaft, die so risikoavers ist wie unsere und sich für Gurtpflicht, Helmpflicht, Rauchverbot, Kernenergieausstieg und Diesel-Fahrverbote entscheidet, muss sich nach meinem Dafürhalten logisch zwingend auch für eine Impfpflicht entscheiden.

Der CO2-Preis für Autofahrer

Nicht alle Steuerzahler sind gleich. Traditionell wird der Autofahrer in Deutschland besonders geschröpft, und beim Klimaschutz macht die Politik da logischerweise keine Ausnahme. Wobei, es ist spezifisch der Verbrenner-Autofahrer, der hier zur Kasse gebeten wird.

Zur Illustration will ich ein Fallbeispiel vorrechnen. Ein benzinbetriebenes Neufahrzeug, frisch angemeldet, 6l/100km Verbrauch, Jahresfahrleistung 10000km, erwartete Lebensdauer 20 Jahre. Schöne runde Zahlen, damit es einfacher zu rechnen ist.

Seit 1.1.2022 ist die CO2-Steuerkomponente auf Benzin erneut erhöht worden (das passiert seit 2021 jährlich), zugrundeliegend ist ein CO2-Preis von derzeit 30€ pro t, das wird zukünftig jährlich steigen. 1l Benzin verbrennt zu etwa 2,3kg CO2. Am Ende stehen damit – die MwSt. kommt selbstverständlich auf die CO2-Steuer oben drauf – ein Mehrpreis von etwa 8,5ct/l Benzin.

Die KfZ-Steuer hat seit einiger Zeit auch eine CO2-Komponente, mit spannenden Regulierungsdetails, die jeglichen Sinn vermissen lassen – ganz abgesehen vom Wahnsinn, hier einen “Basispreis” ab dem ersten km festzulegen, obwohl definitiv der CO2-Ausstoß nur stattfindet, wenn das KfZ auch bewegt wird, die optimale Steuer für diese Zwecke also zweifellos die Spritsteuer ist, weil die auch so Dinge wie “fährt wie die gesengte Sau” und “fährt gerne nutzlos durch die Gegend” präzise erfassen kann. Aber das Ziel staatlicher Steuern ist natürlich neben “Geld einnehmen zwecks sinnlosem Verprassen” auch “wir gängeln und erziehen den Bürger”. Jedenfalls – unrealistischerweise davon ausgehend, dass der Zyklusverbrauch genau dem realen Verbrauch von 6l/100km entspricht – sind diese 6l/100km etwa 138g CO2/km, und damit über 135g/km und damit im Kostenbereich “2,50€ pro g CO2/km über 95”, also etwa 110€ pro Jahr.

Nun gibt es natürlich auch noch die EU, die die Hand aufhält. Die verhängt Strafzahlungen basierend auf dem Flottenverbrauch eines jeden Herstellers, mit allerlei sinnlosen Detailregelungen wie “schwere Fahrzeuge kosten weniger als leichte” und “zugrunde liegt der NEFZ, nicht der WLTP” und natürlich “die 5% verbrauchsintensivsten Fahrzeuge dürfen gestrichen werden” und natürlich “Elektroautos werden übergewichtet und gehen zusätzlich mit 0g CO2/km in die Flotte ein”. Jedenfalls liegt die Strafzahlung pro verkauftem PKW bei 95€ pro g CO2/km über dem derzeitigen Flottengrenzwert von 95g CO2/km. Macht in unserem Beispiel also rund 4000€, also 200€ bei den angesetzten 20 Jahre Lebensdauer.

Der fiktive Autofahrer in meinem Beispiel zahlt also pro Jahr 310€ “Grundgebühr” ab dem ersten km, und zusätzlich für die tatsächlich gefahrenen 10000km bzw. 600l Benzin nochmal 51€. Sein Jahresausstoß von 1380kg CO2 kostet ihn also 361€.

Nun gehen wir spaßeshalber mal auf die Webseite von einem der CO2-Ablasshandelunternehmen wie “atmosfair” und schauen, was es uns dort kosten würde, 1380kg CO2 zu kompensieren. Antwort: 32€.

Der Staat macht also aus 32€ “Wert” nicht weniger als 361€ “Kosten”. Sauber.

Zum Vergleich: der Elektroautofahrer zahlt keine KfZ-Steuer (bzw. bei Erstzulassung seit 1.1.2021 nur eine kleine, basierend auf dem Fahrzeuggewicht, also entfernt ähnlich zum hubraum-basierten KfZ-Steueranteil bei Verbrennern), seine auf Basis der hiesigen CO2-Intensität des Strommixes von derzeit etwa 360g/kWh (nächstes Jahr eher mehr, wegen der Abschaltung der Kernkraftwerke) eigentlich fälligen Zahlungen für die verbrauchten schätzungsweise 2000 kWh oder umgerechnet 720kg CO2 (und wir verkneifen uns den Hinweis, dass natürlich der Ladestrom nicht aus dem “Durchschnitt” kommt, sondern aus fossilen Kraftwerken, die diesen zusätzlich notwendigen Strom bereitstellen müssen) fallen nicht an wegen “keine CO2-Besteuerung des Stromes”, und die EU gibt noch einen Bonus an die Hersteller bei der Flottenverbrauchsberechnung.

Wenn zwei das Gleiche tun – CO2 ausstoßen durch Individualverkehr – ist es eben noch lange nicht dasselbe.

E-Auto-Update 2022

Lange nichts mehr zum Themenkomplex “Elektroauto” geschrieben. Die Meldung, dass die Deutsche Post nun ihren Verlustbringer Streetscooter an den Mann bzw. den Investor gebracht hat – ohne sich gänzlich davon zu verabschieden, dafür war das Investment viel zu teuer und der große Haufen existierender Fahrzeuge will ja auch gepflegt und gewartet werden, da bietet es sich an, eine Minderheitsbeteiligung zwecks Einflussnahme zu behalten – hat diesen Beitrag indirekt veranlasst.

So viel vorweg: ich habe mich Ende 2021 erneut für einen (gebrauchten) Benziner entschieden – Gründe dafür waren unter anderem die Ladesituation, die Verfügbarkeit, die jährliche Fahrleistung, der Kaufpreis, der Ladestrompreis, der regelmäßige Transportbedarf und das Streckenlängenprofil. Jeder einzelne Grund wäre schon für sich schwerwiegend genug, um von derzeit verfügbaren E-Auto Abstand zu nehmen, nimmt man alle Gründe zusammen ist es ein “no-brainer”.

Was die Verkaufszahlen angeht, sind die Elektroautos und mit Abstrichen die Plug-In-Hybride ja durchaus auf dem Vormarsch, die Wachstumsraten erheblich (wenn auch kommend von niedrigem Niveau). Man sieht aber auch, dass der Erfolg ziemlich stark mit den von Staat zu Staat sehr unterschiedlich ausgestalteten Subventionen zusammenhängt – von daher ist es letztlich selten Markterfolg, sondern eher Subventionserfolg, wenn die Verkaufszahlen steigen. Hierzulande dürfte nicht nur die Kaufprämie in geradezu dramatischer Höhe ein gewaltiger Kaufanreiz sein, sondern auch die Bevorzugung beim geldwerten Vorteil in der Firmenwagenregelung. Ein Plug-In-Hybrid rechnet sich dadurch sehr schnell gegenüber einem klassischen Verbrenner, und der Geldbeutel war schon immer ein exzellentes Argument. Dazu kommt, dass gerade im Bereich der typischen höherklassigen Firmenwagen-Limousinen das Angebot an Elektrovarianten auch besonders groß ist.

Ob der weiteren Entwicklung der Verkäufe bin ich skeptisch, sollten die Subventionen mal massiv zurückgefahren werden. Denn nach wie vor ist es eher schwierig, jenseits von Minderheitenanwendungen einen überzeugenden Use-Case für die E-Autos zu konstruieren. Die CO2-Intensität unseres Strommixes ist nach wie vor viel zu hoch, die Akkupreise sind zu hoch, das Ladenetz zu dünn, die Ladezeiten zu lang, der Ladestrom zu teuer, die Fahrzeugauswahl zu klein, der Gebrauchtwagenmarkt zu mickrig. Praktische Butter-und-Brot-Autos vom Schlage “Kompaktklasse-Kombi unter 20000€” sind nach wie vor nicht erhältlich, und wer nicht ein entsprechendes Fahrprofil hat und zuhause laden kann, tut sich immer noch schwer bei der schmerzarmen E-Auto-Nutzung. Vereinfacht gesagt: der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage auf dem Dach und Bedarf für einen kleinen Zweitwagen für die Kurzstrecke kann durchaus mit der aktuellen Modellauswahl von Renault über Hyundai und Kia bis Opel leben, sofern er sich einen Neuwagen leisten will – auf dem Gebrauchtmarkt sieht es zappenduster aus, und ob sich der in den nächsten Jahren wirklich gut entwickelt, steht in den Sternen. Da die Entwicklung der E-Autos im Moment eher noch zügig von statten geht, ist nicht davon auszugehen, dass der Wertverlust ähnlich niedrig wie bei den Verbrennern sein wird. Ein 10 Jahre altes E-Auto wird alleine aufgrund des unklaren Akkuzustands nur schwer verkäuflich sind, und in so einer Marktsituation tendieren die Nutzer dazu, die Nutzungsdauer deutlich zu verlängern.

Interessant ist – wie immer – ein Blick auf Tesla, das entgegen meinen Unkenrufen die finanzielle Situation erfolgreich konsolidiert hat und inzwischen auch jenseits von verkauften CO2-Zertifikaten an den Rest der Autoindustrie in der Gewinnzone ist. Die Zeit der Verluste scheint vorbei, und es wäre wohl an der Zeit, dass vor allem der deutsche Steuerzahler mal ein Dankesschreiben für die über Jahre andauernde Rettung der Firma erhält. Ich schätze, in 2022 könnten durchaus in der Region von einer Million Teslas weltweit verkauft werden, sofern so viele überhaupt produziert werden können. Aber Tesla kämpft aktuell mit erheblichen Risiken, die Konkurrenzsituation hat sich verschärft, die Alleinstellungsmerkmale sind weitgehend Vergangenheit, und die Qualitätsprobleme tendenziell ungelöst. Dazu kommt die Überalterung des margenstarken Teils der Produktpalette, was sich auch in den einzelnen Verkaufszahlen der Modelle widerspiegelt. Nur das Marketing funktioniert exzellent und wie gewohnt – bei welchem Autohersteller wäre es schon denkbar, dass quasi im Tagestakt Meldungen in der überregionalen Presse bezüglich des Baufortschritts einer schnöden Produktionsstätte erscheinen.

Insgesamt finde ich die Fortschritte bei der E-Mobilität noch eher überschaubar – die Akkus haben einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, sind aber immer noch verhältnismäßig teuer und vor allem konstruktiv aufwändig bei der Integration – nur mit ausgefuchstem Temperaturmanagement und großen Kapazitäten erreicht man eine erträgliche Lebensdauer bei guter Schnellladefähigkeit, und diesen Integrationsaufwand wiederum ist im naheliegenden Anwendungsfall “kleiner Zweitwagen” eher nicht zu finden. Auch das Ladenetz hat durchaus Fortschritte gemacht, und auf der Langstrecke gibt es inzwischen halbwegs erträgliche Lösung dank der neuen Schnelllader jenseits der Tesla-eigenen Supercharger. Aber die Preise für den Ladestrom aus diesen Schnellladern sind natürlich auch exorbitant, so dass man im Einzelfall durchaus nochmal nachrechnen sollte, ob der versprochene niedrigere Kilometerpreis beim E-Auto überhaupt noch existiert. Die Idee, dass jeder Supermarkt seinen Parkplatz mit ausreichend kostenlosen Ladeplätzen ausstattet, ist jedenfalls nicht Wirklichkeit geworden. Der lokale Aldi ums Eck hat immer noch nur eine einzige Ladestation, die über die Dauer des typischen Einkaufs eher nicht in der Lage ist, den Stromverbrauch der Hin- und Rückfahrt zu ersetzen. Falls sie überhaupt gerade frei ist. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die Zahl der verfügbaren Ladesäulen pro existierendem Elektroauto in 2021 überhaupt zugenommen hat. Sicher ist hingegen, dass der Ladestrom deutlich teurer geworden ist, und angesichts steigender Strompreise wird sich dieser Trend vermutlich fortsetzen – und so schließt sich der Kreis, und der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage verbleibt als Zielgruppe.

Fortschritte beim typischen Stromverbrauch gab es leider auch nur begrenzt, interessanterweise schwanken die Verbrauchswerte aber ziemlich – Hyundai scheint da gerade die Nase vorne zu haben und kommt in den Tests (inklusive Ladeverluste) auf realistische 16 kWh/100km, während die Renaults, VWs, Opels und Teslas dieser Welt eher im bekannten Mittelfeld von rund 20 kWh/100km beheimatet sind. Und damit sind wir wieder beim Ladeproblem: die typische 11kW-Wallbox in der heimischen Garage braucht also im Idealfall 2h, um schlappe 100km Reichweite nachzuladen. Je nach Fahrprofil ist das irgendwo zwischen absolut ausreichend und viel zu langsam, aber es sollte klar sein, dass oft propagierte Ideen wie “nur laden wenn die PV-Anlage gerade Überschüsse produziert” oder “wir nutzen Fahrzeugakkus zur Netzstabilisierung” komplett abwegig sind. Wenn das Fahrzeug am Kabel hängt, sollte es auch laden, und zwar so viel und schnell wie möglich, weil es eh schon viel zu lange dauert. Und dafür reicht die Schuko-Steckdose der vorhandenen Strominstallation in der Garage bei weitem nicht aus, es sei denn man fährt nur zweimal die Woche auf er Kurzstrecke Auto – dann sollte man sich aber umso intensiver überlegen, ob ein E-Auto (oder generell ein Auto) überhaupt Sinn ergibt.

Auch nicht erfüllt haben sich die Hoffnungen bezüglich signifikant reduzierter Wartungskosten bei den E-Autos gegenüber den Verbrenner-Brüdern. Das liegt zum einen daran, dass der typische unkomplizierte Benziner-Antriebsstrang heutzutage – wenn man nicht gerade mutwillig den Turbo kaputtfährt – eine sehr zuverlässige Angelegenheit ist und große Reparaturen innerhalb von 150000km eher die Ausnahme sind, zumal eine zusätzliche Absicherung über eine Garantieverlängerung extrem preiswert ist (was wiederum dafür spricht, dass die durchschnittliche Zuverlässigkeit der teuren Komponenten sehr hoch ist). Und die Verschleißteile sind bei den E-Autos eben ähnlich wie bei den Verbrennern, von der Beleuchtung über die Reifen bis zu – bei manchen Herstellern – die Bordelektronik, dazu kommt noch der Akku als drohendes Totalschadenrisiko im Hintergrund. Dass man bei Plug-In-Hybridfahrzeugen “worst of both worlds” hat, dürfte sich von selbst verstehen.

Zum Abschluss noch eine kurze Überschlagsrechnung mit schönen geraden Zahlen im Lichte dieser Erkenntnisse. Benzin kostet 2€ pro l, die kWh Fahrstrom 50ct (Ionity ruft am Schnelllader gerade 79ct/kWh auf, man sollte also tunlichst hauptsächlich zu Hause laden). Als Realverbrauch eines einigermaßen modernen, ausreichend motorisierten mittelgroßen Benziners kann ich 6l/100km vermelden. Bei angenommenen 20 kWh/100km kosten 100000km Fahrleistung also benzintechnisch 12000€ vs. stromtechnisch 10000€. Dabei hat der Benziner dann etwa 10t CO2 ausgestoßen, was selbst nach derzeitigem Plan mit 50€/Tonne ab 2025 übers Autoleben gerechnet dann gerade mal 500€ ausmacht. Selbst wenn man den CO2-Ausstoß bei der Stromproduktion vernachlässigt, fragt man sich schon, warum es aus Klimaschutzgründen sinnvoll sein soll, 9000€ Kaufprämie auszuschütten (wobei ehrlicherweise nur 6000€ echt ausgeschüttet werden, weil die restlichen 3000€ vom Hersteller kommen, der das vorher natürlich auf den Kaufpreis draufgeschlagen hat) um damit in Summe CO2 im Wert von 500€ einzusparen. Und dabei sind die anderen CO2-Steuern sowohl auf die KfZ-Steuer als auch die seit Januar 2021 erhobene CO2-Steuer auf Benzin von 10ct/l als auch die CO2-Strafabgaben der Automobilhersteller bei Überschreiten des Flottengrenzwertes noch gar nicht berücksichtig. Kaum etwas könnte politischen Irrsinn besser illustrieren als diese Gesamtgemengelage. Und am Ende beklagt man sich über “Marktversagen”, nachdem man erstmal den einzig entscheidenden Faktor der Marktwirtschaft, nämlich den Preis, willkürlich verzerrt hat.

Nehmen wir für einen kurzen Moment an, Fahrstrom wird mit einer ähnlichen Steuer- und Abgabenlast belegt wie Benzin. Die Subventionen des E-Autos von der KfZ-Steuer über die Zuschüsse für Ladestationen bis zur Kaufprämie werden eingestellt. Der echte CO2-Ausstoß je verbrauchter kWh Fahrstrom wird abkassiert. Wer bei klarem Verstand würde da ein E-Auto kaufen?

Alle Reflexe noch intakt

Dank der neuen Beschlussvorlage der EU-Kommission zur “Taxonomie von nachhaltigen Aktivitäten”, die nun auch die Kernenergie mit dem Label “Nachhaltige Lösung” versieht, konnte man am Rauschen im Blätterwald wieder gut erkennen, dass vor allem bei den Grünen in Deutschland alle alten Reflexe aus der Gründerzeit noch intakt sind.

Nun kann man von Kernenergie ja halten, was man will – wie alle Energieerzeugungsarten hat sie sowohl Vorteile als auch Nachteile. Aber man kann wohl kaum ernsthaft bestreiten, dass die Kernenergie bezüglich entscheidender Parameter mindestens so “grün” und “nachhaltig” ist wie Photovoltaik oder Windkraftanlagen, bezüglich so profaner Dinge wie echtem Umwelt- und Naturschutz sogar um einiges nachhaltiger, weil der Flächenbedarf und der Stromleitungsbedarf und die Notwendigkeit des Überangebots zwecks Speicherung und die notwendigen Stoffströme und die Rohstoffintensität eben deutlich niedriger anzusetzen sind. Von den niedrigeren Preisen, der höheren Versorgungssicherheit, der Tauglichkeit für Wärmeanwendungen und der viel einfacher zu erlangenden Netzstabilität ganz zu schweigen. Wenn es also eine Energieerzeugungstechnik gibt, die das Prädikat “Nachhaltigkeit” sich redlich verdient hat, dann die Kernenergie.

Aber Fakten haben die grüngekleideten Rotfrontler der Grünen und der SPD noch nie gestört, und so durfte jeder sein Lieblingssprüchlein aus der Mottenkiste der Antiatomkraftschwurbeleien aus den goldenen 70ern und 80ern der “Bewegung” aufsagen. Stellvertretend will ich eine besonders dumme Äußerung von Saskia Esken zitieren, die mal wieder eindrucksvoll ihre totale Ahnungslosigkeit gepaart mit reichlich Selbstbewusstsein zur Schau stellt: “Atommeiler produzieren Abfälle, die über Jahrmillionen radioaktiv strahlen und damit das Leben auf unserer Erde gefährden.” Da muss man erst mal drauf kommen – aber vielleicht kann ihr ja ein Parteifreund die Sache mit der Radioaktivität und deren natürliches Vorkommen auf der Erde mal näher erläutern, nebst den Erkenntnissen aus der Medizin zum Themenkomplex “Wirkung von radioaktiver Strahlung auf den menschlichen Körper”. Und vielleicht, nur vielleicht, können ja die Finnen mal eine Führung durch ihr neues Endlager für hochradioaktive Reststoffe für eine deutsche Delegation organisieren. Aber das hätte vermutlich einen ähnlich niederschmetternd geringen Lerneffekt wie eine Führung durchs Konzentrationslager Auschwitz bei einem überzeugten Nazi. Frau Esken ist wirklich ein herausragendes Beispiel für einen Menschenschlag, der völlig zurecht gerne unter “Ewiggestrige” einsortiert wird. Und zusätzlich unter “Merkbefreite”. Und damit als Frau natürlich prädestiniert für höchste Parteiämter.

Der Fairness halber will ich aber auch noch einen durchaus wahren Satz von Saskia Esken herausgreifen und unterstreichen: “Atomstrom ist immer noch der teuerste Strom.” Damit liegt sie bezogen auf Deutschland vermutlich nicht weit von der Wahrheit weg, denn wir haben hier durch komplett überzogene staatliche Regulierung und Gängelung nicht zuletzt unter Trittin als Umweltminister erfolgreich dafür gesorgt, dass Betrieb, Rückbau und vermutlich auch Endlagerung zu maximal denkbaren Kosten geschehen wird. Exemplarisch kann man das an der Entscheidung zur Rückholung der radioaktiven Reststoffe aus dem Versuchsendlager Asse nachvollziehen, eine der allerdümmsten politischen Entscheidungen der Neuzeit, gegen den Rat aller Wissenschaftler. Selbst wenn man sie gelassen hätte, ist zweifelhaft, ob die Eigentümer deutscher Kernkraftwerke große Lust gehabt hätten, die pfennigguten Kernkraftwerke noch die mindestens angemessenen weiteren 20 Jahre zu betreiben.

Aber ich will nicht zu hart zu Saskia Esken sein – sie ist ja quasi universalahnungslos, da erwartet man ja per se keine geistigen Höhenflüge. Beim Thema Kernenergie fallen aber auch Menschen, die zu einigen Themen grundvernünftige Ansichten pflegen, auf die jahrzehntelange Propaganda rein. Aktuell kann man solche Faktenabstinenz bei Fefe nachlesen, der ebenso klassische wie abstruse Antiatomkraftschwurbeleien unkritisch zitiert und verlinkt. Was mal wieder zeigt, dass Experten eben meistens nur zu einem einzigen Themenkomplex Experte sind, bei anderen Themenkomplexen aber häufig komplett ahnungslos bis überfordert sind.

Zurück von der betrüblichen antiwissenschaftlichen Front in die Realität. Mal ganz grundsätzlich: ich persönlich halte eine solche “Taxonomie” für völlig überflüssig – würde die Politik ihrer Aufgabe nachkommen und z.B. über eine allgemeine CO2-Steuer (die natürlich auch importierte PV-Panels, die mit schmutziger Kohlekraft in China hergestellt wurden, betreffen müsste) dafür sorgen, dass Klimaschutz technologieneutral wäre, würde sich nachgeordnet auch die Investmentbranche automatisch für die umwelt- und klimaverträglichen Technologien mehr interessieren als für andere. Aber damit würde man natürlich das Lieblingsinstrument der Politik, die Einzelfallsteuerung mit ständiger Nachjustierung nach politischer Opportunität, aus der Hand geben. So lange es nicht völlig egal ist, ob ich einen Liter Diesel oder einen Liter Heizöl einspare, kann Marktwirtschaft nicht funktionieren. Und so gilt auch hier der alte Spruch: wenn man den Sumpf austrocknen will, darf man nicht die Frösche fragen. Dahingehend ist unser Politikbetrieb eine einzige Sumpflandschaft, und weitestgehend froschgrün. Folgerichtig ist heutiges Politikergeschwätz auch von Gequake nicht zu unterscheiden.

Noch ein Omikron-Detail

Nach allgemeinen Gedanken zu Virus-Mutationen am praktischen Beispiel von SARS-CoV-2 sowie einer ersten Einschätzung zum Wissensstand bezüglich Omikron will ich – auch in Anbetracht der gestrigen Gedanken zur Welt der Pandemie-Kennzahlen – noch auf ein spezielles Detail aufmerksam machen.

Es wurde relativ breit in der Presse berichtet, dass die ersten Ergebnisse bezüglich der Erkrankungsschwere bei Omikron-Infektion darauf hinweisen, dass diese deutlich reduziert ist. Über den Daumen gepeilt verringert sich die Hospitalisierungsrate auf etwa ein Drittel, so diese Ergebnisse. Aber wie immer kommt es auf die Details an. Dass diese recht drastische Reduktion der Zahl der seriös Erkrankten im Angesicht der deutlich höheren Infektiösität von Omikron uns nicht viel Zeit erkauft, habe ich ja schon dargelegt. Es gilt aber auch zu berücksichtigen, dass man noch nicht genau weiß, wie die Erkrankungsschwere mit dem Genesenen- oder Geimpft-Status zusammenhängt. Hauptgrund ist natürlich der katastrophale Zustand der Datenerfassung, der hier leider wieder weiten Raum für Spekulationen offen lässt.

Und so ist es durchaus möglich, dass die beobachtete höhere Infektiösität hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass sich im Gegensatz zu Delta nun auch massiv Geimpfte und Genesene reinfizieren können. Und die Drittelung der schweren Verläufe kann hauptsächlich darauf zurückzuführen sein, dass Geimpfte und Genesene vor schweren Verläufen weiterhin gut geschützt sind. Die Daten aus Südafrika, wo ein Großteil der Menschen schon als bereits infiziert gilt, deuten ja durchaus auch in diese Richtung: die Omikron-Welle ist dort ja recht schnell wieder abgeflacht, was im Angesicht der Teststrategie dort (hauptsächlich bei symptomatischem Verlauf wird getestet) plausibel ist bezüglich des Szenarios “nur symptomlose oder leichte Verläufe bei Geimpften und Genesenen” – die mit starken Symptomen und schweren Verläufe war der kleine Prozentsatz der Bevölkerung, der entweder noch nicht infiziert war oder mit geschwächtem Immunsystem unterwegs ist, und weil dieser Anteil eben sehr klein ist, hat sich die beobachtete Welle sehr schnell wieder abgeschwächt.

Angesichts recht guter Impfquoten sowie ebenfalls einem für europäische Verhältnisse hohen Anteil an Genesenen würde das für Frankreich und UK trotz der ungünstigen Altersstruktur nahelegen, dass zwar die Infektionszahlen durch die Decke gehen, die Zahl der Hospitalisierten und der Intensivpatienten sowie der Toten sich aber in engen Grenzen halten wird. Die Notwendigkeit, bei den Quarantänevorschriften deutlich laxer vorzugehen um mindestens die kritische Infrastruktur aufrechtzuerhalten, wird also nach meiner jetzigen Einschätzung nur für geringere Probleme sorgen als ich zunächst befürchtet hatte. Dank der weiterhin sehr guten Wirksamkeit der Impfung gegen schwere Verläufe. Und wenn sich die bisher spärlichen, aber vielversprechenden Daten zur Langzeitimmunität (manche sprechen von “Superimmunität”) bewahrheiten für Vollständig Geimpfte plus Auffrischung plus Infektion bzw. Genesenen plus Auffrisch-Impfung, sind wir auf einem guten Weg zur Endemisierung des Virus – eine Omikron-spezifische Auffrischung wird dann vermutlich nur für die Risikogruppe 70+ und Immunsupprimierte und gravierend Vorerkrankte notwendig sein.

Kleine Corona-Zahlenkunde

Seit Beginn der Pandemie zeichnen sich Teile der öffentlichen Diskussion rund um COVID-19 und SARS-CoV-2 dadurch aus, dass wild irgendwelche Zahlen durch die Gegend geworfen werden um damit die eigene Lieblingshypothese zu untermauern. Oft wird dabei der Zeitfaktor außer Acht gelassen, und gerne wird genau ein für die eigene Argumentation günstiger Zeitpunkt genutzt, um allgemeingültige Erkenntnisse daraus abzuleiten. Hier ein kleiner Lehrgang, auf was es alles zu achten gilt und wo Vorsicht geboten ist. Und wie man merkt, dass irgendeiner einen verarschen will.

Eine der meistgenannten Zahlen sind die “Fälle” und “Inzidenzen”. Man muss aber stets berücksichtigen, in welchem Kontext diese Zahlen erhoben werden. Beispielsweise wie viele Tests durchgeführt wurden und wie hoch die Positivquote dieser Tests ist. Wenn die Positivquote bei hinreichend hoher Testanzahl irgendwo zwischen 0,1% und 1% liegt, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man eine ganz gute Testabdeckung erreicht hat. Auf den Höhepunkten der großen Infektionswellen in Deutschland lag die Positivquote allerdings bei bis zu 20% – ein sicheres Zeichen dafür, dass die Zahl der Tests nicht mal ansatzweise reicht, um das Ausmaß der Infizierten abzubilden. Zusätzlich ist hier die Aussagekraft der Fallzahlen und Inzidenzen zu berücksichtigen: welches Problem daraus tatsächlich erwächst, kann man nur abschätzen, wenn man die Altersstruktur der Infizierten und deren Impf- bzw. Genesenen-Status kennt – in der zweiten Welle, als der allergrößte Bevölkerungsanteil in Deutschland noch ungeimpft war, konnte man recht sicher sein, dass aus 1000 Infizierten 50-100 Hospitalisierte und 10-20 Intensivpatienten und 5-10 Tote folgten. Mit Fortschreiten der Impfkampagne hat sich das zum weit Besseren gewendet, mit Nachlassen des Schutzes durch Impfung oder Genesung wieder leicht zum schlechteren, mit der Auffrischimpfung wieder zum Besseren. Besonders wenn man internationale Quervergleiche macht, muss man sowohl den Verlauf der Impfquote sowie mindestens das Durchschnittsalter der Bevölkerung berücksichtigen, für eine bessere Abschätzung am besten nach Alterskohortenzahlen aufgesplittet und idealerweise noch Informationen über die zahlenmäßige Verwendung der verschiedenen Impfstoffe, denn deren Wirksamkeit hat sich ja auch als höchst unterschiedlich herausgestellt. Zusatz-Warnung beim Vergleich internationaler Zahlen: in manchen Ländern gilt nicht nur ein laborbestätigter positiver PCR-Test als “Fall”, sondern schon ein positiver Schnelltest.

Bei den Fallzahlen ist auch zu berücksichtigen, dass die Bevölkerungsdichte und die Mobilität eine entscheidende Rolle spielen. Aber letztlich interessieren die Fallzahlen nur als Frühindikator, denn das wirkliche Problem der Pandemie sind ja die schweren Verläufe und Todesfälle. Es bedarf einer Abschätzung auf Basis aller genannter Einflussfaktoren, um aus den Fallzahlen die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. Dummerweise stehen den hiesigen Politikern nur eher schlechte Daten zur Verfügung, und ob sie besser entscheiden würden, wenn die Daten besser wären, kann auch bezweifelt werden.

Weitere wichtige Einflussfaktoren bei den Fallzahlen sind auch die Zahl der durchgeführten (Schnell-)Tests und daraus folgende Aktionen – wie schnell werden Kontaktpersonen identifiziert und getestet, wie sind die Quarantänevorschriften, und werden diese tatsächlich eingehalten und kontrolliert? Länder wie Südkorea und Taiwan sind unter anderem durch sehr schnelle Kontaktnachverfolgung und umfangreiche Testregime – neben konsequenten Einreiseregeln – relativ unbeschadet durch die Pandemie gekommen. Im technologischen Drittweltland Deutschland, wo die Gesundheitsämter inzwischen die Kontaktnachverfolgung an die Bevölkerung delegiert hat und sich große Teile dieser weigern, eine einfache App zu nutzen, sieht das naturgemäß anders aus.

Nicht zu unterschätzen ist übrigens auch der Faktor “Glück”. Man kann das z.B. anhand von Tschechien gut nachvollziehen: quasi keine erste Welle im Frühjahr 2020, die zweite Welle begann dafür schon Anfang September 2020 statt wie bei uns Mitte Oktober. Daran sieht man auch, dass man keine direkten Schlüsse aus “Maßnahmen” auf “Fallzahlen” ziehen sollte – der Zufallsfaktor hat im Einzelfall einen viel zu großen Einfluss, selbst wenn man alle anderen Faktoren mit einbezieht. Tschechien illustriert auch noch etwas anderes sehr schön: noch im Oktober 2021 wähnten manche Tschechien als “durchseucht” und damit weitestgehend immunisiert. Was sich schon im November 2021 als ziemlicher Irrtum herausstellte, mit vielen tausend zusätzlichen Toten, nicht zuletzt aufgrund der geringen Impfquote, und trotz des deutlich niedrigeren Durchschnittsalters als hierzulande. Was letztlich auch erneut beweist, dass die Theorie “es sterben nur die Alten und Schwachen” grundlegend falsch ist, denn die wären in Tschechien schon zum Jahreswechsel 2020/2021 gestorben. Der vielzitierte Harvesting-Effekt zeigt sich auch in den diversen Kurven zur Übersterblichkeit wenig bis überhaupt nicht.

Überhaupt die Übersterblichkeit – es empfiehlt sich, hier genau hinzuschauen. Die einzelnen Jahre der Vergangenheit schwanken ziemlich stark, des Winters ob einer starken oder schwachen Grippewelle, des Sommers wegen gelegentlichen Hitzewellen, und generell ist auch hier der Faktor “Zufall” nicht zu unterschätzen, denn ein Jahr mit ungewöhnlicher Untersterblichkeit wird logischerweise in den Folgejahren zu leichter oder stärkerer Übersterblichkeit führen. Man muss auch aufpassen, nicht zuviel wegzumitteln – in Deutschland beispielsweise waren die Infektionswellen in den einzelnen Regionen ja keinesfalls synchron, und zudem lokal von ganz unterschiedlicher Höhe. Und so kann es nicht überraschen, dass beispielsweise die zweite Welle nur für Sachsen betrachtet eine erhebliche Übersterblichkeit in der Statistik hinterlassen hat, in Mecklenburg-Vorpommern hingegen nicht so sehr.

Ein derzeit beliebter Statistikkunstgriff in gewissen Kreisen ist übrigens der Vergleich zwischen dem “Pandemiejahr 2020” und dem “Impfjahr 2021”, wo die relativ überschaubare Übersterblichkeit in 2020 für das Narrativ “das Virus ist harmlos” herhalten muss, während die deutliche Übersterblichkeit in 2021 auf die Impfung zurückgeführt wird. Was natürlich kompletter Bullshit ist, wenn man sich die Zahlen mal etwas genauer anschaut: der Löwenanteil der Verstorbenen in 2021 verstarb lange bevor die Impfkampagne halbwegs Fahrt aufgenommen hatte, und in 2020 begann die Pandemie bekanntlich erst im März (nach zwei Monaten deutlicher Untersterblichkeit wegen harmlosem Verlauf der saisonalen Grippewelle), man bekämpfte die Ausbreitung erfolgreich durch recht harte Schutzmaßnahmen und die anlaufende zweite Welle führte erst zum Jahresende 2020 zu einer signifikanten Anzahl von COVID-19-Toten. Und wenn man sich anschaut, wie bei ungeimpfter Bevölkerung das Verhältnis Infizierte-zu-Toten war und wie viel freundlicher das jetzt – trotz immer noch unzufriedenstellender Impfquote – aussieht, wird klar, dass der einzige Gamechanger in dieser Pandemie bisher die Verfügbarkeit der Impfstoffe war. Nicht, um die Fallzahlen unter Kontrolle zu haben, sondern um den Anteil der schweren Verläufe drastisch zu senken.

Ebenfalls beliebt scheint derzeit die Behauptung “die Impfung bringt nix – schau’ die hohen Infektionszahlen in Land XY”. Inzwischen sollte sich ja herumgesprochen haben, dass die neueren Varianten von SARS-CoV-2 deutlich infektiöser mit der Zeit geworden sind, und die Maßnahmen wurden in diversen Ländern eher laxer bzw. wurden nicht mehr in dem Maße befolgt wie Anfang 2020 – ein Vergleich der Fallzahlen der ersten Welle beispielsweise mit der dritten Welle verbietet sich also nicht nur deshalb, weil das Testregime völlig anders aussieht. Zudem zu berücksichtigen ist, dass die Impfung bekanntlich sehr gut gegen schwere Verläufe schützt, aber weniger gut (und deutlich schneller nachlassend) gegen Infektion – was übrigens für Genesene genauso gilt, was im Nachhinein nochmal vor Augen führt, was für eine dumme Idee “maximal schnelle natürliche Durchseuchung” war: es hätte lediglich dazu geführt, in jeder Welle das Maximum an Kranken und Toten zu generieren, aber die Pandemie wäre trotzdem immer noch nicht vorbei.

Also: Augen auf beim Zahlenvergleich. Ich empfehle für den schnellen Überblick Worldometer https://www.worldometers.info/coronavirus/, für Detailvergleiche auf Länderebene OurWorldInData https://ourworldindata.org/explorers/coronavirus-data-explorer. Tagesaktuelle Zahlen machen selten Sinn, das 7-Tage-Mittel hat sich ganz gut bewährt, weil es eventuell unzureichende Meldestrukturen wie in Deutschland gut glätten kann.

Kurzes Omikron-Update

Ein paar Wochen ist es her, da wurde eine neue SARS-CoV-2-Mutation als “Variant of Concern” gelabeled und mit dem schönen griechischen Buchstaben “Omikron” versehen. Zuerst in Südafrika detektiert, schien es zunächst leise Hoffnung zu geben, dass das endlich die lang erwartete “COVID-19 so harmlos wie eine Grippe”-Variante sein würde: zwar etwas infektiöser, aber weit weniger gefährlich. Die erste Wasserstandsmeldung aus Südafrika war “keine schweren Verläufe” und “nicht mehr Hospitalisierungen als bei Delta”. Nun ist Südafrika bekanntlich nicht Europa, vor allem was das Durchschnittsalter der Bevölkerung angeht. Auch nicht was die Impfquote angeht, und erst recht nicht was die Anzahl der bisher schon durchgemachten Infektionen angeht.

Jetzt liegen ein paar belastbarere Daten auf dem Tisch aus Schottland und England, und es sieht jetzt eher durchwachsen aus. Omikron ist nicht nur etwas, sondern sehr viel infektiöser. Bei gleichem Maßnahmenumfang, der bei Delta zu einem R-Wert von “um die 1” gereicht hat, liegt Omikron eher so bei “um die 3”. Was die Hospitalisierungen angeht, müssen gegenüber Delta nur etwa ein Drittel der Infizierten im Krankenhaus behandelt werden. Das ist aber nur eine vermeintlich gute Nachricht – ohne verschärfte Maßnahmen reden wir bei Omikron von einer Verdoppelungszeit von 2-4 Tagen, d.h. also die absolute Zahl der schweren Verläufe ist nach 4-8 Tagen mehr genauso hoch wie bei Delta, und danach wird es nur schlimmer. Eine lineare Reduktion kann eben gegen exponentielles Wachstum nicht anstinken.

Was die Impfung angeht, sind die Nachrichten auch durchwachsen. Der Schutz gegen Infektion ist eher durchwachsen – bei kürzlich Aufgefrischten noch ganz OK, aber nach zwei Monaten schon stark vermindert. Der Schutz vor schweren Verläufen ist noch weitgehend intakt, aber auch schlechter als zuvor. Ich schätze, eine speziell auf Omikron angepasste Impfung wird empfehlenswert sein, jetzt kann die mRNA-Technologie zeigen, ob sie ihrem Ruf der schnellen Anpassbarkeit gerecht werden kann.

Was für die Impfung gilt, gilt logischerweise auch für die Genesenen: auch dort ist der Schutz gegen Reinfektion stark vermindert, während der Schutz vor schweren Verläufen auch noch weitgehend intakt scheint. Zumindest was die Erkrankten angeht, bei den asymptomatisch Infizierten ist die Datenlage zu dünn für genauere Aussagen.

Unterm Strich hat die Omikron-Variante ihren Status als “Variant of Concern” redlich verdient, und nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu “zwar saumäßig infektiös, aber nur ein harmloser Schnupfen”. Inwieweit die Zahl “Hospitalisierungen drei Mal seltener” belastbar ist oder nach oben oder unten korrigiert werden muss, können wir die nächsten Monate im nahen und fernen Ausland beobachten. Für gestern meldeten UK und Frankreich um die 200000 Neuinfektionen, während in Deutschland das Infektionsgeschehen eher so vor sich hin plätschert – auch bei den Krankenhauseinweisungen ist ein ähnliches Bild, in Deutschland eher fallende Tendenz, in Frankreich und UK eher steigend. In 2-3 Wochen werden wir dann Genaueres wissen. Ich gehe aber davon aus, dass sowohl in UK als auch in Frankreich die Quarantänevorschriften für bestimmte Berufsgruppen inklusive des medizinischen Personals stark aufgeweicht werden müssen, sonst wird diese Welle wohl nicht handhabbar sein. Was gleichzeitig die weitere Verbreitung der Omikron-Variante stark begünstigen wird. Eine Operation am offenen Herzen.