Die unerklärliche Beliebtheit des Herrn Kretschmann

Bald wird gewählt im Ländle. Die letzten Umfragen sehen die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann recht deutlich mit vier Prozentpunkten (nebenbei: wie oft in unserer Qualitätspresse fälschlicherweise von Prozenten statt Prozentpunkten die Rede ist, lässt nur das Allerschlimmste bezüglich der mathematischen Grundbildung von Journalisten befürchten – aber es ist auch eine gute Erklärung für so manchen Artikel) vor der CDU.

Viele Wähler sind voll des Lobes über Kretschmann. Landesvater, Konservativer (oder zumindest wertkonservative) Grüner, seriöser Politiker, heimatverbunden, und was man ihm nicht alles nachsagt. Komischerweise kann auf Nachfrage kaum einer eine Entscheidung von Kretschmann nennen, die dieses Lob rechtfertigen würde. Man findet ihn halt irgendwie sympathisch. Und er kann ja auch mehrere Sätze hintereinander unfallfrei formulieren, das war man von Vorgängern wie Oettinger nicht gewohnt. Die Latte liegt tief im Ländle.

Wer sich objektiv die Horrorbilanz von 5 Jahren Grün-Rot in Baden-Württemberg anschaut, kann da nur den Kopf schütteln. Totalversagen in der Verkehrspolitik, grauenvolle Fehlentscheidungen in der Bildungspolitik, dazu trotz Steuerrekordeinnahmen ein sauberes Haushaltsdefizit hingekriegt mit schwindelerregender Steigerung der Ausgaben, blindes Hochfahren des Personals (möglichst verbeamtet, damit nachfolgende Generationen auch noch was davon haben). Dazu der bei den Grünen zu erwartende Energieunsinn inklusive Forcierung von Windkraftanlagen an untauglichen Standorten gegen jede Idee des Naturschutzes. Ich kann mich an wirklich keine einigermaßen sinnvolle Maßnahme dieser Regierung erinnern. Kann es schlimmer kommen?

Wenn man die Umfrageergebnisse anschaut, kann der Wähler ja nicht generell mit der Regierung zufrieden sein. Die SPD säuft gnadenlos ab. Zurecht, weil die Herren Schmid, Stoch und Gall eine vernichtende Bilanz vorzuweisen haben, und die Damenriege Altpeter und Öney hat die Gleichberechtigung dahingehend absolut perfektioniert, indem sie auf gleichem niedrigsten Niveau wie die Herren arbeitet. Aber ich vermute, dass eher der bundespolitische Tiefflug der SPD hier hauptverantwortlich ist.

Symptomatisch ist für mich die Wahlwerbeplakat-Kampagne der Grünen. In früheren Jahrzehnten hat man noch Sachaussagen auf Plakate gedruckt, Köpfe waren eher selten zu finden. Jetzt: überall Kretschmann. Zusammen mit nichtssagenden Sprüchen wie “Dem Land verpflichtet” oder “Verantwortung und Augenmaß”. Man hat scheinbar aus dem Fiasko Veggie-Day gelernt: lieber erstmal nix genaues sagen, und die Ziele eher durch die Hintertür durchsetzen. Zwar clever, aber irgendwie durchschaubar – dem Wähler ist es scheinbar egal.

Wobei letztlich Kretschmann und die Grünen auch von der Schwäche der Konkurrenz profitieren. Die CDU ist bundespolitisch gerade derart unter Druck, da kann ein farbloser Kandidat wie Guido Wolf sicher nicht das Steuer herumreißen.

Jetzt hat Oberunsympath Volker Beck ja erst mal den Grünen noch ein Ei ins Nest gelegt – wer hätte gedacht, dass er insgeheim nicht nur für die Freigabe weicher Drogen gekämpft hat, sondern auch für die allerhärtesten. Es wird spannend sein zu sehen, wie sich das auswirkt. Claudia Roth hat ja schon um Verständnis gebeten. Gesundbeten hat bei den Grünen schon öfter geholfen, man erinnere sich an Cem “ich wusste nicht, dass ich Steuern zahlen muss” Özdemir.

Ja, ein Blick auf unser politisches Top-Personal kann einem schon den Mut rauben. Genau wie ein Blick auf die Homepage der Grünen: dort versucht man sich an gendergerechter Sprache mit Stilblüten wie “Landwirt*innen”. Jeder blamiert sich halt so gut wie er kann.

Zurück zur Landtagswahl: meine Prognose ist eine “Deutschlandkoalition”: CDU, SPD, FDP. Diese Prognose ist jetzt mehr nach dem Ausschlussverfahren entstanden. Ich sehe die Grünen vor der CDU, Grün-Schwarz schließe ich aber aus. Die klassische Ampel wird die FDP auf keinen Fall machen. Und die SPD wird nach den katastrophalen Verlusten strategisch eine erneute Regierungsbeteiligung anstreben, denn in der Opposition wären sie auf verlorenem Posten – neben einer schwachen CDU hingegen könnte man eher was reißen.