Ab und zu hat sich dieser Blog schon mit Elektroautos beschäftigt (z.B. hier, hier und hier) und eine eher skeptische Grundhaltung bezüglich der Ziele der Bundesregierung (1 Mio. E-Autos bis 2020) und der Prognosen diverser Marktbeobachter geäußert. Das lag vor allem daran, dass lange Zeit die Luxusmodelle von Tesla die einzigen akzeptablen Elektroautos bezüglich Reichweite und Ladezeit am Markt waren. Und da es eben Luxusautos waren, kosteten sie Luxuspreise.
Jetzt wurden gerade diverse Testberichte zum Opel Ampera-e (z.B. hier bei AMS oder hier bei Focus Online), der europäischen Version des Chevrolet Bolt veröffentlicht. Das erste Elektroauto, das einigermaßen anständige Reichweite (400-500km, je nach Testzyklus) mit erträglichem Preis kombiniert. Zusammen mit dem Model 3 von Tesla (dort hofft man auf erste Auslieferung noch in 2017, aber vermutlich erst mal nur in den USA) gilt der Opel Ampera-e als neuer Benchmark im Bereich Preis/Leistung. Höchste Zeit also für eine neue Einschätzung der Lage.
Eines hat sich grundsätzlich nicht geändert: entscheidend sind Preis, Akkukapazität und Ladezeit. Zum Preis gibt es noch nichts genaues, Opel peilt rund 40000€ an, ob vor oder nach Abzug der 4000€ staatlicher Förderung ist noch unklar. Die Akkukapazität soll bei nutzbaren 60 kWh liegen, was für realistische 350-400km Reichweite reichen sollte. Als Lademöglichkeit gibt es CCS mit bis zu 50kW Leistung, Schuko für die heimische nicht aufgerüstete Garage mit 2kW und Drehstrom-Wallbox bis etwa 7kW für den, der ein paar Euro in die heimische Lademöglichkeit investieren will.
Gehen wir also davon aus, dass der Preis irgendwo bei 40000€ landen und der Verbrauch vermutlich bei minimal 15 kWh/100km liegen wird. Der Ampera-e hat Maße und Platzangebot eines Kompaktklassenwagens, also vergleichen wir ihn mal mit einem Standard-Astra-Benziner – besser gleich als Sports Tourer. Den gibt es ab etwa 19000€ mit 105PS in der Basisausstattung, die aber immerhin von der Klimaanlage bis zu den elektrischen Fensterhebern durchaus ausreichend ist. Aber man will ja kein Sparbrötchen. Für etwa 22000€ gibt es dann 125PS und Radio nebst Farbbildschirm und Handy-Connectivity mittels IntelliLink, Lenkradfernbedienung, Tempomat und Parksensoren. Der Verbrauch ist mit 5l/100km angegeben, wird also in der Praxis so bei 6l/100km liegen. Die ausstattungsbereinigten Preise kann man erst vergleichen, wenn es mehr Infos zum Ampera-e gibt.
Und damit wird das Dilemma der Elektroautos auch im Jahre 2017 deutlich: für die gebotene Leistung sind sie schlicht viel zu teuer. Und die laufenden Treibstoffkosten sind bei der Elektrovariante eben auch nicht so viel günstiger, um innerhalb der Lebensdauer des Fahrzeuges von sagen wir mal 200000km da sowas wie Amortisation zu erreichen. Denn die optimistischen 15 kWh/100km liegen ja auch schon bei 4,50€ ab Haussteckdose (und Unterwegs-Steckdosen sind oft deutlich teurer), da ist der Benziner mit 7,80€ selbst bei der heutigen Steuerüberbelastung von Benzin gegenüber Strom nicht wesentlich teurer. Auf 200000km summieren sich diese 3,30€/100km eben nur auf 6600€. Wie gesagt, das ist das optimistische Szenario für die Elektroautos – ich erwarte unter anderem dank der Energiewende einen schneller steigenden Strompreis als Benzinpreis, und die Politik wird auf jeden Fall die Steuerlast beim Strom nach oben anpassen, denn wann hat der Staat schon mal auf Einnahmen verzichtet?
Bei dieser Rechnung sind die üblichen Probleme der Elektroautos wie verhältnismäßig geringe Reichweite und lange Ladezeit noch gar nicht berücksichtigt. Wer beispielsweise glaubt, er könne die Karre mal schnell über Nacht in der Garage vollständig laden, sollte nochmal nachrechnen: bei der Schuko-Ladevariante dauert eine vollständige Ladung über 30 Stunden. Die Idee, dass es beim Elektroauto kein Problem mit der Lade-Infrastruktur gibt, weil es ja überall Steckdosen hat, ist einfach praxisuntauglich. Und die Idee, den Akku in den Autos für den Ausgleich von Netzschwankungen heranzuziehen, ist an Absurdität kaum zu überbieten – man braucht jede Sekunde Ladezeit, um das Dingens vollzumachen, wer käme auf die Idee den mühsam eingesackten Strom per Entladung wieder abzugeben?
Um eine akzeptable Ladezeit zu erreichen, braucht es dedizierte Ladestationen. Die gibt es beispielsweise bei Aldi – immerhin eine ganze Ladestation pro Riesenparkplatz. Man wünscht sich unwillkürlich, dass es möglichst wenig Elektroautos geben sollte, damit man auch hinreichend sicher eine freie Ladestation erwischt. aber dann ist es ja doch nicht so schlimm: es wird mit maximal 22kW geladen, nach dem 15-Minuten-Einkauf hat es also für immerhin 40 km zusätzliche Reichweite gereicht. Wow. Aber immerhin kostenlos. Die Kosten für Aldi tragen schließlich alle, die dort einkaufen. Hat irgendjemand “Schnorrer” gesagt? Nachdem man dem Steuerzahler schon 4000€ E-Auto-Prämie aus dem Kreuz geleiert hat, kommt es darauf nun wirklich nicht an.
Wie den Ausführungen zu entnehmen ist, wird auch der andere Hoffnungsträger in der Fast-Brot-und-Butter-Klasse, der für Ende 2017 erwartete Tesla Model 3, an diesen Tatsachen nicht vorbei kommen. Zu teuer, zu leistungsschwach, zu viele Einschränkungen. Ich wiederhole meine Einschätzung, dass es sinnvolle Elektromobilität nur mit Plug-In-Hybridfahrzeugen geben wird (sofern nicht eine revolutionäre Entwicklung bei den Akkus einsetzt). Ausreichend Reichweite für den täglichen Bedarf, aber kurze Standzeiten bei Langstreckenfahrten sowie Sparpotenzial im Benzinbetrieb durch Rekuperation und Lastverschiebung. Ein heutiger Toyota Prius kann ohne Nutzung von Plugin-Strom unter 4l/100km gefahren werden. Das verschiebt die Amortisation des reinen Elektroautos ins Unendliche.
Schlechte Aussichten für reine Stromer. Obwohl, wann war denn “sinnvoll” je ein Kriterium beim Autokauf?