Cancel Culture am harmlosen Beispiel illustriert
Ab und zu bin ich in der Vergangenheit – schon seit der ersten Staffel – bei der Fernsehsendung “Sing’ meinen Song – das Tauschkonzert” auf VOX hängen geblieben. Die Inszenierungen (ich gehe stark davon aus, dass einiges in der Sendung geskriptet ist und keineswegs spontan stattfindet) sind mir tendenziell etwas zu herzschmerzig-gefühlsduselig, aber man kennt ja die emotional unreifen Künstlerseelen, da kann man schon mal Nachsicht üben. Und natürlich finden immer alle alles super, was die Kollegen da so machen. Ich finde das Konzept aber sehr interessant, mal unterschiedliche Musikstile von unterschiedlichen Interpreten bunt durchzumischen und mal zu schauen was dabei rauskommt. Eine Erkenntnis meinerseits ist beispielsweise, dass sich fast jedes Lied mit Hitpotenzial auch in einer Country-Version erstaunlich gut anhört. Gute Songs haben eben Substanz.
Jedenfalls eignet sich die Sendung nicht nur zur musikalischen Unterhaltung, sondern auch als hervorragendes Beispiel für “Cancel Culture” im deutschen Kulturbetrieb. Die Älteren werden sich erinnern: die ersten drei Staffeln der Sendung wurden von Xavier Naidoo moderiert (als “Gastgeber”). Wer nun die diversen “Best of Tauschkonzert”-Sendungen in jüngster Zeit verfolgt hat, wird festgestellt haben: aus diesen ersten drei Staffeln wird kein einziger Beitrag mehr gesendet. Und man kann mir das glauben: an der Qualität der Darbietungen liegt das auf keinen Fall.
Es ist wieder so ein Fall von nachträglichem “wir bieten diesem bösen Verschwörungstheoretiker keine Bühne”, was besonders widersinnig erscheint, wenn es sich um eine Aufzeichnung aus lange vergangener Zeit handelt, wo nicht mal entfernt politische Botschaften im Spiel sind. Und nebenbei bemerkt: mit seltsamen politischen Botschaften von Künstlern hatte VOX in der aktuellen Staffel jedenfalls kein Problem. Naja, war ja auch die Mainstream-Verschwörungsrichtung, da ist man generell nachsichtiger.
Schon allein der Gedanke, dass irgendjemand überhaupt eine Äußerung eines Künstlers jenseits seiner Kunst ernst nehmen könnte, erstaunt. Von typischerweise intellektuell eher einfach strukturierten Inselbegabten sich in seiner politischen Einstellung beeinflussen zu lassen spricht eher dafür, dass man beim Nachdenken gerne oft und viel Pech hat. Schön zu sehen, was der “Goodbye Deutschland – die Auswanderer”-Sender seinem Publikum an geistiger Reife so zutraut.