Macht Scholz den Biden?

Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit katastrophalen Zustimmungswerten zu kämpfen. Klar, dass da die Gerüchteküche am Start ist – schließlich stellt die SPD mit Boris Pistorius gleichzeitig den beliebtesten Politiker Deutschlands. Verständlich, aber ein weiterer Beweis dafür, wie niedrig die Latte inzwischen hängt.

Es liegt also nahe, dass die SPD vor der Wahl versuchen wird, Olaf Scholz abzuservieren – verschiedene ehemalige SPD-Vorsitzende können ein Lied davon singen, dass die Partei eine Schlangengrube ist. Wenn die SPD sich an den US-Democrats orientiert, werden zuerst ein paar Hinterbänkler zündeln, bevor dann die Parteiprominenz und die befreundete Presse Olaf Scholz den Rückzug nahelegen werden.

Manche sagen ja, dass es noch andere Parallelen zwischen Scholz und Biden gibt – beispielsweise die noch übrig gebliebene Gedächtnisleistung, wobei Scholz eher selektiv unter einer Cum-Ex-Lücke zu leiden scheint. Nominell war Biden allerdings der sehr viel erfolgreichere Regierungschef, beispielsweise was die wirtschaftliche Entwicklung angeht. Allerdings ist er auch ein Schuldenmacher vor dem Herrn (fairerweise: wie praktisch alle seiner Vorgänger), das blieb uns bei Scholz dank der FDP und der Schuldenbremse erspart.

Wobei man auch sagen muss: der jetzt sich herauskristallisierende Gegner, Friedrich Merz, ist auch nicht gerade der Sympathieträger. Aber da bei Scholz auch noch die Zustimmungswerte zur Ampelregierung und zur SPD allgemein (Kampf gegen die 5%-Hürde in Sachsen und Thüringen) wie Mühlsteine um seinen Hals hängen, kann ich mir nicht vorstellen, dass 2025 der SPD-Kanzlerkandidat Scholz heißen wird.

Wenn man 1 nicht von 2 unterscheiden kann (oder will)

Kleine Medienkompetenzübung. Wenn Fefe über Kernenergie schreibt, gilt es stets, genau hinzuschauen – wie generell bei Ihm bei nicht-IT-Themen. Er ist natürlich clever genug, nicht direkt zu lügen (zumindest, wenn man sehr sehr gnädig interpretiert), aber was er schreibt scheint bewusst vage und kann den unbedarften Leser in die Irre führen.

Deshalb kurz die Fakten zusammengefasst: Der 1979 havarierte Reaktor ist TMI-2. Die jetzt geplante Reaktivierung zur Erzeugung von mehr CO2-freiem Strom hingegen soll mit dem Reaktor TMI-1 passieren, der nach dem Unfall vorsichtshalber abgeschaltet wurde, aber dann von 1985 bis 2019 einwandfrei lief und dann aufgrund des totregulierten US-Strommarktes nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben war. Dank des ausufernden Stromverbrauchs der diversen IT-Hobbies wie “Cloud-Rechenzentrum” und “KI” steigt nun allerdings seit Jahren der Bedarf an zuverlässiger Stromerzeugungskapazität, und weil Wind, Sonne und Akkus es nicht bringen, muss man halt wieder auf bewährte Technik zurückgreifen. In diesem Falle soll Microsoft der Abnehmer sein – die haben vermutlich gemerkt, dass bei 24/7-Bedarf die Kernenergie in preislicher Hinsicht nicht zu schlagen ist unter den CO2-armen Stromerzeugungsmethoden.

Da natürlich kein Kommentar zur Kernenergie ohne Tschernobyl-Referenz auskommt: die Situation mit “Unfall in TMI-2, TMI-1 erzeugte danach noch jahrelang Strom” entspricht ungefähr der Situation bei Tschernobyl Block 4 (Super-GAU) vs. Tschernobyl Block 1-3 (Stromproduktion bis 1991, 1996, 2000). Nicht mal beim bisher schlimmsten Kernenergie-Unfall der Menschheitsgeschichte traf das Lügenmärchen der Anti-Atom-Schwurbler “ganze Landstriche für Millionen Jahre nicht mehr nutzbar” zu.

Der Unfall von TMI-2 ist in mehrerlei Hinsicht sehr interessant und ich empfehle jedem, der ein tieferes Interesse an Kernenergie hat, die Details zu studieren. Für den Hausgebrauch reicht es aber eigentlich, die Essenz des Ganzen zur Kenntnis zu nehmen: ohne gravierende externe Katastrophe (Tsunami, Meteoriteneinschlag, Extremerdbeben) schafft es ein Leichtwasserreaktor westlicher Bauart dank der diversen Sicherheitsbarrieren selbst bei gravierenden Bedienerfehlern maximal zu einer partiellen Kernschmelze, und der Gefahrenbereich endet am Kraftwerkszaun. Die Äquivalentdosis durch die freigesetzte Radioaktivität für die Anwohner der Umgebung war ungefähr “die Hälfte einer Röntgenuntersuchung der Brust” oder etwa ein zweihundertstel der Jahresdosis durch natürliche Radioaktivität (US-Durchschnitt). Demzufolge wurden in den vielen Studien auch nie seriöse Hinweise auf gesundheitliche Auswirkungen jedweder Art gefunden.

Unterm Strich: genau wie Fukushima zeigt der Unfall von TMI-2 eindrucksvoll, wie sicher schon in den 70ern Kernkraftwerke waren. Und im Gegensatz zu Deutschlands Zerstörungswahn zeigt sich auch: das Einmotten eines funktionsfähigen Kraftwerks ist eine gute Idee, denn das kann man immer mal wieder brauchen, wenn sich die Umstände ändern. In diesem Falle bedurfte es nicht mal eines russischen Angriffskrieges.

Auch interessant: die “operating license”, vergeben durch die als eher kernenergiefeindlich bekannte NRC (aus deutscher Sicht wäre es vergleichbar mit einer von Jürgen Trittin geleiteten Behörde, allerdings nochmal deutlich teurer für die Betreiber), wurde 2009 verlängert bis zum Jahr 2034 – der Reaktor 1 ist 1974 in Betrieb genommen worden. Die Reaktivierungspläne sehen eine weitere Verlängerung auf 2054 vor. Ein gutes Beispiel für den Fall, dass mal wieder ein Unwissender argumentieren will, dass die im Vergleich jüngeren deutschen Reaktoren der (Vor-)Konvoi-Linie irgendwie schon am Ende ihrer möglichen sicheren Laufzeit angekommen wären. Nein, die 40 Jahre waren nur eine angedachte Mindestlaufzeit, aber wie andere Länder zeigen, sind 60 Jahre überhaupt kein Problem. Und vermutlich nicht mal 80 Jahre. Ein qualitativ hochwertiges KKW ist ein echter Langläufer. Außer in Deutschland natürlich, dem Land mit der dümmsten Energiepolitik weltweit.

Die unerträgliche Machtgeilheit der CDU

Die CDU hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der SED (inzwischen in “Linkspartei” umbenannt, die Älteren erinnern sich). Viele Mitglieder der Linkspartei sind ausgetreten und haben sich hinter der ehemaligen Chefin der Kommunistischen Plattform in der SED in einer neuen Partei namens BSW versammelt. Die CDU spricht jetzt in Thüringen und Sachsen mit dem BSW.

Eine ähnlich kreative Variante wäre, wenn die Parlamentarier der AfD in Thüringen eine neue Partei gründen – damit wäre der Brandmauerbeschluss nicht mehr bindend für diese neue Partei und die CDU könnte endlich eine rechskonservative Regierung bilden.

Früher haben CDUler (und meines Wissens FJS) ab und zu die Politiker auf der linken Seite als “vaterlandslose Gesellen” bezeichnet. Vielleicht sollte man die CDUler jetzt “gewissenlose machtgeile Gesellen” nennen. Und die Presse greift die Gesamtproblematik natürlich auch kaum auf. Klar, denn das BSW ist das neue Darling unserer nicht gänzlich unparteiischen Presse. “Nicht gänzlich unparteiische Presse” – das wird sicher nominiert in der Kategorie “heftigste Untertreibung des Jahres”.

Die vier Phasen des Abstiegs

Der Brückeneinsturz zu Dresden ist Anlass für diese Überlegung. Woran erkennt man, dass sich eine Volkswirtschaft in einem Abwärtsstrudel befindet? Eine Skizze anhand des Zustandes der Straßenverkehrsinfrastruktur.

Der Normalzustand einer entwickelten wohlhabenden Industrienation ist eine einwandfreie, sichere und leistungsfähige Infrasruktur. Neubau und Instandhaltung laufen kontinuierlich, alternde Bausubstanz wird rechtzeitig saniert oder abgerissen und neu gebaut. Westdeutschland in den 80ern und 90ern dürfte ein gutes Beispiel für diesen Zustand sein.

Verlässt ein Land diesen Zustand, beginnt zuerst die Phase der Einschränkungen. Auf den Autobahnen werden Spuren gesperrt, Sanierungen dauern ewig und werden zeitlich zwecks Einsparungen lange gestreckt, es wird von der Substanz gelebt. Der Standstreifen wird temporär auf stark belasteten Strecken als Fahrspur freigegeben. Auch gerne genommen: Tempolimit auf Brücken, LKWs müssen Mindestabstände einhalten. So etwas wie der Einsturz einer Brücke ist aber immer noch nur im Falle von Naturkatastrophen denkbar.

Die nächste Phase des Niedergangs erleben wir jetzt. Das Prüfsystem für Infrastrukturteile wie Brückenbauwerke ist noch intakt und stellt den Niedergang fest – am Beispiel der Dresdner Carolabrücke verdeutlicht: die letzte TÜV-Untersuchung von 2021 ergab gravierende Mängel und Zweifel an der Brückenstabilität. Leider folgt aus diesem Prüfergebnis aber nichts mehr, weil die Verantwortlichen entweder zu dumm oder zu bösartig sind und Geld lieber für ideologischen Quatsch ausgeben als für den Erhalt der Infrastruktur. Diese Phase ist also gekennzeichnet durch ein Umsetzungsdefizit, nicht durch ein Erkenntnisdefizit – jedenfalls was gebildete, logisch denkende Menschen angeht. Dresdner Verantwortliche haben ja bis zuletzt den schlechten Zustand der Brücke geleugnet und sogar verhindert, dass der Öffentlichkeit eine ehrliche Bestandsaufnahme zur Verfügung gestellt wird. Nebenbei: dass die überregionale Presse sowie Rundfunk und TV solche Skandale, die auch Leib und Leben gefährden, nicht mehr für berichtenswert hält (oder alternativ: nichts davon wusste), ist ebenso erschreckend wie erwartet.

Die kommende Phase wird dann das Einstellen der Prüfbemühungen sein. Wenn aus Prüfungsergebnissen keine Aktion mehr abgeleitet wird, ist es ja nur folgerichtig, dass man wegen Sinnlosigkeit die Prüfungen einfach unterlässt. Spart Geld und ändert nichts. Dann können wir endlich wieder alle zusammen völlig überrascht davon sein, wenn irgendwo in Deutschland eine Brücke einstürzt.

Willkommen in Absurdistan. Die Dümmsten der Politiker werden jetzt wieder ein Aufheben der Schuldenbremse fordern, weil man ja die eigentlich für die Infrastruktur gedachten Einnahmen aus KfZ-Steuer und Mineralölsteuer (in gigantischer Höhe! Aber klar, die müssen ja auch noch zur Quersubvention des Schienenverkehrs herhalten) für anderweitige, sinnlose Ausgaben verplant hat.

Die US-Präsidentenwahl und die Zukunft des Journalismus

Als Propagandaverächter, Faktenverehrer und Liebhaber der deutschen Sprache ist die deutsche Medienlandschaft für mich ein einziges Grauen. Besonders alles rund um Wahlen, an denen Donald Trump teilnimmt, verursacht körperliche Schmerzen. Ausnahmslos ist die Presselandschaft ebenso untauglich wie unappetitlich, Fakten muss man mit der Lupe suchen, wildeste Behauptungen werden einfach so in den Raum gestellt und halten nicht mal einer 30s-Recherche stand.

Auf der Suche nach alternativen Informationsquellen vor allem in Sachen USA bin ich nun bei drei einigermaßen unabhängigen kostenlosen Mailings hängen geblieben. Für den allgemeinen Überblick nutze ich das 1440 Daily Digest. Hier werden nicht nur politische Themen angesprochen (und das in einer wohltuend unaufgeregten, faktenorientierten Art), sondern auch Kunst, Kultur und Wissenschaft kommen nicht zu kurz. Alles sehr US-lastig, aber kurz und kompakt. Empfehlenswert. Für Wirtschaftsthemen habe ich “The Daily Upside” ausgewählt. Der Querschnitt der ausgewählten Themen gefällt mir gut, die Texte sind auch für Nichtexperten gut zu lesen und enden oft mit einer witzigen Pointe. Zuletzt noch mein absoluter Favorit aus der Kategorie “Politik Deep-Dive”: Tangle. Im täglichen Tangle Newsletter steht ein typischerweise US-lastiges Thema im Mittelpunkt. Nach einer kurzen Übersicht zum Thema kommen je drei Pressestimmen zu diesem Thema aus dem eher linken und dem eher rechten Lager zusammengefasst und anständig zitiert zu Wort. Dann gibt es die Sektion “My Take”, wo der Tangle-Herausgeber Isaac Saul seine Sicht der Dinge kundtut. Und er tut das in einer sehr ausgewogenen, überlegten, kühl argumentierenden Art und Weise. Egal ob ich mit seinen Einschätzungen übereinstimme oder nicht – es gibt hier immer interessante Denkanstöße und Überlegungen, die einen zum Nachdenken anregen.

Deshalb will ich jedem ans Herz legen, zumindest bis zur Präsidentschaftswahl den Tangle-Newsletter zu abonnieren. Es ist kostenlos, und es erweitert den Horizont. Und es ist ein so angenehmer Kontrast zum typischen hiesigen Mediengeplapper – Trump böse, und Harris lächelt so nett. Und selbst der Trump-Beführworter bei Maischberger hat sich ein wenig in Kamala verliebt! Wer also genauso müde von den (möglicherweise mangels intellektueller Kapazität unfreiwilligen) Desinformationskampagnen hiesiger Medien ist wie ich – subscribe now!

Die Art und Weise, wie Tangle arbeitet, verleitet mich sogar zur vagen Hoffnung, dass wir hier die Zukunft des Journalismus sehen. Ich stelle mir das so vor: zu jedem Themengebiet gibt es ja echte Experten. Viele schreiben Blogs oder machen YouTube-Videos oder treiben sich in Foren herum. Themen kommen in diesem Zielszenario als neutrale Meldungen über Presseagenturen in den News-Kreislauf. Die Experten äußern sich dazu. Die Journalisten sammeln die Kernpunkte der Experten und stellen so ein breites Meinungssprektrum zusammen. Wer wenig Zeit hat, liest halt kompaktere Zusammenfassungen, wer viel Zeit hat, folgt direkt den Quellen für die Themen, die ihn interessieren.

Das hätte unglaublich viele Vorteile: die intellektuelle Eingeschränktheit der heutigen Journaille würde gar nicht mehr ins Gewicht fallen, und man müsste sich nicht mehr meterweise durch Propaganda graben, um an die wenigen Fakten-Nuggets zu kommen. Und die mangelhaften Deutschkenntnisse heutiger Journalistensimulanten würde auch nicht mehr so stören, weil nur noch ein paar Zitate per Füllwörter aneinanderegeklebt werden müssen.

Ja, die Idee gefällt mir gut. Bis das in der Breite nach meinen Wünschen umgesetzt ist, suche ich nach weiteren Exemplaren der Kategorie “Tangle”. Das Problem in Deutschland ist, dass man ja gar nicht drei eher rechte Pressestimmen heraussuchen könnte, weil es die bekanntlich nicht mehr gibt. Dreimal linksextrem und dreimal mitte-links wäre das Maximum an Spreizung, das man hierzulande hinkriegen könnte. Auf ein “deutsches Tangle” muss also keiner warten. Wird es nicht geben.

Der Fukushima-Moment der Ampel

Die Älteren werden sich erinnern an eine der grandiosesten Fehlentscheidungen der Merkel-Ära (und da gibt es wahrlich große Konkurrenz): die Einleitung des Kernenergieausstiegs nach der Tsunamikatastrophe mit nachfolgendem Ausbleiben der Atomkatastrophe rund um die drei havarierten Reaktorblöcke im KKW Fukushima-Daiichi an der Ostküste Japans.

Man schrieb den März 2011, die CDU Baden-Württemberg mit ihrem unbeliebten Spitzenkandidaten und amtierenden Ministerpräsidenten Stefan Mappus bangten wegen eines sich am Horizont abzeichnenden Machtverlust bei der anstehenden Landtagswahl. Die Grünen hatten mit Winfried Kretschmann einen aus mir unerfindlichen Gründen beliebten Kandidaten mit Landesvaterpotenzial aufgestellt. In einer Art Panikreaktion verkündete Merkel dann die Neubewertung der Kernenergie, vermutlich wegen der allgegenwärtigen Tsunamigefahr in Deutschland, nebst temporärer Abschaltung willkürlich gewählter Reaktoren. Stichwort “Atommoratorium”, dessen nachfolgende Sicherheitsprüfung im Rahmen von Stresstests keine erkennbaren seriösen Probleme der deutschen Reaktoren ergab und das dann in der legendären “Ethikkommission” gipfelte. Weil wer könnte die Sachlage besser einschätzen als eine Kommission von fachfremden Dampfplauderern.

Der jetzige Aktionismus der Ampel-Regierung nach dem Messerattentat – oder besser Terroranschlag – von Solingen erinnert mich in einigen Aspekten an damals. Es gibt einen Anlass, man versucht durch weitgehend undurchdachten Aktionismus den Wahlkampfgegner in Form von AfD und BSW nicht das Feld zu überlassen, und weil man glaubt mit sachlich korrekter Argumentation nicht punkten zu können, verlegt man sich auf die Simulation von Handlungsfähigkeit.

Ich prognostiziere, dass dieses Pflästerchen auf das gigantische Migrationsproblem wahlausgangstechnisch keinen Effekt haben wird. Höchstens den gegenteiligen als den intendierten, denn letztlich signalisiert man damit dem Wähler, dass der Gegner eigentlich schon die ganze Zeit recht hatte und man jetzt auch zu den gleichen Erkenntnissen gelangt ist, aber sich immer noch weigert, wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

Ganz im Unterschied zu den deutschen Fukushima-Nachwehen, die später zu einem der teuersten Fehler der deutschen Nachkriegsgeschichte kumulierten, werden die jetzt angekündigten Minimalmaßnahmen aber rein gar nichts ändern. Aktionismus, Homöopathie, Gesundbeten. Besonders das angekündigte Messerverbot ist wirklich ein hanebüchener Schildbürgerstreich. Man erinnere sich: Messer mit einer Länge von mehr als 12cm waren schon verboten, und trotzdem erdreistete sich der Attentäter, ein 15cm-Messer für die Morde zu verwenden. Was erlaube Terrorist! Gott sei Dank hat der Postillon unter der Überschrift “Jetzt wird durchgegriffen: Bundesregierung will Mordverbot beschließen” das Notwendige dazu geschrieben, das erspart mir den Sarkasmus-Overdrive-Modus.

Content Creators, Influencer, Journalisten

In der Berichterstattung über den DNC, den großen Präsidentschaftskandidatenkrönungsparteitag der Demokraten in den USA, wurde ein offenbar wichtiges Detail immer wieder erwähnt: während Content Creators und Influencer, also alles was auf YouTube und TikTok und Instagram (und vielleicht auch noch einer auf Facebook) rumspringt, umhegt und gepampert wurden, blieb für die “klassischen” Journalisten größtenteils nur die Holzbank.

Da fragt sich der geneigte Beobachter natürlich, was denn jetzt der Unterschied zwischen den “neuen sozialen Medien” und dem klassischen Journalismus ist. Influencer werden gerne als Fanboys beschrieben, einseitig berichtend, nicht objektiv, keinen journalistischen Standards verpflichtet. Hört sich für mich an wie genau die Art von “Haltungsjournalismus”, wie ich sie die letzten 20 Jahre in Deutschland beobachtet habe. Dass sich ausgerechnet jetzt diese Haltungsjournalisten darüber beschweren, dass andere bevorzugt werden, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Vielleicht müsste man generell das Wording überarbeiten. Nachdem Journalismus im eigentlichen Sinne kaum mehr existiert, könnte man einfach “Influencer in den sozialen Medien” und “Influencer bei Zeitungen” und “Influencer beim Fernsehen” und “Influencer beim Rundfunk” sagen. Nicht, dass aus Versehen jemand mit dem Wort “Journalist” Hoffnungen auf neutrale, objektive Berichterstattung verbindet.

Großartige Ideen, kurz kommentiert

Wie ich der Presse entnehme, hat einer der Bewerber für den Parteivorsitz der SED (inzwischen irreführenderweise unter “Die Linke” firmierend), Jan van Aken, eine großartige Idee für die künftige einheitliche Parteilinie bezüglich des Krieges in der Ukraine: “Volle Solidarität mit der Ukraine, aber ohne Waffenlieferungen – das ist mein Vorschlag.” Also quasi noch ein bisserl weniger Unterstützung als Christine “5000 Helme” Lambrecht.

Ich denke darüber nach, dem Finanzamt mitzuteilen, dass ich zwar schon solidarisch mit Deutschland bin, aber meine Zahlungen nun einstellen werde.

Kamala Harris – eine Neuauflage des Martin-Schulz-Effekts?

Wie hierzublogs vorhergesagt, ist Biden aus dem Rennen. Überraschenderweise hat Harris das Zepter übernommen. Die Kamala Harris, die selbst in den linken Medien in den USA heftigst für diverse Aktionen und Äußerungen während ihrer Vizepräsidentschaft kritisiert wurde. Über die man während ihrer Zeit als Vizepräsidentin kein einziges gutes Wort gehört hat. Und die wirklich katastrophal schlechte Beliebtheitswerte hatte. Spannende Wahl.

Im Moment wird von einem gewaltigen “Momentum Shift” von Trump hin zum Duo Harris-Walz berichtet. Umfragen zeigen überwiegend in diese Richtung – Harris hat den Rückstand aus Biden-Zeiten mehr als wettgemacht, auch wenn die Umfragen bisher nur in der irrelevanten “popular vote”-Kategorie für Harris ausgehen, denn in diversen entscheidenden “Swing States” hat weiterhin Trump die Nase vorn. Aber solche Momentaufnahmen sind trügerisch, der Trend scheint mir klar.

Es erinnert mich jedenfalls an die Zeit, als Martin Schulz bei der SPD das Zepter übernahm, um Angela Merkel bei der Bundestagswahl 2017 herauszufordern. Mehr Hype war selten, Schulz wurde gar auf dem SPD-Parteitag mit 100% der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt. Die SPD vermeldete eine wahre Flut an Neueintritten in die Partei. In den Umfragen gab es einen dramatischen Umschwung zugunsten der SPD. Dann wurde Schulz allerdings leichtsinnig und hat begonnen, sich zu Sachthemen zu äußern, und schon bei den ersten Tests, den drei Landtagswahlen vor der Bundestagswahl, scheiterte die SPD grandios. Der Schulz-Zug war entgleist, entpuppte sich als klassisches Strohfeuer – ob nun ausschließlich demoskopischer oder auch tatsächlicher Natur spielt eigentlich keine Rolle. Am Ende fuhr die SPD mit 20,5% der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte ein.

Äquivalent dazu hat sich Kamala Harris bisher zu keinem relevanten politischen Thema geäußert. Wer ihre Reden kennt, weiß: das ist eine sehr gute Idee. Die Harris-Walz-Kampagne versucht so eine Art “Begeisterung ohne Themen”-Wahlkampf zu führen, wie man es von Obama kannte. Die US-Medien reden deshalb teilweise im Moment von der “Honeymoon Phase” – viel Euphorie, aber nichts dahinter. Gegen eine Äquivalenz Schulz-Harris hingegen spricht, dass der Zeitraum, den Harris überleben muss, deutlich kürzer ist. Drei Monate Honeymoon scheint nicht aussichtslos zu sein. Aber es kommen noch bis zu drei Kandidaten-Fernsehdebatten, und dazu noch eine zwischen den Vize-Präsidentschaftskandidaten. Kaum einzuschätzen, wie das die Stimmungslage ändern wird. Die Geschwindigkeit, in der sich Harris von ihren vorherigen unpopulären Positionen schon entfernt hat, und gleichzeitig trotzdem im Ungefähren blieb, ist atemberaubend.

Übrigens hatte Harris schon einmal eine solche “Honeymoon Phase”: als sie sich zur Vorwahl der Demokraten zum Präsidentschaftskandidaten 2020 stellen wollte. Die Presse war begeistert, das Fundraising vermeldete Rekorde, aber nach schlechten Umfrageergebnissen stieg Harris schon vor der ersten tatsächlichen Vorwahl aus, und es gab den Zweikampf Biden-Sanders.

Spannend finde ich, dass nach meiner Beobachtung die Trump-Kampagne von der Harris-Nominierung kalt erwischt wurde, und immer noch recht planlos erscheint. Kein Plan B, alle glaubten an Biden als Gegner? Schwer zu glauben. Aber vielleicht sind die US-Wahlkämpfer ja auch nur Amateure mit Profi-Ruf. Oder sie haben mehr noch als die Demokraten an das Märchen vom fitten und wahlkampfbereiten Joe Biden geglaubt – schwer vorstellbar, aber was sonst sollte die Erklärung für diese Kopflosigkeit sein? Klar, dass ausgerechnet Harris Biden beerben würde, war vielleicht einfach nicht vorstellbar, wenn man den Harris-Track-Record als Vize und ihre allgemeine Unbeliebtheit kannte. Jedenfalls erscheint im Moment Trump und seine Wahlkampfstrategie sehr Ich-bezogen und eher rückwärtsgewandt, ganz im Gegensatz zur erfolgreichen 2016er Kampagne. Ich halte das für einen dramatischen Fehler.

Und macht nun Trump das Rennen, oder Harris? Das wird jetzt auf den Wahlkampf-Schlussspurt ankommen. Wer weniger Fehler macht, gewinnt. Wobei die unklare Verfassung der US-Wirtschaft auch den Ausschlag geben könnte – rutschen die USA auch nur in die Nähe einer Rezession, vielleicht inklusive wirkungsloser FED-Zinssenkungen mit Anfachen erneuter inflationärer Tendenzen, dann neigt der US-Wähler gerne zum Regierungswechsel. Das Rennen gegen Biden hätte Trump fast sicher gewonnen, aber jetzt scheint die Sache offen. Gegen Harris spricht definitiv, dass sowohl sie selbst als auch ihr Vize im politischen Spektrum der Demokraten eher links einzuordnen sind. Gewöhnlich wählt der US-Wähler nicht so weit links, aber bei Trump könnte er schon mal eine Ausnahme machen – ähnlich wie damals bei Trump gegen Clinton die ABC-Wähler (“Anything But Clinton”) den Ausschlag gegeben haben. Als Biden noch im Rennen war, war es ja auch noch extrem knapp, Trump war noch leicht in Führung – und das beim damals schon offensichtlichen schlechten Gesundheitszustand von Biden. Das spricht dafür, dass es eine Menge “niemals-wieder-Trump-Wähler” gibt, die zudem wohl kaum der Wahlurne fernbleiben werden. Ich bin gespannt. Und glaube derweil, erfüllt von unbegründetem Optimismus, dass – äquivalent zu meiner Überzeugung damals, als Merkel nicht mehr antrat – es nicht mehr schlimmer kommen kann, als es unter Biden war. Famous last words.

Aus meiner Sicht wird die Immigrationsdebatte der wahlentscheidende Punkt sein. Es ist schwer vorstellbar, dass Kamala Harris da in der öffentlichen Wahrnehmung als Siegerin hervorgeht – sie war mit dem Thema “Grenzsicherung zu Mexiko” beauftragt und hat da ein ganz schlechtes Bild abgegeben. Die Wähler werden sich daran erinnern. Ihr Vizepräsidentenkandidat hat auch ein paar sehr dunkle Flecken bezüglich “Innere Sicherheit” auf seiner weißen Weste (Stichwort Black-Lives-Matter-Unruhen). Ob Trump aber den Elfmeter verwandelt, daran habe ich Zweifel. Nach meiner Wahrnehmung konzentriert er sich zu sehr auf die Person – sowohl seine eigene als auch seines Gegners – anstatt auf seine einfachen, klaren Botschaften zu diversen Sachthemen, wie er es im Wahlkampf 2016 erfolgreich gemacht hat. Aus meiner Sicht ein klarer Fehler, aber ob der sturköpfige Trump sich da belehren lässt? Ich habe Zweifel.

Keine Zweifel habe ich hingegen, dass die Demoskopen im Moment überhaupt keinen Plan haben. Denn das, was in den letzten paar Wochen alles stattfand – der katastrophale Biden-Auftritt im ersten TV-Duell, das missglückte Trump-Attentat, der Biden-Rückzug mit nachfolgender Harris-Nominierung – sorgt dafür, dass sozusagen die “Baseline” für die Umfragen überhaupt nicht klar ist. Alles, was da passiert ist, hat überhaupt keine geschichtlichen Vorbilder. Dementsprechend gibt es auch keine Daten zur Absicherung von Auswirkungen auf das Wahlverhalten in irgendeiner Form. Das wird die Demoskopen und vor allem die sie dankbar zitierende Presse jedoch kaum davon abhalten, jeden Tag neue Umfrageergebnisse zu publizieren und zu kommentieren.

Randnotiz: Teile der deutschen Presse betätigen sich auch diesmal wieder als totale Noobs bezüglich US-Politikdetails. Wo immer man lesen kann, dass Kamala Harris als “liberal” gilt: das ist einfach falsch übersetzt, das deutsche “liberal” ist in den USA “libertarian”, während das US-“liberal” sich am ehesten mit “linksliberal” übersetzen lässt. Bei manchen Standpunkten von Harris wäre wohl auch “linksradikal” oder “linksextrem” angebracht.

Biden wird aus dem Rennen aussteigen

Zeit für eine Vorhersage zur US-Präsidentschaftswahl. Ich sage voraus, dass Biden – innerhalb der nächsten zwei Wochen – aus dem Rennen aussteigen wird.

Der Kontrast zwischen beiden Bewerbern wurde in den letzten Wochen bis in den letzten Winkel der USA überdeutlich transportiert: ein gebrechlicher, am Rande der Demenz wandelnder, müder und augenscheinlich kranker Joe Biden auf der einen Seite, ein vitaler, motivierter Donald Trump auf der der anderen Seite. Dann die Nachrichten von immer mehr einflussreichen Demokraten, zuletzt Barack Obama, die Biden mehr oder weniger unverblümt zum Verzicht aufrufen. Dann das Attentat auf Trump, das erneut unter Beweis gestellt hat, dass Trump topfit und zudem mit allen Medienwassern gewaschen ist.

Biden wird jetzt erkennen, dass er die Wahl nicht gewinnen kann. Und wenn er nicht ein noch viel schlimmerer Egoist ist als ich befürchte, wird er den Weg frei machen für eine Alternative der Demokratischen Partei (wer auch immer das sein wird). Ich gehe davon aus, dass seine Frau Jill Biden, die vermutlich schon aus nicht ganz uneigennützigen Gründen ihrem Ehemann Joe die erneute Kandidatur nahegelegt hat, ihm das jetzt nahebringen wird. Ich glaube nicht, dass die Demokraten “putschen” werden, aber ich glaube, dass der Druck innerhalb der Partei so groß sein wird, dass Joe Biden “freiwillig” und großherzig seinen Verzicht erklären wird. Seine jetzige bekanntgewordene COVID-19-Erkrankung bietet eine gute Gelegenheit, aus gesundheitlichen Gründen den Verzicht zu verkünden.

Das alles setzt voraus, dass da letzte Reste von Verantwortungsgefühl für die eigene Partei vorhanden sind. Da bin ich mir nicht sicher, auch anderswo gilt Biden als Sturkopf. Aber vielleicht hat er ja noch den einen lichten Moment.

Biden hat das Momentum klar gegen sich. Trump eilt von einer positiven Nachricht zu nächsten und befindet sich klar im Aufwärtstrend. Von Biden hingegen gab es zuletzt nur schlechte Nachrichten, beispielsweise als er beim NATO-Treffen Präsident Selenskyj mit Putin verwechselt hat. Da sind Leute schon wegen weniger aus dem Amt entfernt worden.