ITER und Kernfusion in der Kritik

Neuigkeiten zum ITER, dem großen Fusionsexperiment, werden derzeit in der Presselandschaft verbreitet und diskutiert. Kaum ein Artikel kommt ohne Fundamentalkritik an der Idee eines Fusionsreaktors aus – nicht nur zu teuer, sondern auch irgendwie zu zentral (und damit automatisch schlecht, hat man doch “Dezentralisierung” als neue heilige Kuh entdeckt) und zu groß (denn was könnte schlimmer sein als “Größe”, siehe auch “Großkonzern”). Und natürlich zu allem Übel auch noch radioaktiv, was ja für vernünftige Leute sofortiges Ausschlusskriterium ist. Sogar von einem “wachsenden Berg strahlenden Abfalls” spricht ein Bericht in der SZ.

Wobei – “Bericht” legt ja irgendwie Neutralität nahe. Aber wann hat man in der SZ zuletzt einen Bericht gelesen? Nicht umsonst wird die SZ im Jargon wahlweise “Das Neue Süddeutschland” oder “Prantl-Prawda” genannt. Und das zu Recht.

Da will ich doch gerne ein paar Fakten beisteuern und Merkwürdigkeiten dieses Artikels kommentieren.

Dass ein grüner Bundestagsabgeordneter zitiert wird, der seine Nuklearphobie ausleben darf (“Es handelt sich um Nukleartechnik, von der Deutschland sich doch eigentlich abwenden wolle.”), ohne klarzustellen, dass “Deutschland” sicher keinen Beschluss gefasst hat, aus jeglicher Nukleartechnik auszusteigen – geschenkt. Vielleicht traut die SZ ihren Lesern hier ja zu, ein eigenes Urteil über derart spinnerte Ansichten zu fällen. Man kann zur Kernfusion ja stehen wie man will, aber dass “es ist Nukleartechnik” ein Argument dagegen sein soll, ist nicht wirklich plausibel. Es sei denn, die Grünen wollen auch aus der Nuklearmedizin aussteigen, was ich nicht ausschließen will, weil ich den Grünen grundsätzlich beliebige Dummheit zutraue.

Ein weiteres Artikelhighlight: “Hinzu kommt der rasche Fortschritt erneuerbarer Energien, der die Fusionsträume zunehmend verdrängt.” Ich weiß nicht, ob ich was verpasst habe, aber ich kann den Fortschritt bei den erneuerbaren Energien nicht sehen. Kaum Kostensenkung, weiterhin keine preiswerte skalierbare Speichermöglichkeit in Sicht, und der fortschreitende Ausbau der Biomassenutzung ist derart umweltschädlich, dass es schon sehr verwundert, dass die Grünen das immer noch dufte finden. Die Energiewende, die letztlich zu einem massiven Ausbau des Anbaus von Biomasse geführt hat (neben der zudem wahrscheinlich teuersten volkswirtschaftlichen Fehlentscheidung der Nachkriegszeit, dem vorzeitigen Abschalten der Kernkraftwerke, die größte geplante Umweltzerstörung der Nachkriegszeit), erzeugt dramatische Kosten, röchelt aus dem letzten Loch und die SZ schreibt vom “raschen Fortschritt”. Ein Hauch von DDR liegt in der Luft. Vorwärts immer. Überholen ohne Einzuholen. Wie jedes anständige sozialistische Projekt folgt die Energiewende ja auch einem zentralen, langjährig vorgedachten Plan. Hoppla, Zentralismus scheint ja doch nicht in jeden Falle verwerflich zu sein.

Direkt folgend das nächste Highlight – es geht Schlag auf Schlag bei der SZ: “Erneuerbare Energiequellen führen zu einer dezentralisierten Energieversorgung, bei der Klein- und Kleinsterzeuger Strom in engmaschige, intelligent verknüpfte Netze einspeisen.” Abgesehen davon, dass noch keiner erklären konnte, was so toll an einem engmaschigen und intelligent verknüpften Netz sein soll – schließlich ist es teuer und aufwändig, ein Netz engmaschig und intelligent zu machen. Aber wer ernsthaft einen Windpark (besonders in der Größenordnung “Offshore-Windpark”) für einen Baustein einer dezentralen Energieversorgung hält, sollte sich auf seinen Geisteszustand hin untersuchen lassen. Überhaupt ist es doch merkwürdig, warum keinem auffällt, dass doch bisher unsere Stromversorgung bereits dezentral war – die Kraftwerke sind schließlich über ganz Deutschland verteilt, intelligenterweise sogar erzeugernah, was bei den sogenannten “Erneuerbaren Energiequellen” bereits heute nicht funktioniert – oder hat man schon die Diskussion über die neuen großen Stromtrassen vergessen, die den Windstrom aus dem Norden – wo ihn keiner braucht – in den Süden transportieren sollen, wo er gebraucht wird? Und wir reden hier von einer Problematik, die bereits jetzt immens teuer gelöst werden muss, obwohl die Windkraft erst rund 10% der Jahresstrommenge erzeugt (Stand 2014). Und ob man jemals mit dauernd zufällig einspeisenden Erzeugern ein stabiles Netz bauen kann, steht noch in den Sternen – vom “intelligenten” Netz reden zwar viele, aber gebaut hat es noch keiner.

Und der nächste Satz: “Fusionskraftwerke, das lässt sich schon aus der schieren Größe des Iter-Projekts ableiten, wären riesige, teure und zentralisierte Anlagen. Wie sich das mit einer dezentralen Netzstruktur vereinbaren lässt, ist unklar.” Zunächst: was aus der “schieren Größe des Iter-Projekts” ableitbar ist für ein mögliches zukünftiges kommerzielles Fusionskraftwerk, weiß im Moment noch niemand. Riesig? Vielleicht. Teuer? Eventuell. Zentralisiert? Nach aller Wahrscheinlichkeit nicht zentralisierter als die gute, preiswerte, funktionierende Stromversorgung der 80er und 90er Jahre. Und die war bekanntlich dezentral und verkraftete problemlos Kraftwerke in der Größenordnung von 3 GW.

Am Ende dann noch ein wirklich abstrus formulierter Gedanke im Artikel: “Hinzu kommen Fragen nach Ausfallsicherheit und globaler Gerechtigkeit. Welche Konflikte wird es auslösen, wenn sich am Ende nur wenige Länder monströse Fusionsöfen leisten können?” Sehen wir mal ab vom SZ-typischen Propaganda-Wording wie “monströs”. Was genau soll hier suggeriert werden? Dass man fürchtet, dass zukünftige Fusionsreaktoren auch dann gebaut wird, wenn sie sich kommerziell nicht rechnen? Also womöglich so ähnlich wie heute die regenerativen Energien? Und wenn es sich das ärmste Land der Welt nicht leisten kann, soll es sich gefälligst – natürlich rein aus Gerechtigkeitsgründen – der Rest der Welt auch nicht leisten? Ist der Schluss daraus nicht zwingend, dass wir uns in Deutschland auch keinesfalls Photovoltaik-Anlagen leisten dürfen – der globalen Gerechtigkeit wegen?

Nun denn. SZ halt. Offenbar spielt die Idee des Erkenntnisgewinns durch Forschung keine Rolle mehr. Persönlich finde ich multinationale hochpolitische Großprojekte wie den ITER auch eher zweifelhaft, weil dramatisch ineffizient. Aber wenn man sich anschaut, dass trotz aller immensen Kostensteigerungen (die ja hauptsächlich durch politisches Herumlavieren und mehrerer Jahrzehnte Verzögerung gegenüber der ursprünglichen Planung zustande kommt) man momentan mit 20 Mrd. EUR rechnet: das ist gerade mal der Betrag, den wir uns Jahr für Jahr die Energiewende kosten lassen. Und die hatte bisher ja nicht mal einen messbaren positiven Aspekt. Außer, dass sich die Subventionsbegünstigten eine goldene Nase verdienen konnten natürlich.

Immer wenn der Heller schreibt

Ich bin nicht besonders gut darin, aktuellste Entwicklungen kurzfristig im Politik-Blog aufzugreifen. Ich notiere oft Dinge, um später in einem Artikel darauf zurückzukommen oder zu diesem Thema zu schreiben, aber meistens wird nix draus, weil das Thema schon wieder an Aktualität eingebüßt hat – und wer schreibt schon gerne über den Schnee von gestern. Immerhin ist es mir gelungen, noch vor dem Brexit über den Brexit zu schreiben, eine wie ich finde großartige Leistung 🙂

Nun muss man ja nicht unbedingt immer zu allem selbst seinen Senf dazu geben – wozu haben die Erfinder von HTML schließlich den Hyperlink integriert. Benutzt heute eigentlich noch jemand Worte wie Hyperlink und Hyperspace? Zu meiner Uni-Zeit war im Bereich Interaktive Systeme die Gefahr des “Lost in Hyperspace” in aller Munde. Zeigt wahrscheinlich nur, dass ich schon ziemlich alt bin. Zeigt hingegen auch, dass wir ein Volk von Bedenkenträgern sind.

Zurück zum Thema – hier habe ich den ScienceSkepticalBlog als einen meiner Lieblingsblogs vorgestellt. Mein Lieblingsautor dort ist Peter Heller. Niemand sonst bringt die Dinge rund um Energietechnik, Energiewende, Technologie, Mobilität und Klimawandel so auf den Punkt, argumentiert so klar, spricht mir so aus der Seele.

Aktuell will ich auf zwei Artikel hinweisen:

Peter Heller schreibt auch immer häufiger bei Tichys Einblick. Unbedingt empfehlenswert – auch die anderen Autoren dort. Eine Oase des gesunden Menschenverstands in der großen Wüste der Qualitätsmedien.

Und immer wenn der Heller schreibt, lehne ich mich zurück und denke: besser hätte ich es auf keinen Fall schreiben können – danke, Peter!

Schlimme Sache. Heute: der niedrige Ölpreis

Zunächst ein Hinweis in eigener Sache. Seit Beginn meiner Blogs gibt es Artikelüberschriften, die suggerieren, dass hier eine neue Artikelserie startet oder zumindest eine Rubrik etabliert wird – “Weltuntergang” beispielsweise, bis heute der einzige “Weltuntergangsbeitrag”. Immerhin hat es “Lieblingsblogs vorgestellt” schon auf ganze drei Beiträge gebracht, nimmt damit aber eine Sonderstellung ein.

Nun, woran liegt das? Oft daran, dass ich viele Ideen für Blog-Einträge zu bestimmten Themenkomplexen habe, die ich mir dann aber sparen kann, weil andere Blogger das Thema zu meiner vollsten Zufriedenheit schon behandelt haben – besonders häufig passiert das, wenn Peter Heller beim ScienceScepticalBlog schreibt.

Sei’s drum – die Reihe “Schlimme Sache”, die mit diesem Artikel beginnt, hat tatsächlich Chancen, etwas häufiger fortgesetzt zu werden. Ich weiß nicht genau mit was es zusammenhängt – kurzatmigere Berichterstattung, steigende Tendenz zum Sensationsjournalismus, größere Sensibilität meinerseits (so etwas wie umgekehrte Altersmilde vermutlich) – immer häufiger schüttle ich den Kopf, wenn ich Artikel oder Kommentare lesen muss, die entweder Trivialitäten zu Riesenereignissen aufblasen oder die es schaffen, ganz normale Vorgänge zu (normalerweise erst kommenden) Katastrophen umzudeuten.

Heute also: der (derzeit) niedrige Ölpreis. Aktueller Anlass ist die Berichterstattung rund um die Konferenz in Doha (Dubai), wo verschiedene Ölförderländer mal wieder zusammenkamen, um über Möglichkeiten der Förderreduktion zum Zwecke der Ölpreiserhöhung zu diskutieren. Wie man lesen kann, ist dieses Vorhaben gescheitert und es wird keine Absprachen zur Drosselung der Förderung geben. Stellvertretend sei ein Artikel von SPIEGEL Online verlinkt.

Kurz zur historischen Einordnung: nominell liegt der Ölpreis in den letzten Monaten irgendwo zwischen 35 US$ und 45 US$ pro Barrel (Referenzsorten WTI und Brent). Bis zur ersten Ölkrise in den 70ern – die ja letztlich ein Förderboykott des OPEC-Kartells war – kostete Rohöl praktisch nichts, seit man große und leicht förderbare Vorkommen vor allem im arabischen Raum entdeckt hatte. Dann erfolgte aufgrund der “Krise” ein Preissprung auf knapp 20 US$ pro Barrel, dann zur zweiten Ölkrise Ende der 70er Anfang der 80er ein weiterer Sprung auf knapp 40 US$ mit nachfolgendem lokalem Minimum Ende der 90er bei wiederum unter 20 US$. Erst danach erfolgte ein kontinuierlicher Anstieg auf über 110 US$ vor der großen Wirtschaftskrise (oder war es nur eine Bankenkrise?) 2008. Danach der große Preissturz auf das heutige Niveau. Man kann also zunächst feststellen, dass das heutige Preisniveau nichts Außergewöhnliches ist und wohl nur der, der die Peak-Oil-Propaganda und diverse Teile der Energiewende-Rechtfertigungen löffelweise gefressen hat, konnte davon überrascht werden.

Inflationsbereinigt sieht die Sache nochmal harmloser aus, aber da die Inflationsrate natürlich nicht unerheblich vom Ölpreis abhängt, ist eine objektive Betrachtung hier sehr schwierig – aber letztlich kann man sich denke ich auf die qualitative Aussage einigen, dass der Ölpreis schwankt, derzeit ein recht niedriges, aber nicht superniedriges Niveau hat und die Preisspitzen nur sehr kurz angehalten haben (sonst würden sie ja auch nicht “Spitzen” heißen).

Was kann man aus dieser Preisentwicklung ableiten? Offenbar hat der Ölpreis wenig mit Produktionskosten zu tun, und nur begrenzt mit Nachfrage. Aber sehr viel mit Angebot. Als die OPEC noch 70% der Weltölförderung kontrollierte, konnte man per Förderquoten den Preis quasi beliebig steuern. Heute, da der einstige Großimporteur USA dank weiterentwickelter Fördertechnik (oft unter dem Stichwort “Fracking” subsummiert) fast schon zum Exporteur mutiert ist und mit Russland, Brasilien und teilweise den Europäern große Fördermengen aus nicht-OPEC-Staaten kommen, hat die OPEC kräftig an Preisgestaltungsmacht verloren. Man könnte sagen, der Preis ist deutlich weniger politisch als er noch vor Jahrzehnten war.

Also, jetzt ist der Preis niedrig. Schlecht für die Produzenten, gut für die Verbraucher. Da wir in Deutschland Verbraucher und nicht (in nenneswerter Menge) Produzenten sind, freuen wir uns also über vorrübergehend etwas niedrigere Benzin-, Diesel- und Heizölpreise. Nur “etwas” und nicht “viel” niedriger, weil die Steuerlast erheblich ist, und irgendein Politiker wird das sicherlich als großen Vorteil verkaufen können, dass die abartige Steuerhöhe die Preisschwankungen dämpft. Aber ich schweife ab.

Kommen wir endlich zur “schlimmen Sache”. SPIEGEL Online nennt nun verschiedene schlimme Auswirkungen des derzeit niedrigen Ölpreises – z.B. dessen destabilisierende Wirkung auf diverse Förderländer wie Russland oder Venezuela. Weil diese nicht mehr länger das reichlich eingenommene Ölgeld für die wirklich wichtigen Dinge – wie z.B. Waffenkäufe oder pseudosoziale Beruhigungspillen für die Bevölkerung – zur Verfügung haben. Tja, da haben diese Länder wohl aufs falsche Pferd gesetzt. Aus meiner Sicht ist der niedrige Ölpreis damit eine Art Geschenk für diese Länder, denn er erzeugt Anpassungsdruck – vielleicht besinnt man sich ja jetzt auf die Grundwerte fast jeder erfolgreichen Volkswirtschaft wie Bildung, Rechtssicherheit und freies Unternehmertum.

Was ist noch schlimm? Das jetzt unnötig viel Öl verbraucht wird und damit natürlich die wertvollen Ressourcen unserer Kinder und Kindeskinder (von denen wir bekanntlich die Erde nur geliehen haben) sinnlos verheizt werden – und natürlich mehr vom schlimmen CO2 erzeugt wird. Letzteres wäre gar nicht notwendigerweise der Fall, denn anstatt den Ölförderdespoten die Dollars in den Rachen zu werfen, könnte man ja endlich die freigewordenen Mittel in wirklich umweltschützende Technologien investieren. Da es die Industrienationen aber vorgezogen haben, den kompletten Energiebereich totzuregulieren, wird das natürlich nur partiell geschehen. Ich schweife schon wieder ab.

Ersteres – das ungehörige Verbrauchen eines wertvollen Rohstoffs – ist eine besonders merkwürdige Ausprägung der Nachhaltigkeitsideologie, die vielerorts schon den Status eines Naturgesetzes erreicht zu haben scheint. Das würde eigentlich einen eigenen Artikel rechtfertigen. Hier nur so viel: Öl hat, wie alle anderen Rohstoffe auch, keinen “inhärenten” Wert. Sondern einen Marktwert. Wenn des Öl nun billig ist, heißt das nix anderes, als dass der Wert im Moment nicht besonders hoch ist, entweder weil das Zeugs keiner braucht oder weil es mehr als genug davon gibt – also beides eigentlich positiv zu werten. Wenn man nicht gerade eine Deindustrialisierungsagenda verfolgt. “Zu schade zum Verbrennen” ist einfach nur eine unsinnige Aussage – es wird verbrannt, weil es ökonomisch im Moment Sinn ergibt. Auch die Tatsache, dass Öl nützlich für die Grundstoffindustrie ist, ändert daran nix. Die oft erwähnten Nutzer der Kunststoffherstellung oder der Medikamente brauchen nur verhältnismäßig geringe Mengen, können durch synthetisch erzeugte Kohlenwasserstoffe substituieren und sind generell gemütlich in der Lage, auch den zehnfachen Ölpreis zu bezahlen.

Werden unsere Kinder und Kindeskinder uns dereinst vorwerfen, dass wir das Öl einfach verfeuert haben anstatt es für sie aufzubewahren? Möglich, wenn das Bildungsniveau rapide sinkt. Aber wenn unsere Kinder oder Kindeskinder noch ein Fünkchen rationales Denken kultiviert haben, würden sie uns eher vorwerfen, heute schon teure Substitutionsanstrengungen (wie z.B. die Energiewende) zu unternehmen und so den zukünftigen Wohlstand sinnlos zu reduzieren. Man könnte sagen, wer heute unnütz Geld ausgibt, verhindert aktiv, dass unsere Kinder und Kindeskinder selbst entscheiden können, welche Maßnahmen sie wogegen oder wofür treffen. Wir würden unsere Nachfahren also einschränken und quasi enteignen. Ihre Lösungsalternativen beschränken. Na diese Erkenntnis könnte doch ein erfahrener Politstratege in einen griffigen Slogan verwandeln. “Wir dürfen das Kapital unserer Kinder nicht sinnlos verplempern.” OK, ich bin definitiv nicht zum Spin-Doctor geeignet.

Bezüglich CO2 sollte man festhalten, dass die übliche Ölpreisschwankungsbreite der letzten drei Jahrzehnte praktisch nichts am Verbrauch geändert hat. Was bei kurzem Nachdenken ja auch klar ist – kurzfristige Schwankungen haben eben nur wenig Auswirkungen auf langfristige Investitionsentscheidungen wie den Kauf eines PKWs oder die Wahl der Heizungstechnologie oder den Aufwand der Dämmung. Zumal bei all diesen Dingen der Staat ja sein bestes tut, um das klare Preissignal des Marktes durch möglichst undurchsichtige Förderungen und Subventionen zu verschleiern.

Lange Rede, kurzer Sinn – niedriger Ölpreis ist super für uns. Aber nicht so super für die Produzenten. Was uns aber egal sein sollte.

Propaganda made by ZDF

Es gab mal eine Zeit, da standen Öffentlich-Rechtliche Sender insbesondere bei Berichten über Wissenschaft und Forschung im Ruf einer topseriösen Institution.

Lange her. Gerade musste ich noch einige Minuten “Leschs Kosmos” ertragen – Thema waren Kernenergie und Strahlung. Selten so viel üble Anti-Kernkraft-Propaganda auf einem Haufen gesehen. Und man entblödete sich nicht, tatsächlich das Konzept “Gravity Power” in der Variante “bauen wir auf das Gelände eines abgeschalteten Kernkraftwerks” als Lösung für den Zappelstrom der sogenannten “Erneuerbaren Energien”, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, mal Kosten und Potenzial wenigstens anzusprechen. Keine Ahnung, inwiefern Prof. Lesch redaktionell involviert ist, aber er machte nicht den Eindruck, wie wenn er sich als Propagandaschleuder irgendwie unwohl fühlen würde. Beschämend. Als Schlusswort prophezeite er die große Katastrophe, weil weniger panisch veranlagte Länder sich doch tatsächlich erdreisten, Laufzeiten von 60 Jahren ins Auge zu fassen – wo doch der Tschernobyl-Reaktor schon in seinem zehnten Lebensjahr in die Luft geflogen ist. Kein Scherz, auf diesem Niveau wird heutzutage Meinung gemacht.

Zwangs-Pay-TV abschaffen. Sofort. Dann wäre ein solches propagandistisches Machwerk wenigstens nicht ganz so ärgerlich.

Hier irrt Prof. Sinn

In der Zeitschrift “Schweizer Monat” ist jüngst ein Interview mit Prof. Sinn erschienen.

Ich persönlich schätze die Einlassungen von Prof. Sinn sehr. Geerdet, in sich schlüssig, fest auf dem Boden der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Ökonomie, trotzdem wohltuend pragmatisch bei seinen politischen Vorschlägen. Ein Wissenschaftler weit ab vom Elfenbeinturm.

Zur sogenannten Energiewende hat Prof. Sinn in der Vergangenheit schon das Notwendige gesagt, z.B. in seinem schön zusammenfassenden Vortrag “Energiewende ins Nichts”.

Auch im vorliegenden Interview spricht Prof. Sinn entscheidende Schwächen der Energiewende an. Beispielsweise den Widerspruch, die Energiewende als Klimaschutzprogramm zu verkaufen, obwohl man gleichzeitig aus der einzig sinnvollen CO2-freien (ja, ich weiß, nix ist wirklich CO2-frei, insbesondere nicht die sogenannten Erneuerbaren Energien und auch nicht die Kernenergie, aber bei der Kernenergie ist der Ausstoß über alles so gering, dass die Bezeichnung CO2-frei durchaus treffend ist) Stromerzeugungstechnologie aussteigt.

Ich denke aber, dass Prof. Sinn bei einigen seiner Prognosen völlig falsch liegt. Eine davon, als Antwort auf die Frage nach der Stromerzeugung in 20 Jahren: “Wir werden wieder Atomkraftwerke haben, solche eines neueren Typs, der den veränderten Sicherheitsvorstellungen genügt. Ich sehe nicht, wo der Strom sonst herkommen sollte.”

Es zieht sich durch das Interview – Prof. Sinn geht davon aus, dass es in Deutschland noch ökonomischen Restverstand in Politik und Bevölkerung gibt. Dass, wenn die Stromversorgung nur entsprechend teuer wird, man sich besinnen wird auf sinnvolle und gangbare Wege zurück auf den Weg der ökonomischen und auch ökologischen Vernunft (warum weder Windkraft noch Photovoltaik und schon gar nicht Biomasse ökologisch sinnvoll sind wäre wohl genug Stoff für eine ganze Artikelserie).

Ich denke, dass dieser Optimismus nach den Erfahrungen der letzten 20 Jahren überhaupt keine Grundlage hat. Sowohl Politik als auch Gesellschaft sind zu großen Teilen bereit und willig, ökonomisch unsinnige Dinge trotzdem zu tun und dafür praktisch beliebig viel Geld auszugeben. EEG, Euro-Krise, Rente mit 63, Griechenland-Rettung, Mindestlohn, Flüchtlingspolitik.

Dazu kommt die Tatsache, dass wir offenbar breite lernresistente Bevölkerungsschichten haben sowie die übergroße Mehrzahl der Medien, die weitgehend unabhängig von den Fakten operieren und “berichten”. Woher soll der Funke der Vernunft kommen? Der letzte Moment der Hoffnung war bei mir das Wahlergebnis 2009. Die Union zurechtgestutzt aufgrund der katastrophalen Großen Koalition, eine wiedererstarkte FDP aufgrund eines glasklaren liberalen wirtschaftspolitischen Programms. Es folgte wie bekannt das Totalversagen der FDP in allen relevanten wirtschaftspolitischen Fragen unter einem beispiellosen medialen Dauerfeuer. Sogar beim Ausstieg aus der Kernenergie nach Fukushima hörte man keine Stimme der Vernunft von der FDP.

Besondere Beachtung muss auch die traditionell seit den frühen 80er Jahren vorhandene totale Ablehnung der Kernenergie in weiten Teilen der Bevölkerung und der Medien neben dem praktisch vollständigen Fehlen entsprechender Öffentlichkeitsarbeit der Kernenergiebeführworter finden.

Aus diesen Gründen halte ich es für völlig ausgeschlossen, dass in Deutschland innerhalb der nächsten 50 Jahren neue Kernkraftwerke gebaut werden. Und das ist völlig unabhängig davon, was das für Kraftwerkstechnologie ist – inhärent sicher, in der Lage den alten hochaktiven Abfall zu neutralisieren, superpreiswert, hoch verfügbar, schnell regelbar. Das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zur Kernenergie ist komplett irrational, warum sollten rationale Argumente etwas daran ändern?

Die Antwort auf Prof. Sinns Frage, woher denn sonst der Strom kommen solle, ist relativ einfach. Kohle, Gas, Biomasse, Wind, Sonne. Bevor in Deutschland ein neues Kernkraftwerk gebaut wird, werden wir das Land komplett zugepflastert haben mit Windrädern, die in Zeiten der Überproduktion “Windgas” oder Wasserstoff erzeugen, um die Flauten auszugleichen. Wir werden uns auf Gedeih und Verderb an das russische Erdgas binden, weil wir zu feige für Fracking im eigenen Land sind. Wir werden ggf. Strom importieren. Wir werden im Zweifel auf den Klimaschutz pfeifen und weiter Kohle verstromen. Alles ist in Deutschland einfacher zu verkaufen als Kernenergie.

Prof. Sinn sagt: “Ich bezeichne die Energiewende als einen Irrweg, da wir noch nicht über die technischen Möglichkeiten verfügen, den grünen Strom zu glätten.” Da liegt er komplett falsch. Denn natürlich haben wir die technischen Möglichkeiten – sie sind nur sehr teuer, deshalb hält sie Prof. Sinn als Ökonom für nicht relevant. Er liegt komplett falsch. Geld spielt keine Rolle. Politik und Bevölkerung werden nicht zögern, unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu reduzieren. Das hat man doch in der Vergangenheit gesehen. Und vermutlich wird es sich gar nicht so dramatisch auf den Wohlstand in Deutschland auswirken, kleinere Einbußen – auch das lehrt die Vergangenheit – scheinen aber niemand zu interessieren, man fährt dann halt das traditionell-sozialistische Argumentationsmuster “die Reichen sind schuld”. Und im Angesicht der Auswirkungen des Flüchtlingsstroms werden ein paar 100 Mrd. EUR für die Energiewende sowieso nicht ins Gewicht fallen.

Im Einführungsartikel meines Nachbarblogs habe ich geschrieben, dass der Blog auch so eine Art Archiv sein soll, um das oft wiederkehrende Gefühl “ich hab’s ja gleich gesagt” auch faktisch zu untermauern. Ich bin eigentlich ein optimistischer Mensch, aber bezüglich der Qualität von Politik und Medien insbesondere im Bereich Energieversorgung bin ich über die Jahre sehr pessimistisch geworden. Wir werden sehen, ob Prof. Sinn richtig liegen wird oder ich. Wir lesen uns in 20 Jahren wieder.

Lieblingsblogs vorgestellt: Rentnerblog

Heute will ich einen Blog vorstellen, über den ich vor einigen Jahren eher zufällig gestolpert bin. Dr. Willy Marth schreibt in seinem “Rentnerblog” über Themen wie unsere Stromversorgung, die Energiewende, die Kernenergie und auch mal über das KIT, wo er ein paar Jahre forschte, als es noch Kernforschungszentrum Karlsruhe hieß.

Die Beiträge sind allesamt kenntnisreich und wohlformuliert, ein echter Lesegenuss. Besonders die Artikel über die Kerntechnik sind exzellent und profitieren vom enormen Hintergrundwissen des Autors.

Ab und an gibt es auch mal einen Beitrag über kulturelle oder geschichtliche Themen, was die Sache schön auflockert. Und dem Bloguntertitel “Blogge über Gott und die Welt” absolut gerecht wird.

Der Blogautor ist gleichzeitig auch Buchautor. Bisher zwei Bücher gehen auf sein Konto: “Meine Erlebnisse an deutschen Kernreaktoren und Wiederaufarbeitungsanlagen: Lustige und weniger lustige Geschichten eines Insiders”, welches ich mit großer Begeisterung gelesen habe und sein neuestes Werk “Energiewende und Atomausstieg”, das auf meinem Nachttisch auf dem noch-zu-lesen-Stapel liegt. Kurze Leseproben gibt es auf dem Blog.

Die einzige Schwäche des Blogs ist die geringe Postingfrequenz. Aber Qualität ist allemal wichtiger als Quantität.

Bisher in der Reihe “Lieblingsblogs vorgestellt” veröffentlicht:

Edit: nukeKlaus.de ist jetzt nukeKlaus.net.

Lieblingsblogs vorgestellt: ScienceSkepticalBlog

Endlich der lang erwartete (von wem?) zweite Teil der Reihe “Meine Lieblingsblogs”.

Heute geht es um den ScienceSkepticalBlog. Mehrere Stammautoren wie Peter Heller, Günter Heß, Rudolf Kipp und Quentin Quencher bemühen sich hier, faktenbasiert ihre Skepsis bezüglich der Energiewende, der Klimakatastrophe und Irrwegen der Umweltpolitik auszudrücken. Die Artikel sind gut recherchiert, mit Quellenangaben versehen und wohlformuliert. Und zufällig spiegeln die meisten Artikel auch sehr gut meinen Standpunkt zu diesen Dingen wider. Wobei das natürlich alles andere als Zufall ist: wie könnte man auf Basis derselben Fakten zu signifikant unterschiedlichen Ergebnissen kommen?

Besonders lobenswert ist meines Erachtens der Standpunkt beim Thema Klimakatastrophe. Hier gibt es in den Reihen der Skeptiker ja eine ganze Anzahl von merkwürdigen Gestalten, die selbst spektroskopische Tatsachen wie die Isolationswirkung von CO2 in der Atmosphäre anzweifeln. Beim ScienceSkepticalBlog hingegen steht man mit beiden Beinen auf dem Boden der Physik. Man bezweifelt nur die Katastrophenwarnungen, die auf Basis fragwürdiger Modelle den Teufel an die Wand malen und mit Horrorprojektionen den baldigen Untergang der Menschheit prognostizieren.

Zum Einstieg am besten die Einführungsseite goutieren und ein paar der dort genannten Artikel lesen. Was ich noch nicht ganz verstanden habe ist die Trennung in “Artikel” und “Blog”. Ich empfehle, einfach alles zu lesen 🙂

Bisher in der Reihe “Lieblingsblogs vorgestellt” veröffentlicht:

Edit: nukeKlaus.de ist jetzt nukeKlaus.net.

Ein paar Worte zu BHKWs und KWK

In praktisch jeder längeren Diskussion über die Energiewende (und auch schon in Vorwendezeiten) taucht früher oder später der Hinweis auf die scheinbar “magische” Technologie der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mit ihren phantastischen Wirkungsgraden auf. Vom Micro-BHKW in jedem Keller über BHKWs für Wohnsiedlungen bis zum großflächigen Einsatz in der Fernwärmeversorgung – wenn man doch nur überall KWK hätte, ja dann…wären doch alle Probleme gelöst.

Wann immer jemand behauptet, dass die “magic bullet” existiert, sollte man hellhörig werden. Nur in den seltensten Fällen gibt es solche Patentlösungen. Und leider ist es bei der KWK (und ihrem weiter fortgeschrittenen Cousin KWKK) nicht anders.

Und das ist kein technisches Problem. Rein technisch kann man per KWK problemlos die Strom- und Wärmeversorgung von klein (EFH) bis groß (Stadt) bereitstellen.

Das Problem ist wie fast immer ein ökonomisches. KWK konkurriert gegen die klassische getrennte Erzeugung von Wärme und Strom. Seinen Wirkungsgradvorteil kann die KWK nur realisieren, wenn Wärme- und Strombedarf möglichst oft zur gleichen Zeit anfallen. Wenn man gerade viel Wärme braucht und wenig Strom, so hat man sich einen sehr teuren Heizkessel geleistet. Wenn man wenig Wärme und viel Strom braucht, so hat man sich ein Kraftwerk mit niedrigem Wirkungsgrad geleistet (oder man kann aufgrund fehlender Kühlmöglichkeit diesen Betriebsmodus überhaupt nicht fahren). Aus diesem Grund werden auch die allermeisten Anlagen stets wärmegeführt betrieben, was wiederum heißt, dass sie als flexibler Stromerzeugungs-Kompagnon zu den Zufallsstromerzeugern Windkraft und Photovoltaik nicht zur Verfügung stehen.

Dazu kommt, dass durch bessere Dämmung der Raumwärmebedarf ständig sinkt, und durch Niedertemperaturheizsysteme inzwischen sogar eine Luft-Wärmepumpe das effizientere Heizsystem darstellt, selbst wenn das BHKW im optimalen Bereich betrieben wird. Übrigens mit dem entscheidenden Vorteil, durch Betrieb mit sauberen Strom deutliche Umweltvorteile zu haben. Denn auch das ist ein Problem des typischen BHKWs: unnötige Luftverschmutzung. Klar, in Zeiten von Pellet- und Hackschnitzelheizungen scheint Luftreinhaltung sowieso keine Priorität mehr zu haben.

Großtechnisch hätte KWK durchaus seinen Charme – schon bei Neckarwestheim 2 wurde ein Fernwärmeanschluss vorgesehen, und moderne kleine modulare Kernkraftwerke wären sicher geeignet, stadtnah Fernwärme bereitzustellen. Aber auch hier gibt es den berühmten Haken: allein die Kosten für Bau und Betrieb des Fernwärmenetzes sorgen oft schon dafür, dass einem die Ökonomie einen Strich durch die Rechnung macht – selbst wenn die Wärmebereitstellung nichts kostet. Obwohl in Energiewendezeiten das Thema “Ökonomie” scheinbar keine Rolle mehr spielt, wird allein die deutsche Kernenergiephobie solcherart sinnvolle Lösungen zuverlässig verhindern.

Woher kommt unser Strom? Wie Qualitätsjournalisten Statistiken quälen

Von einem großen Erfolg der Energiewende berichtet “SPIEGEL Online”, mysteriöser Weise eines der erfolgreichsten Nachrichtenportale der deutschen Online-Welt. “Öko-Energie erstmals wichtigste Stromquelle” verkündet der Titel. 25,8% der deutschen Bruttostromerzeugung wurde von den “Erneuerbaren Energien” geleistet, hauchdünn mehr als die 25,6% durch die Braunkohle. Der gedruckte SPIEGEL geht mehr ins Detail und weiß von 18,0% durch Steinkohle, 15,9% durch Kernenergie und 9,6% durch Erdgas. Die restlichen 5,1% sind irgendwie “sonstige” – immerhin auf Augenhöhe mit der Photovoltaik, aber keiner weiteren Aufschlüsselung würdig.

Kritikwürdig an dieser Meldung sind so viele Dinge, man weiß gar nicht wo man anfangen soll. Interessant ist zweifellos die Idee, möglichst viele unterschiedliche Stromerzeugungsarten zur Öko-Energie zusammenzufassen. Darunter die Wasserkraft, deren Anteil an der Stromerzeugung seit Jahrzehnten je nach Wetter zwischen 3% und 5% Anteil pendelt – die Wasserkraft ernsthaft der Energiewende zuzuschlagen, verbietet sich einem seriösen Berichterstatter.

Auch die Stromerzeugung aus Biomasse ist in diesem Kreis der “Öko-Energie” zumindest diskussionswürdig. Laut Wikipedia werden bereits 10% der Ackerbaufläche in Deutschland genutzt, um Pflanzen anzubauen die später in Biogasanlagen verarbeitet werden. Flächenverbrauch, Monokulturen, Grundwasserbelastung – irgendwie alles Öko, wenn es für den “guten Zweck” ist. Auch die Stromerzeugung per klassischer Kohlenstoffverbrennung scheint OK zu sein, wenn es denn nur durchs EEG gefördert wird – Schadstoffausstoß ist dann irgendwie irrelevant. Kommt den geplagten Nachbarn von mit Pellets oder Hackschnitzeln heizenden Zeitgenossen sicher bekannt vor.

Da wird die Tatsache, dass man “Kohle” in “Steinkohle” und “Braunkohle” trennt, während auf der anderen Seite alle möglichen komplett unterschiedlichen Stromerzeugungsarten in einen Topf geworfen werden, schon wieder zur Nebensache. So lügt man mit Statistik, Kapitel 7: geschickt gruppiert ist halb manipuliert.

Geht man ein paar Jahre in der Statistik zurück, in die gute alte Zeit, als Deutschland noch eine sichere und preiswerte Stromversorgung hatte, zeigt sich der wahre Effekt der Energiewende: Wind und Sonne, mithin das einzige, was man mit einigermaßen reinem Gewissen als “Öko-Energie” bezeichnen könnte, liegen bei nun etwa 15% Anteil an der Stromerzeugung. Das ist ziemlich genau der Anteil, den die Kernenergie im gleichen Zeitraum eingebüßt hat. Wer also mit EEG und Energiewende Ziele wie “Klimaschutz”, “Luftreinhaltung”, “Umweltschutz”, “Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern” verknüpft hat, sollte dringend einen Realitätscheck durchführen. Der Rest freut sich auf unsere gloriose Zukunft 2030 mit geplanten 50% Anteil der “Erneuerbaren”.

Meine ganz persönliche Statistik 2014: 100% meines verbrauchten Stroms kam aus der Steckdose. Das wäre doch mal eine Schlagzeile wert.

Elektroautos – Hype und Realität

Im vorherigen Blogeintrag habe ich kurz angerissen, mit welchen Mitteln man den Weg “weg vom Öl” in der Verkehrstechnik beschreiten könnte. Über das Elektroauto wird in letzter Zeit ja reichlich geschrieben und diskutiert, vor allem seit die Firma Tesla den Markt aufmischt.

Ich habe grundsätzliche Zweifel daran, dass mit heutiger oder absehbar verfügbarer Akkutechnologie dem Elektroauto eine große Zukunft bevorsteht – denn eines ist klar, der Erfolg des Elektroautos liegt nahezu ausschließlich an der Praxistauglichkeit des Energiespeichers. Die Probleme, die ich sehe, will ich im Folgenden kurz erläutern.

Der Benchmark des Elektroautos ist ein heute erhältliches diesel- oder benzinbetriebenes Fahrzeug. Wichtige Vergleichskriterien sind Preis, Fahrleistungen, Reichweite und Tankdauer. Da nur das Bessere des Guten Feind ist, müsste das Elektroauto den Benchmark schon in allen Kriterien übertreffen oder zumindest nicht deutlich schlechter dastehen – manchmal genügt es ja schon, wenn ein Produkt nur hip genug ist, dann reicht der Coolnessfaktor oft aus, um etwaige Nachteile zu überdecken. Bei gravierenden Nachteilen hingegen ist so ein Effekt eher selten.

Was wird heute an Elektroautos am Markt angeboten? Wenn man mal die Exoten weglässt: Tesla Model S, Mitsubishi i-MIEV, Nissan Leaf, Renault Zoe (den Twizy lasse ich wegen des “das-soll-ein-Auto-sein”-Faktors vorsichtshalber weg), VW E-Golf, BMW i3. Der Tesla fällt oben aus der Skala, der i-MIEV unten – die anderen, allesamt in der Kompaktklasse angesiedelt, sehen eigentlich sehr ähnlich aus: Reichweiten zwischen 120 und 200 km, 80-125 kW Leistung, Höchstgeschwindigkeit bis zu 160 km/h, die Akkukapazität liegt irgendwo zwischen 20 und 30 kWh.

Für eine realistische Reichweitenrechnung (die angegebenen Reichweiten basieren auf dem Zyklusverbrauch, bekanntlich eine überwiegend optimistisch ermittelte Kennzahl) kann man sich als Hausnummer merken: unter 15 kWh/100km geht es praktisch nicht, Sparkünstler schaffen bei optimalen Bedingungen (also keine Heizung oder Klimatisierung notwendig, batterieoptimierte Außentemperatur) 12 kWh/100km. Für die Kostenseite ist wichtig: wenn man 15 kWh aus dem Akku zapfen will, muss man mehr reinstecken, weil der Ladewirkungsgrad deutlich unter 100% liegt. Ebenfalls wichtig: welche Garantieleistungen gibt der Hersteller auf den Akku. Der Akku ist das teuerste Einzelstück im Fahrzeug, und unterliegt einem Verschleiß, über den man im Moment nur sehr wenig weiß. Umso wichtiger, hier verlässliche Zusagen zu haben.

Die ganzen Details kann der Interessierte in den Datenblättern nachlesen. Ich will hier eher eine qualitative Betrachtung machen. Nehmen wir den e-Golf als Beispiel: 35000 € für das ganz ansprechend ausgestattete Modell. Praxisreichweite 130-190km. Ladedauer an einer gewöhnlichen Steckdose: 13h. Am Schnelllader bekommt man 80% der Maximalfüllung schon in 30min hin, mit der Wallbox (3,6kW Ladeleistung) gehen 100% in 9h. Höchstgeschwindigkeit 140km/h. Ein Wald-und-Wiesen-Golf kommt als Handschaltungs-Benziner auf minimal 19000 €, als Automatik-Diesel auf rund 25000 € – um mal den Preisbereich weiträumig abzustecken. Verbrauch liegt halbwegs realistisch bei 4l/100km für den Diesel bis 6l/100km für den Benziner. Reine Energiekosten liegen also bei etwa 6 € für den Diesel, 10 € für den Benziner und 4,50 € für das Elektrofahrzeug.

Wir reden hier also von mindestens 10000 € Aufpreis für ein Auto, das plakativ gesagt eine lahme Ente ist, alle 150km für eine lange Zeit an die Steckdose muss, nur an wenigen Stellen aufgeladen werden kann und bei den Energiekosten nicht wirklich viel Geld spart – zumindest nicht so viel, dass eine Amortisationsdauer sicher innerhalb der Lebensdauer des Autos liegt, und das obwohl die Energie steuerlich begünstigt ist. Ernsthaft: wer soll sowas freiwillig kaufen, außer ein paar verwegenen Menschen mit Pionier-Ambitionen? Kein Wunder, dass die Elektroautos nur dort gut laufen, wo der Staat üppige Subventionen zahlt – Norwegen oder die Niederlande sind hier Beispiele.

Wird das Elektroauto in Zukunft konkurrenzfähiger werden? Das halte ich für zweifelhaft. Die Akkutechnologie hat sicher noch Potenzial, aber ob bei der Energiedichte in den nächsten 10 Jahren ein Faktor 2 drin ist und erhebliche Kosteneinsparungen möglich sind, darf doch bezweifelt werden. Und letztlich bleibt das Ladeinfrastrukturproblem. Denn man muss sich mal klar machen, was hier für eine Ladeleistung am Start sein muss: will man zum Diesel aufschließen – 1000 km Reichweite mit (im Idealfall deutlich unter) 10min Tankzeit, dann braucht man mindestens 900 kW Ladeleistung. Zur Einordnung: wenn man heute in Deutschland ein Einfamilienhaus baut, liegt der Anschlusswert normalerweise bei 13,5 kW. Wenn man sich eine Photovoltaik-Anlage aufs Hausdach schraubt, braucht man typischerweise eine Dachfläche von mindestens 7 qm, um 1 kW(peak)-Leistung zu bekommen.

Wer also sein Elektroauto mit der heimischen PV-Anlage laden will, sollte ein großes Haus haben, nur ein Auto fahren und die Fahrten nachts durchführen, damit tagsüber die volle PV-Leistung das Fahrzeug betanken kann. Vorzugsweise sollte das Haus auch in einer deutlich sonnigeren Gegend als Deutschland stehen.

Um auch mal Tesla, das Elektroautohersteller-Wunderkind aus den USA zu erwähnen: das Tesla Model S ist zweifellos ein Meilenstein der Fahrzeugtechnik auf dem Weg zu einem praxistauglichen Elektroauto. Aber auch die Idee des Superchargers kann nicht über das Akku-Reichweiten-Ladezeitproblem hinwegtäuschen: trotz nicht weniger als 120kW Ladeleistung schafft es der Supercharger in 30min gerade mal, eine Reichweite von rund 250km in den Akku zu pumpen. Wer es bisher gewohnt war, lange Strecken am Tag zurückzulegen, wird sich umstellen müssen, zur Fahrtzeit kommen jetzt erhebliche Zwangspausenzeiten – wenn man es überhaupt bis zum nächsten Supercharger schafft. Letztlich hat Tesla nicht das Elektroauto neu erfunden, sondern es geschafft, auf relativ kompaktem Raum für verhältnismäßig wenig Geld eine verhältnismäßig große Akkukapazität unterzubringen. Inwieweit Tesla durch Massenfertigung die Akkupreise in den Griff bekommt, zeigt sich erst, wenn Fahrzeuge im Brot-und-Butter-Segment angeboten werden und Tesla ernsthaft anstrebt, Gewinne zu machen. Solange die Autos Verlustbringer sind und die Zahlungsbereitschaft der Luxusklassekundschaft ausgenutzt werden kann, ist es schwer, fundierte Aussagen zu treffen.

Die Tatsache, dass selbst Tesla nur eine recht schmale Garantie auf den Akku gibt – 8 Jahre, aber nur auf prinzipielle Funktionsfähigkeit ohne Kapazitätsgarantie – lässt mich etwas skeptisch zurück.

Letztlich gibt es sicherlich viele Kunden, deren tägliche Fahrleistung gering genug ist, um mit einem Elektroauto Vorlieb nehmen zu können. Aber es gibt wohl sehr wenige Kunden, die für weniger Auto mehr Geld ausgeben wollen. Und am Ende bleibt die Frage, ob die Kunden mit der geringeren Fahrleistung nicht sowieso mit einem Plugin-Hybrid besser bedient sind. Denn das Bessere ist des Guten Feind.