Zölle und Länderfinanzausgleich

Zwei Meldungen vom gestrigen Tage. Der „Zoll-Deal“ zwischen den USA und der EU wurde verkündet. Meines Erachtens der harmloseste Teil: die Zusicherung der EU, signifikante Summen der seitens der NATO-Mitglieder versprochenen Rüstungsausgaben bei US-Herstellern zu tätigen. Denn es gibt eine ganze Reihe von Waffensystemen, wo es zu US-Herstellern schlicht keine vernünftige Alternative gibt oder diese noch in weiter Ferne liegt (ich nenne mal die Entwicklungskooperation zwischen Frankreich und Deutschland zum Kampfflugzeug der nächsten Generation). Oder auch so schnöde Dinge wie Drohnen- und Raketenabwehrsysteme. Auch eher harmlos: der verpflichtende Bezug von Erdgas (in flüssiger Form – LNG) aus den USA – bekommt man eh nirgendwo anders her, solange in Europa die irrationale Angst vor Fracking herrscht. Interessant: europäische Unternehmen sollen innerhalb der nächsten Jahre rund 600 Milliarden Dollar in den USA investieren. Haben solche Beschlüsse der EU-Kommission eigentlich jetzt irgendwie schon Gesetzeskraft, oder wie sollen die Unternehmen dazu gezwungen werden?

Die andere Meldung: der Länderfinanzausgleich ist auf eine neue Rekordhöhe von 11 Milliarden Euro gestiegen. Hauptkostgänger weiterhin Berlin mit über 2 Milliarden pro Jahr. Allein Bayern zahlt über 6 Milliarden.

Da würde ich mal sagen: lieber 200 Milliarden für US-Gas und -Waffen ausgeben als 10 Milliarden in den Länderfinanzausgleich pumpen. Denn nur bei einem hat man hinterher einen Nutzen, beim anderen hingegen hat man einfach nur Geld verbrannt und gleichzeitig noch durch Am-Lebel-halten kranker Strukturen weiteren Schaden angerichtet.

Nichtsdestotrotz ist der Deal erschreckend schlecht verhandelt von der EU-Seite, denn obwohl man natürlich froh sein kann, dass es nicht noch viel schlimmer gekommen ist, ist dieses Abkommen wenig ausgewogen und klar nachteilig für den EU-Wirtschaftsraum. Ich kann also leider nicht „Verhandlungsgeschick“ auf der Fähigkeitenliste von UvdL hinzufügen. Damit bleibt es bei den einzigen beiden Einträgen „vermag auch schlimmste Affären zu überstehen“ und „wird trotz mehrfach nachgewiesener Unfähigkeit egal bei welchem Thema immer weiter befördert“.

Kein Grund zur Besorgnis

Winfried Kretschmann, vermutlich alleiniger Grund für den ansonsten unerklärlichen Wahlerfolg der Grünen bei den diversen Landtagswahlen in Baden-Württemberg seit 2011, hat seine tiefe Besorgnis geäußert. Gut, das macht er häufiger, zum Beispiel beim Thema Automobilindustrie im Ländle. Es wäre glaubwürdiger, würde er seine Besorgnis mal offensiv bei grünen Parteitagen vertreten und die innerparteilichen Feinde des Individualverkehrs über die negativen Auswirkungen ihres Treibens aufzuklären.

Diesmal Grund für seine Besorgnis: die kleine „Panne“ in der Verwaltung, als mal locker 1400 Lehrerstellen unbesetzt blieben. Kretschmann befürchtet, das könnte das Vertrauen der Bürger in den Staat erschüttern.

Aber da kann ich Entwarnung geben: das Vertrauen der Bürger in eine funktionierende öffentliche Verwaltung ist seit vielen Jahren auf ähnlichem Niveau wie das Vertrauen in die Pünktlichkeit der Deutschen Bahn. Schätzungsweise unter null.

Umsatz? Gewinn? Egal!

Es hätte ein Blog-Post über den derzeitigen (Zu-)Stand der Automobilindustrie werden können. Über E-Autos. Die sich eher schlecht entwickelnde Premium-Strategie von Ola, über die ich schon vor mehr als drei Jahren eher skeptische Worte veröffentlichte. Über Teslas (vorübergehenden?) Niedergang. Über die aktuellen Probleme bei Stellantis. Über das unendliche Hybrid- vs. reine-Lehre-Thema. Alleine über BYD könnte man viel Interessantes schreiben.

Und dann kam da dieser Artikel auf FOCUS Online (in Kooperation mit motor1.com) zum Halbjahresergebnis von Porsche. Darin steht (oder stand, falls er irgendwann hoffentlich korrigiert wird!) wörtlich: „Der operative Gewinn des Sportwagenbauers Porsche ist im zweiten Quartal in den Keller gerauscht. Die Zuffenhausener verbuchten einen Umsatzeinbruch von 91 Prozent.“

Also, liebe Qualitätsjournalisten, es gibt da diesen kleinen, aber nicht unerheblichen Unterschied zwischen „Umsatz“ und „Gewinn“. Wenn irgendjemand diesen Text vor Veröffentlichung querliest, muss ein solcher Umsatzeinbruch sofort und direkt als völlig unplausibel auffallen. Und tatsächlich: andere Journalisten waren in der Lage, korrekt die Zahlen wiederzukäuen: der Gewinnrückgang ist 91%, der Umsatzrückgang 12,5%.

Das ist zwar ganz erheblich, aber jetzt auch kein Grund zur Panik: bei Porsche sind eine Vielzahl von bekannten Problemen am Werk, die man nur teilweise unter Kontrolle hat: die anstehenden US-Zölle. Der schwache Dollar, der gravierend in die Marge frisst (Nordamerika macht ungefähr 30% des Porsche-Umsatzes aus). Die Unwilligkeit der reichen China-Kundschaft, weiterhin Porsche-Preise zu zahlen, während andere Premium-Hersteller inklusive der hippen heimischen Hersteller sich einen Preiskrieg liefern. Der verfrühte Umbau der Produktpalette im Hinblick auf die E-Mobilität inklusive Verpassen des gerade in China wichtigen Angebots an Plugin-Hybrid-Modellen. Die derzeit deutlich geringeren Margen bei E-Autos gegenüber den guten alten Verbrennern. Und weil Porsche auch öfter mal Audi-Technologie übernimmt, sind die dortigen Entwicklungsverzögerungen auch ein Problem. Und der VW-Konzern ist zwar im Butter-und-Brot-Bereich technologisch ganz gut aufgestellt, aber im Premium-Bereich kann Porsche da nicht auf den Konzern zählen. Ich sage mal „Cariad“.

Dass VW- und Porsche-Chef Blume hier jetzt die Alarmglocken läutet, ist klar – notleidende Konzerne haben eher mal die Möglichkeit, bei Tarifverhandlungen und Personalabbau gute Argumente ins Feld zu führen als wenn das Geschäft brummt. Aber man muss auch mal in die Historie von Porsche schauen. Ein paar wild herausgegriffene Zahlen: in Deutschland seit 2000 den Marktanteil verdreifacht. Damals lag der weltweite Umsatz bei rund 4 Mrd. €, 2023 lag dieser dann schon bei über 40 Mrd. €. Der Vorsteuergewinn lag stets über 10% des Umsatzes – unanständig viel, könnte man sagen. 2023 waren es gar sensationelle 7 Mrd. €.

Die offiziellen Zahlen für das zweite Quartal liegen noch nicht vor, aber die Berichterstattung redet von 8,3 Mrd. € Umsatz und 154 Mio. € Gewinn. Klingt erst mal nach „Sondereffekte“ bezüglich des Gewinns – bin gespannt, was am 30.7. veröffentlich wird. Es könnte auch sein, dass die exorbitanten Margen nun einfach der Vergangenheit angehören. Umsatztechnisch würde man eher an die Jahre 2018-2020 anknüpfen. Da kann der nicht zur Panik neigende Beobachter doch erst mal aufatmen. Die Zeit der Höhenflüge und des Dauerwachstums vor allem dank China ist vorbei, aber von existenzieller Krise wie Ende der 80er und Anfang der 90er des vergangenen Jahrhunderts ist man doch noch sehr weit entfernt. Auch wenn die Politik alles dafür tut, den Industriestandort Deutschland zu schwächen.

Angesichts der angeblich ultrateuren Aufholjagd mit absurd hohem Investitionsvolumen bei der Elektromobilität muss man allerdings festhalten, dass vor allem BMW und Porsche immer noch erstaunlich stabile Gewinne ausgewiesen haben.

Elon macht Party

Funktionieren deutsch-englisch-gemischte Wortspiele? Ich glaube nicht. Also Klartext: Elon Musk will eine Partei gründen, die „America Party“. Angekündigtes Ziel ist, im Senat und im Repräsentantenhaus ein paar Sitze zu erobern und so bei zukünftigen Entscheidungen das Zünglein an der Abstimmungswaage sein zu können und so – gemessen an den Stimmen – einen überproportionalen Einfluss gewinnen zu können.

Einhelliges Urteil in der veröffentlichten Meinung scheint bisher zu sein: Elon ist endgültig wahnsinnig geworden, die USA sind ein festgefahrenes Zwei-Parteien-System, da mit einer dritten Partei aufzukreuzen wird nicht funktionieren, und hat noch nie funktioniert.

Dieser Standpunkt hat durchaus was für sich. Bei einem Verhältniswahlrecht wie hierzulande ist es schon schwierig, und da scheitert man typischerweise an so einer Nichtigkeit wie der 5%-Hürde. Aber im Mehrheitswahlrecht?

Nun ist die Partei ja noch gar nicht gegründet, und es stehen bisher nur ganz grobe Politiklinien im Raum, die von der Partei vertreten werden sollen: es geht klar in Richtung libertäre Minimalstaatspartei, denn Aufhänger war ja die abermalige gewaltige Expansion der US-Schuldenlast durch Trump, der es da im Prinzip allen seinen Vorgängern gleichtut. Also ist das Ziel der „America Party“: radikale Kürzung der Staatsaufgaben und damit automatisch auch der Staatsausgaben, um das Staatsdefizit wieder in den Griff zu kriegen. Ich kann mir vorstellen, dass Musk während seiner kurzen Aktivität bei DOGE da die eine oder andere Anregung mitgenommen haben dürfte.

Da das Ziel ja nicht ist, den nächsten Präsidenten zu stellen, sondern nur ein paar Sitze zu erobern, würde ich einen Erfolg nicht von vornherein ausschließen. Denn im Prinzip braucht man gar nicht so viel für den Erfolg: im derzeitigen US-Politikklima muss man die große Zahl der Unzufriedenen ja quasi nur einsammeln. Ein paar freundliche Gesichter als Kandidaten, einen Haufen Geld für einen pfiffigen Wahlkampf, Angriffspunkte bei den beiden großen Altparteien und ihren Repräsentanten gibt es ja genug. Sowohl die Präsidenten- als auch die Senats- und Repräsentantenhaus-Wahlen sind oft genug eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera, wo nicht mehr überzeugt einer gewählt wird, sondern mehr zähneknirschend halt noch mal entlang alteingesessener Parteipräferenzen aus Mangel an Alternativen abgestimmt wird. Und es gibt durchaus Beispiele, wo unabhängige Kandidaten (bzw. solche auf dem Ticket einer weitgehend unbekannten Partei) Wahlen gewonnen haben – Jesse Ventura dürfte das bekannteste Beispiel sein.

Ich denke es sollte möglich sein unter aktiven Politikern ein paar Unzufriedene (und beim Wähler beliebte sowie rhetorisch begabtere als Kamala Harris) bei den Demokraten und Republikanern zu finden, die bei Wahlen für Elons neue Partei antreten würden. Das größte Hindernis sehe ich eigentlich in Musk selbst – es wäre notwendig, dass er sich selbst zurücknimmt, nur im Hintergrund die strategischen Dinge entscheidet, und nur unterstützend wirkt, damit das alles funktioniert. Nicht zuletzt, weil seine persönliche Beliebtheit beim Wähler doch sehr überschaubar ist. Bei einem so großen Ego, wie es Musk hat, halte ich das für aussichtslos. Zurückhaltung war noch nie seine Stärke.

Aber das noch viel größere Problem ist meines Erachtens, dass es im Wahlvolk keineswegs eine überwältigende Mehrheit für sparsame Fiskalpolitik gibt. Vordergründig erzählt natürlich jeder, dass der Staat zu viel ausgibt und die überbordenden Schulden ein riesiges Problem für künftige Generationen ist. Aber sobald es irgendwo konkret ans Sparen geht, ist das Geschrei traditionell groß. Und „höhere Steuern“ als Lösungsweg, um das Staatsdefizit signifikant zu verkleinern, dürfte von vornherein aussichtslos sein.

Aber ich lasse mich gerne überraschen. Elon Musk gilt ja weithin als talentiert für disruptive Änderungen. Spannend ist das Experiment allemal.

Wunsch und Wirklichkeit

Seit einigen Wochen fahren Teslas Robotaxis durch Austin, Texas. Endlich, mag der geneigte Beobachter sagen, schließlich kündigt Elon Musk das autonome Fahren von Teslas schon seit einiger Zeit unermüdlich an, und in einer besonderen Art vorauseilenden Gehorsams wurde die Technologie, die eventuell später mal zum autonomen Fahren befähigt, ja schon seit sehr langer Zeit als „Autopilot“ in der Tesla-Aufpreisliste bezeichnet.

Die Geschichte von Mr. Musks Ankündigungen zum Thema autonomes Fahren ist ja inzwischen lang. Ursprünglich angekündigt wurde eine vollautonome Fahrt eines Tesla quer durch die USA meines Wissens schon in 2016, und zwar für das darauffolgende Jahr. Um Missverständnisse zu vermeiden: Level-5-Autonomie. Also ohne Fahrer, ohne direkte Eingriffsmöglichkeit eines Mitfahrenden. In den Folgejahren wurde das regelmäßig um ein Jahr nach hinten verschoben. Was die genauen Gründe dafür waren, blieb im Ungewissen. Dafür häuften sich Berichte diverser Problemchen und Probleme von Tesla-Fahrzeugen im Level-2-Autonomiebetrieb (also „Unterstützung des Fahrers“). Phantombremsungen, Beinaheunfälle, unmotivierte Spurwechsel, Ausweichen auf die Gegenfahrbahn, Ignorieren von Lichtsignalen, Blockieren von Rettungsfahrzeugen – alles mit dabei.

Nun also der Durchbruch im Jahre 2025, 8 Jahre verspätet? Besser spät als nie, und besser eine ausgereifte Software als fehleranfälliges Stückwerk? Liest man die Berichte, fällt es einem schwer, Ausgereiftheit zu konstatieren. Auch beim (offenbar als „experimentell“ gelabelten) Robotaxi-Betrieb in Austin, offenbar mit 10-20 Fahrzeugen, gibt es reichlich Berichte über Probleme. Der Offenbarungseid ist allerdings, dass in allen Robotaxis noch ein „Sicherheitsfahrer“ sitzt. Wunsch und Wirklichkeit – für 2017 war eine vollautonome Fahrt quer durch die USA angekündigt, und 2025 bewegen sich Kleinstmengen an Fahrzeugen unter Aufsicht von Fahrern mit größeren Schwierigkeiten auf drastisch beschränktem Terrain einer einzigen Stadt.

Der Skeptiker könnte sagen: allem KI-Hype zum Trotz scheinen die grundlegenden Probleme des autonomen Fahrens auch über 25 Jahre nach meiner Diplomarbeit zu diesem Thema weitgehend ungelöst, der Fortschritt muss mit der Lupe gesucht werden. Auch wenn man konstatieren muss, dass die Konkurrenz von Waymo offenbar ein besseres Bild abgibt. Übrigens bezweifle ich, dass die oft zitierten Experten Recht haben, dass das Tesla-Problem auf einen Mangel an Sensorik schließen lässt – oft genannt die Abwesenheit von Lidar und/oder Radar. Dass insbesondere die Phantombremsungen auf Mängel in der optischen Erfassung der Kameras zurückzuführen ist, ist hochgradig unplausibel. Es klingt eher wie ein typisches KI-Problem – die Halluzination. Aber vielleicht stecken auch nur schnöde Bugs dahinter.

Man fragt sich, was in 2025 eigentlich noch die absurd hohe Börsenbewertung von Tesla rechtfertigt. Der technologische Vorsprung, egal in welcher Kategorie, kann es ja wohl nicht sein. Und die bedingungslose Loyalität der Elon-Anhängerschaft scheint auch eher zu verblassen. Der durchschnittliche E-Auto-Käufer scheint dafür ein besseres Gespür zu haben als der durchschnittliche Börsen-Investor.

SPD watscht Verfassungsschutz ab

Es ist schon wieder ein paar Tage her, als die Genossen ihren Bundesparteitag begingen. Ich wollte erst „feierten“ schreiben, aber angesichts des Wahlergebnisses und der derzeitigen Umfragen war den Genossen wohl eher weniger zum Feiern zumute. Umso wichtiger, dass man in einem der Kernthemen des modernen Sozialismus Geschlossenheit demonstrierte: ein AfD-Verbotsverfahren ist für die Genossen alternativlos. Man will nun in einem zweistufigen Verfahren erst mal von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe ausreichend Material sammeln, um vor dem Verfassungsgericht eine Chance zu haben, ein Parteienverbot zu erreichen. Danach soll das Material von unabhängigen Gutachtern geprüft werden, ob damit ein Verbotsverfahren mit ausreichender Sicherheit erfolgreich sein wird. Wer sich noch an das kläglich gescheiterte NPD-Verbotsverfahren erinnert, sollte wissen, dass das auch bei extrem unappetitlichen Parteien keineswegs ein Selbstläufer ist. Die Latte für ein Parteienverbot liegt in Deutschland – oder muss man sagen: lag bisher in Deutschland? – ja doch recht hoch.

So weit, so nachvollziehbar. Es ehrt die SPD, hier endlich einmal Nägel mit Köpfen machen zu wollen und das AfD-Verbot nicht nur in Sonntagsreden unverbindlich zu fordern. Interessant finde ich vielmehr, dass die Genossen damit eigentlich frontal den Verfassungsschutz und seine Arbeit angreifen: denn die Vorgehensweise sagt ja nichts anderes, als dass die Bemühungen des Verfassungsschutzes – für jedermann nachlesbar im geleakten „Gutachten“ – bei weitem nicht als ausreichend angesehen werden, um sich auch nur entfernt Chancen in einem Verbotsverfahren auszurechnen. Bisher haben ja alle Experten zum Thema Verfassungsgericht auch recht eindeutig gesagt, dass das Verfassungsschutz-Gutachten derart dünn bestückt mit Nachweisen ist, dass ein Verbotsverfahren auf dieser Basis auf keinen Fall zum Erfolg führen wird. „Gesichert rechtsextrem“ eben nur bezüglich der Kriterien, die der Verfassungsschutz anlegt, also „Parteimitglied xyz hat was ganz böses gesagt – alles Nazis!“ – so in dieser Preisklasse. Vielleicht habe ich aber nicht alle gesammelten Belege hinreichend gewürdigt, das will ich nicht ausschließen, da bin ich für Hinweise offen. Dass der Verfassungsschutz wie auch die meisten Politiker von SED bis CDU das Thema Meinungsfreiheit eher eng auslegt, jedenfalls enger als die ständige Rechtsprechung des BVerfG nahelegen würde, ist ja nicht neu.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass es strategisch für die SPD Sinn ergibt, die AfD tatsächlich verbieten zu lassen (und nicht nur ein Verbot beständig zu diskutieren). Die Stimmen der AfD-Wähler werden größtenteils nicht bei der SPD landen, und die pure Existenz der AfD sorgt automatisch für eine babylonische Gefangenschaft von CDU/CSU – Brandmauer und so. Und man kann als Totschlagsargument immer die AfD hervorholen, wenn es um die Diskreditierung von Positionen rechts der Mitte geht. Nein, strategisch wäre es für die SPD viel klüger, mal bei den dänischen Sozialdemokraten nachzufragen, wie man beim Thema Migration verfahren sollte, um Wähler aus der vormaligen Stammwählerschaft der SPD – Arbeiter, Angestellte, der berühmte „kleine Mann“ – wieder zurückzugewinnen. Das wäre deutlich erfolgversprechender als das Risiko eines Verbotsverfahrens – man überlege sich, was passiert, wenn dieses scheitert. Überspitzt formuliert: die AfD mit dem Unbedenklichkeitsstempel des BVerfG, der Albtraum der Genossen. Schon jetzt ist ja der geistige Spagat für normal denkende Menschen kaum nachvollziehbar: auf der einen Seite wird „gesichert rechtsextrem“ behauptet, auf der anderen Seite traut man sich nicht an ein Verbotsverfahren ran, weil man die Hosen voll hat, was ein Scheitern desselben für Konsequenzen hätte.

Nicht direkt das Thema betreffend, aber noch eine abschließende Beobachtung zur SPD: es wurde von relativ vielen Qualitätsjournalisten berichtet, dass Klingbeil ja „überraschend“ jetzt der starke Mann bei der SPD sei, obwohl er ja maßgeblich das schlechte Wahlergebnis der SPD zu verantworten habe. Kurzer Reality-Check für Genossen und ihnen nahestehende Schreiberlinge: das Hauptproblem des SPD-Wahlkampfs lautete Olaf Scholz. Auch der beste Wahlkampfmanager der Welt, ausgestattet mit unbegrenzten Finanzmitteln, hätte den Wähler nicht dazu bringen können, Olaf Scholz erneut zum Bundeskanzler zu wählen. Es ist ausschließlich die Feigheit führender SPDler, inklusive Boris Pistorius als einzig denkbarem Kanzlerkandidaten, dass Olaf Scholz nochmal antreten durfte oder konnte. Dafür jetzt Klingbeil verantwortlich zu machen, ist wirklich lächerlich. Ganz im Gegenteil muss man beim Ergebnis der Verhandlungen zwischen Union und SPD zwecks Regierungskoalition konstatieren, dass Klingbeil wohl ein absolutes Verhandlungsgenie sein muss, denn im Koalitionsvertrag muss man Unionsinhalte mit der Lupe suchen.

Und wer sich wirklich fragt, warum Saskia Esken gehen musste und Klingbeil nicht, dem empfehle ich einfach mal, eine beliebige Rede oder einen beliebigen Fernsehauftritt von Esken anzuschauen. Diese Frau ist das personifizierte Wählergift. Eines der lebhaftesten Beispiele für die kaum überschätzbare Schädlichkeit von Quotenregelungen aller Art.

Nachwahlprüfung der Vorwahlgedanken

Man sollte ja regelmäßig seine Prognosen und Vorhersagen damit abgleichen, wie sich die Realität dann tatsächlich – oftmals, wenn man sich geirrt hat, natürlich völlig ungerechtfertigt und unbegründet – entwickelt hat.

Ich so vor der Wahl: „Und nach der Wahl? Mehr Geld für Rüstung, Wiederaufleben der Wehrpflicht, etwas Kosmetik beim Rentenproblem, „Reform“ der Schuldenbremse (sprich: ungebremste Neuverschuldung für noch mehr Konsumausgaben des Staates), mehr Bürokratie, Herumhampeln beim Migrationsproblem mit ein paar Alibi-Aktionen wie gehabt.“ Ich stelle fest: mit einem gesunden Maß an Zynismus bezüglich der Lösungskompetenz gewählter Politiker lassen sich Vorhersagen beinahe punktgenau treffen. Wobei die „Kosmetik beim Rentenproblem“ sogar zu optimistisch war, da hat man ja jetzt erst mal eine Kommission in Aussicht gestellt – ich sage voraus, dass das enden wird wie bei der Herzog-Kommission und der Gesundheitsprämie (vulgo „Kopfpauschale“).

Besonders das Thema „Wehrpflicht“ wird ja noch etwas verklausuliert dargestellt, ein kluger Formulierer hat gesagt „wir streben einen freiwilligen Wehrdienst mit Pflichtelementen an“. Wahnsinn. Freiwillige Pflicht. Da muss man erst mal drauf kommen. Ganz abgesehen davon, dass die Bundeswehr strukturell gar nicht in der Lage ist, eine Wehrpflicht zu stemmen – keine Ausbilder, kein Material, keine Kasernen. Da muss man kreativ werden, was bei einem Verwaltungsmoloch wie der Bundeswehr wohl auszuschließen ist. Kleinodfund am Rande: zur Überraschung von genau gar niemandem kam eine Meinungsumfrage zum Ergebnis, dass die Alterskohorte 18-25 stark gegen eine Wehrpflicht ist, die Älteren hingegen sich das sehr gut vorstellen können.

Aber bezüglich Wehrpflicht war meine Vermutung schon immer, dass man eigentlich nur den guten alten Ersatzdienst wieder einführen will (natürlich inklusive der weiblichen Hälfte der Bevölkerung – Gleichstellung und so, ‚wissensschon), um der Pflegemisere mit billigen Arbeitskräften Herr zu werden. Nachdem das mit den Millionen an Flüchtlingen/Migranten/Einwanderern ja nicht so gut geklappt hat, nachdem die schnell verstanden haben, dass Bürgergeld + Schwarzarbeit die deutlich cleverere Alternative zum Mühsal der 40h-Woche ist.

Trotzdem will ich festhalten, dass meine schlimmsten Befürchtungen bezüglich der neuen Regierung nicht eingetroffen sind. Ab und zu hört man gar vom Kanzler sinnvolle Statements, das hielt man nach 16 Jahren Merkel und 3 Jahren Scholz ja schon gar nicht mehr für möglich. Tatsächlich entdeckt man durchaus beim einen oder anderen Statement ein recht gesundes Maß an Realitätssinn, vor allem bezüglich der Finanzierbarkeit diverser Wunschträume. Dass nun ausgerechnet die angekündigte Senkung der Stromsteuer diesem Realitätssinn zum Opfer gefallen ist – geschenkt. Der Qualitätsjournalismus schafft es bei diesem Thema ja, gleichzeitig die Positionen „für den einzelnen bringt eine Senkung ja eh nicht viel“ und „diesen Milliardenausfall kann sich der Staat nicht leisten“ zu vertreten. Die Mathematikabstinenz ist bekanntermaßen stark in diesem Berufszweig.

Immerhin gibt es dank Grenzkontrollen ein paar Lichtblicke bei der Zahl der Asylbewerber, und auch die vorliegenden Informationen zu Investitionen in Material für die Bundeswehr ist durchaus positiver zu sehen ich befürchtet hatte. Wenn man Geld für Waffen ausgibt, sollten die von der heimischen Industrie produziert werden, und zwar in solchen Stückzahlen, dass mindestens das europäische Ausland auch gleich dort bestellt – viele Premium-Preise heimischer Rüstungsprodukte kamen ja nur zustande, weil man Sonderentwicklungen in Kleinstserie beauftragt hatte, Stichwort „Goldrandlösung“. Man denke an das Fiasko rund um den Schützenpanzer Puma. Da scheint jetzt eher Realitätssinn eingekehrt zu sein – neuester Leo mit anständigen Stückzahlen beim Boxer, der bekanntlich universeller einsetzbar ist als anderes fahrendes Großgerät der Bundeswehr. Wenn jetzt noch die unsinnig teuren Fregatten gestrichen werden und endlich die deutsche Kernkompetenz, nämlich der Bau diesel- oder wasserstoffelektrischer U-Boote, forciert wird, besteht zumindest in diesem Teilgebiet Hoffnung. Wenn man jetzt noch die lächerlichen Rüstungsexportbeschränkungen aufgibt und unsere Industrie einfach mal exportieren lässt…das wäre eine einfache Wirtschaftsförderungsmaßnahme. Ob die freundliche Autokratie in Afrika, Südamerika oder im mittleren Osten die Bevölkerung mit deutschen, französischen, amerikanischen, chinesischen oder russischen gepanzerten Fahrzeugen unterdrückt, ist doch wirklich sowas von egal.