Über Feinstaub, Fahrverbote und Fehlanreize

Es geht doch nichts über eine saubere Alliteration im Titel. Bitteschön, lieber Leser. Gern geschehen. Mein Deutschlehrer wäre stolz auf mich.

Aber das soll (überraschenderweise) nicht das Thema sein. Sondern es soll mal wieder um das heilige Blechle gehen. Wie es aussieht, ist das bei Feinstaubalarm in Stuttgart angedachte Fahrverbot für bestimmte dieselbetriebene Fahrzeuge nun in trockenen Tüchern. Alles bis einschließlich Euro 5 ist betroffen. Wie es momentan aussieht, gilt das Fahrverbot nur für bestimmte stark schadstoffbelastete Straßen.

Alles an dieser Idee erscheint falsch. Diesel mit Partikelfilter (und damit viele schon mit Euro 4, definitiv alle ab Euro 5) erzeugen praktisch keinen Feinstaub (jenseits der üblichen Fahrzeugquellen wie Reifen- und Bremsenabrieb natürlich). Ganz im Gegensatz zu heutigen Benziner-Direkteinspritzern, die erst ab der kommenden Euro 6c-Norm überhaupt irgendwelche Feinstaub-Grenzwerte (früher hieß das übrigens noch Ruß) einhalten müssen.

Unbeachtet bleibt auch die Tatsache, dass die RDE (Real Driving Emissions) bei den einzelnen Fahrzeugen – oft sogar bei unterschiedlichen Modellen desselben Herstellers – sich gravierend unterscheiden. Ginge es wirklich um saubere Luft, warum nicht die sauberen Fahrzeuge zulassen und die schmutzigen Fahrzeuge aussperren? Wenn man das Verbot kontrollieren will, muss man doch sowieso entweder individuell eine Plakette zuteilen oder individuell prüfen. Es spräche also nichts gegen eine auf Tatsachen basierende Regelung anstatt eine willkürliche. Und komme mir keiner mit erhöhten Verwaltungskosten. Die volkswirtschaftlichen Kosten für diese sinnlose Maßnahme sind doch auch gravierend.

Besonders ärgerlich fand ich die Einlassung diverser Politiker, dass die Entscheidung doch früh genug kommt, damit sich jeder drauf einstellen kann. Mit einem Federstrich wurden die Restwerte der betroffenen Diesel-Fahrzeuge vernichtet, und man räumt den Bürgern eine grandiose Vorlaufzeit von etwa einem Jahr ein und findet sich toll dabei. Was denkt denn so ein Politiker, wie alt das durchschnittliche Fahrzeug des Privatmanns ist? Was das für eine Investition bedeutet?

Noch bitterer: durch jahrzehntelange Fehlanreize ist die Politik Hauptschuldiger sowohl am hohen Dieselanteil als auch an sinnlosen Abgasnormen als auch am Aufkommen downgesizeder aufgeladener Direkteinspritzer-Benziner. Man erinnere sich nur an die völlig sinnlose Änderung der KfZ-Besteuerung mit dem CO2-Anteil auf Basis des NEFZ. Dabei gab es doch schon eine perfekte CO2-Besteuerung, die nicht auf Prüfstandverbräuchen basiert, sondern den Realverbrauch automatisch und hochgenau berücksichtigt – nennt sich Mineralölsteuer, und gibt es schon länger. Wenn CO2-Besteuerung als sinnvoll erachtet wird, hätte man einfach den Steuernachteil des Benzins gegenüber des Diesels auf den Kohlenstoffgehalt des jeweiligen Kraftstoffes normieren können (besonders penible Naturen hätten noch den unterschiedlichen Energieaufwand in der Raffinerie berücksichtigt) und man hätte die perfekte, faire CO2-Steuer gehabt. Na gut, der Durchschnittspolitiker hätte natürlich die Steuer auf Diesel erhöht und nicht die Steuer auf Benzin gesenkt – es scheint ja eine Art Naturgesetz in Deutschland zu sein, dass die Steuerlast immer steigen muss und niemals sinken darf.

Die Bemühungen zur Senkung des CO2-Ausstoßes des Verkehrs waren ja vermutlich der Grund, warum die Politik jahrelang die Autofahrer animiert hat, sich für den Diesel zu entscheiden. Tja, schade, wer auf Politiker hört ist eben selbst schuld. Nachdem ja seit neuestem Stickoxide zum Ultragift ausgerufen wurden (wer mal lachen will, vergleicht die MIK/MAK-Grenzwerte, die auf echter Wissenschaft basieren, mit den EU-Luftschadstoffgrenzwerten), hätten Dieselfahrzeuge schon seit Jahrzehnten aus dem Verkehr gezogen gehört. Für diese Idee hatte aber wohl beim Wettbewerb “Schadstoff des Monats” gerade keiner Zeit. Die nächste Sau wartete, die durchs Dorf getrieben werden musste.

Am Ende wie immer der Hinweis: es gibt einfache, preiswerte Möglichkeiten, die Feinstaubkonzentration zu senken. Vermeidung von Stop&Go durch ausreichenden Straßenbau zum Beispiel. Fahrbahnbewässerung zum Binden der Stäube. Einsatz von speziellen Kehrmaschinen. Ein Ende der Holzfeuerung zu Heizzwecken. Oder sogar allgemein der Biomasseverfeuerung. Und am Ende natürlich: sinnvolle, gefahrenorientierte Grenzwerte, und nicht irgendwelche Phantasiegrenzwerte, die die Idee eines Vorsorgegrenzwertes schon lange karrikieren. Teilweise war ja schon die Rede davon, dass die Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerte immer weiter zu sinken haben, weil jede beliebige Dosis ein unverantwortliches Gesundheitsrisiko darstelle. Tja, wenn die Vernunft mal ausgeschaltet ist und die Ideologen das Zepter schwingen, ist eben alles verloren, und beliebig kleine Risiken werden mit beliebig großen Mengen Geld bekämpft. Siehe auch: Klimawandel in Deutschland. Oder die Strahlenschutzgesetze, wo die erlaubten Dosen ja auch ausgewürfelt wurden und auf keinerlei wissenschaftlicher Basis stehen.

Und auch der Hinweis, dass wir seit den 80ern ständig sinkende Schadstoffkonzentrationen genießen, sollte man ab und an mal erwähnen – man hat ja oft das Gefühl, dass irgendwie alles schlimmer geworden ist. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich lehne mich zurück, beglückwünsche mich zur Entscheidung einen Saugrohreinspritzer-Benziner mit Euro 6 gekauft zu haben (gerne auch mit dem Titel “Luftreinigungsgerät” bedacht, da im Innenstadtverkehr die angesaugte Luft schmutziger ist als das, was hinten rauskommt) und schaue dem Tollhaus weiter zu. Politikverdrossenheit hat viele Gründe. Unlogische, aktionistische Politik ist einer davon.

Wer tiefer in die Materie einsteigen will, findet hier mehr Material: bei Tichys Einblick, bei Science Skeptical, bei Bild der Wissenschaft. Aber Vorsicht. Wissen sorgt hier eindeutig für irgendwas zwischen Verdruss und Verzweiflung.