Das Tesla-Rätsel

Nein, es soll nicht um das große Rätsel gehen, warum Tesla immer noch so gerne Ankündigungen mit einer Jahreszahl versieht. Oder immer noch Einzelne diese Jahreszahl – oder die Ankündigung – für realistisch halten. Es soll ganz einfach um den Börsenkurs von Tesla gehen. Und warum der auch in 2025 noch so – aus meiner Sicht – absurd hoch ist.

Ich blende die Vorgeschichte zwischen 2010 und 2020 mal kurz aus. Der Kurs vervielfachte sich, aber dafür gab es ja nachvollziehbare Gründe – das Tesla Model S war dank brauchbarer Reichweite und der Supercharger das einzige „marktfähige“ Elektroauto für alle Anwendungszwecke und weltweit das meistverkaufte Elektroauto, und Tesla hatte einen Plan, der durchaus plausibel aussah, und man hatte auch einen gewissen Technologievorsprung. Das ist natürlich ein Grund für eine stattliche Kurserhöhung gegenüber „wir haben noch gar kein Auto“ und „wir haben diese Lotus Elise mit ein paar Laptop-Akkus vollgestopft“. Ende 2019/Anfang 2020 begann dann aber die Aktienkursexplosion (von etwa 15 EUR auf zeitweise über 420 EUR), die mich zu diesem Blog-Artikel bringt.

Stand heute hat Tesla eine Marktkapitalisierung, die größer ist als Toyota, Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW und Stellantis zusammen. Also eher sogar den doppelten Wert der genannten zusammen. Tesla verkaufte 2024 knapp 2 Millionen Autos. So viele wie etwa Mercedes-Benz oder BMW. Zusammen bringen die 5 „konventionellen“ Hersteller es auf etwa 30 Millionen ausgelieferte Autos.

Halber Börsenwert bei fünfzehnfacher verkaufter Stückzahl? Forschen wir weiter nach Gründen. Es könnte ja daran liegen, dass Tesla pro Fahrzeug sehr viel profitabler ist als die anderen. Stellt sich raus: nein, gar nicht. VW und Stellantis verdienen pro ausgeliefertem Fahrzeug weniger Geld als Tesla, aber BMW, Toyota und Mercedes-Benz mehr. Sehr viel mehr. Teiweise über doppelt so viel. Vor allem in 2024 musste Tesla Federn lassen.

Naja, wird jetzt der eine oder andere Börsenprofi einwenden – an der Börse wird ja schließlich die Zukunft gehandelt und nicht die Vergangenheit oder die Gegenwart. Nun ja – Tesla hat 2024 weniger verdient als 2023, und auch weniger Fahrzeuge verkauft. Die ehemals so hoch gehandelte Wachstumsstory existiert schlicht nicht mehr (und war vermutlich auch nie plausibel – dachte man, Tesla wird für immer der einzige Hersteller von Elektroautos bleiben und die Margen beliebig in die Höhe schrauben können?). Tesla steckt knietief im tobenden Konkurrenz- und teilweise auch Preiskampf, vor allem gegen die chinesischen Billighersteller. Und anderswo brechen die E-Auto-Verkäufe überall dort regelmäßig ein, wo die Staaten die Subventionen zurückfahren. Aktuell gerade im US-Heimatmarkt von Tesla zu beobachten.

Nun habe ich mehrfach den Erklärungsansatz für den absurd hohen Börsenwert gelesen, dass Tesla ja gar nicht als Autohersteller zu bewerten ist, sondern vielmehr als Technologieunternehmen. Also Alphabet, NVidia, Meta, Oracle, Amazon und Microsoft als Benchmark und nicht BMW oder Toyota. Interessante Idee, aber nicht durch die Fakten gedeckt. Technologisch ist Tesla nicht mal mittelmäßig und ist maximal gut bei Ankündigungen. Nachdem es mit den Robotaxis und dem autonomen Fahren nicht so gut klappt, ist ja jetzt Robotik der neueste Hype unter den Musk-Jüngern für das baldige Erreichen des Paradieses. Denn mit den ganzen Akku-Lösungen von Powerwall bis Megapack kann man wohl keine Megaumsätze in der näheren Zukunft erwarten, zumal dort die Konkurrenz ebenfalls groß ist.

Ist den Börsianern aber egal. Und zwischendurch vergessen sie auch gerne mal ihren eigenen Erklärungsansatz vom Technologiekonzern. Neulich haben die Investmentbanker von Goldman Sachs das Kursziel von 300 US$ auf 390 US$ angehoben – weil man von stark anziehenden Verkäufen in den USA ausging wegen des Auslaufens der dortigen „BEV Tax Credits“ genannten staatlichen Megasubvention. Und regelmäßig schlägt der Tesla-Börsenkurs heftig aus, wenn es Ankündigungen oder Verschiebungen von neuen Fahrzeugmodellen gibt. Also was jetzt? Autohersteller oder Technologiekonzern?

Es ist und bleibt ein Rätsel. Einzig vernünftige Erklärung: Börsenkurse haben mit Fundamentaldaten einfach gar nichts zu tun. Und auch nicht mit plausiblen Zukunftserwartungen. Sondern einfach nur mit Zocken und hoffen, dass man noch rechtzeitig aussteigt, aber lange genug dabeibleibt, um den Höhenflug mitzunehmen. Timing ist alles bei den Börsianern.

Und so bleibt der Eindruck, dass es eben bei einigen Aktien um eine Art Glücksspiel im größten Kasino der Welt geht. Bei Tesla möglicherweise noch zusätzlich um eine quasireligiöse Gemeinschaft, die dem großen Propheten Elon folgt.