Jexit

Die Sondierungsgespräche zu einer möglichen Jamaica-Koalition (gerne auch “Schwampel” genannt) sind nun also gescheitert, weil die FDP die Notbremse gezogen hat. Die Reaktionen danach haben mich wieder mal sehr betrübt, sowohl was die Politiker-Reaktionen als auch was die Berichterstattung angeht.

Die SPD hat direkt verkündet, dass die Verhandlungspartner quasi dabei sind das Land vor die Wand zu fahren, während die SPD mit ihrer Verweigerung einer großen Koalition (vor einiger Zeit gab es noch die verbreitete Meinung, dass zur Not eben die große Koalition der letzte Ausweg ist – scheint nicht mehr zu gelten) natürlich ihrer staatstragenden Verantwortung voll gerecht wird. Vorsichtshalber wurde diese steile These nicht durch peinliche Begründungsversuche verwässert. Wahrscheinlich, weil man noch immer stolz darauf ist, das direkt am Wahlabend verkündet zu haben. Ja, man kann der Meinung sein, dass aufgrund der Verluste von CDU/CSU (minus sieben Prozentpunkte bzw. minus einem Prozentpunkt) und SPD (minus fünf Prozentpunkte) der Wähler einer GroKo eine Absage erteilt hat. Da der Wähler aber nix anderem eine Zusage erteilt hat, ergibt die Verweigerungshaltung der SPD nicht wirklich Sinn. Zumal aus Sicht der SPD die GroKo thementechnisch ja ein riesiger Erfolg war – zig sozialdemokratische Kernthemen wurden angegangen, es wird haufenweise zusätzliches Geld sinnlos verprasst, und die explodierenden Steuereinnahmen kaschieren das durch die Mehrausgaben verursachte finanzielle Desaster bestens. Und die SPD hat nie der Wählerschaft erklärt, was denn nun an der GroKo schlecht war aus SPD-Sicht.

Inzwischen gibt es ja zarte Absetzbewegungen diverser Genossen von der Schulzschen Parteilinie. Kann sich die SPD dem öffentlichen Druck zur erneuten Bildung einer GroKo dauerhaft verschließen? Wie wirkt sich das strategisch aus – GroKo oder Verweigerung einer GroKo? Was schadet, was nützt? Ich wage keine Vorhersage.

Die Grünen haben verkündet, dass natürlich die FDP die Alleinschuld trägt. Angeblich war man bei allen relevanten Themen quasi auf der Zielgeraden, die FDP hätte praktisch alle ihre Kernthemen durchgesetzt, und man hätte sich sicher einigen können. Die PK mit Özdemir und Göring-Eckhardt hat bei mir allerdings einen anderen Eindruck hinterlassen. Sobald man konkret erklären wollte, wie denn die angeblich vorhandenen Kompromisslinien aussehen hätten sollen, wurde es ganz dünn, und es wurde klar, warum die FDP (und aus meiner Sicht auch die CSU) die Gespräche wegen Aussichtslosigkeit abgebrochen hat. Aus der Zeit der Sondierungsgespräche konnte man ja einiges an Details erfahren, die ganz offensichtlich hätten vertraulich bleiben sollen. Wie man hört, hat vor allem Grünen-Oberverhandler Jürgen T. aus B. die Presse mit Infos versorgt, zuletzt am Tag vor dem Ende der Sondierung groß in der BamS. Eventuell war das ja der Grund für die Anmerkung der FDP, dass das Vertrauen unter den Sondierungsparteien nicht wirklich vorhanden war?

Nachdem die Grünen gemerkt haben, dass ihnen aufgrund fehlender Unterfütterung durch Fakten niemand das Narrativ “Alleinschuld FDP” abkauft, wurde plötzlich lanciert, dass auch die Grünen häufiger an Abbruch der Sondierungen gedacht haben. Ach.

Die CSU tat auch ganz enttäuscht. Als wenn man sich mit den Grünen abgesprochen hätte, wähnte man sich auch dort auf der Zielgeraden. Naja, man kennt das ja von Horst Seehofer, der vermutlich – sofern er nicht demnächst abgesetzt wird – als Totengräber der absoluten CSU-Mehrheit in Bayern in die Geschichte eingehen wird. Jedenfalls, wenn das, was über das Thema Flüchtlinge und Obergrenze als “Lösung” aus dem Sondierungskreis bekannt wurde, von seinen potenziellen Wählern genau studiert wird.

Die CDU war natürlich auch irgendwie enttäuscht. Als effektiv positionslose Partei kann man natürlich die FDP-Gründe nicht nachvollziehen. Eine Partei verzichtet freiwillig auf Macht? Undenkbar für den Kanzlerwahlverein.

Amüsant fand ich die diversen Einlassungen von Steinmeier, der alles dafür tut, seinem Ruf als Nichtskönner gerecht zu werden. Alles Mögliche hat er thematisiert und natürlich vor diversen Szenarien gewarnt – Steinmeier ist ja ein passionierter Warner. Insbesondere hat er in Richtung AfD jegliche dem Bundespräsident eigentlich anstehende Neutralität vermissen lassen. Einmal Parteipolitiker, immer Parteipolitiker. Präsidiale Souveränität ist halt nicht jedem gegeben.

Wie geht es jetzt weiter? Ich hoffe, Deutschland bleibt noch möglichst lange ohne Regierung. Das Vorbild dazu ist Belgien. Die allermeisten Beschlüsse des Parlaments sind unnütz bis schädlich. Weniger ist mehr. Neuwahlen halte ich für keine Option. Denn welche neue Koalitionsoption soll sich daraus ergeben? Dann lieber eine Minderheitenregierung, vorzugsweise natürlich nicht unter einer Kanzlerin Merkel. Wobei die personellen Alternativen in den Reihen der CDU ebenfalls wenig attraktiv wirken.

Andere lesenswerte Blogbeiträge zum Thema: