Man sollte ja regelmäßig seine Prognosen und Vorhersagen damit abgleichen, wie sich die Realität dann tatsächlich – oftmals, wenn man sich geirrt hat, natürlich völlig ungerechtfertigt und unbegründet – entwickelt hat.
Ich so vor der Wahl: „Und nach der Wahl? Mehr Geld für Rüstung, Wiederaufleben der Wehrpflicht, etwas Kosmetik beim Rentenproblem, „Reform“ der Schuldenbremse (sprich: ungebremste Neuverschuldung für noch mehr Konsumausgaben des Staates), mehr Bürokratie, Herumhampeln beim Migrationsproblem mit ein paar Alibi-Aktionen wie gehabt.“ Ich stelle fest: mit einem gesunden Maß an Zynismus bezüglich der Lösungskompetenz gewählter Politiker lassen sich Vorhersagen beinahe punktgenau treffen. Wobei die „Kosmetik beim Rentenproblem“ sogar zu optimistisch war, da hat man ja jetzt erst mal eine Kommission in Aussicht gestellt – ich sage voraus, dass das enden wird wie bei der Herzog-Kommission und der Gesundheitsprämie (vulgo „Kopfpauschale“).
Besonders das Thema „Wehrpflicht“ wird ja noch etwas verklausuliert dargestellt, ein kluger Formulierer hat gesagt „wir streben einen freiwilligen Wehrdienst mit Pflichtelementen an“. Wahnsinn. Freiwillige Pflicht. Da muss man erst mal drauf kommen. Ganz abgesehen davon, dass die Bundeswehr strukturell gar nicht in der Lage ist, eine Wehrpflicht zu stemmen – keine Ausbilder, kein Material, keine Kasernen. Da muss man kreativ werden, was bei einem Verwaltungsmoloch wie der Bundeswehr wohl auszuschließen ist. Kleinodfund am Rande: zur Überraschung von genau gar niemandem kam eine Meinungsumfrage zum Ergebnis, dass die Alterskohorte 18-25 stark gegen eine Wehrpflicht ist, die Älteren hingegen sich das sehr gut vorstellen können.
Aber bezüglich Wehrpflicht war meine Vermutung schon immer, dass man eigentlich nur den guten alten Ersatzdienst wieder einführen will (natürlich inklusive der weiblichen Hälfte der Bevölkerung – Gleichstellung und so, ‚wissensschon), um der Pflegemisere mit billigen Arbeitskräften Herr zu werden. Nachdem das mit den Millionen an Flüchtlingen/Migranten/Einwanderern ja nicht so gut geklappt hat, nachdem die schnell verstanden haben, dass Bürgergeld + Schwarzarbeit die deutlich cleverere Alternative zum Mühsal der 40h-Woche ist.
Trotzdem will ich festhalten, dass meine schlimmsten Befürchtungen bezüglich der neuen Regierung nicht eingetroffen sind. Ab und zu hört man gar vom Kanzler sinnvolle Statements, das hielt man nach 16 Jahren Merkel und 3 Jahren Scholz ja schon gar nicht mehr für möglich. Tatsächlich entdeckt man durchaus beim einen oder anderen Statement ein recht gesundes Maß an Realitätssinn, vor allem bezüglich der Finanzierbarkeit diverser Wunschträume. Dass nun ausgerechnet die angekündigte Senkung der Stromsteuer diesem Realitätssinn zum Opfer gefallen ist – geschenkt. Der Qualitätsjournalismus schafft es bei diesem Thema ja, gleichzeitig die Positionen „für den einzelnen bringt eine Senkung ja eh nicht viel“ und „diesen Milliardenausfall kann sich der Staat nicht leisten“ zu vertreten. Die Mathematikabstinenz ist bekanntermaßen stark in diesem Berufszweig.
Immerhin gibt es dank Grenzkontrollen ein paar Lichtblicke bei der Zahl der Asylbewerber, und auch die vorliegenden Informationen zu Investitionen in Material für die Bundeswehr ist durchaus positiver zu sehen ich befürchtet hatte. Wenn man Geld für Waffen ausgibt, sollten die von der heimischen Industrie produziert werden, und zwar in solchen Stückzahlen, dass mindestens das europäische Ausland auch gleich dort bestellt – viele Premium-Preise heimischer Rüstungsprodukte kamen ja nur zustande, weil man Sonderentwicklungen in Kleinstserie beauftragt hatte, Stichwort „Goldrandlösung“. Man denke an das Fiasko rund um den Schützenpanzer Puma. Da scheint jetzt eher Realitätssinn eingekehrt zu sein – neuester Leo mit anständigen Stückzahlen beim Boxer, der bekanntlich universeller einsetzbar ist als anderes fahrendes Großgerät der Bundeswehr. Wenn jetzt noch die unsinnig teuren Fregatten gestrichen werden und endlich die deutsche Kernkompetenz, nämlich der Bau diesel- oder wasserstoffelektrischer U-Boote, forciert wird, besteht zumindest in diesem Teilgebiet Hoffnung. Wenn man jetzt noch die lächerlichen Rüstungsexportbeschränkungen aufgibt und unsere Industrie einfach mal exportieren lässt…das wäre eine einfache Wirtschaftsförderungsmaßnahme. Ob die freundliche Autokratie in Afrika, Südamerika oder im mittleren Osten die Bevölkerung mit deutschen, französischen, amerikanischen, chinesischen oder russischen gepanzerten Fahrzeugen unterdrückt, ist doch wirklich sowas von egal.