Die vier Phasen des Abstiegs

Der Brückeneinsturz zu Dresden ist Anlass für diese Überlegung. Woran erkennt man, dass sich eine Volkswirtschaft in einem Abwärtsstrudel befindet? Eine Skizze anhand des Zustandes der Straßenverkehrsinfrastruktur.

Der Normalzustand einer entwickelten wohlhabenden Industrienation ist eine einwandfreie, sichere und leistungsfähige Infrasruktur. Neubau und Instandhaltung laufen kontinuierlich, alternde Bausubstanz wird rechtzeitig saniert oder abgerissen und neu gebaut. Westdeutschland in den 80ern und 90ern dürfte ein gutes Beispiel für diesen Zustand sein.

Verlässt ein Land diesen Zustand, beginnt zuerst die Phase der Einschränkungen. Auf den Autobahnen werden Spuren gesperrt, Sanierungen dauern ewig und werden zeitlich zwecks Einsparungen lange gestreckt, es wird von der Substanz gelebt. Der Standstreifen wird temporär auf stark belasteten Strecken als Fahrspur freigegeben. Auch gerne genommen: Tempolimit auf Brücken, LKWs müssen Mindestabstände einhalten. So etwas wie der Einsturz einer Brücke ist aber immer noch nur im Falle von Naturkatastrophen denkbar.

Die nächste Phase des Niedergangs erleben wir jetzt. Das Prüfsystem für Infrastrukturteile wie Brückenbauwerke ist noch intakt und stellt den Niedergang fest – am Beispiel der Dresdner Carolabrücke verdeutlicht: die letzte TÜV-Untersuchung von 2021 ergab gravierende Mängel und Zweifel an der Brückenstabilität. Leider folgt aus diesem Prüfergebnis aber nichts mehr, weil die Verantwortlichen entweder zu dumm oder zu bösartig sind und Geld lieber für ideologischen Quatsch ausgeben als für den Erhalt der Infrastruktur. Diese Phase ist also gekennzeichnet durch ein Umsetzungsdefizit, nicht durch ein Erkenntnisdefizit – jedenfalls was gebildete, logisch denkende Menschen angeht. Dresdner Verantwortliche haben ja bis zuletzt den schlechten Zustand der Brücke geleugnet und sogar verhindert, dass der Öffentlichkeit eine ehrliche Bestandsaufnahme zur Verfügung gestellt wird. Nebenbei: dass die überregionale Presse sowie Rundfunk und TV solche Skandale, die auch Leib und Leben gefährden, nicht mehr für berichtenswert hält (oder alternativ: nichts davon wusste), ist ebenso erschreckend wie erwartet.

Die kommende Phase wird dann das Einstellen der Prüfbemühungen sein. Wenn aus Prüfungsergebnissen keine Aktion mehr abgeleitet wird, ist es ja nur folgerichtig, dass man wegen Sinnlosigkeit die Prüfungen einfach unterlässt. Spart Geld und ändert nichts. Dann können wir endlich wieder alle zusammen völlig überrascht davon sein, wenn irgendwo in Deutschland eine Brücke einstürzt.

Willkommen in Absurdistan. Die Dümmsten der Politiker werden jetzt wieder ein Aufheben der Schuldenbremse fordern, weil man ja die eigentlich für die Infrastruktur gedachten Einnahmen aus KfZ-Steuer und Mineralölsteuer (in gigantischer Höhe! Aber klar, die müssen ja auch noch zur Quersubvention des Schienenverkehrs herhalten) für anderweitige, sinnlose Ausgaben verplant hat.