Die US-Präsidentenwahl und die Zukunft des Journalismus

Als Propagandaverächter, Faktenverehrer und Liebhaber der deutschen Sprache ist die deutsche Medienlandschaft für mich ein einziges Grauen. Besonders alles rund um Wahlen, an denen Donald Trump teilnimmt, verursacht körperliche Schmerzen. Ausnahmslos ist die Presselandschaft ebenso untauglich wie unappetitlich, Fakten muss man mit der Lupe suchen, wildeste Behauptungen werden einfach so in den Raum gestellt und halten nicht mal einer 30s-Recherche stand.

Auf der Suche nach alternativen Informationsquellen vor allem in Sachen USA bin ich nun bei drei einigermaßen unabhängigen kostenlosen Mailings hängen geblieben. Für den allgemeinen Überblick nutze ich das 1440 Daily Digest. Hier werden nicht nur politische Themen angesprochen (und das in einer wohltuend unaufgeregten, faktenorientierten Art), sondern auch Kunst, Kultur und Wissenschaft kommen nicht zu kurz. Alles sehr US-lastig, aber kurz und kompakt. Empfehlenswert. Für Wirtschaftsthemen habe ich “The Daily Upside” ausgewählt. Der Querschnitt der ausgewählten Themen gefällt mir gut, die Texte sind auch für Nichtexperten gut zu lesen und enden oft mit einer witzigen Pointe. Zuletzt noch mein absoluter Favorit aus der Kategorie “Politik Deep-Dive”: Tangle. Im täglichen Tangle Newsletter steht ein typischerweise US-lastiges Thema im Mittelpunkt. Nach einer kurzen Übersicht zum Thema kommen je drei Pressestimmen zu diesem Thema aus dem eher linken und dem eher rechten Lager zusammengefasst und anständig zitiert zu Wort. Dann gibt es die Sektion “My Take”, wo der Tangle-Herausgeber Isaac Saul seine Sicht der Dinge kundtut. Und er tut das in einer sehr ausgewogenen, überlegten, kühl argumentierenden Art und Weise. Egal ob ich mit seinen Einschätzungen übereinstimme oder nicht – es gibt hier immer interessante Denkanstöße und Überlegungen, die einen zum Nachdenken anregen.

Deshalb will ich jedem ans Herz legen, zumindest bis zur Präsidentschaftswahl den Tangle-Newsletter zu abonnieren. Es ist kostenlos, und es erweitert den Horizont. Und es ist ein so angenehmer Kontrast zum typischen hiesigen Mediengeplapper – Trump böse, und Harris lächelt so nett. Und selbst der Trump-Beführworter bei Maischberger hat sich ein wenig in Kamala verliebt! Wer also genauso müde von den (möglicherweise mangels intellektueller Kapazität unfreiwilligen) Desinformationskampagnen hiesiger Medien ist wie ich – subscribe now!

Die Art und Weise, wie Tangle arbeitet, verleitet mich sogar zur vagen Hoffnung, dass wir hier die Zukunft des Journalismus sehen. Ich stelle mir das so vor: zu jedem Themengebiet gibt es ja echte Experten. Viele schreiben Blogs oder machen YouTube-Videos oder treiben sich in Foren herum. Themen kommen in diesem Zielszenario als neutrale Meldungen über Presseagenturen in den News-Kreislauf. Die Experten äußern sich dazu. Die Journalisten sammeln die Kernpunkte der Experten und stellen so ein breites Meinungssprektrum zusammen. Wer wenig Zeit hat, liest halt kompaktere Zusammenfassungen, wer viel Zeit hat, folgt direkt den Quellen für die Themen, die ihn interessieren.

Das hätte unglaublich viele Vorteile: die intellektuelle Eingeschränktheit der heutigen Journaille würde gar nicht mehr ins Gewicht fallen, und man müsste sich nicht mehr meterweise durch Propaganda graben, um an die wenigen Fakten-Nuggets zu kommen. Und die mangelhaften Deutschkenntnisse heutiger Journalistensimulanten würde auch nicht mehr so stören, weil nur noch ein paar Zitate per Füllwörter aneinanderegeklebt werden müssen.

Ja, die Idee gefällt mir gut. Bis das in der Breite nach meinen Wünschen umgesetzt ist, suche ich nach weiteren Exemplaren der Kategorie “Tangle”. Das Problem in Deutschland ist, dass man ja gar nicht drei eher rechte Pressestimmen heraussuchen könnte, weil es die bekanntlich nicht mehr gibt. Dreimal linksextrem und dreimal mitte-links wäre das Maximum an Spreizung, das man hierzulande hinkriegen könnte. Auf ein “deutsches Tangle” muss also keiner warten. Wird es nicht geben.