Wahlnachlese

Ein Gedanke beschäftigt mich bei Betrachten der Nachwahlberichterstattung. Der Einzug der AfD in den Bundestag mit knapp 13% scheint ja alle anderen Themen (außer vielleicht der Koalitionsoption “Jamaika”) zu überstrahlen. Insbesondere die doch erheblichen Verluste der bisherigen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD.

Nun wird ja allerorten in der veröffentlichten Meinung der Qualitätsmedien auf die AfD und diejenigen, die AfD gewählt haben, eingeprügelt. Auch der von mir sehr wenig geschätzte Kabarettist Florian Schröder hat seine Meinung, alle AfD-Wähler seien Rassisten, weil sie ja eine Partei gewählt haben, in der ein Teil des Personals des Rassismus verdächtigt werden, zur besten Sendezeit in den Staatsmedien äußern dürfen. Einer ähnlichen Logik zufolge sind Wähler aller anderer Parteien übrigens Vollidioten. Aber das nur nebenbei. Also: die AfD ist ganz furchtbar schlimm, und deshalb allerorten Unverständnis darüber, warum jemand denn die gewählt hat.

Wie wäre es, den Spieß mal umzudrehen: was wäre, wenn die Wähler gar nicht mit einigen oder gar den meisten Positionen der AfD übereinstimmen (z.B. den Positionen zur EU, zum Euro, zu den Flüchtlingen, zum Asylrecht, zum Rechtsstaat, zur Wirtschaftspolitik, zur Steuerpolitik, zur Ehe für Alle, zum Schuldkult, zum Islam, zur Energiewende…)? Was könnte denn dann die Wähler dazu getrieben haben, trotzdem die AfD für die bessere Alternative zu den etablierten Parteien zu halten und zu wählen?

Wie schlecht also muss der AfD-Wähler die bisherige Regierung mitsamt der Opposition im Bundestag gefunden haben, dass er trotz der offiziell festgestellten Furchtbarkeit der AfD dort sein Kreuz gemacht hat? Könnten die erdrutschartigen Verluste des Regierungslagers vielleicht damit zu tun haben, dass nur die Partei als Alternative zum “Weiter so” gesehen wurde, die die Alternative schon im Namen trägt?

Ich bin gespannt, ob wir von CDU/CSU und SPD zu diesem Thema jemals eine schonungslose Aufarbeitung erwarten können. Aus Erfahrung mit vergangenen Wahlklatschen würde ich prognostizieren: auf keinen Fall. Und so, wie sich die Parteien schon früher verhalten haben, legt es den Schluss nahe, dass diese Aufarbeitung nicht mal intern erfolgt. Auch derzeit sehe ich – außer ganz verhalten bei der CSU – keinerlei Hinweise auf Selbsterkenntnis.

Der von mir sehr geschätzte Werwohlf hat in seinem Blog sehr Intelligentes zur Wahl geschrieben. Lesebefehl!