Zum Umgang mit Russland

Spätestens mit dem Beginn des russischen Angriffskrieg mitten in Europa gegen die Ukraine wird wieder über das Großthema “Geld verdienen und Moral” diskutiert. Meist in Bezug auf das Konzept “Wandel durch Handel” (alternativ “Wandel durch Annäherung”), das irgendein Illusionär und/oder Naivling (vermutlich Egon Bahr) in den 60ern des vergangenen Jahrhunderts ins Spiel gebracht hat.

Schon die erste Implementierung des Konzepts, die neue Ostpolitik der sozialliberalen Koalition ab 1969, ist ja ein kapitaler Fehlschlag gewesen. Das Ende des eisernen Vorhangs und der kommunistischen Diktatur im Osten Europas endeten wegen der Pleite des Kommunismus, forciert durch die clevere Strategie “wir rüsten sie einfach tot” die maßgeblich auf Ronald Reagan zurückgeht. Mit einem nicht zu unterschätzenden Beitrags des damaligen Technologie-Embargos nebst dem beginnenden Informationszeitalters – der Neid im Osten auf den Wohlstand im Westen war m.E. ein signifikanter Treiber der friedlichen Revolution beginnend in 1989.

Besonders die Gasgeschäfte oder generell Rohstoffgeschäfte mit Russland werden ja rückblickend als irgendwie verwerflich dargestellt. Ich halte das für eine merkwürdige Einschätzung. Ich bin strikt gegen eine Vermischung von politischem Moralisieren mit wirtschaftlichen Interessen. Ist doch eine super Sache, wenn wir Gas preiswert von Russland kaufen können. Dumm war halt nur sich in die Abhängigkeit zu begeben, aber das war halt politische Kurzsichtigkeit wie sie die deutsche Energiepolitik generell seit Jahrzehnten prägt. Lange Pipelines sind der Weg in die Abhängigkeit, LNG war schon seit mindestens 40 Jahren das Mittel der Wahl um Anschluss an den Weltmarkt mit all seinen preissenkenden Konkurrenzeffekten zu bekommen. Blöd, wenn man das dann ab 2022 hektisch nachholen muss (und bis heute nicht fertig ist und bei den Lieferanten Premium-Zuschläge bezahlen darf).

Die moralische Komponente von wirtschaftlichen Transaktionen wird sowieso häufig merkwürdig einseitig betrachtet. Letztlich ist jede nicht-marktwirtschaftliche Komponente einer Überlegung wohlstandsreduzierend. Man könnte sagen: man opfert die Armen der Republik auf dem Altar der gefühlten moralischen Überlegenheit. Quasi die Definition von “unsozial”. Denn am Endergebnis ändert sich typischerweise nichts. Um es überspitzt zu formulieren: noch nie wurde ein Völkermord verhindert, indem ein deutsches Waffensystem NICHT exportiert wurde. Unter anderem deshalb, weil die ausländische Konkurrenz gerne liefert und sich nicht in Bedenkenträgerei ergeht, aber auch weil Völkermord auch mit Maschinenpistolen oder simplen Macheten funktioniert und Panzer dafür gänzlich unnötig sind.

Die Grenze würde ich dort ziehen, wo das Gefahrenmoment für uns selbst zu groß wird. Uranzentrifugen an den Iran? Schlechte Idee. Aber wie man am Beispiel Pakistan und Nordkorea sieht, sind unsere Einflussmöglichkeiten da leider begrenzt.

Unterm Strich bin ich gegen die – wie sie neuerdings genannt wird – wertebasierte Außenpolitik. Menschen und erst recht Politiker und politische Systeme ändern sich nicht, wenn man moralische Vorträge hält und sinnlose Symbolpolitik betreibt. Und die moralischen Vorträge lassen sich zudem zu Hause gut propagandistisch ausschlachten – “wir gegen die”, “gegen den Feind von außen” – das ist der Kitt, der Autokratien und Diktaturen zusammenhält. Ohne die Erzählung vom Klassenfeind wäre die glorreiche Sowjetunion kaum bis in die 90er gekommen.

Und so empfehle ich auch, dass Russland nach dem verlorenen Ukraine-Krieg recht bald wieder in die “Gemeinschaft der Völker” aufgenommen wird. Nach Zahlung von ein paar hundert Milliarden an Reparationen natürlich – Gas würde sich als Bezahlung anbieten. Auf keinen Fall hingegen Bezahlung durch Waffen aus russischer Produktion, da wissen wir ja jetzt, dass das Zeugs wirklich gar nichts taugt.