Hochsprung und Qualitätsjournalismus

Vorgestern im Handelsblatt Morning Briefing: Dick Fosbury ist gestorben. Jeder Leichtathletik-Interessierte kennt Dick Fosbury als Olympiasieger im Hochsprung von Mexiko-City 1968, neben Bob Beamon im Weitsprung (8,90m) die zweite Legende dieser Olympischen Spiele. Nicht aufgrund eines legendären Weltrekords wie im Falle von Beamon, sondern aufgrund seiner revolutionären Technik, die als “Fosbury-Flop” in die Geschichte einging – auch wenn er wohl nicht der Erfinder der Technik war, das wird einem recht erfolglosen Österreicher zugeschrieben.

So weit, so bekannt (zumindest für die Sport-Nerds). Wo ist die Verbindung zum Qualitätsjournalismus? Ich zitiere aus dem Text des Handelsblatts: “Er war der erste Athlet, der die Hochsprungstange in Rückenlage mit dem Kopf voran überquerte. Bis dahin waren die Athleten meist in der Frontalhocke über die Stange gesprungen.” Äh, nein. Frontalhocke, das war ganz ganz früher und gilt als vielleicht älteste Technik. Im 20. Jahrhundert hat das vernünftigerweise keiner mehr verwendet, schon im 19. Jahrhundert wurde weithin der “Schersprung”, auch “Scherenschlag” genannt, genutzt. Und kurz darauf sprang die ganze Welt im “Straddle” bäuchlings über die Latte. Auch nach Fosbury war das noch lange Zeit gängig, erst Anfang der 80er setzte sich der Fosbury-Flop auf ganzer Linie durch. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an den Zehnkämpfer Christian Schenk, der regelmäßig die größte Höhe im Hochsprung im Rahmen des Zehnkampfes erzielte, mit 2,27m lange Zeit Rekordhalter und letzter Straddle-Springer im Spitzensport – immerhin bis in die 90er hinein.

Und ja, solche Dinge hat man früher im Rahmen des Sportunterrichts an allgemeinbildenden Gymnasien gelernt. Heute könnte man sie auch einfach auf Wikipedia nachlesen. Wenn verstehendes Lesen und Lust auf Recherche und Bewusstsein für eigenes Nichtwissen noch notwendige Merkmale für Journalisten heutzutage wäre. Besonders peinlich, wenn solche Qualitätsmängel bei eigentlich themenfremden Randbemerkungen zutage treten. Man hofft, dass bei den wichtigen Themen solider recherchiert wird. Und zweifelt gleichzeitig dran, weil einfach bei allen Themen, bei denen man gut Bescheid weiß, dieselbe Misere zutage tritt.